T 0838/00 (Abwasserreinigung/MASSHOLDER) of 21.1.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T083800.20030121
Datum der Entscheidung: 21 Januar 2003
Aktenzeichen: T 0838/00
Anmeldenummer: 93909891.9
IPC-Klasse: C02F 9/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Zerstörung von freien und komplexen Cyaniden, AOX, Mineralöl, Komplexbildnern, CBS, Nitrit, Chromat und Abtrennung von Metallen in Abwässern
Name des Anmelders: Massholder, Karl F., Dr.
Name des Einsprechenden: VitaTec UV-Systeme GmbH
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nein, Lösung des Problems durch Handbuchwissen nahegelegt
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 93 909 891.9 wurde das europäische Patent Nr. 0 639 162 erteilt. Die Priorität einer in der Bundesrepublik Deutschland am 6. Mai 1992 eingereichten Voranmeldung wurde in Anspruch genommen.

Anspruch 1 des Streitpatents lautet wie folgt:

"Verfahren zur Zerstörung von Schadstoffen in Abwässern, wobei der zu behandelnde Abwasserstrom sequenziell folgende Verfahrensschritte durchläuft,

Behandlung des Abwasserstroms mit Wasserstoffperoxid (H2O2) bei gleichzeitiger Bestrahlung mit UV-Licht,

Behandlung mit einem Reduktionsmittel wie Natriumdithionit,

Fällung der vorhandenen metallischen Schadstoffe, gegebenenfalls gefolgt von einer Filtration und/oder einer Behandlung mit einem Selektiv-Ionenaustauscher."

Das Patent wurde nach Einspruch von einer Einspruchsabteilung des EPA widerrufen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde des Patentinhabers.

II. Als Einspruchsgründe sind genannt worden: mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) in Verbindung mit den Artikeln 54 (1) und 56 EPÜ).

Während des Einspruchsverfahrens wurde u. a. auf die nachfolgenden Druckschriften hingewiesen:

D1: Galvanotechnik, Band 83, Heft 9 (September 1992), Seiten 3110-3113,

D2: DE-A-3 501 528,

D7: Taschenbuch der Abwasserbehandlung für die metallverarbeitende Industrie, 2. Auflage, Seiten 46-52, 63-70 und 244-249.

III. Die Einspruchsabteilung hat die Neuheit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1 und der Gegenstände der Ansprüche gemäß den damals geltenden Hilfsanträgen anerkannt, deren erfinderische Tätigkeit jedoch verneint. Die Aufgabe der angeblichen Erfindung wurde darin gesehen, das aus D1 oder D2 bekannte UV/Wasserstoffperoxid-Oxidationsverfahren dahingehend zu verbessern, daß die Abwasserqualität weiter erhöht wird und vor allem auch die besonders abwassertoxischen Chromat-Ionen daraus entfernt werden, bzw. die bekannten Verfahren auch für chromathaltige Abwässer anwendbar zu machen. Die Lösung dieser Aufgabe durch Behandlung des mit Wasserstoffperoxid bei gleichzeitiger Einwirkung von UV-Strahlen behandelten Abwassers mit Natriumdithionit, um Chromat zu dreiwertigem Chrom zu reduzieren, wurde im Hinblick auf D7 als naheliegend betrachtet.

IV. Mit der Beschwerdebegründung hat der Beschwerdeführer vier neue Anspruchssätze gemäß Hilfsanträgen I bis IV eingereicht.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I unterscheidet sich von Anspruch 1 wie erteilt durch einen Vorbehandlungsschritt, in dem Wasserstoffperoxid diskontinuierlich dem Abwasser zugegeben wird.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II unterscheidet sich von Anspruch 1 wie erteilt durch die obligatorische Verwendung von Natriumdithionit als Reduktionsmittel.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III ist identisch mit Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I durch die Angabe, daß die Behandlung des Abwasserstroms mit Wasserstoffperoxid bei gleichzeitiger Bestrahlung mit UV-Licht bei einem pH-Wert <7 bis 2 durchgeführt wird.

In der Beschwerdebegründung wurde ausgeführt, daß die von der Einspruchsabteilung angenommene Aufgabenstellung nicht richtig sei und die beanspruchte Lösung durch keine der Entgegenhaltungen nahegelegt werde. Während der am 21. Januar 2003 durchgeführten mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer angegeben, die technische Aufgabe sei in der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, der Vereinfachung der Durchführbarkeit und der Erhöhung der Sicherheit des Verfahrens zu sehen. Es wurde zwar anerkannt, daß, abgesehen von dem hilfsweise beanspruchten Vorbehandlungsschritt, die beanspruchten Verfahrensschritte an sich bekannt seien, jedoch werde ihre jetzt beanspruchte Abfolge zur Lösung dieser Aufgaben durch die Entgegenhaltungen nicht nahegelegt.

