T 0064/01 () of 29.1.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T006401.20030129
Datum der Entscheidung: 29 Januar 2003
Aktenzeichen: T 0064/01
Anmeldenummer: 95105595.3
IPC-Klasse: E04F 21/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Werkzeug zur Nacharbeit von Fugen aus dauerelastischer Fugenmasse
Name des Anmelders: Franz, Gerhard
Name des Einsprechenden: Bauteam Profi-Produkte GmbH
Lenser, Klaus
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (anerkannt)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 1. Dezember 2000 zur Post gegebene Entscheidung einer Einspruchsabteilung, das Europäische Patent EP-B-0 711 887 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zu widerrufen. Die zwei Einsprechenden hatten innerhalb der Einspruchsfrist ihre auf mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit gestützten Einsprüche zurückgenommen, und die Einspruchsabteilung hat das Einspruchsverfahren von Amts wegen gemäß Regel 60 (2) EPÜ fortgesetzt.

Die angefochtene Entscheidung hat sich auf folgende Entgegenhaltungen gestützt:

EI/5: DE-U-85 03 947;

EI/6: DE-U-87 08 414;

EII/1: Zeitschrift "Selbst ist der Mann: das Heimwerker-Magazin", Nr. 11, November 1988, Köln, Deckblatt und Seite 73.

II. Der Patentinhaber, nachfolgend Beschwerdeführer, hat am 12. Januar 2001 Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr am gleichen Tag entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 10. April 2001 eingegangen.

III. Der Beschwerdeführer hat zunächst die Frage der Zulässigkeit der Durchführung des Einspruchsverfahrens aufgeworfen, da seiner Auffassung nach die Voraussetzung dafür, nämlich daß ein wirksamer und zulässiger Einspruch im Zeitpunkt des Ablaufes der Einspruchsfrist vorliege, fehle. Weiterhin hat er einen neuen Anspruch 1 eingereicht mit folgendem Wortlaut:

"Werkzeug zur Nacharbeit von Fugen, die mit dauerelastischer Fugenmasse, insbesondere Kunststoffmasse gefühlt sind, welches eine ebene Platte mit einer im wesentlichen konstanten Dicke und mit einem umlaufenden, beidseitig senkrecht zur Plattenebene (1) überstehenden Rand (2) ist, der seinerseits aus drei aneinander anschließenden Kanten besteht, wobei zwei Kanten (3,4) gerade sind und eine Kante (5) bogenförmig verläuft, wobei die beiden geraden Kanten (3,4) sowie die längere der beiden geraden Kanten (3) und die gebogene Kante (5) einen (Tippfehler von der Kammer berechtigt) spitzen Winkel einschließen, dadurch gekennzeichnet, daß das Werkzeug aus einem Elastomer besteht und im Innern relativ dünn und weich ist und somit durch Biegen optimal angepaßt werden kann."

Er hat die Patenfähigkeit dieses Anspruchs gegenüber den Offenbarungen der genannten Entgegenhaltungen verteidigt. Zur Stützung seiner Argumente hat er auch die folgenden Anlagen überreicht:

Anlage B1: LUEGER, Lexikon der Technik, Band 3, Seiten 630 und 631;

Anlage B2: Brockhaus Enzyklopädie, 19. Auflage, 9. Band (GOT-HERP), Seite 502 (Tabelle).

Am 18. Dezember 2002 hat er auf Anforderung der Beschwerdekammer einen vollständigen Satz der Patentansprüche sowie eine an diese angepaßte Beschreibung eingereicht.

