T 0711/00 () of 13.3.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T071100.20030313
Datum der Entscheidung: 13 März 2003
Aktenzeichen: T 0711/00
Anmeldenummer: 93909892.7
IPC-Klasse: E01B 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur temporären Verfestigung eines Schotterbettes
Name des Anmelders: KOCH MARMORIT GmbH
Name des Einsprechenden: Knape Vermögensverwaltung GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (bejaht)
Ausreichende Offenbarung - (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 24. März 2000, zur Post gegeben am 11. Mai 2000, das Europäische Patent Nr. 0 641 407 in beschränktem Umfang auf der Grundlage des folgenden geänderten Anspruchs 1 aufrechtzuerhalten:

"1. Verfahren zur temporären Verfestigung durch Verkleben eines Schotterbettes für Eisenbahngleise für die Zeit der Sanierung oder des Neubaus eines parallelen Gleisstranges, dadurch gekennzeichnet, daß ein Mehrkomponentenkleber in solcher Menge nur auf den Seitenbereich des Schotterbetts aufgetragen wird, daß eine Verankerung bis zum Untergrund erfolgt und dennoch die Hohlräume nicht gefüllt werden, so daß diese Verklebung später mechanisch wieder aufgebrochen werden kann, ohne die Wiederverwendung des Schottermaterials zu beeinträchtigen, wobei die Komponenten des Klebers räumlich voneinander getrennt mit einem Druck von 30 bis 200 bar an eine Mischkammer herangeführt, in der Mischkammer turbulent miteinander gemischt werden und das Gemisch mit einem Druck von 2 bis 6 bar in Form eines flachen vorhangartigen Filmes laminar auf das Schotterbett aufgetragen wird."

Der Einspruch war auf die Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) sowie der fehlenden Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ) gestützt.

II. Die Einsprechende (im folgenden Beschwerdeführerin) hat die Beschwerde am 28. Juni 2000 eingelegt und die Beschwerdegebühr am gleichen Tag entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 30. August 2000 eingegangen.

Eine mündliche Verhandlung fand am 13. März 2003 statt. Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit wurde dabei insbesondere der folgende druckschriftliche Stand der Technik in Betracht gezogen:

D1: WO-A-91/08056

D2: Powell et al, "Can ballast be stabilised by glueing?", Railway Engineer International, Band 5, Nr. 1, 1980, Seiten 51 bis 54

D8: DE-A-2 063 727

D9: DD-A-86 201

Ferner wurde von der Patentinhaberin (im folgenden Beschwerdegegnerin) anerkannt, daß vor dem Prioritätstag des Streitpatents im Rahmen der Ausbauarbeiten an der Bahnlinie Magdeburg Marienborn in den Jahren 1990 bis 1993 ein Verfahren öffentlich zugänglich wurde, bei dem ein Schotterbett für ein Eisenbahngleis während der Sanierung bzw. des Neubaus eines parallelen Gleisstranges durch Auftragen eines Klebers auf das gesamte Schotterbett verfestigt wurde. Zum Nachweis dieser Vorbenutzung waren von der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren entsprechende Unterlagen W7 bis W12 eingereicht und Zeugenbeweis angeboten worden.

III. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Zur Stützung dieser Anträge tragen die Parteien im wesentlichen die folgenden Argumente vor:

Beschwerdeführerin:

Ein Mangel an erfinderischer Tätigkeit ergebe sich bereits im Hinblick auf die D1, aus der es bekannt sei, die Querverschiebefestigkeit eines Schotterbetts durch Verkleben der Schottersteine zu erhöhen. Durch die Verwendung eines spreitenden Klebers und die auf Seite 13 beschriebene Steuerung der Klebermenge werde eine Verankerung bis zum Untergrund erreicht und eine Füllung der Hohlräume vermieden, was automatisch dazu führe, daß die Verklebung wiederaufgebrochen werden könne und die Schottersteine wiederverwendet werden können. Ein Auftrag des Klebers nur auf die Seitenbereiche folge schon aus der besonderen Gefährdung dieser Bereiche des Schotterbetts hinsichtlich des seitlichen Abrutschens und entspreche dem bekannten seitlichen Einrammen von Eisenbohlen, sodaß der Fachmann auch den Kleberauftrag gemäß der D1 auf die Seitenbereiche anstelle dieses Einrammens in Betracht ziehen würde.

