T 1057/00 () of 3.7.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T105700.20020703
Datum der Entscheidung: 03 Juli 2002
Aktenzeichen: T 1057/00
Anmeldenummer: 95101752.4
IPC-Klasse: B62D 1/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verstellbare Lenkeinrichtung
Name des Anmelders: Dr.Ing.h.c. F. Porsche Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Änderungen - unzulässige Anspruchserweiterung (Hauptantrag)
Erfinderische Tätigkeit - bejaht (Hilfsantrag)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0331/87
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 8. Mai 2000 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Anmeldung 95 101 752.4 (EP-A-0 673 825) zurückzuweisen.

II. Im Laufe des Prüfungsverfahrens wurden folgende Druckschriften von der Prüfungsabteilung genannt:

D1: EP-A-0 366 951

D2: DE-C-3 914 608

D3: US-A-5 009 120.

Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, daß eine Kombination der Offenbarungen der D2 und der D1 bzw. der D3 und der D1 den Gegenstand des Anspruchs 1 nahelege.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 4. Juli 2000 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 8. September 2000 eingereicht worden. Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin u. a. einen geänderten Anspruch 1 eingereicht, in dem ein Merkmal des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 nicht mehr enthalten war. In einem Bescheid gemäß Artikel 12 VOBK teilte die Beschwerdekammer ihre vorläufige Meinung mit, daß in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung das gestrichene Merkmal als wesentlich hingestellt sei. Das Streichen des Merkmals verletze daher den Artikel 123 (2) EPÜ. Nach einem Schriftwechsel beantragte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 3. Juni 2002, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis folgender Unterlagen zu erteilen:

Gemäß Hauptantrag:

U. a. Ansprüche 1 bis 19 entsprechend Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 27. November 2001;

gemäß Hilfsantrag:

Ansprüche: Nr. 1 bis 19, eingereicht mit Schreiben vom 3. Juni 2002, eingegangen am 4. Juni 2002;

Beschreibung: Seiten 1 bis 9, eingereicht mit Schreiben vom 3. Juni 2002, eingegangen am 4. Juni 2002;

Figuren: 1 bis 11 in der ursprünglich eingereichten Fassung; 12. bis 14, eingereicht mit Schreiben vom 15. Januar 1997, eingegangen am 17. Januar 1997.

IV. Der geltende Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet:

"Verstellbare Lenkeinrichtung für Kraftfahrzeuge mit einer Spannvorrichtung (3), wobei

- eine Lenkspindel (11) in einem axial verschiebbaren Lenkschutzrohr (10) angeordnet ist,

- die Spannvorrichtung (3) ein das Lenkschutzrohr (10) haltendes und zum Verschieben freigebendes betätigbares Druckelement (14) aufweist, das eine dem Lenkschutzrohr (10) zugerichtete Verzahnung (19) aufweist, die durch ein federndes Spannelement (21) in korrespondierender Verbindung mit einer Verzahnung (20) des Lenkschutzrohes (10) steht, und

- die Spannvorrichtung (3) einen das Druckelement (14) beaufschlagenden Keilkörper (3c) umfasst, der unter der Spannung einer Druckfeder (28) steht, wobei die Druckfeder (28) den Keilkörper (3c) in einer Festsetzstellung kraftschlüssig am Druckelement (14) hält und in einer Verschiebestellung der Keilkörper (3c) entgegen der Spannung der Druckfeder (28) unter Freigabe des Druckelementes (14) verschiebbar ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

- das Lenkschutzrohr (10) in mindestens einem Mantelrohr (6) angeordnet ist,

- das Druckelement als Drucksegment (14) ausgebildet ist und

- der Keilkörper aus einem Kegelstück (3c) besteht."

Der geltende Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich von dem gemäß Hauptantrag im wesentlichen dadurch, daß er das im Anspruch 1 in seiner ursprünglich eingereichten Fassung enthaltene Merkmal, daß die respektiven Verzahnungen "durch ein federndes Spannelement" in Verbindung miteinander stehen, enthält.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 19 gemäß Hilfsantrag betreffen Ausführungsbeispiele des Gegenstands des Anspruchs 1.

V. Bezüglich der das federnde Spannelement betreffenden Änderung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag argumentiert die Beschwerdeführerin im wesentlichen wie folgt:

