European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2002:T111400.20021126 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 November 2002 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1114/00 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95109172.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60R 1/12 E05F 15/20 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Innenrückblickspiegel für Kraftfahrzeuge | ||||||||
Name des Anmelders: | Reitter & Schefenacker GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | MAGNA REFLEX HOLDING GMBH | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit und erfinderische Tätigkeit (bejaht) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der von der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) gegen das europäische Patent Nr. 0 689 963 eingelegte, auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ im Hinblick auf die US-A-4 447 808 (D1) gestützte Einspruch führte zum Widerruf des Patents mit der am 29. September 2000 zur Post gegebenen Entscheidung.
II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 10. November 2000 unter rechtzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 26. Januar 2001 eingegangen.
In der Beschwerdeerwiderung hat die Beschwerdegegnerin neben der D1 noch auf die Druckschriften
(D2) DE-A-2 511 406
(D3) DE-A-3 147 281
(D4) EP-A-0 165 817
verwiesen.
III. Am 26. November 2002 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis des Hauptantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, hilfsweise auf der Basis des Hilfsantrages (= Hilfsantrag II, eingereicht am 28.10.2002).
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.
IV. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:
"Innenrückblickspiegel für Kraftfahrzeuge, mit einem Spiegelfuß (1), an dem ein Spiegelgehäuse (2) verstellbar gelagert ist, das einen Aufnahmeraum aufweist, in dem ein Spiegelglasträger (4) und ein Kugelgelenk (3) untergebracht sind, über das das Spiegelgehäuse (2) gegenüber dem Spiegelfuß (1) verschwenkbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß im Aufnahmeraum zumindest ein Teil einer Garagentorsteuerung (16) angeordnet ist, daß der Aufnahmeraum durch eine im Querschnitt konkave Kappe (18) verschließbar ist, die lösbar mit einem Spiegelgehäuseteil (18') verbunden ist und diesen übrigen Gehäuseteil (18') zum kompletten Spiegelgehäuse (2) ergänzt, daß die Kappe (18) dem Spiegelglasträger (4) gegenüberliegend vorgesehen und für von der Garagentorsteuerung (16) ausgesandte Signale durchlässig ist, und daß die Garagentorsteuerung (16) mit einem Sender (17) für die Signale versehen ist, der an der Kappe (18) befestigt ist."
Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag enthält den gesamten Text des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag, an dessen Ende noch der Teilsatz "und auf von der Innenseite der Kappe (18) abstehenden Stegen (19 bis 21) aufliegt".
V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Der Innenrückspiegel nach dem Streitpatent unterscheide sich von dem nach der D1 ganz wesentlich dadurch, daß die Kappe (18) das rahmenförmige Spiegelgehäuseteil zu einem kompletten Spiegelgehäuse in Form eines im wesentlichen gestalterischen Elements ergänzt und der Sender der Garagentorsteuerung an dieser Kappe befestigt ist, was die Montage bzw. Demontage wesentlich erleichtere. Die D1 offenbare einen Innenspiegel mit einem komplett ausgebildeten Spiegelgehäuse, wobei ein weiteres Gehäuse zur Aufnahme der Garagentorsteuerung entweder an das Spiegelgehäuse angeklebt oder mit diesem zu einem einzigen einstückigen Gehäuse vereinigt sei. Der angeklebte, separate Gehäuseteil diene daher nicht zur Ergänzung des schon in kompletter Form vorliegenden Spiegelgehäuses. Auch die weiteren Entgegenhaltungen gäben keinen Hinweis in die vom Streitpatent eingeschlagene Richtung, das somit vom Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt sei.
VI. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:
Das in der D1, Spalte 3, Zeilen 27 bis 29 als Ausführungsbeispiel mit "eliminierter Gehäusewand 21" erwähnte Spiegelgehäuse nehme den Gegenstand des Anspruchs 1 im wesentlichen neuheitsschädlich vorweg, da das den Spiegel aufnehmende Gehäuseteil zusammen mit dem daran angeklebten und somit lösbaren, den Sender mit Batterie aufnehmenden Gehäuseteil, von außen betrachtet, ein komplettes Spiegelgehäuse darstellen würde. Die Garagentorsteuerung sei daher wie beim Streitpatent ebenfalls an einem eine im Querschnitt konkave Kappe darstellenden Gehäuseteil befestigt. Für den Fall, daß die bei der D1 genannte Klebeverbindung zwischen den zwei Gehäuseteilen nicht als lösbar im Sinne des Streitpatents angesehen werden sollte, sei es für einen Fachmann naheliegend, anstelle einer Verklebung zwischen den beiden Spiegelteilgehäusen z. B. eine lösbare Schraubverbindung vorzusehen, wie dies aus dem Stand der Technik, insbesondere der D4 bekannt sei, nach der an das offensichtlich noch nicht komplett ausgebildete Spiegelgehäuse eine Lichteinheit 40 als ergänzendes Gehäuseteil angeschraubt sei.