Auch ausgehend von der offenkundigen Vorbenutzung sei das Verfahren nach Anspruch 1 naheliegend. Bei der nachgewiesenen Verklebung eines Schotterbetts des Richtungsgleises BA59bI zum Neubau des parallelen Gleisstrangs BA59aI der Bahnstrecke Magdeburg-Hannover in der ersten Hälfte des Aprils 1992 handelte es sich erkennbar um eine temporäre Maßnahme zur Sicherung eines Gleises vor dessen anschließender Sanierung, wozu das verklebte Schotterbett wieder aufgebrochen und in irgendeiner Form wiederverwendet werden mußte. Bei der öffentlichen Zugänglichkeit der Baustelle, die sich aus der fehlenden Absperrung des betreffenden Gleisstücks von etwa 1,5 km Länge ergebe, hätte auch der Auftrag des Klebers in Form eines Filmes und die fehlende Verfüllung der Hohlräume beobachtet werden können. Ferner sei durch Entfernen eines Schottersteins eine Analyse des Klebers, nämlich Kryolit, möglich gewesen. Für die Aufbereitung des Klebers hätte der Fachmann auf die D1 zurückgegriffen. Der Auftrag auf die Seitenbereiche böte sich wiederum zur Sicherung dieser Bereiche gegen Abrutschen an und werde zudem durch den entsprechenden Auftrag von stabilisierendem Kleber auf die Schulterbereiche gemäß der D2, Figur 1(c), und D8, dritter Absatz der Seite 5, nahegelegt. Die dort aufzufangenden Querkräfte seien so hoch, daß keine Bedenken gegen ein seitliches Verkleben zur Sicherung des Schotterbetts gegen Abrutschen bestehen könnten.

Daß das verklebte Schottermaterial aufbrechbar und wiederverwendbar sei, ergebe sich nicht nur aus den unverfüllten Hohlräumen, sondern sei auch für entsprechende Verklebungen in der D1 (Seite 9 unten), der D8 (Seite 5 oben) und der D9 (Spalte 3 unten) beschrieben. Sollten hierzu weitere Bedingungen einzuhalten oder Maßnahmen erforderlich sein, dann sei die Ausführbarkeit nicht gegeben, weil das Patent hierzu keine weiteren Angaben mache.

Beschwerdegegnerin:

Die Erfindung beruhe auf der Erkenntnis, daß bei einer geeigneten Dosierung des Klebers sowohl eine für die temporäre Gleissicherung ausreichende Festigkeit des Schotterbetts als auch eine Wiederaufbrechbarkeit und Wiederverwendbarkeit des Schottermaterials erhalten werden kann. Die entsprechenden Bedingungen, nämlich eine Verankerung bis zum Untergrund und ein Freihalten der Hohlräume, seien im Anspruch 1 angegeben und leicht durch Versuche zu ermitteln, sodaß die Ausführbarkeit gegeben sei. Dabei sei zu berücksichtigen, daß wegen der abnehmenden Dicke des Schotterbetts in den Seitenbereichen eine unterschiedliche Dosierung anzuwenden sei, um die genannten Bedingungen über die Breite der Seitenbereiche einzuhalten. Ein Auftrag des Klebers über die gesamten Seitenbereiche von der Außenkante bis zum Schulterbereich an den Schwellen sei notwendig, um das Wegschwimmen des Schotterbetts zu verhindern.

Bei der Vorbenutzung sei das gesamte Schotterbett verklebt worden, ohne auf die Möglichkeit des Aufbrechens und der Wiederverwendung zu achten. Es sei auch weder durch Inspizieren des verfestigten Schotterbetts noch durch Analyse eines herausgebrochenen Steins entnehmbar gewesen, ob die genannten Bedingungen eingehalten worden seien. Dies gelte auch für die D1, die zwar allgemein die Möglichkeit angebe, mit der Menge des Klebers die Verfestigung des Schotterbetts zu steuern, aber keine Angabe über die für eine bestimmte, gewünschte Festigkeit einzuhaltenden Bedingungen mache. Der Hinweis auf die Aufbrechbarkeit im letzten Absatz der Seite 9 betreffe nur die Reparaturmöglichkeit eines dünnen Belags an einer bestimmten Stelle und nicht das Schotterbett an sich. Bei der D2, der D8 und der D9 gehe es jeweils um die permanente Stabilisierung des Gleises zur Erhöhung des Querverschiebewiderstands, wobei eine Verfestigung von Schulterbereichen gemäß Figur 1(c) der D2 oder gemäß Seite 4 oben der D8 bis in geringe Tiefe ausreiche und die genannten Bedingungen nicht über die gesamte Breite der Seitenbereiche eingehalten werden müßten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde erfüllt die Bedingungen der Regel 65 (1) EPÜ und ist daher zulässig.

