T 1029/00 (Pudding/VOAG) of 29.5.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T102900.20010529
Datum der Entscheidung: 29 Mai 2001
Aktenzeichen: T 1029/00
Anmeldenummer: 92103275.1
IPC-Klasse: A23L 1/187
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Pudding
Name des Anmelders: Voag, Josef
Name des Einsprechenden: (01) Gebr. Woerle GmbH
(02) EHRMANN AG
(03) Stichting Behartiging Octrooibelangen
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 108
European Patent Convention 1973 Art 122(1)
European Patent Convention 1973 Art 122(2)
European Patent Convention 1973 Art 122(3)
Agreement EPO GPO Art 1a 3
Schlagwörter: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (nein)
Zulässigkeit der Beschwerde (nein)
Eingang der Beschwerdegebühr im DPMA durch Bareinzahlung unwirksam gegenüber EPA
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0005/88
G 0002/97
J 0031/89
T 0881/98
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 92 103 275.1 betreffend einen "Pudding" wurde das europäische Patent Nr. 0 504 632 auf der Grundlage von fünf Ansprüchen der Patentanmelderin Milchwerke Aichach e.G. erteilt. Auf die Erteilung des Patents ist im Europäischen Patentblatt 94/44 vom 2. November 1994 hingewiesen worden.

II. Die Übertragung dieses Patents auf den nunmehrigen Beschwerdeführer Josef Voag vom 30. April 1997/12. Mai 1997 wurde gemäß Regel 20 EPÜ mit Wirkung vom 12. Mai 1997 im Patentregister eingetragen.

III. Gegen das erteilte Patent haben jeweils die Beschwerdegegnerin 01, 02 und 03 (Einsprechende 01, 02 und 03) Einspruch eingelegt und diesen mit mangelnder Neuheit, fehlender erfinderischen Tätigkeit und mangelnder Ausführbarkeit des Gegenstands des Patents begründet.

IV. Die Einspruchsabteilung hat mit der am 14. März 1997 zur Post gegebenen Entscheidung das Patent unter Artikel 102 (1) EPÜ widerrufen.

V. Auf Beschwerde des Patentinhabers hob die technische Beschwerdekammer am 15. April 1999 die Entscheidung der Einspruchsabteilung auf und verwies die Sache an die Einspruchsabteilung zurück, da diese zu Unrecht ihre Entscheidung auf die Verletzung von Artikel 84 EPÜ gestützt habe.

VI. Mit am 16. August 2000 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung das streitgegenständliche Patent erneut widerrufen, da die zuletzt vom Patentanmelder gestellten Haupt- und Hilfsanträge nicht das Merkmal der Neuheit gemäß Artikel 54 EPÜ erfüllten. Diese Entscheidung wurde am 22. August 2000 dem bestellten Vertreter des Beschwerdeführers mittels eingeschriebenen Brief mit Rückschein zugestellt.

VII. Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2000, eingegangen am 18. Oktober 2000, legte der Vertreter des Patentinhabers namens und im Auftrag des Patentinhabers Beschwerde mit dem Antrag ein, die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 16. August 2000 aufzuheben. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, daß die Beschwerdegebühr entrichtet ist. Die Begründung der Beschwerde wurde einem gesondertem Schriftsatz vorbehalten.

VIII. Am 29. November 2000 ging ein Schriftsatz des Vertreters des Patentinhabers und Beschwerdeführers beim Europäischen Patentamt ein, mit dem ein Scheck in Höhe der Beschwerde- sowie der Wiedereinsetzungsgebühr vorgelegt wurde. Gleichzeitig wurde für den Patentinhaber ein Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gestellt. Der Patentinhaber trägt hierzu vor, er habe die Beschwerdegebühr von DM 2000,- am 20. Oktober 2000, also noch vor Ablauf der Beschwerdefrist, in bar, allerdings versehentlich bei der Zahlstelle des Deutschen Patent- und Markenamts unter Angabe des Aktenzeichens der europäischen Patentanmeldung, eingezahlt. Der Patentinhaber sei der Auffassung gewesen, daß eine Einzahlung beim Deutschen Patent- und Markenamt fristwahrend sei. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, daß auf Schreiben des Europäischen Patentamts niemals ein Konto des Amts angegeben sei. Aufgrund des angegebenen Aktenzeichens hätte das Deutsche Patent- und Markenamt den Betrag an das Europäische Patentamt weiterleiten müssen, so daß der Betrag noch innerhalb der laufenden Beschwerdefrist dort hätte eingehen können.