V. Die Beschwerdegegnerin hat die Neuheit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 auf Grund des Dokuments D1 bestritten. Für die Betrachtung der erfinderischen Tätigkeit der Gegenstände der Ansprüche, für die die Priorität nicht anerkannt werden könne, sei von der Lehre aus D1 auszugehen. Wenn überhaupt Unterschiede vorlägen, dann seien diese im Hinblick auf D7 als naheliegend zu betrachten. Auch die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche, für die die Priorität anerkannt werden könne, seien aufgrund der Entgegenhaltung D2 in Kombination mit D7 für einen Fachmann naheliegend. Darüber hinaus sei die Fassung des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag IV nicht von der ursprünglichen Anmeldung gestützt und daher nach Artikel 123 (2) EPÜ nicht zulässig.

VI. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) beantragte als Hauptantrag die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs. Als Hilfsanträge 1 bis 4 beantragte der Beschwerdeführer die Aufrechterhaltung des Patents mit den Patentansprüchen der mit der Beschwerdebegründung vom 26. Oktober 2000 eingereichten Hilfsanträge I bis IV, gestellt in ihrer zahlenmäßigen Reihenfolge.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde des Patentinhabers.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Kammer folgt hinsichtlich der Bewertung der Neuheit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1 den Überlegungen der Einspruchsabteilung (siehe auch unter Punkt 3.2). Die Neuheit der Verfahren gemäß den unabhängigen Ansprüchen der Hilfsanträge ist wegen ihrer Einschränkungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 auch gegeben. Dies wurde auch nicht bestritten.

3. Hauptantrag

3.1. Ein zwingend vorgeschriebenes Merkmal des Verfahrens gemäß Prioritätsbeleg P4214974.6 ist die Verwendung von Natriumdithionit als Reduktionsmittel. Der erteilte Anspruch 1 ist durch die Formulierung "Behandlung mit einem Reduktionsmittel wie Natriumdithionit" breiter gefaßt. Es ist unbestritten, daß deshalb die Priorität der Voranmeldung DE 4214974 für dieses Verfahren nicht in Anspruch genommen werden kann. Für den Gegenstand des erteilten Patents ist daher D1 als Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ zu betrachten.

3.2. D1 offenbart, daß zwischen 1972 und 1991 bei der Firma Rimmler ein Verfahren zur Reinigung von cyanid- und chromhaltigem Abwasser aus der Galvanotechnik betrieben wurde, wobei die Cyanidoxidation mit Chlorbleichlauge und die Chromreduktion mit Natriumbisulfit durchgeführt wurde. Die metallischen Schadstoffe wurden durch Einstellug des pH-Werts gefällt und durch Filtration abgetrennt (Seite 3111, erster Absatz). D1 offenbart nicht explizit, daß die Chromatreduktion nach der Behandlung mit Chlorbleichlauge stattfindet, aber diese Reihefolge wird durch die dem Fachmann geläufige Art der chemischen Reaktionen vorgegeben (siehe z. B. D7, Seite 63, Kapitel 3.3 "Entgiftung 6-wertiger Chromverbindungen). Der Sinn der Chromatreduktion ist es, Chrom in einen Zustand überzuführen, in dem es durch Einstellung des pH-Werts gefällt und abgeschieden werden kann. Bei einer Chromatreduktion vor der Chlorbleichlaugebehandlung würde das dreiwertige Chrom wieder zu Chromat oxidiert und könnte nicht ausgefällt werden. In D1 wird ausgeführt, daß das Chlorbleichlaugeverfahren verschiedene Nachteile hat, so erhöht es die Salzfracht und den AOX-Wert des Abwassers und kann seine organischen Bestandteile nicht vollständig oxidieren (Seite 3112, rechte Spalte). Auf der Suche nach einem Ersatz für das Entgiften mit Chlorbleichlauge hat sich die Behandlung mit UV-Licht in Verbindung mit Wasserstoffperoxid (UV-Oxidations-Verfahren) als bestes Verfahren bewährt (Seite 3111, Absatz "Cyanid-Entgiftung"). Bei der Beschreibung des Verfahrensablaufs des UV-Oxidations-Verfahrens wird eine anschließende Behandlung mit einem Reduktionsmittel für die Chromatreduktion nicht angesprochen. Beschrieben wird, daß während des UV-Oxidations-Verfahrens bei einem Anfangs-pH-Wert von mindestens 9,5 ohne zusätzliche Zugabe von Fällungsmitteln eine Metallfällung stattfindet (Seite 3112, rechte Spalte, erster Absatz). Als Metalle werden in diesem Zusammenhang explizit nur Eisen und Nickel genannt. Ein Verfahren, bei dem das UV-Oxidations-Verfahren durch eine Behandlung mit einem Reduktionsmittel ergänzt wird, ist also in D1 nicht explizit offenbart.