2. Das Verfahren nach Anspruch 1 betrifft die temporäre Verfestigung eines Schotterbetts für Eisenbahngleise für die Zeit der Sanierung oder des Neubaus eines parallelen Gleisstranges durch eine Verklebung, die später mechanisch wiederaufgebrochen werden kann, ohne die Wiederverwendung des Schottermaterials zu beeinträchtigen. Es kommt also auf die Art der Verklebung an, die trotz der Wiederaufbrechbarkeit eine für die temporäre Gleissicherung ausreichende Festigkeit des Schotterbetts sicherstellen soll und das Gleis gegen die bei der Sanierung oder der Neubaus eines parallelen Gleisstranges auftretenden Belastungen stabilisieren soll. Diese Belastungen bestehen gemäß Spalte 1, Zeilen 11. bis 18, des Patents in den durch den Bahnverkehr auf dem Gleis und die Sanierungsarbeiten neben dem Gleis erzeugten Erschütterungen und Vibrationen, die zu einer Lockerung des Steineverbandes im Schotterbett und damit einem seitlichen "Wegschwimmen" des Schotterbetts führen können.

Für die damit angestrebte Art der Verklebung enthält der Anspruch 1 einige Angaben, die einerseits die Aufbereitung und andererseits den Auftrag des Klebers betreffen. Der durch eine Mischung der Komponenten unter einem vorgegebenen Druck aufbereitete Mehrkomponentenkleber soll als vorhangartiger Film auf den Seitenbereich des Schotterbetts so aufgetragen werden, daß eine Verankerung bis zum Untergrund erfolgt und die Hohlräume dennoch nicht gefüllt werden. Die Dosierung des Klebers ist also so zu wählen, daß der über die Oberfläche der Schottersteine herablaufende Kleber gerade bis zum Untergrund gelangt, sich dort aber nicht wesentlich staut und so die unteren Hohlräume auffüllt, was das spätere mechanische Aufbrechen erschweren bzw. unmöglich machen würde. Diese Dosierung gilt für den Seitenbereich des Schotterbetts, also den Bereich neben den Schwellen bis zur Außenkante. In diesem Bereich nimmt die Dicke des Schotterbetts vom Normalwert bis auf Null ab, sodaß auch die Dosierung über die Breite des Seitenbereichs entsprechend zu variieren ist, um die obengenannten Bedingungen zu erfüllen.

Es ist nicht zu erkennen, welche Probleme der Fachmann haben sollte, die Dosierung des Klebers entsprechende den oben geschilderten Bedingungen vorzunehmen. Gegebenenfalls kann anhand einfacher Versuche nachgeprüft werden, ob bei einer bestimmten Dosierung und einer vorgegebenen Dicke des Schotterbetts die Verankerung bis zum Untergrund erfolgt und die Hohlräume nicht gefüllt sind, und die Dosierung entsprechend modifiziert werden. Der Einwand mangelnder Ausführbarkeit nach Artikel 100 b) EPÜ kann daher nicht durchgreifen.

3. Zum Einspruchsgrund mangelnder Neuheit hat die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren keine Ausführungen mehr gemacht. Nach Prüfung des vorhandenen Standes des Technik ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, daß hieraus ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 nicht entnehmbar ist. Die Neuheit ist daher als gegeben anzusehen.