IX. Nach einer Mitteilung der Kammer vom 5. Januar 2001 berief sich der Patentinhaber mit Schreiben vom 6. Februar 2001 auf die Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Deutschen Patent- und Markenamt und dem Europäischen Patentamt, nach der bestimmte an das Europäische Patentamt gerichtete Postsendungen fristwahrend auch beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht werden können. Die vom Patentinhaber beim Deutschen Patent- und Markenamt für vorliegende Beschwerde vorgenommene Bareinzahlung der Beschwerdegebühr sei rechtlich analog den Postsendungen zu behandeln und somit fristwahrend erfolgt. Das Deutsche Patent- und Markenamt habe fehlerhaft die Beschwerdegebühr an den Patentinhaber zurückbezahlt, obwohl die zutreffende Anmeldenummer für vorliegende europäische Patentanmeldung auf der Bareinzahlungsquittung angegeben war. Für das Verschulden des Deutschen Patent- und Markenamts habe der Patentinhaber nicht einzustehen.

X. Der Patentinhaber beantragt,

- die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 16. August 2000 zum Widerruf des europäischen Patents Nr. EP-B-0 504 632 aufzuheben und wegen der Versäumung der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Die Beschwerdegegnerin Ehrmann AG beantragt,

- die Beschwerde zurückzuweisen.

Für den Fall der Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde kein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

Entscheidungsgründe

1. Wirksamkeit der Beschwerdeeinlegung

Gemäß Artikel 108, Satz 2 EPÜ gilt die Beschwerde erst dann als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist. Eine ohne Zahlung der Gebühr eingelegte Beschwerde bleibt ohne rechtliche Wirkung und ist rechtlich nicht existent. Die Beschwerde muß ferner nach Artikel 108, Satz 1 EPÜ innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung der anzufechtenden Entscheidung beim Europäischen Patentamt eingelegt werden. Hieraus ergibt sich, daß auch die Beschwerdegebühr in der selben Frist eingezahlt werden muß, um die Wirksamkeit der Beschwerdeeinlegung innerhalb der 2-Monatsfrist sicherzustellen. Gemäß Regel 78 (1), (2) EPÜ gilt die Entscheidung auch bei vorheriger Zustellung durch Rückschein am 26. August 2000 als zugestellt, da die Entscheidung am 16. August 2000 zur Post gegeben wurde. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde lief für den Beschwerdeführer daher am 26. Oktober 2000 ab (Regel 83 (1), (2), (4) EPÜ).

Die Beschwerdegebühr ist jedoch erst am 29. November 2000 durch Scheckeinreichung beim Europäischen Patentamt und somit nach Ablauf der 2-Monatsfrist eingegangen.

2. Maßgebender Zahlungstag (Artikel 8 (1) a) Gebührenordnung)

2.1. Artikel 5 Gebührenordnung (GebO) regelt die Art und Weise, in der die Gebühren an das Europäische Patentamt gezahlt werden können und zwar:

a) Durch Einzahlung oder Überweisung auf ein Bankkonto des Amts,

b) durch Einzahlung oder Überweisung auf ein Postscheckkonto des Amts,

c) durch Übergabe oder Übersendung von Schecks, die an Order des Amts lauten, oder

d) durch die aufgrund der Ermächtigung des Artikels 5 (2) GebO durch den Präsidenten geregelte Zahlung über das laufende Konto.

Eine Postanweisung oder Bareinzahlung ist seit dem 2. März 1999 mit Änderung der Gebührenordnung nicht mehr möglich.

Nach Artikel 8 (1) a) GebO gilt im Fall der Überweisung auf ein Bankkonto als Tag des Eingangs einer Zahlung beim Europäischen Patentamt der Tag, an dem der eingezahlte oder überwiesene Betrag auf dem Bankkonto des Amts tatsächlich gutgeschrieben wurde.