3.3. In Bezug auf das Verfahren gemäß dem erteilten Anspruch 1 betrachtet die Kammer daher das in D1 anfangs beschriebene Verfahren zur Entgiftung von cyanid- und chromhaltigem Abwasser mit Chlorbleichlauge und Chromreduktion mit Natriumbisulfit als nächsten Stand der Technik. Ausgehend davon kann die Kammer auch die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, die Vereinfachung der Durchführbarkeit und die Erhöhung der Sicherheit des Verfahrens als Aufgabe in Betracht ziehen. Nach Streitpatent kann diese Aufgabe durch die Bereitstellung eines Verfahrens zur Zerstörung von Schadstoffen in Abwässern gemäß Anspruch 1 gelöst werden. Gemäß D1 werden durch den Ersatz des Chlorbleichlauge-Verfahrens durch das UV-Oxidations-Verfahren die Gesamtkosten um 15-20 % gesenkt, der Chemikalienverbrauch verringert und die Deponiekosten gesenkt (Seite 3112, rechte Spalte. letzter Absatz). Darin wird auch die hohe Lagerstabilität von Wasserstoffperoxid angesprochen, was die Sicherheit gegenüber der Verwendung von Chlorbleichlauge erhöht. Die Kammer ist daher davon überzeugt, daß die genannte Aufgabe durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 auch tatsächlich gelöst wurde. Weil aber die Lösung dieser Aufgabe, die darin besteht, die Chlorbleichlauge-Oxidation durch das UV-Oxidations-Verfahren zu ersetzen, in D1 selbst angezeigt wird, muß das Verfahren gemäß dem erteilten Anspruch 1 für die Reinigung von mit Cyanid und Chrom belasteten Abwässern als naheliegend betrachtet werden. Das Argument des Beschwerdeführers, daß die beanspruchten Verfahrensschritte in einen neuen Zusammenhang gebracht wurden trifft zwar zu, jedoch bedurfte es dazu keiner erfinderischen Tätigkeit, weil, wie oben ausgeführt, die Reihenfolge der Verfahrensschritte durch die dem Fachmann bekannten chemischen Bedingungen vorgegeben ist.

4. Hilfsanträge I und III

4.1. Das Verfahren nach Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen I und III unterscheidet sich vom Verfahren gemäß dem erteilten Anspruch 1 lediglich durch einen Vorbehandlungsschritt, in dem Wasserstoffperoxid diskontinuierlich dem Abwasser zugegen wird. Weil dieses Verfahren auch nicht auf die Verwendung von Natriumdithionit als Reduktionsmittel beschränkt ist, ist aus dem in Punkt 3.1 genannten Grund auch hier für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von D1 als nächstliegendem Stand der Technik auszugehen.

4.2. Im Streitpatent wird angegeben, daß durch Zugabe von Wasserstoffperoxid in der Vorbehandlungsstufe die leicht freisetzbaren Cyanide zerstört werden (Seite 3, Zeile 57). Diese Erkenntnis ist nicht neu. Auch D1 offenbart im Zusammenhang mit dem UV-Oxidations-Verfahren eine Vorbehandlung mit Wasserstoffperoxid, um das freie Cyanid zu oxidieren (Seite 3112, rechte Spalte, erster Absatz). D1 offenbart nicht, daß das Wasserstoffperoxid in der Vorbehandlungsstufe diskontinuierlich zugeführt wird. Eine Substanz kann jedoch nur entweder kontinuierlich oder diskontinuierlich zugefügt werden. Die Auswahl von einer aus zwei Möglichkeiten beruht in der Regel nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Im vorliegendem Fall ist nicht erkennbar und auch nicht glaubhaft gemacht worden, daß eine besondere Situation vorliegt, in der diese Regel nicht gilt, etwa weil der Fachmann gegen die Brauchbarkeit einer der Möglichkeiten Bedenken haben mußte. Zwar wird gemäß D1 während des UV-Oxidations-Verfahrens Wasserstoffperoxid kontinuierlich zugegeben, daraus folgt jedoch nicht, daß das Peroxid auch in der Vorbehandlungsstufe kontinuierlich zugegeben werden muß. Die diskontinuierliche Zugabe hat auch keine unerwartete Wirkung, die als Anzeichen für eine gezielte Auswahl angesehen werden könnte. Das Vermeiden einer unkontrollierten Schaumbildung bei der Zugabe von Wasserstoffperoxid, wie sie im Streitpatent angesprochen wird (Seite 3, Zeile 58 bis Seite 4, Zeile 13), bedingt nicht zwangsläufig eine diskontinuierliche Dosierung. Auch bei einer kontinuierlichen Zugabe kann die Dosierung durch Steuerung der Zuflußmenge kontrolliert werden. Es ist schließlich weder ersichtlich noch wurde vorgetragen, daß mit dieser Vorstufe in Kombination mit den übrigen naheliegenden Verfahrensschritten irgendeine andere als die in D1 beschriebene Wirkung verbunden ist (siehe Punkt 3.3). Das Verfahren nach Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen I und III beruht also nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Hilfsantrag II