4. Zur erfinderischen Tätigkeit kommt es zunächst darauf an, was durch die vorgebrachte Vorbenutzung Stand der Technik geworden war. Die Beschwerdegegnerin hat anerkannt, daß beim Ausbau der Bahnstrecke Magdeburg-Hannover in der ersten Hälfte des Aprils 1992, also vor dem Prioritätstag des Streitpatents, das Schotterbett des Richtungsgleises BA59bI zum Neubau des parallelen Gleisstrangs BA59aI bei Dreileben durch Auftrag eines Klebers auf das gesamte Schotterbett verfestigt wurde und dies wegen der Zugänglichkeit der Baustelle auch offenkundig war. Es ist damit nur strittig, ob darüber hinaus weitere Merkmale, und gegebenenfalls welche, der Öffentlichkeit zugänglich wurden. Die Beschwerdeführerin hat hierzu ausgeführt, daß der Auftrag des Klebers in Form eines Filmes und die fehlende Verfüllung der Hohlräume beobachtet werden konnte und durch Entfernen eines Schottersteins eine Analyse des Klebers, nämlich Kryolit, möglich gewesen sei. Da hierzu eindeutige Beweismittel fehlen, ist davon auszugehen, daß nur das Stand der Technik geworden ist, was der Fachmann bei der Besichtigung der Baustelle feststellen konnte, ohne weitere Untersuchungen durchzuführen. So war es aus dem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Neubau des parallelen Gleises ohne weiteres erkennbar, daß es sich bei der Verfestigung um eine Maßnahme zur Sicherung eines Gleises während des Neubaus des parallelen Gleisstrangs, also um eine insofern "temporäre" Maßnahme handelte. Ob der Auftrag des Klebers in Form eines Films erkennbar war, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Insbesondere aber konnte ohne weitgehende Untersuchungen nicht ermittelt werden, welcher Kleber verwendet wurde und ob der Kleber in solcher Menge aufgetragen wurde, daß eine Verankerung bis zum Untergrund erfolgt und die Hohlräume nicht nur oben, sondern überall nicht gefüllt waren, sodaß die Verklebung später mechanisch wiederaufgebrochen werden konnte. Zum Wiederaufbrechen der Verklebung kommt es zwar nicht auf die nach Angaben der Beschwerdegegnerin fehlende Absicht hierzu, sondern nur auf die tatsächlichen Umstände an. Da aber weder anhand eines beobachtbaren Kleberauftrags die Wiederaufbrechbarkeit feststellbar war noch ein Wiederaufbrechen vor dem Prioritätstag stattgefunden hat, kann hierzu der Vorbenutzung nichts entnommen werden.

5. Damit unterscheidet sich das Verfahren des Anspruchs 1 vom vorbenutzten Stand der Technik in mehrfacher Hinsicht. So wird der Kleber nur auf den Seitenbereich des Schotterbetts aufgetragen, die aufgetragene Menge ist so gewählt, daß eine Verankerung bis zum Untergrund erfolgt und die Hohlräume dennoch nicht gefüllt werden, sodaß die Verklebung später mechanisch wiederaufgebrochen werden kann, und die Aufbereitung des Klebers erfolgt durch räumlich getrenntes Heranführen der Komponenten des Klebers mit einem Druck von 30 bis 200 bar an eine Mischkammer, turbulente Mischung in der Mischkammer und Auftragen des Gemisches mit einem Druck von 2 bis 6 bar in Form eines flachen, vorhangartigen Films laminar auf das Schotterbett. Der Auftrag nur auf den Seitenbereich bewirkt eine sparsame Verwendung und einfache Anwendung des Klebers, der durch die übrigen Unterschiedsmerkmale eine für das bekanntgewordene Stabilisierungsverfahren des Schotterbetts geeignete Verklebung sicherstellen soll, die eine für die Reparaturzeit ausreichende Sicherheit gegen Verrutschen des Gleises mit anschließender Wiederverwendbarkeit des Schottermaterials bietet. Hierin kann damit ausgehend von der Vorbenutzung die objektive Aufgabenstellung gesehen werden.

6. Die Lösung gemäß Anspruch 1 ist nicht so trivial, daß sie allein schon im Hinblick auf die Vorbenutzung als naheliegend angesehen werden könnte. Abgesehen von dem aus der Vorbenutzung nicht bekannten Auftrag des Klebers nur auf den Seitenbereich setzt sie nämlich für die durch die Angaben im Anspruch 1 definierte Dosierung des Klebers im Seitenbereich die Erkenntnis voraus, daß es bezüglich der Festigkeit gegen Wegschwimmen und der Wiederaufbrechbarkeit auf diese Dosierung ankommt, und legt wegen der vom Schulterbereich an den Schwellen bis zur Außenkante abnehmenden Dicke des Seitenbereichs eine über die Breite des Seitenbereichs unterschiedliche Dosierung fest, mit der sich eine für die temporäre Gleissicherung gegen Wegschwimmen ausreichende Verfestigung und die Wiederaufbrechbarkeit des Schotterbetts erreichen lassen soll. Beispielsweise bei einem gleichförmigen Kleberauftrag über die Breite der Seitenbereiche würden die innenliegenden, dicken Bereiche nur unzureichend mit Kleber versorgt, sodaß keine Verankerung bis zum Untergrund erreicht werden kann, und die außenliegenden, dünneren Bereiche übermäßig mit Kleber versorgt, sodaß der herablaufende Kleber sich von unten her staut und die unteren Hohlräume auffüllt, was ein Wiederaufbrechen unmöglich machen würde.