Das federnde Spannelement werde in der ursprünglichen Beschreibung erst in einer Stelle erwähnt, die lediglich bevorzugte Ausgestaltungen des Gegenstands der Erfindung betreffe und es werde nicht als wesentlich hervorgehoben. Aus dem ursprünglichen Anspruch 1 sei herleitbar, daß auch andere (zusätzliche) Mittel geeignet seien, die Funktion des federnden Spannelements zu erfüllen. Das federnde Spannelement trage vor allem zu einem Komfortgewinn bei der Verstellung der Lenksäule bei. Ein Weglassen des federnden Spannelements führe wegen der Möglichkeit einer Zahn-auf-Zahn Stellung nicht zu einer Verschlechterung des Crashverhaltens, denn die respektiven Verzahnungen würden in einer Crash-Situation unter Wirkung der Federbelastung der Spannvorrichtung in Eingriff miteinander gelangen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Die Anmeldung betrifft in ihrer ursprünglichen Fassung verschiedene Ausführungsvarianten einer Lenkeinrichtung für Kraftfahrzeuge mit einer axial verstellbaren Lenksäule. Eine Verstelleinrichtung mit in Eingriff miteinander bringbaren Verzahnungen ist Gegenstand der Ansprüche 1 bis 20, 22 bis 27, von denen nur der Anspruch 1 als unabhängiger Anspruch abgefaßt ist. Gegenüber diesem Anspruch 1 ist der geltende Anspruch 1 u. a. dadurch geändert worden, daß das Merkmal eines federnden Spannelements gestrichen wurde. Gemäß Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist das Streichen eines Merkmals aus einem unabhängigen Anspruch u. a. nur dann zulässig, wenn der Fachmann unmittelbar und eindeutig erkennen würde, daß das Merkmal in der ursprünglichen Offenbarung nicht als wesentlich hingestellt wird, siehe z. B. T 331/87 (ABl. EPA 1991, 22). Es ist somit notwendig, die Offenbarung der ursprünglichen Anmeldung bezüglich des gestrichenen Merkmals zu prüfen.

2.1. Der Gegenstand des ursprünglichen Anspruchs 1 ist eine axial verstellbare Lenkeinrichtung, bei der zwei Verzahnungen unter Wirkung einer Spannvorrichtung in eine Fest- und eine Verschiebestellung bringbar sind. Ein Drucksegment weist die eine Verzahnung auf, während das Lenkschutzrohr mit der anderen Verzahnung versehen ist. Das Drucksegment wird gemäß dem ursprünglichen Anspruch 1 "wenigstens durch ein federndes Spannelement" am Lenkschutzrohr gehalten. Aus der Beschreibung geht hervor, daß das federnde Spannelement die am Drucksegment vorgesehene Verzahnung gegen die andere Verzahnung drückt und somit die Zahn-auf-Zahn Stellung vermeidet (Seite 6, zweitletzter Absatz; Seite 2, zweitletzer Absatz, 3. und 4. Satz).

2.2. Laut der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung besteht die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe darin, "eine verstellbare Lenkeinrichtung zu schaffen, die eine einfache und sichere axiale Verstellung und Festsetzung bei gutem Crashverhalten gewährleistet" (Seite 1, 4. Absatz; Hervorhebung durch die Kammer). Es ist dem Fachmann bekannt, daß die Gefahr einer Zahn-auf-Zahn Stellung darin besteht, daß bei einem Crash die Verzahnungen aufgrund der Trägheiten der am Einrasten beteiligten Bauelemente nicht in Eingriff gelangen und somit durchrutschen können (siehe D1, Spalte 1, Zeilen 43 bis 48). Nach Auffassung der Kammer versteht der Fachmann, daß eine sichere Festsetzung bei gutem Crashverhalten nur dadurch erreichbar ist, daß die Zahn-auf-Zahn Stellung vermieden wird, was gemäß der Anmeldung das Vorhandensein wenigstens des federnden Spannelements voraussetzt.

2.3. Das federnde Spannelement wird in der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung auf der Seite 1 durch Bezugnahme auf den Anspruch 1, auf der Seite 2 im 4. Absatz und auf der Seite 6 im 6. Absatz erwähnt. Keine dieser Stellen erwähnt das Merkmal des federnden Spannelements lediglich in Zusammenhang mit einer vorteilhafter Ausgestaltung und keine andere Stelle in der Beschreibung widerspricht den genannten Textstellen. Auch zeigt keine der Figuren Verzahnungen ohne das federnde Spannelement.

2.4. Die Kammer kommt daher zu dem Schluß, daß aus der gesamten Offenbarung der ursprünglich eingereichten Anmeldung der Fachmann das Merkmal des federnden Spannelements als wesentlich für die Erfindung entnimmt. Der Hauptantrag verletzt wegen des Streichens dieses Merkmals somit Artikel 123 (2) EPÜ. Ihm kann daher nicht stattgegeben werden.

Hilfsantrag

3. Der Anspruch 1 gemäß diesem Antrag enthält das Merkmal des federnden Spannelements und vermeidet somit die oben erwähnte Verletzung des Artikels 123 (2) EPÜ. Der Gegenstand des Anspruchs unterscheidet sich im wesentlichen von dem in der ursprünglichen Fassung durch das Hinzufügen des letzten Teilsatzes im Oberbegriff (beginnend mit dem Wortlaut "die Spannvorrichtung (3) einen das Druckelement ... ") und des Merkmals, daß der Keilkörper aus einem Kegelstück besteht. Diese Merkmale sind in der ursprünglichen Anmeldung auf der Seite 7, 3. Absatz mit Bezug auf die Figur 10 offenbart. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 19 entsprechen im wesentlichen den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 5, 7 bis 11, 16, 17, 20, 22 bis 27. Die Änderungen in der Beschreibung betreffen im wesentlichen die Würdigung des weiteren Standes der Technik und die Anpassung an die geänderten Ansprüche. Die neu eingereichten Figuren 12 bis 14 entsprechen den ursprünglichen Figuren 13 bis 15. Bezüglich Artikel 123 (2) EPÜ bestehen somit keine Bedenken.