2.2. Der Beschwerdeführer hat durch Vorlage der Kopie eines Einzahlungsbelegs nachgewiesen, daß die Beschwerdegebühr in Höhe von DM 2000,- am 20. Oktober 2000, also noch vor Ablauf der Beschwerdefrist, beim Deutschen Patent- und Markenamt München anstatt beim Europäischen Patentamt bar eingezahlt wurde.

2.3. Es ist somit zu prüfen, ob die zwischen dem Deutschen Patent- und Markenamt einerseits und dem Europäischen Patentamt andererseits bestehende Verwaltungsvereinbarung über den Zugang von Schriftstücken und Zahlungsmitteln vom 29. Juni 1981 (ABl. EPA 1981, 381) in der geänderten Fassung vom 13. Oktober 1989 (ABl. EPA 1991, 187) eine Rechtsgrundlage für die Anerkennung der bei dem Deutschen Patent- und Markenamt vorgenommenen Bareinzahlung als rechtzeitig eingegangene Beschwerdegebühr beim Europäischen Patentamt bietet.

In Artikel 1 (1) dieser Verwaltungsvereinbarung (VerwVerE 1989) ist geregelt, welche an das Europäische Patentamt gerichtete Sendungen, die beim Deutschen Patent- und Markenamt eingehen, so behandelt werden als wären sie unmittelbar beim Europäischen Patentamt eingegangen. Danach werden von der Verwaltungsvereinbarung nur Schriftstücke (vgl. Artikel 1 VerwVerE 1989) und dem gleichgestellt Fernschreiben, Telekopien und Telegramme (vgl. Artikel 3 VerwVerE 1989) erfaßt. Gemäß Artikel 1 (4) VerwVerE 1989 sollen an das Europäische Patentamt gerichtete Schriftstücke, die durch Überbringer an einer Annahmestelle des Deutschen Patent- und Markenamts abgegeben werden, nicht angenommen werden. Schließlich regelt Artikel 1 (5) VerwVerE 1989 die Sachbehandlung von mit der Post beim Deutschen Patent- und Markenamt eingehende, aber für das Europäische Patentamt bestimmte Zahlungsmittel. Beträge, die an das Europäische Patentamt zu entrichten und auf eines der Konten des Deutschen Patent- und Markenamts überwiesen worden sind, sollen hingegen an den Einzahler zurückgezahlt werden.

2.4. Entsprechend dem obiter dictum im Punkt 2 der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 16. November 1990 (G 5/88, ABl. EPA 1991, 137) kann davon ausgegangen werden, daß der Präsident des Europäischen Patentamts gemäß Artikel 10 (2) a) EPÜ befugt war, die Verwaltungsvereinbarung als für die Tätigkeit des Europäischen Patentamts zweckmäßige Maßnahme abzuschließen, um ungerechtfertigte Rechtsverluste der Beteiligten zu verhindern, die sich aus der räumlichen Nähe des Deutschen und Europäischen Patentamts in München und von deshalb leicht möglichen Fehlzustellungen ergeben. Gegenstand der VerwVerE 1989 ist nicht eine generelle Übertragung der Empfangszuständigkeit des Europäischen Patentamts auf das Deutsche Patent- und Markenamt, was wegen Verstoßes gegen die rechtlich höherrangigen Vorschriften des EPÜ bedenklich wäre, sondern ausschließlich eine "Briefkastenregelung", die in der organisatorischen Verwaltungsbefugnis des Präsidenten des Europäischen Patentamts liegt. Das Deutsche Patent- und Markenamt wird durch die Vereinbarung nicht für Sendungen an das Europäische Patentamt empfangszuständig, sondern übernimmt für das Europäische Patentamt lediglich die Funktion eines räumlich ausgelagerten Briefkastens und die organisatorisch notwendigen Registrier- und Dokumentationsarbeiten, die zur ordnungsgemäßen "Leerung" dieses Briefkastens und zur Trennung von der Post, die an das Deutsche Patent- und Markenamt gerichtet ist, erforderlich werden. Entsprechend dieser "Briefkastenfunktion" schließt die VerwVerE 1989 auch für das Deutsche Patent- und Markenamt die Berechtigung zur Entgegennahme von an das Europäische Patentamt gerichtete Schriftstücke aus, wenn diese durch Überbringer abgegeben werden sollen, und beläßt die Befugnis zur Ausstellung von Empfangszeugnissen beim Europäischen Patentamt (Artikel 1 (3) und (4) VerwVerE 1989). Schließlich ordnet die VerwVerE 1989 ausdrücklich an, daß Beträge, die an das Europäische Patentamt zu entrichten sind, aber auf ein Konto des Deutschen Patent- und Markenamts überwiesen werden, an den Einzahler zurückzuzahlen sind (Artikel 1 (5) VerwVerE 1989). Auch in dieser Regelung wird offenbar, daß die VerwVerE 1989 keine Empfangszuständigkeit des Europäischen Patentamts auf das Deutsche Patent- und Markenamt überträgt, sondern ausschließlich die Mitbenutzung von dessen Posteinlaufstelle durch das Europäische Patentamt organisatorisch und verwaltungstechnisch regelt.