IV. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents EP-0 711 887 auf der Grundlage der am 18. Dezember 2002 nebst angepaßter Beschreibung eingereichten Ansprüche 1 bis 10 sowie des Figurenblattes, wie ursprünglich eingereicht, hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Durchführung des Einspruchsverfahrens

Gemäß Artikel 99 (1) EPÜ gilt ein Einspruch als eingelegt, wenn die Einspruchsgebühr entrichtet worden ist. Der Wortlaut von Artikel 99 (1) Satz 1 EPÜ stellt nur auf die fristgerechte Einlegung des Einspruchs ab. Dessen Rücknahme macht seine Einlegung nicht ungeschehen, und allein auf die Einlegung kommt es für die Ingangsetzung des Einspruchsverfahrens an. Der Zeitpunkt der Rücknahme ist nach den gesetzlichen Bestimmungen ohne Belang. Auch nach Regel 57 (1) EPÜ "teilt die Einspruchsabteilung dem Patentinhaber den Einspruch mit", d. h. nach Eingang. Eine Beschränkung, daß der Einspruch nur mitgeteilt wird, wenn er bei Ablauf der Einspruchsfrist noch vorliegt, ist dagegen aus der Bestimmung nicht herleitbar. Die vom Beschwerdeführer aufgestellte Bedingung, daß ein fristgerecht eingelegter Einspruch darüber hinaus auch noch bei Fristablauf vorliegen müsse, ist eine zusätzliche Bedingung, die im EPÜ einer Grundlage entbehrt.

Deshalb ist die Durchführung des Einspruchsbeschwerdeverfahrens gemäß Regel 60 (2) EPÜ zulässig.

3. Patentfähigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1

Der Anspruch entspricht der der Einspruchsabteilung als Hilfsantrag vorgelegenen Fassung.

Zulässigkeit

3.1. Der Oberbegriff des Anspruchs 1 entspricht dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 und dem erteilten Anspruch 1. Die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebenen Merkmale stützen sich auf den ursprünglichen Anspruch 10 bzw. auf Spalte 3, Zeilen 30 bis 33, und auf Spalte 2, Zeilen 9 bis 11 der Patentanmeldung. Damit ist dieser Anspruch im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ und somit zulässig.

Neuheit

3.2. Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 wurde in der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage gestellt. Auch die Kammer kann keinen Grund für einen derartigen Einwand sehen, da aus keinem genannten Dokument der Gegenstand des Anspruchs 1 vollständig entnehmbar ist.

Erfinderische Tätigkeit

3.3. Die Entgegenhaltungen EI/5 und EI/6 offenbaren jeweils einen Fugenspachtel, der lediglich aus einer ebenen Platte besteht und somit keinen überstehenden Rand aufweist. In der EII/1, deren Vorveröffentlichung von der ersten Instanz geprüft und bestätigt wurde, ist ein "Glättfix" genannter Fugenglätter gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 dargestellt. Seite 73 dieser Zeitschrift scheint eine Werbeseite einer Firma zu sein und enthält hauptsächlich bildliche Darstellungen zum Dichten von Fugen. Obwohl diese Entgegenhaltung den Zweck der von einem überstehenden Rand umgebenen, ebenen Platte nicht explizit angibt, kann man der oberen Aufnahme entnehmen, daß beim Glattstreichen der Fuge das überschüssige, abgestriffene Fugenmaterial durch den umlaufenden Rand löffelartig vom Werkzeug aufgenommen wird. Somit stellt die EII/1 den am nächsten kommenden Stand der Technik dar.

Dem kurzen Text der EII/1 ist zu entnehmen, daß das Werkzeug ein Kunststoffkeil ist und somit aus Kunststoff besteht. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von diesem bekannten Werkzeug durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebenen Merkmale.

3.4. Gemäß der Beschreibung des Streitpatents wird durch das erste Unterschiedsmerkmal, nämlich das Elastomer als Material für das Werkzeug, eine ausreichende Flexibilität, eine genügende Festigkeit am Rand des Werkzeugs und eine Abriebfestigkeit des Werkzeugs erreicht. Außerdem muß gemäß dem zweiten Unterschiedsmerkmal die Flexibilität vor allem im Inneren des Werkzeugs gewährleistet werden, so daß die Fugen auch an unzugänglichen Stellen nachgearbeitet werden können und das Werkzeug leicht und mühelos zu handhaben ist (Spalte 2, Zeilen 13 bis 17 und Spalte 3, Zeilen 36 bis 38, der Beschreibung des Streitpatents).