Auch die durch Deckel 34, 36 verschließbaren Öffnungen in dem ergänzenden Gehäuseteil nach der D1 stellten kein Unterschiedsmerkmal zum beanspruchten Gegenstand dar, denn dieser weise, wie aus dessen Zeichnung ersichtlich ist, ebenfalls offene Gehäusebereiche auf, durch die der Spiegelfuß ins Innere des Spiegelgehäuses geführt werde. Der beanspruchte Gegenstand sei somit, wenn schon nicht neu, dann zumindest naheliegend und daher nicht erfinderisch.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 65 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Hauptantrag
2.1. Innenrückblickspiegel für Kraftfahrzeuge mit einem im Aufnahmeraum des Spiegelgehäuses untergebrachten, zum Verschwenken des Spiegel dienenden Kugelgelenk der im Oberbegriff des Anspruchs 1 angegebenen Gattung sind, wie dies auch die Beschwerdeführerin festgestellt hat, allgemein bekannt.
Bei dem durch die D1 offenbarten Innenrückblickspiegel ist zwar aus den Figuren 1 bis 3 zu schließen, daß das zur Einstellung des Spiegel dienende Kugelgelenk im Spiegelfuß 18 und nicht im eigentlichen Spiegelgehäuses 12. angeordnet ist, wobei die in Spalte 2, erster Absatz erwähnte, am Gehäuse 12 angebrachte Betätigungsvorrichtung 16 einen im Spiegelgehäuse 12 angeordneten Kippmechanismus auslöst, um den Spiegel zum Zwecke des Abblendens leicht zu kippen. Da der Beschreibung der D1 kein Hinweis auf die Anordnung des Kugelgelenks zu entnehmen ist und die Figuren auf die Anordnung des Kugelgelenkes außerhalb des Spiegelgehäuses hinweisen, unterscheidet sich der beanspruchte Innenrückspiegel schon aufgrund der anderen Kugelgelenkanordnung gattungsgemäß vom Spiegel nach der D1.
Weiterhin befindet sich die bei der D1 (in Teilübereinstimmung mit dem Streitpatent) im Spiegelbereich vorgesehene Garagentorsteuerung nicht in einem als komplette und vollständige Spiegeleinheit ausgebildeten Spiegelgehäuse 12, sondern in einem separaten, eigens zur Nachrüstung des kompletten Spiegelgehäuses dienenden Zusatzgehäuse 20, 22, dessen Vorderwand 21 bzw. (wenn gemäß Spalte 3, Zeile 27 bis 29 der D1 dessen Vorderwand fehlt) dessen Seitenwand 23 mit der Rückwand 13 des eigentlichen Spiegelgehäuses verklebt ist. Dieses zur Aufnahme der Garagentorsteuerung dienende Zusatzgehäuse stellt somit im Gegensatz zum Streitpatent keine Kappe dar, die einen "übrigen Gehäuseteil des Spiegelgehäuses" zu einem kompletten Gehäuse ergänzt. Dieses im Kennzeichen des Anspruchs 1 des Streitpatents ausdrücklich formulierte Teilmerkmal setzt nämlich voraus, daß das den Spiegel aufnehmende Gehäuseteil noch kein vollständiges Spiegelgehäuse für einen im Kraftfahrzeug zu installierenden Spiegel darstellt, sondern, wie dies beispielsweise im Ausführungsbeispiel nach der Figur 1 des Streitpatents gezeigt ist, ein in Richtung der Windschutzscheibe offenes Spiegelrahmenelement 18. Zudem sind bei der D1 der Sender 30 und die Batterie 32 der Garagentorsteuerung offensichtlich nicht infolge einer lösbaren Verbindung zwischen Spiegelgehäuse und Zusatzgehäuse zugänglich, sondern über eigene, im Zusatzgehäuse angebrachte und durch plattenförmige Deckel 34, 36 verschließbare Öffnungen. Im Gegensatz hierzu definiert das Teilmerkmal "lösbar" im Anspruch 1 des Streitpatents, wie dies ausdrücklich in der Beschreibungseinleitung, Spalte 1, Zeilen 38 bis 40 des Streitpatents klargestellt ist, eine zum Austausch der Garagentorsteuerung leicht lösbare Verbindung. Bei der D1 beweisen die genannten Öffnungen, daß die Verklebung zum Zwecke des Austausches von Teilen der Garagentorsteuerung nicht lösbar sein muß.
Die in den Figuren der D1 gezeigte und im Einzelnen beschriebene, aus Spiegelgehäuse und Zusatzgehäuse bestehende Baueinheit unterscheidet sich daher vom beanspruchten Innenrückblickspiegel durch die vorstehend genannten Merkmale.