Von der Verwaltungsvereinbarung werden daher nur ganz bestimmte tatsächliche und abschließend in der Vorschrift angeführte Postvorgänge erfaßt. Eine über diesen Regelungsgehalt hinausgehende Auslegung der Verwaltungsvereinbarung 1989 ist schon deshalb ausgeschlossen, weil eine solche erweiterte Regelung mangels Ermächtigungsnorm im EPÜ auch nicht hätte beschlossen werden können.

2.5. Die vom Patentanmelder am 20. Oktober 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt vorgenommene Bareinzahlung ist kein tatsächlicher Postvorgang, der durch die VerwVerE 1989 geregelt ist, da diese nur den Eingang von Schreiben, Fernschreiben, Telekopien und Telegramme zum Gegenstand hat.

Auch wenn gemäß Artikel 1 (5) VerwVerE 1989 in der Post für das Europäische Patentamt beigelegte Zahlungsmittel einschließlich Bargeld durch das Deutsche Patent- und Markenamt anzunehmen sind, können reine Bareinzahlungen dem nicht gleichgestellt werden, da sie nicht mittels Postübermittlung erfolgen. Eine Bareinzahlung entspricht im tatsächlichen Ablauf eher der Abgabe eines Schriftstücks durch einen Überbringer, die gemäß Artikel 1 (4) VerwVerE 1989 nicht mit Wirkung für das Europäische Patentamt durch Vornahme gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt erfolgen kann.

Die Bareinzahlung des Patentanmelders bei dem Deutschen Patent- und Markenamt in der anhängigen Streitsache ist daher nicht gemäß Artikel 1 (3) VerwVerE 1989 so zu behandeln, als sei diese am 20. Oktober 2000 beim Europäischen Patentamt eingegangen.

2.6. Tatsächlich wurde der beim Deutschen Patent- und Markenamt eingezahlte Betrag auch nach dem Sachvortrag des Patentanmelders zu keinem Zeitpunkt vom Deutschen Patent- und Markenamt an das Europäische Patentamt weitergeleitet. Soweit Artikel 8 (3) GebO in besonderen Fällen die Gefahr der rechtzeitigen Geldübermittlung bei Einschaltung eines Geldinstituts auf das Europäische Patentamt überträgt, kann diese Regelung schon mangels Weiterleitung des Geldes an das Europäische Patentamt auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden. Darüber hinaus war das Deutsche Patent- und Markenamt kein zur Geldübermittlung eingeschaltetes Bankinstitut oder Postamt, sondern der vom Patentanmelder bestimmte Empfänger des Geldes gewesen.

2.7. Die vom Patentinhaber am 20. Oktober 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt vorgenommene Bareinzahlung kann daher unter keinem rechtlichen Aspekt als Zahlungszeitpunkt der gemäß Artikel 108 EPÜ fälligen Beschwerdegebühr anerkannt werden. Die Fehlvorstellung des Patentanmelders über die Art und Weise der gegenüber dem Europäischen Patentamt notwendigen Zahlungshandlungen kann nur bei der Prüfung des zusätzlich gestellten Wiedereinsetzungsantrags berücksichtigt werden.

