T 0646/00 () of 2.7.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T064600.20020702
Datum der Entscheidung: 02 Juli 2002
Aktenzeichen: T 0646/00
Anmeldenummer: 94926804.9
IPC-Klasse: B60T 8/36
F16K 27/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hydraulikaggregat für schlupfgeregelte Bremsanlagen von Kraftfahrzeugen
Name des Anmelders: ROBERT BOSCH GMBH
Name des Einsprechenden: Lucas Industries Limited
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 100
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag) - bejaht
Klarheit des Anspruchs (kein Einspruchsgrund gemäß Art. 100 EPÜ)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 94 926 804.9 wurde das europäische Patent Nr. 0 720 551 erteilt, dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"Hydraulikaggregat (12) für schlupfgeregelte Bremsanlagen von Kraftfahrzeugen, mit einem Ventilblock (11) aus Metall mit wenigstens einer gestuften Aufnahmebohrung (15) für den hydraulischen Teil (13) eines elektromagnetisch betätigten Ventils (10), mit einem am hydraulischen Teil (13) angeordneten Befestigungsflansch (30), der in eine Stufe (46) der Aufnahmebohrung (15) eingesetzt und am Ventilblock (11) befestigt ist, mit einem magnetisch wirksame Elemente, wie Anker (23) und Magnetkern (24) des hydraulischen Teils (13) enthaltenden druckdichten Ventildom (16), der in Verlängerung der Aufnahmebohrung (15) über eine Begrenzungsebene (17) des Ventilblocks (11) greift, und mit einem elektrischen Teil (14) des Ventils (10), welcher auf den Ventildom (16) aufgesteckt ist und eine diesen umschließende, elektrische Spule (51) sowie ein magnetflußleitendes Gehäuse (52) aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß der Werkstoff des Ventilblocks (11) ein Leichtmetall, wie Aluminium-Legierung oder dergleichen ist, daß der Befestigungsflansch (30) des hydraulischen Teils (13) des Ventils (10) durch eine Verstemmung (48) aus dem Metall des Ventilblocks (11) lagegesichert ist und daß im Gehäuse (52) auf der der Begrenzungsebene (17) zugewandten Seite eine Ringscheibe (53) aus einem weichmagnetischen Werkstoff zum Leiten des Magnetflusses aufgenommen ist."

II. Der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) eingelegte, auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ (fehlende erfinderische Tätigkeit) gestützte Einspruch, in dem zum Stand der Technik auf die folgenden Druckschriften

D1: DE-A-4 030 571

D2: DE-A-4 030 963

D3: Hütte, des Ingenieurs Taschenbuch, Maschinenbau, Teil B, 28. Auflage 1960, Seite 2

D4: Aluminium-Taschenbuch, Aluminium-Zentrale Düsseldorf, 13. Auflage, Seite 643, Aluminium-Verlag GmbH, Düsseldorf, 1974

D5: DE-A-4 142 153

D6: US-A-4 238 048

D7: WO-A-92/12878

D8: WO-A-91/17378

D9: DE-U-8 716 060

D10: DE-A-3 810 581

verwiesen worden war, wurde von der Einspruchsabteilung mit der am 23. Mai 2000 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.

III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin am 27. Juni 2000 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung ist am 25. September 2000 eingegangen.

IV. Am 2. Juli 2002 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, daß das Patent auf der Grundlage des am 1. Juni 2002 als Hilfsantrag I eingegangenen Anspruchs 1 aufrechterhalten wird, weiter hilfsweise mit der Maßgabe, daß das Patent auf der Grundlage des am gleichen Tag als Hilfsantrag II eingegangenen Anspruchs 1 aufrechterhalten wird.

Bezüglich des Wortlauts der Ansprüche 1 nach den Hilfsanträgen I und II wird auf den Akteninhalt verwiesen.