7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird aber auch nicht durch den übrigen druckschriftlichen Stand der Technik nahegelegt.

Diese Druckschriften D1, D2, D8 und D9 betreffen jeweils im wesentlichen die Verfestigung eines Schotterbetts durch Auftragen eines Klebers zur Erhöhung des Querverschiebewiderstands. Die Stabilitätsprobleme liegen dabei insofern anders als beim Verfahren nach Anspruch 1, als das Schotterbett zur Aufnahme von horizontalen Gleiskräften und nicht gegen die beim Neubau oder der Sanierung eines parallelen Gleisstrangs auftretende Gefahr des Wegschwimmens gesichert werden soll. Daraus ergeben sich auch unterschiedliche Anweisungen zum Auftragen des Klebers.

7.1. Bei der D1 soll gemäß Seite 2, erster Absatz, die Menge des Klebers in jedem Fall so gewählt werden, daß an den Berührungspunkten der Schottersteine klebende Brücken entstehen und die Hohlräume nicht gefüllt werden. Zur Erhöhung des Querverschiebewiderstands kann gemäß Seite 11, dritter Absatz, die Klebermenge so eingestellt werden, daß eine Oberschicht des Schotters durchgehend verfestigt wird und sich darunter "Stalaktiten" ausbilden, die teilweise bis zu Untergrund reichen und dort einen Fuß bilden. Damit erfolgt sicherlich eine Verankerung bis zum Untergrund, allerdings ohne weitere Angabe, ob durch die Fußbildung die untersten Hohlräume gefüllt werden und damit ein Wiederaufbrechen der Verklebung verhindert wird. Auch dem allgemeinen Hinweis auf die Möglichkeit, mit der Menge des Klebers die Verfestigung des Schotterbetts zu steuern (siehe Seite 11, Zeilen 25 bis 27), kann keine Angabe über die für eine bestimmte, gewünschte Festigkeit einzuhaltenden Bedingungen entnommen werden. Eine örtliche Wiederaufbrechbarkeit ist auf Seite 9, letzter Absatz, lediglich in Verbindung mit der Verfestigung eines oberen Belags zur Schallabsorption auf dem Schotterbett beschrieben, wobei gemäß Seite 10, Zeilen 30 bis 32, eine durchgehend verfestigte Schicht bis 10 cm Tiefe ausreicht, während darunter eine lockerere und nur stellenweise Verfestigung vorliegen soll. Diese Art der Verfestigung wäre aber nicht als Schutz gegen das Wegschwimmen des Schotterbetts geeignet.

7.2. In der D2 (siehe insbesondere Figur 1) sind mehrere Möglichkeiten eines Kleberauftrags angegeben, wobei die Möglichkeit nach Figur 1(c) einen Auftrag auf Schulterbereiche und die Möglichkeit nach Figur 1(e) einen Oberflächenauftrag auf die Seitenbereiche des Gleises zeigt. Die erste Möglichkeit dient der seitlichen Abstützung der Schwellen gegen Querkräfte, wobei es gemäß Seite 52, rechte Spalte oben - im Unterschied zur zeichnerischen Darstellung in Figur 1(c) - nur wesentlich sein soll, daß im Schulterbereich die Eindringtiefe des Klebers bis unter die Schwellenunterkante reicht. Dies wäre aber, ebenso wie ein Auftrag nur auf die Schulterbereiche und der nur oberflächliche Auftrag nach Figur 1(e), der gegen Eindringen von Schmutz etc. schützen soll, für eine Sicherung des Schotterbetts gegen Wegschwimmen ebenfalls ungeeignet. Die Möglichkeit des Wiederaufbrechens ist zwar im Punkt 6 auf Seite 51, rechte Spalte, erwähnt; es ist aber nicht ersichtlich, ob dies durch den besonderen Kleber, der als elastomere Emulsion oder Asphalt eher ein Bindemittel ist, oder durch eine Bemessung der aufzubringenden Klebemittelmenge erreicht werden soll.