5.1. Das Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II unterscheidet sich vom Verfahren gemäß dem erteilten Anspruch 1 durch die Beschränkung des Reduktionsmittels auf Natriumdithionit. Es ist unbestritten, daß für dieses Verfahren die Priorität der Voranmeldung vom 6. Mai 1992 beansprucht werden kann und D1 daher nicht als Stand der Technik zu betrachten ist. In der mündlichen Verhandlung ist die Beschwerdegegnerin in Bezug auf Hilfsantrag II von D2 als nächstem Stand der Technik ausgegangen. Dieser Vorgehensweise wurde vom Beschwerdeführer nicht widersprochen und auch die Kammer betrachtet D2 als nächsten Stand der Technik.

5.2. D2 betrifft ein Verfahren zur Oxidation schwer abbaubarer organischer Verbindungen, wie Komplexbildner und Schwermetallkomplexe, in Abwässern. Offenbart ist eine Behandlung des Abwassers mit Wasserstoffperoxid bei gleichzeitiger Einwirkung von UV-Licht und anschließender Entfernung der Schwermetalle durch eine Hydroxidfällung (Ansprüche 1 und 4 und Seiten 3 und 5). Als Beispiele für komplexgebundene Metalle werden Kupfer, Nickel, Zink und Cadmium genannt (Seite 4, Punkt 3). Chrom wird nicht erwähnt. Auf Grund seines allgemeinen Fachwissens ist es für einen Fachmann auch klar, daß mit dem Verfahren gemäß D2 Chrom nicht entfernt werden kann, weil es in oxidiertem Zustand nicht als Hydroxid ausgefällt werden kann (siehe D7, Seite 63). Ausgehend von D2 kann daher eine technische Aufgabe darin gesehen werden, das Verfahren gemäß D2 so weiter zu entwickeln, daß auch Abwässer gereinigt werden können, die außer den in D2 genannten Schwermetallen auch Chrom enthalten. Nach Anspruch 1 kann diese Aufgabe durch eine zusätzliche Behandlung mit Natriumdithionit gelöst werden. Aus Beispiel 1 geht hervor, daß auf diese Weise der Chromgehalt eines Abwassers vom 1,3 mg/l auf 0,1 mg/l gesenkt werden konnte. Die Kammer ist daher davon überzeugt, daß mit dem beanspruchten Verfahren die Aufgabe tatsächlich gelöst werden kann.

