T 0667/00 () of 11.4.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T066700.20020411
Datum der Entscheidung: 11 April 2002
Aktenzeichen: T 0667/00
Anmeldenummer: 92106752.6
IPC-Klasse: E01C 5/20
E04D 11/00
E01C 9/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Gitterplatte
Name des Anmelders: Ritter GmbH
Name des Einsprechenden: Hans-Peter Pfirrmann Kunststoffwerk
Horti-Plast GmbH
EURO-Tec Energie-Umwelt-Rohstoff-Technik GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkiet (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 16. Juni 2000 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr erhobene und am 6. September 2000 begründete Beschwerde richtet sich gegen die am 10. Mai 2000 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 516 957 auf Basis des in der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2000 vorgelegten Anspruchs 1 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde.

Anspruch 1 setzt sich aus den ursprünglich erteilten Ansprüchen 1, 2, 4, 5 und 6 zusammen und lautet in Form einer Merkmalsanalyse wie folgt:

"1. (a) Gitterplatte mit wabenförmiger Struktur,

(b) bestehend aus einer Bodenplatte (3) und aus damit einstückigen, ein Wabengitter bildenden Seitenwänden (2A, 2B, 2C), die jeweils nach oben offene sechseckige Kammern (1) bilden,

(c) wobei die Bodenplatte (3) im Bereich jeder Kammer (1) mit einer Drainageöffnung (4) versehen ist,

(d) und die Bodenplatte (3) an ihren Rändern (5, 7) Vorsprünge (6) zum Übergreifen der Bodenplattenränder anderer benachbarter Gitterplatten aufweist,

dadurch gekennzeichnet, daß

(e) von den entlang der Bodenplattenränder (5, 7) befindlichen Kammern jede Kammer als zum Rand hin offene Teilkammer (1A, 1B) ausgebildet ist,

(f) die durch Seitenwände einer jeweils benachbarten weiteren Gitterplatte zu jeweils einer geschlossenen Kammer ergänzbar ist,

(g) wobei die Seitenwände der zum Rand offenen Teilkammern nur längs ihrer vertikalen Kanten mit Seitenwänden einer jeweils benachbarten Gitterplatte in Berührung kommen können,

(h) bei randseitigen Teilkammern mit einer parallel zum Bodenplattenrand (5) verlaufenden Seitenwand (2A) die schräg zum Bodenplattenrand verlaufenden Seitenwände (2B, 2C) mit Abstand von der parallel zum Bodenplattenrand (5) verlaufenden Seitenwand (2A) am Bodenplattenrand abgeschnitten endigen, und

(i) bei randseitigen Teilkammern mit senkrecht zum Bodenplattenrand (7) verlaufenden Seitenwänden (2A) die zum Bodenplattenrand (7) schräg verlaufenden Seitenwände mit Abstand zu den zum Bodenplattenrand senkrecht verlaufenden Seitenwänden am Bodenplattenrand abgeschnitten endigen, und

(j) daß an den Bodenplattenrändern (5, 7) jeweils große und kleine Teilkammern (1A, 1B, 1C, 1D) miteinander abwechseln, wobei die kleinen Teilkammern (1A, 1C) komplementär zu den großen Teilkammern (1B, 1D) ausgebildet sind."

II. Die Einsprechende I, nachfolgend Beschwerdeführerin, die als einzige von drei Einsprechenden Beschwerde eingelegt hat, beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ, vgl. Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die anderen beiden Verfahrensbeteiligten, die Einsprechenden II und III haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

III. Die während der am 11. April 2002 vor der Kammer abgehaltenen mündlichen Verhandlung und schriftlich zur Stützung ihrer jeweiligen Anträge angebrachten Argumente der Parteien können im wesentlichen wie folgt zusammengefaßt werden:

a) Beschwerdeführerin:

Die Merkmale des Oberbegriffes des Anspruchs 1, d. h. die Merkmale (a) bis (d), seien sämtlich in der Entgegenhaltung D3 (US-A-4 111 585) vorgeschrieben.

Die kennzeichnenden Merkmale (e) bis (g) seien aus der Entgegenhaltung D4 (DE-A-3 534 078) bekannt.

Durch den druckschriftlichen Stand der Technik gemäß D3 und D4 ergäben sich für den Fachmann Hinweise und Anregungen, Schnitte nicht nur parallel zu der zum Bodenplattenrand ebenfalls parallel verlaufenden Seitenwand (vgl. Merkmal (h)), sondern auch Schnitte senkrecht zu dieser Seitenwand (Merkmal (i)) zu setzen, wie Anlage 2 der Beschwerdebegründung mit den dort dargestellten Schnittführungen verdeutliche.

Aus Anlage 2 gehe hervor, daß eine Schnittführung gemäß Merkmal (i) automatisch und zwangsläufig zu jeweils miteinander abwechselnden großen und kleinen Teilkammern an den entstehenden Bodenplattenrändern führe. Damit stehe fest, daß auch die Merkmale (h) bis (j), wenn sie überhaupt zur Problemlösung beitrügen, was bezweifelt werde, durch den bekannten Stand der Technik vorweggenommen seien. Die Lehre der Entgegenhaltung D4 lege dem Durchschnittsfachmann auf dem vorliegenden Gebiet der Technik dar, wie die Lehre der Entgegenhaltung D3 vorteilhaft weitergebildet werden könne.