7.3. Auch bei der D8 soll gemäß Seite 4 oben die Stabilisierung gegen horizontale Gleiskräfte dadurch erreicht werden, daß das außerhalb der Schienen liegende Schottergerüst, also der Seitenbereich, bis in geringe Tiefe, allenfalls bis etwa Schwellenunterkante, an den Berührungsstellen verklebt wird. Dies entspricht der obengenannten ersten Möglichkeit bei der D2. Die Beschwerdeführerin hat darauf hingewiesen, daß das auf Seite 5 oben erwähnte Stopfen und Richten ein Wiederaufbrechen der Verklebung bedinge. Auch wenn dies zuträfe, wäre damit noch nicht geklärt, ob dieses Wiederaufbrechen durch die geringe Eindringtiefe des Klebers bewirkt wird oder auch für eine Dosierung des Klebers für eine Verankerung bis zum Untergrund gelten soll.

7.4. In der D9 ist zur Dosierung des Klebers in Spalte 2, Zeilen 16 bis 24, lediglich ausgesagt, daß diese Menge je nach Art und Qualität des Schotterbetts so eingestellt werden soll, daß das Bettungsmaterial an den Berührungsstellen mehr oder minder verklebt wird. Über die Eindringtiefe des Klebers ist nichts entnehmbar. Damit kann ebenso wie bei der D8 nicht davon ausgegangen werden, daß die in Spalte 3 unten erwähnte Wiederaufbrechbarkeit für alle Dosierungen des Klebers und insbesondere auch für den Fall gelten soll, daß mittels des Klebers eine Verankerung bis zum Untergrund erfolgen soll.

7.5. Im Ergebnis läßt sich daher auch dem druckschriftlichen Stand der Technik kein Hinweis darauf entnehmen, daß es für die temporäre Sicherung eines Schotterbetts gegen Wegschwimmen darauf ankommt, bestimmte Randbedingungen entsprechend Anspruch 1 für den Kleberauftrag auf den Seitenbereich des Schotterbetts einzuhalten.

7.6. Es ist damit für die Entscheidung unerheblich, daß die Aufbereitung und der Auftrag des Klebers gemäß Anspruch 1 insofern aus der D1 bekannt ist, als dort (siehe Seite 3, letzter Absatz, bis Seite 4, zweiter Absatz der Beschreibung) die Komponenten des Klebers ebenfalls räumlich getrennt voneinander mit einem Druck von 30 bis 200 bar an eine Mischkammer herangeführt, dort turbulent gemischt und das Gemisches mit einem Druck von 2 bis 6 bar in Form eines flachen, vorhangartigen Films laminar auf das Schotterbett aufgetragen werden.

Ferner muß damit auch nicht die Frage beantwortet werden, ob es zu erwarten war, daß ein Verkleben des Schotters derart, daß ein Aufbrechen und Wiederverwenden möglich ist, nur im Seitenbereich des Schotterbettes ausreichen würde, um den Gleiskörper seitlich gegen Wegschwimmen mechanisch abzusichern, ohne zusätzliche Stabilisierungsmaßnahmen durchzuführen. Die Erstinstanz hatte hier ein technisches Vorurteil gesehen. Die Kammer möchte aber darauf hinweisen, daß allein das Fehlen einer Anregung in diese Richtung noch nicht ein Vorurteil belegt, und daß auch für mögliche Erwartungen bezüglich der Stabilität kein überzeugender Nachweis vorliegt.

8. Die Beschwerdeführerin hat zusätzlich auf das bekannte seitliche Einrammen von S-förmigen Eisenstäben zur Sicherung eines Schotterbetts gegen Wegschwimmen verwiesen und argumentiert, daß diese bekannte Maßnahme den Auftrag des Klebers auf die Seitenbereiche beim Verfahren nach der Vorbenutzung oder nach der D1 nahelege. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Beim Einrammen von Eisenstäben in den Boden handelt es sich um ein völlig anderes Verfahren mit wesentlich verschiedenen Vorgängen, sodaß hiervon nicht ohne weiteres auf ein Klebeverfahren geschlossen werden kann. In jedem Fall fehlte noch ein Bezug zu den für den Kleberauftrag auf die Seitenbereiche einzuhaltenden Bedingungen gemäß Anspruch 1.

9. Da somit keiner der Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in der geänderten Fassung entgegensteht, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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