4. Den nächstliegenden Stand der Technik bildet D2. Diese Druckschrift offenbart bezüglich der Ausführungsform gemäß Figur 2 eine verstellbare Lenkeinrichtung für Kraftfahrzeuge mit einer Spannvorrichtung, die eine in einem axial verschiebbaren Lenkschutzrohr 1 angeordnete Lenkspindel aufweist. Die Spannvorrichtung weist ein das Lenkschutzrohr haltendes und zum Verschieben freigebendes betätigbares Druckelement 5 auf, das eine dem Lenkschutzrohr zugerichtete Verzahnung 6 aufweist, die durch ein federndes Spannelement 24 in korrespondierender Verbindung mit einer Verzahnung 4 des Lenkschutzrohres steht. Die Spannvorrichtung umfaßt einen das Druckelement beaufschlagenden Keilkörper 14, der unter der Spannung einer Druckfeder 16 steht, wobei die Druckfeder den Keilkörper in einer Festsetzstellung kraftschlüssig am Druckelement hält. Der Keilkörper ist in eine Verschiebestellung entgegen der Spannung der Druckfeder unter Freigabe des Druckelementes verschiebbar. Es sind vorzugsweise je zwei Keilkörper und Druckelemente spiegelbildlich symmetrisch zu der Mittellinie der Lenkspindel angeordnet (Anspruch 2). Die Querschnittsform der Keilkörper wird nicht erwähnt und ist aus den Figuren nicht herleitbar. Aus der Figur 2 ist ersichtlich, daß der Keilkörper 14 obere und untere Keilflächen unterschiedlicher Steigungen und in unterschiedlichen axialen Positionen aufweist. Es ist für den Fachmann erkennbar, daß in einer ersten Phase der Betätigung der Spannvorrichtung zur Festsetzung des Lenkschutzrohres der Keilkörper 14 sich nach rechts verschiebt (in Figur 2 aus der mit gestrichelten Linien dargestellten Stellung in die voll gezeichnete Stellung). Die obere achsparallele Führungsfläche des Keilkörpers kontaktiert das feste Widerlager 18 und die untere Keilfläche drückt die Verzahnung 6 in Eingriff mit der Verzahnung 4. In einer zweiten Phase bei weiterer Verschiebung des Keilkörpers nach rechts klemmt die obere flachere Keilfläche den Keilkörper zwischen den Widerlagern 18, 19 fest.

4.1. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem gemäß D2 dadurch, daß

- das Lenkschutzrohr in mindestens einem Mantelrohr angeordnet ist;

- das Druckelement als Drucksegment ausgebildet ist; und

- der Keilkörper aus einem Kegelstück besteht.

4.2. Ein als Kegelstück ausgebildeter Keilkörper ist aus dem übrigen genannten Stand der Technik nicht bekannt. D1 offenbart eine verstellbare Lenkeinrichtung für Kraftfahrzeuge, bei der zwei Keilkörper 11, 12 in Richtung der Verriegelungsstellung mittels einer zwischen den Keilkörpern liegenden Feder 13 beaufschlagt sind. Eine nicht dargestellte Betätigungsvorrichtung drückt die beiden Keilkörper gegeneinander in die Entriegelungsstellung. Der Querschnitt der Keilkörper wird nicht erwähnt. Selbst wenn der Fachmann die Keilkörper gemäß D1 kegelförmig ausbilden würde, gibt D1 keinen Anlaß, diese Form in der Einrichtung gemäß D2 zu verwenden, zumal die unsymmetrische Ausbildung der Keilflächen des Keilkörpers gemäß D2 mit einer Kegelform nicht vereinbar wäre. Bei der verstellbaren Lenkeinrichtung gemäß D3 weist der Keilkörper 84 eine besonders an die Gestaltung der Einrichtung angepaßte allgemein rechteckige Form auf. Weitere Druckschriften, die im Recherchenbericht genannt, aber von der Prüfungsabteilung nicht verwendet wurden, sind bezüglich des Merkmals eines Kegelstückes nicht relevant.

4.3. Die Kammer kommt schon aus diesem Grunde zu dem Schluß, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Eines Eingehens auf die unter Punkt 4.1 genannten weiteren Unterschiedsmerkmale bedarf es daher nicht. Weil die abhängigen Ansprüche 2 bis 19 sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 enthalten, gilt das ebenfalls für diese Ansprüche.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Beschreibung: Seiten 1 bis 9, eingereicht mit Schreiben vom 3. Juni 2002, eingegangen am 4. Juni 2002;

Ansprüche: Nr. 1 bis 19, eingereicht mit Schreiben vom 3. Juni 2002, eingegangen am 4. Juni 2002;

Figuren: 1 bis 11 in der ursprünglich eingereichten Fassung; 12. bis 14, eingereicht mit Schreiben vom 15. Januar 1997, eingegangen am 17. Januar 1997.

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