3.5. Der Begriff "Kunststoff" in EII/1 läßt offen, wie hart oder weich das Material sein muß. Die löffelartige Ausbildung des Werkzeugs, wie sie sich aus der bereits erwähnten Aufnahme darstellt, die kein Biegen des Werkzeugs beim Glätten zeigt, läßt eher die Verwendung eines relativ harten Kunststoffes vermuten.

3.6. Da sich bei den bisher zum Ausformen von Fugen benutzten, dünnwandigen Kunststoffschablonen wegen ihrer relativ großen Härte ein Verschmieren der Fugenränder nicht vermeiden ließ, schlägt die Entgegenhaltung EI/5 vor, das keilförmige, ebene Werkzeug mit einer Dicke von 15. mm aus Gummi oder einem gummiähnlichen Material mit einer Shorehärte von z. B. 64 herzustellen, so daß aufgrund der damit erreichten Elastizität der mit einem Freiwinkel versehenen Schneidkante diese im Bereich des spitzen Winkels angeordnete Schneidkante den Unebenheiten an den Fliesen-Oberflächen folgen kann. Eine Shorehärte von 64 ist allerdings eine Härte, die sich zwischen den Materialien Feldspalt und Quarz einordnet, wie dies aus den Anlagen B1 und B2 hervorgeht. Bei einem mit einer solchen Dicke versehenen Werkzeug, das aus einem Gummimaterial dieser Härte besteht, wäre ein Verbiegen mit der Hand unmöglich. Die Kombination der EII/1 mit der EI/5 führt deshalb nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1. Insbesondere ist diesen beiden Dokumenten kein Hinweis auf ein Biegen des plattenförmigen Teils des Werkzeugs zu entnehmen.

In der angefochtenen Entscheidung wurde festgestellt, daß Anspruch 1 sowie die Beschreibung des Streitpatents keine genauen Angaben über die Härte des Elastomers geben, so daß die Offenbarung des Streitpatents Hartgummi einschließt. Nach dem Streitpatent und insbesondere Anspruch 1 müssen aber das Elastomer bzw. Thermoplast und die Dicke der ebenen Platte des Werkzeugs so gewählt werden, daß ein Biegen möglich ist. Die Entgegenhaltungen EII/1 und EI/5 können den Fachmann auf diese Lehre nicht hinleiten.

3.7. EI/6 offenbart lediglich ein ähnliches Werkzeug aus einem "abriebfesten, kompakten Gummikörper" ohne weitere Hinweise auf irgendwelche Elastizität bzw. irgendwelches Biegen des Werkzeugs. Der Begriff "kompakt" suggeriert eher ein Werkzeug aus harten Gummimaterial, das kein Biegen des Werkzeugs erlaubt, so daß derselbe Schluß wie oben, Punkt 3.6., folgt.

3.8. Die anderen, oben nicht zitierten, jedoch im Einspruchsverfahren genannten Dokumente (EI/1 bis EI/4) sind Katalogseiten oder Beweismittel, die im wesentlichen den bereits oben erwähnten "Glättfix"-Fugenspachtel betreffen. Sie bringen keine zusätzliche Informationen.

3.9. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die Patentansprüche 2 bis 10 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 2 bis 9 und 11, sind auf Patentanspruch 1 rückbezogen und haben ebenfalls Bestand. Die Änderungen in der Beschreibung betreffen lediglich eine kurze Würdigung des Standes der Technik nach EII/1 sowie die Anpassung an den geänderten Anspruch 1. Die geltenden Unterlagen sind damit im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ. Unter diesen Umständen ist es nicht nötig, auf den Hilfsantrag des Beschwerführers einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Europäische Patent EP-0 711 887 aufgrund der folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 10, eingegangen am 18. Dezember 2002;

- Beschreibungsseiten 1 bis 7, eingegangen am 18. Dezember 2002;

- Figurenblatt wie ursprünglich eingereicht.

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