Auch die in der Beschreibung der D1 erwähnte Möglichkeit (Spalte 1, Zeilen 46, 47 und Spalte 3, Zeilen 22 bis 27), den Spiegel zusammen mit dem Abblendmechanismus und dem Spiegelfuß im Gehäuse 22 der Garagentorsteuerung anzuordnen und somit eine nicht trennbare Originalausstattung zur Verfügung zu stellen, unterscheidet sich vom Streitpatent wesentlich durch die andere Art der Zugänglichkeit, die auch bei dieser Ausführung offensichtlich über zwei durch Deckel verschließbare Öffnungen gegeben sein muß und nicht durch Aufteilung des Gesamtgehäuses in einen ersten Gehäuseteil und eine ein Zusatzgehäuse darstellende Kappe, an der der Sender befestigt und durch einfaches Abnehmen der Kappe leicht zugänglich ist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents ist daher im Vergleich zum Offenbarungsinhalt der D1 neu.
Dies gilt auch für die weiteren Entgegenhaltungen D2 bis D4, bei denen Innenrückspiegelgehäuse in verschiedenen Ausführungsformen dargestellt sind, die jedoch keine Garagentorsteuerung enthalten.
2.2. Die zur Lösung der Aufgabenstellung des Streitpatents, nämlich den Innenrückblickspiegel bei einfacher konstruktiver Ausbildung mit zumindest einem Teil einer Garagentorsteuerung zu versehen, dienende Lehre nach dem Anspruch 1 ermöglicht aufgrund der lösbar gehaltenen, den Aufnahmeraum verschließenden Kappe einen einfachen Austausch der Elemente der Garagentorsteuerung, wobei das Spiegelgehäuse keine besondere Formgebung zur Aufnahme der Garagentorsteuerung benötigt. Durch die Auftrennung des Spiegelgehäuses in einen ersten Gehäuseteil und einem diesen zum vollständigen Spiegelgehäuse ergänzenden Zusatzgehäuseteil wird ein gemeinsamer leicht zugänglicher Aufnahmeraum für die wesentlichen Bestandteile des Innenrückblickspiegels einschließlich der Garagensteuerung geschaffen. Dabei wird ein Teil des an sich bei normaler Formgebung schon vorhandenen Gehäusebereichs als lösbare im Querschnitt konkave Kappe ausgebildet, an der der Sender der Garagentorsteuerung befestigt ist.
Diese Gestaltung des Innenrückblickspiegels gemäß Anspruchs 1 hat zur Folge, daß der an der Innenseite der Kappe befestigte Sender nach Lösen der Kappe vom übrigen Gehäuseteil des Spiegels in der gelösten Kappe verbleibt und daher für weitere Arbeiten an seiner Steuerung besonders leicht zugänglich ist.
Wie im vorstehenden Absatz 2.1 ausgeführt ist, ist bei dem Innenrückblickspiegel nach der D1 die Garagentorsteuerung anders untergebracht und ihre Zugänglichkeit wird auf andere Weise gewährleistet. Bei der in den Figuren der D1 dargestellten Ausführungsmöglichkeit, bei der gegebenenfalls die vordere Wand 21 des die Garagensteuerung enthaltenden Zusatzgehäuses 20, 22 weggelassen werden kann, ist aufgrund der nach wie vor vorhandenen Rückwand 13 des kompletten Spiegelgehäuses kein gemeinsamer Aufnahmeraum für Spiegelglasträger und Garagentorsteuerung vorhanden. Selbst dann, wenn solch ein gemeinsamer Aufnahmeraum durch Einbau des Spiegelglasträgers in das Gehäuse der Garagentorsteuerung gemäß der weiteren in der D1 beschriebenen Ausführungsvariante geschaffen wird, ist der Zugang zur Garagentorsteuerung, z. B. zum Austausch bzw. zur Einstellung der Steuerungselemente nur über zwei zusätzliche im Gehäuse angebrachte und durch zwei Deckel verschließbare Öffnungen möglich. Die bekannten Konstruktionen nach der D1 weisen somit, was die Anordnung und die Zugänglichkeit der Garagentorsteuerung im Spiegelgehäuse anbelangt, in eine vom Streitpatent wegweisende Richtung.
Auch dem weiteren Stand der Technik nach den Druckschriften D2, D3 und D4, die sich nicht mit dem Einbau einer Garagentorsteuerung in einen Innenrückspiegel befassen, ist ein Hinweis in Richtung der beanspruchten Spiegelgestaltung nicht zu entnehmen, da es sich lediglich um die Befestigung bzw. Aufteilung von Spiegelgehäusen handelt, die entweder keine Zusatzelemente für den Spiegel enthalten oder die (wie bei der D4) ein Spiegelgehäuse betreffen, bei dem zusätzlich eine mit einer Garagentorsteuerung nicht vergleichbare Beleuchtungseinheit angebaut ist.
2.3. Aufgrund dieser Betrachtungen kommt die Beschwerdekammer zu dem Schluß, daß der Gegenstand nach dem Anspruch 1 des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Das Patent hat somit auf der Basis des Hauptantrags Bestand, so daß es sich erübrigt, auf den Gegenstand des Hilfsantrags einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen aufrechtzuerhalten.