3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (EPÜ Artikel 122 (1) bis (3))

3.1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr ist am 29. November 2000 und somit rechtzeitig innerhalb der 2-Monatsfrist gemäß Artikel 122 (2) EPÜ eingereicht worden, da der vorgetragene Hinderungsgrund (Unkenntnis über den Nichtzugang der Zahlung vom 20. Oktober 2000) erst durch einen Anruf der Geschäftsstelle des Europäischen Patentamts beim Verfahrensbevollmächtigten am 21. November 2000 bekannt wurde (Regel 83 (1), (2), (4) und 85 (1) EPÜ). Auch die versäumte Handlung (Zahlung der Beschwerdegebühr in Höhe von DM 2000,-) und die Zahlung der Wiedereinsetzungsgebühr wurde gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungantrag und damit vor Ablauf der 2-Monatsfrist nachgeholt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung erfüllt die formellen Voraussetzungen des Artikels 122 (2), (3) EPÜ und ist daher zulässig.

3.2. Eine Wiedereinsetzung ist gemäß Artikel 122 (1) EPÜ dann möglich, wenn

a) der Antragsteller "trotz Beachtung aller nach den vorgegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert worden ist gegenüber dem Europäischen Patentamt eine Frist einzuhalten" und

b) die Verhinderung einen Rechtsverlust zur unmittelbaren Folge hat.

3.2.1. Dem Beschwerdeführer droht durch die Nichteinhaltung der 2-Monatsfrist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr der Verlust des prozessualen Rechts auf substantielle Überprüfung seines Beschwerdevorbringens und der endgültige materielle Verlust des durch die angefochtene Entscheidung widerrufenen Patentrechts.

3.3.2. Der Beschwerdeführer hat zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags vorgetragen, er sei der Auffassung gewesen, daß eine Einzahlung der Beschwerdegebühr beim Deutschen Patent- und Markenamt fristwahrend sei. Eine nähere Begründung für den Grund dieser Rechtsauffassung wurde nicht dargelegt. Anlaß, entsprechend dieser falschen Rechtsauffassung eine Barzahlung vorzunehmen, soll aber gewesen sein, daß auf Schreiben des Europäischen Patentamts keine Kontoverbindungen angegeben waren.

Wie oben im einzelnen dargelegt, war die Rechtsansicht des Beschwerdeführers zur Empfangszuständigkeit des Deutschen Patent- und Markenamts rechtsirrtümlich.

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern reicht ein Rechtsirrtum als Wiedereinsetzungsgrund nicht aus. Ein Anmelder muß sich mit den vor dem Europäischen Patentamt geltenden Rechtsregeln vertraut machen, um seiner gemäß Artikel 122 (1) EPÜ gebotenen Sorgfaltspflicht nachzukommen (siehe z. B. T 881/98 vom 23. Mai 2000; J 31/89 vom 31. Oktober 1989, nicht im ABl. EPA veröffentlicht) und gegebenenfalls fachkundigen Rat einholen, sei es beim beauftragten oder einem zu beauftragenden zugelassenen Vertreter. Auch die Kenntnis der zur Wirksamkeit gebotenen Zahlungsweise von Gebühren fällt in den eigenen Pflichtenkreis des Anmelders. Durch Beschluß des Verwaltungsrats vom 10. Dezember 1999, veröffentlicht im Amtsblatt 1999, Seite 120, wurde die Möglichkeit einer Bareinzahlung von Gebühren mit Wirkung vom 2. März 1999 gänzlich ausgeschlossen. Die irrtümliche Annahme, eine an das Europäische Patentamt gerichtete Bareinzahlung könne beim Deutschen Patent- und Markenamt vorgenommen werden, beruht daher schon auf der Fehlvorstellung, daß unmittelbare Bareinzahlungen überhaupt noch möglich sind. Dieser Rechtsirrtum begründet daher eine Verletzung der in Artikel 122 (1) EPÜ vom Anmelder geforderten Sorgfaltspflicht.

3.3.3. Das Verfahren vor dem Europäischen Patentamt wird von den Grundsätzen des "Guten Glaubens" beherrscht. Danach soll niemand einen Rechtsnachteil erleiden, wenn er zu einem falschen Verhalten durch das Europäische Patentamt veranlaßt wird oder nicht rechtzeitig auf einen eigenen, noch behebbaren Verfahrensfehler hingewiesen wird, obwohl dieser für das Amt offensichtlich ist.