5.3. Die Entfernung von Chrom aus Abwässern ist in der Galvanotechnik ein bekanntes Problem. Sofern das Chrom als 6-wertiges Chrom (Chromat) vorliegt, was meistens der Fall ist, ist die Standardlösung dieses Problems eine Reduktion des Chromats zu 3-wertigen Chromverbindungen, gefolgt durch eine Ausfällung als Chromhydroxid; siehe D7, Seite 63, erster Absatz. Als Reduktionsmittel werden im Handbuch D7 an erster Stelle Schwefelverbindungen genannt, darunter auch Natriumdithionit (Seite 63, letzter Absatz, Seite 64, unter Punkt d). In Bezug auf Natriumdithionit wird erwähnt, daß dieses Mittel sehr effektiv ist und auch im neutralen oder alkalischen Medium noch wirksam ist (Seite 64 unter d) und Seite 66, letzter Absatz bis Seite 67, erster Absatz). Weil beim UV-Wasserstoffperoxid-Verfahren der pH-Wert ansteigt (D2, Seite 4, Punkt 5), wird ein Fachmann in Kombination mit dem UV-Wasserstoffperoxid-Verfahren gerade das Natriumdithionit als Reduktionsmittel in Betracht ziehen. Die Ergänzung des Verfahrens gemäß D2 mit einem Standardverfahren zur Entfernung von Chrom aus Abwasser ist für einen Fachmann eine naheliegende Erwägung zur Lösung der genannten Aufgabe. Weil eine Reduktionsstufe vor dem UV-Wasserstoffperoxid-Verfahren, wie bereits oben erwähnt, sinnlos ist, und eine Fällung des Chroms nach einer vorherigen Fällung der übrigen Schwermetalle offensichtlich unzweckmäßig ist, hat der Fachmann praktisch keine andere Wahl, als die Reduktion des Chromats wie beansprucht zwischen der UV/Wasserstoffperoxid-Behandlung und der Fällung der Schwermetalle vorzunehmen. Eine erfinderische Kombination von an sich bekannten Verfahrensstufen liegt daher nicht vor. Das Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II beruht also nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

6. Hilfsantrag IV

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I durch die Angabe, daß die Behandlung des Abwasserstroms mit Wasserstoffperoxid bei gleichzeitiger Bestrahlung mit UV-Licht bei einem pH-Wert <7 bis 2 durchgeführt wird. Der beanspruchte pH-Bereich ist weder in der Patentschrift noch in der ursprünglichen Anmeldung offenbart. Ursprünglich offenbart ist der Bereich "(pH >7 - 2)", siehe Seite 10 der veröffentlichten PCT Anmeldung. Die Auffassung des Beschwerdeführers die Angabe ">7" sei ein offensichtlicher Fehler, weil damit keine Obergrenze angegeben werde, wird weder durch das allgemeine Fachwissen noch durch die übrige Beschreibung gestützt. Der Fachmann würde der ursprünglichen Offenbarung entnehmen, daß das Verfahren sowohl im basischen Bereich (pH>7) als auch im schwach sauren Bereich durchgeführt werden kann. Dies ist auch im Einklang mit der übrigen Beschreibung. Der offenbarte pH Bereich steht in einem Satz, der aussagt, daß der pH-Wert in weiten Bereichen variieren kann und in der Regel weder eine Einstellung des pH-Wertes oder der Reaktionstemperatur zu erfolgen hat. Diesem Satz folgt die Angabe, daß insbesondere Abwässer aus der Metallindustrie oder von galvanischen Betrieben nicht mittels Säure oder Lauge auf einen optimalen pH-Wert eingestellt werden müssen und vorhandene Trübungen oder Niederschläge vor der UV-Oxidation nicht abgetrennt werden müssen. Letztere Angabe ist ein klarer Hinweis darauf, daß unter dem ursprünglich angegebenen pH Bereich auch pH Werte >7 zu verstehen sind. Der offenbarte Bereich ist also ein weiter Bereich im Sinne der ursprünglichen Offenbarung, während der jetzt beanspruchte Bereich eher als ein ziemlich begrenzter Bereich zu betrachten ist, der im Widerspruch steht zu seinem Kontext. Darüber hinaus wird gemäß Streitpatent die Vorbehandlung mit Wasserstoffperoxid bei einem pH-Wert oberhalb 8 durchgeführt (Seite 4, Zeilen 3 bis 13). Wenn also, wie bevorzugt, keine Säure hinzugefügt wird, findet auch die UV-Oxidation bei einem pH-Wert >7 statt. Aus alle dem folgt, daß der ursprünglich offenbarte pH Bereich nicht offensichtlich fehlerhaft war und der geänderte Bereich gemäß Hilfsantrag II sich nicht aus den ursprünglichen Unterlagen herleiten läßt. Hilfsantrag II kann also schon wegen dieses Verstoßes gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ keinen Erfolg haben.

Im übrigen könnte auch in der Auswahl eines pH-Bereichs zwischen 7 und 2, wenn sie zulässig wäre, keine erfinderische Tätigkeit gesehen werden. Für Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II gilt die Priorität nicht. Somit gehören für das darin beanspruchte Verfahren sowohl D1 als D2 zum Stand der Technik. Weil D2 für das UV-Oxidationsverfahren einen optimalen pH-Bereich zwischen 4 und 6 nennt (Seite 4, Punkt 5), folgt das Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II aus der naheliegenden Kombination der in D1 und D2 offenbarten Lehre zur Zerstörung von Schadstoffen aus Abwässern.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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