Die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 des Streitpatents seien auch durch Entgegenhaltung D14 (US-A-3 040 637) bekannt, die als Referenz im Verzeichnis des Standes der Technik der D3 genannt sei. Figur 4 der D14 zeige randliche Kammern (Merkmale (e), (f) des Streitpatents), und Figur 6 offenbare wie die Kammern aufschließbar seien. Aus Figuren 4 und 6 der D14 gehe die Ausgestaltung der Teilkammer hervor, und aus Figur 4 sei bekannt, wie sich große und kleine Kammern abwechseln (Merkmale (h) bis (j) des Streitpatents).

Im Licht der Offenbarung der D3 und D14 und bei dem zusätzlichen Wissen aus D4 über die Vermeidung von Materialanhäufung bei der Verlegung von Gitterplatten brauche der von D3 ausgehende Fachmann nicht erfinderisch tätig zu werden, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents zu gelangen.

b) Beschwerdegegnerin:

Sie tritt dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in allen Punkten entgegen und vertritt insbesondere die Auffassung, daß die drei Merkmale (h) bis (j) weder aus der Druckschrift D3 noch aus der D4 herleitbar seien; sie ergäben sich überhaupt nicht aus dem Stand der Technik.

In D14 fehle jeglicher Hinweis darauf, daß bei dem dort gezeigten Gitter eine Bodenplatte vorgesehen sei; bei D14 sei das Problem einer Vermeidung von Materialanhäufung beim Verlegen einander benachbarter Platten überhaupt nicht angedacht.

Der Gegenstand des angegriffenen Patents sei neu und beruhe auf erfinderischer Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents ist neu, da keine der zitierten Entgegenhaltungen eine Gitterplatte beschreibt, welche alle im Anspruch 1 genannten Merkmale aufweist.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Nach übereinstimmender Aussage der Beteiligten besteht bei den gattungsgemäßen Gitterplatten das Problem darin, daß das Verlegen dieser Gitterplatten, da die randseitigen Seitenwände benachbarter Platten bündig gegeneinander zu liegen kommen und beim Verlegen von Platte an Platte Wanddoppelungen an den Plattenrändern entstehen, behindert wird, wenn Steine und Erdreich zwischen die aneinanderliegenden Seitenwände gelangen. Diese Steine und das Erdreich müssen entfernt werden, da sonst ein gegenseitiges Verrasten benachbarter Gitterplatten nicht möglich ist.

3.2. Ausgehend vom bisherigen Stand der Technik, der in der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift mit Hinweis auf Druckschrift D3, die die Merkmale (a) bis (d) des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbart, gewürdigt wird, liegt die objektiv verbleibende Aufgabe, die der vorliegenden Erfindung zugrundezulegen ist, in der Schaffung einer verbesserten Gitterplatte der gattungsgemäßen Art, die ein leichtes Verlegen einander benachbarter Platten ohne Behinderung durch Steine und Erdreich ermöglicht.

Diese objektiv verbleibende Aufgabe ist durch die kennzeichnenden Merkmale (e) bis (j) des geltenden Anspruchs 1 gelöst.

3.3. Laut Beschwerdebegründung stützt sich die Beschwerdeführerin auf den in der Vorinstanz bereits berücksichtigten Stand der Technik gemäß Entgegenhaltungen D3 und D4 und legt zu dessen näherer Erklärung und Klarstellung die als Anlage 2 beigefügte Figur vor. Sie hat das Argument vorgebracht, daß die Lehre der D3 und D4 den Fachmann anrege, Schnitte sowohl parallel wie senkrecht zu der zum Bodenplattenrand ebenfalls parallel verlaufenden Seitenwand zu setzen (vgl. Merkmal (h) und Merkmal (i) des Anspruchs 1 des Streitpatents). Die vorgelegte Anlage 2 verdeutliche, daß die Schnittführungen gemäß den Merkmalen (h) und (i) in Figur 1 der D3 automatisch zu jeweils miteinander abwechselnden großen und kleinen Teilkammern an den Bodenplattenrändern führe, so daß die Merkmale (h) bis (j) durch den bekannten Stand der Technik vorweggenommen seien. Der Fachmann gelange deshalb ohne erfinderische Überlegungen zu einer Lösung gemäß dem Hauptanspruch des Streitpatents.

3.4. Dieser Auffassung der Beschwerdeführerin vermag die Kammer aus folgenden Gründen nicht zu folgen:

Aus der den nächstliegenden Stand der Technik darstellenden Entgegenhaltung D3 sind nur die Merkmale (a) bis (d) bekannt. Die übrigen Merkmale (e) bis (j) der Merkmalsanalyse sind demgegenüber neu.

Aus der Entgegenhaltung D4 gehen nur Merkmale (a), (f), (g) und teilweise Merkmal (e) hervor.