Der Beschwerdeführer kann sich nicht darauf berufen, eine unrichtige Bareinzahlung vorgenommen zu haben, weil auf Schreiben des Europäischen Patentamts keine Kontenverbindungen angegeben worden seien. Weder das Europäische Patentübereinkommen noch die hierzu erlassenen Ausführungsvorschriften verpflichten das Europäische Patentamt generell auf allen Schreiben oder in besonderen Einzelfällen, Kontenverbindungen ohne besondere Anfrage "automatisch" mitzuteilen. Der Anmelder muß sich nicht nur, wie oben dargelegt, mit den vor dem Europäischen Patentamt geltenden Rechtsregeln vertraut machen, sondern auch gegebenenfalls Kontenverbindungen selbst feststellen. Es handelt sich hierbei um eine Aufgabe, die ebenso in den Pflichtenkreis des Anmelders fällt wie die notwendige Adressenermittlung bei der ersten Kontaktaufnahme mit dem Amt. Das Europäische Patentamt ermöglicht jedem Anmelder auf einfache und vielfältige Weise, sich über die bestehenden Bank- und Postscheckkonten des Amts zu informieren. Hierzu genügt eine schriftliche oder telefonische Anfrage beim Amt, persönliche Vorsprache in der Informationsstelle des Amts, Abruf über die Internetadresse des Amts oder Einblick ins Amtsblatt, in dem monatlich die Kontenverbindungen veröffentlicht werden. Der anwaltschaftlich vertretene Beschwerdeführer hatte darüber hinaus die Möglichkeit, bei seinem Rechtsanwalt nähere Auskünfte zu erfragen.

In der Entscheidung vom 12. November 1998 (G 2/97, ABl. EPA 1999, 123) hat die Große Beschwerdekammer entschieden, daß der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht eingreift, sofern der Anmelder eine ihm selbst obliegende Verpflichtung nicht wahrnimmt, und daß ein Beschwerdeführer nicht erwarten kann, vom Europäischen Patentamt auf eine noch ausstehende Beschwerdegebühr hingewiesen zu werden. Dies gilt im vorliegenden Fall erst recht, da der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeschrift vom 17. Oktober 2000 die angeblich vorgenommene Entrichtung der Beschwerdegebühr dem Amt selbst mitteilte. Das Europäische Patentamt hatte keine Veranlassung oder gar Verpflichtung, Nachforschungen anzustellen, ob die Gutschrift der Beschwerdegebühr vor Ablauf der Beschwerdeeinlegungsfrist beim Amt tatsächlich erfolgte. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, daß aus dem im Einzahlungsbeleg des Deutschen Patent- und Markenamts angegebenen Aktenzeichen eine Gebührenzahlung an das Europäische Patentamt klar ersichtlich gewesen sei, ist eine unterlassene Aufklärung des Beschwerdeführers allenfalls ein Verhalten, das dem Deutschen Patent- und Markenamt, nicht aber dem Europäischen Patentamt zuzurechnen ist. Der Beschwerdeführer konnte auch nicht davon ausgehen, daß wegen Angabe dieses Aktenzeichens, das Deutsche Patent- und Markenamt den Betrag an das Europäische Patentamt weiterleitet. Wie oben dargelegt, ergibt sich eine solche Verpflichtung weder aus der VerwVerE 1989, noch aus anderen allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Wenn der Beschwerdeführer auf eine Weiterleitung des Geldes an das Europäische Patentamt vertraute, erfolgte dies auf eigenes Risiko und erfüllt nicht die von ihm gemäß Artikel 122 (1) EPÜ nach den gegebenen Umständen geforderte Sorgfaltspflicht.

3.3.4. Es ist daher festzustellen, daß das erste Erfordernis des Artikels 122 (1) EPÜ, nämlich der Nachweis der Beachtung aller gebotenen Sorgfalt, nicht erfüllt ist.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung kann daher nicht stattgegeben werden.

4. Kostenfolge

Da die Beschwerde entsprechend den obigen Ausführungen als nicht eingelegt gilt, ist die verspätet gezahlte Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt.

3. Die Beschwerdegebühr wird zurückerstattet.

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