V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Der erteilte Anspruch 1 des Streitpatents enthalte nicht die von der Beschwerdegegnerin in ihrer Argumentation als erfindungswesentlich angesehenen Merkmale. So finde sich im Anspruch 1 kein Hinweis auf die von der Beschwerdegegnerin betonte aufgelöste Bauweise des Hydraulikaggregats, und der Anspruchswortlaut schließe die Möglichkeit einer einteiligen Bauweise des Hydraulikaggregats nicht aus. Es sei im Anspruch 1 lediglich angegeben, daß der elektrische Teil des Ventils auf den Ventildom des hydraulischen Teils aufgesteckt sei, was nichts über die Verrastbarkeit oder Lösbarkeit aussage. Weiterhin enthalte der Anspruch weder Angaben bezüglich der Reihenfolge der Montage, d. h. ob der elektrische Teil vor oder nach dem Verstemmen des Ventils im Ventilblock aufgesteckt werde, noch Angaben, wodurch der angeblich geringere Durchmesser des Verstemmbereichs erzeugt werde. Auch die im Anspruch 1 enthaltenen Angaben zur Ringscheibe könnten das Vorhandensein einer aufgelösten Bauweise nicht begründen, denn die im Anspruch enthaltene Definition, daß die Ringscheibe auf der der Begrenzungsebene zugewandten Seite des elektrischen Gehäuseteils aufgenommen sei, sage nichts darüber aus, ob der untere Teil des elektrischen Gehäuses mit der Ringscheibe im montierten Zustand noch außerhalb des Ventilblocks zu liegen komme oder in diesen eintauche, wie dies z. B. die D8 zeige. Auch die Angabe im Anspruch 1, daß der Befestigungsflansch des hydraulischen Teils am Ventilblock befestigt sei, betreffe lediglich die Lagesicherung des Ventils im Ventilblock und sage nichts über die Aufnahme der vom hydraulischen Druck herrührenden Kräfte aus. Die Merkmale, auf die sich die Beschwerdegegnerin bei ihrer Begründung der erfinderischen Tätigkeit stütze, könnten daher bestenfalls dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents entnommen werden. Sie müßten jedoch ausdrücklich im Anspruchswortlaut erscheinen, falls sie für den Gegenstand des Anspruchs 1 als wesentlich erachtet würden.

Unter Zugrundelegung der vom Anspruch 1 umfaßten Lehre stelle die D8 den nächstliegenden Stand der Technik dar, aus dem nicht nur alle Merkmale aus dem Oberbegriff des Anspruchs 1, sondern auch die im Kennzeichen des Anspruchs angegebene Verwendung von Leichtmetall für den Ventilblock bekannt sei. Das Hydraulikaggregat nach der D8 zeige nämlich ebenfalls eine mit der Mantelhülse 2 des elektrischen Teils auf den Ventilkörperabschnitt 3 des hydraulischen Teils aufsteckbare Einheit und müsse daher ebenfalls als aufgelöste Bauweise bezeichnet werden, falls auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents so genannt werden solle. Der vom unteren Ende des Gehäuses 2 des elektrischen Teils aufgenommene Ventilkörperabschnitt 3 nach der D8 diene ebenfalls zur Magnetflußleitung. Er sei auch auf der der Begrenzungsebene des Ventilblocks zugewandten Seite angeordnet und müsse demnach der Ringscheibe 53 des Streitpatents gleichgesetzt werden. Die Tatsache, daß bei der D8 die magnetflußleitende Ringscheibe und der Befestigungsflansch einstückig im Ventilkörperabschnitt 3. des Ventils enthalten seien, stelle keinen Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 dar, da durch dessen Formulierung eine Zweiteiligkeit von Ringscheibe und Befestigungsflansch nicht zum Ausdruck komme. Da bei der D8 der Ventilblock aus Aluminium und damit ebenfalls aus Leichtmetall bestehe, unterscheide sich der Gegenstand nach dem Anspruch 1 des Streitpatents von der D8 allein noch durch die Lagesicherung des Ventils durch eine Verstemmung aus dem Metall des Ventilblocks. Nach der Beschreibung des Streitpatents handle es sich dabei um ein an sich beliebig durchführbares Verstemmen. Es sei somit naheliegend, bei der D8 anstelle der zwischen Ventil und Aluminiumventilblock eingepreßten metallischen Hülse die Lagesicherung durch Verstemmen aus dem Material des Ventilblocks vorzunehmen, wie dies im übrigen auch die D10 offenbare. Es sei zudem allgemein bekannt, wie dem Fachbuch Aluminium-Taschenbuch (D4) sowie den weiteren Druckschriften D5, D6 und D9 entnommen werden könne, daß das Verstemmen bei Aluminium in gleicher Weise wie bei Stahl möglich und üblich sei. Das von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Vorurteil bestehe daher nicht. Auch die Angabe in der D10, daß beim Verstemmen nur Stahl als Werkstoff für den Ventilblock herangezogen werden könne, stelle lediglich die Einzelmeinung des Verfassers der D8 dar, die nach geltender Rechtsprechung demnach das Bestehen eines Vorurteils nicht beweisen könne. Die Verwendung des Aluminium-Ventilblocks bei der D8 und die in der D8 genannte kostengünstige Montage deckten sich ebenfalls mit der im Streitpatent genannten Aufgabenstellung. Was die Ringscheibe beim Streitpatent anbetreffe, so habe diese keinen erkennbaren Einfluß auf die weiteren Anspruchsmerkmale und stelle im übrigen ein bei allen Elektromagneten allgemein bekanntes Merkmal dar. Auch zeige das Hydraulikaggregat nach der D2 ebenfalls schon eine Ringscheibe in Form des Jochbodens 74. Es bedürfe demnach nur eines naheliegenden, nicht erfinderischen Schrittes, um von der D8 zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents zu kommen.