Die drei kennzeichnenden Merkmale (h) bis (j) sind weder aus D3 noch aus D4 noch aus den sonstigen im bisherigen Verfahren zitierten Druckschriften herleitbar. Damit kommt es nicht darauf an, ob diese drei Merkmale (h) bis (j) das selbe Teilproblem wie die Merkmale (e) bis (g) lösen, oder ein anderes Teilproblem.

Aus der Beschreibung und auch aus dem Patentanspruch 1 geht hervor, daß die gattungsgemäße Gitterplatte eine Bodenwand hat und daß benachbarte Platten mit Hilfe von Verbindungsmitteln an den Plattenrändern kuppelbar sein sollen. Das setzt voraus, daß die Platten bei der Verlegung keinen beliebigen Abstand voneinander haben können.

Bei der Problembeschreibung in Bezug auf den nächstliegenden Stand der Technik gemäß D3 geht es um Schwierigkeiten, die durch Steinchen und anderes Material verursacht werden, die zwischen die äußeren Zellenwände benachbarter Platten gelangen können, weil die bekannten Gitterplatten nach D3 geschlossene Zellen haben und daher beim Verlegen von Platte an Platte Wanddoppelungen an den Plattenrändern entstehen.

Die Beschwerdeführerin konnte weder schriftlich noch in der mündlichen Verhandlung überzeugende Beweise vorbringen, daß die Druckschrift D4 die Problemlösung in Gestalt offener Zellen an den Plattenrändern und Berührung der benachbarten Platten nur mit den Stirnflächen der geschnittenen Zellenwände darstellt. Vielmehr gelangt die Kammer zur Überzeugung, daß es bei der Gitterplatte nach D4 überhaupt nicht stört, ob zwischen den Stoßflächen irgendwelches Material gelangt oder nicht, weil es dort auf ein unmittelbar gestoßenes Verlegen gar nicht ankommt. Die dortigen Platten werden auch nicht gekuppelt. Kleine Zwischenräume zwischen den benachbarten Platten sind bei der D4 belanglos, was ersichtlich daher rührt, daß dort ein Kuppeln der Platten gar nicht vorgesehen ist. Weil die Gitterplatten nach D4 dickwandig sind, brauchen sie auch keine Bodenwand, weil die breiten Gitterstege genügend Auflagefläche auch ohne Boden bieten.

Die Kammer stellt fest, daß die Gitterplatten nach der Druckschrift D4 mit ihren breiten Gitterstegen und ihrer Verlegetechnik lose nebeneinander, ohne daß eine Kupplung dieser Platten vorgesehen ist, nicht eine Lösung des der vorliegenden Erfindung zugrundeliegenden Problems, ausgehend vom Stand der Technik nach der Druckschrift D3, naheliegen kann. Vielmehr gewinnt die Druckschrift D4 an Bedeutung erst, nachdem die Lösung nach dem Streitpatent bekannt ist und aus dieser rückschauenden Betrachtung dann einem "Vorbild" für die offenen Randkammern gesucht werden kann.

Die Kammer vermag es nicht als ein tragfähiges Argument anzusehen, wenn die Beschwerdeführerin als Anlage 2 eine Kopie der Zeichnung aus der Druckschrift D3 vorlegt und darin Schnittlinien einzeichnet, die sich in rückschauender Betrachtung der vorliegenden Erfindung ergeben. Damit kann nicht nachgewiesen werden, daß diese Merkmale in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach D3 und D4 herauskommen.

3.5. Die Kammer stellt fest, daß die Druckschrift D14 sich auf ein in einen Zementboden einzubetonierendes Bewehrungsgitter, bei dem keine Bodenplatte vorgesehen ist, bezieht. Das Gitter nach D14 besitzt somit weder eine Kupplung an der Bodenplatte, wie das Merkmal (d) im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents verlangt, noch die sich auf die Bodenplatte beziehenden Merkmale (e) und (h) bis (j) des Kennzeichens dieses Anspruchs. Da gemäß D14 (vgl. Spalte 3, Zeilen 5 ff.) der Zementestrich erst nach der Verlegung des Bewehrungsgitters verladen wird, stellt sich das Problem der Materialanhäufung beim Verlegen einander benachbarter Gitterplatten überhaupt nicht.

Die Druckschrift D14 kann folglich weder als Ausgangspunkt für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents dienen, noch als Stand der Technik angesehen werden, gegenüber dem der Gegenstand des Streitpatents nahegelegt wird. Darauf vermag nach Überzeugung der Kammer auch die von der Beschwerdeführerin bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogene Aufnahme der D14 im Dokumentverzeichnis der Druckschrift D3, nichts zu ändern.

3.6. Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß der zitierte Stand der Technik dem Fachmann keine Anregung zur Lösung der gestellten Aufgabe bot, so daß der Gegenstand des Streitpatentanspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht. Die vom Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2 bis 10 betreffen besondere Ausführungsformen nach Anspruch 1 und werden von dessen Patentfähigkeit getragen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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