VI. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:

Beim Streitpatent handle es sich um ein Hydraulikaggregat, bei dem der hydraulische und der elektrische Teil separate Bauelemente darstellten, was als aufgelöste Bauweise bezeichnet werde. Eine solche Bauweise sei z. B. aus der D10 oder der D7 bekannt, bei denen der hydraulische Teil im Stahlgehäuseblock des Ventils verpreßt und anschließend der elektrische Teil über dem Dom des hydraulischen Teils aufgesteckt werde. Was die angestrebte Verwendung von Leichtmetall zusammen mit dem Verstemmen beim Streitpatent anbetreffe, so weise die D10 in eine andere Richtung, da sie unter Hinweis auf den beim Verstemmen notwendigen Stahlventilblock die Halterung des Ventils zwischen zwei Leichtmetallplatten und die Vermeidung des Verstemmens empfehle. Die Verfasserin der D10 sei eine ernsthafte Mitbewerberin auf dem in Rede stehenden Fachgebiet, so daß die in der D10 geäußerten Bedenken gegen die Verwendung von Aluminium beim Verstemmen so bedeutungsvoll seien, daß man von einem Vorurteil ausgehen müsse. Die D8 offenbare eine andere Befestigungsart als das Verstemmen und gebe auch nicht den geringsten Hinweis auf diese Befestigungsart. Weiter eröffne die im elektrischen Teil des Ventils vorhandene Ringscheibe beim Streitpatent erst die Möglichkeit zum Verwirklichen der Leichtbauweise, da es bei dem aufsteckbaren elektrischen Teil dann nicht mehr darauf ankomme, ob der Magnetfluß über dem Befestigungsflansch geleitet werde, wie dies bei der D8 der Fall sei, und sich daraus erst die Möglichkeit ergebe, ein nichtleitendes Material anstelle des Stahl-Ventilblocks zu verwenden. Auch sei die aufgelöste Bauweise, bei der der elektrische Teil erst nach Befestigung des hydraulischen Teils aufgesteckt werde, eine Voraussetzung für eine enge Packung der Ventile nebeneinander im Ventilblock.

Die das Fügen und Verstemmen mit Aluminium betreffenden Druckschriften D4 bis D6 und D9 beträfen andere Anwendungsformen des Verstemmens mit Aluminium als beim Streitpatent und könnten das gegen die Anwendung dieses Verfahrens beim in Rede stehenden Gegenstand bestehende Vorurteil nicht entkräften.

Im übrigen seien alle vorgetragenen Erfindungsmerkmale im Anspruch 1 enthalten und durch die Patentbeschreibung gestützt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher auf erfinderischer Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1. Gegenstand des Streitpatents, Inhalt des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung

2.1.1. Der Anspruch 1 des Streitpatents legt durch seinen Wortlaut eindeutig fest, daß das elektromagnetisch betätigte Ventil (10) einen hydraulischen Teil (13) und einen elektrischen Teil (14) aufweist.

Bezüglich der Befestigung der Ventilteile im Ventilblock (11) und untereinander sind im Anspruch 1 folgende Angaben gemacht:

a) Für die Aufnahme des hydraulischen Teils im Ventilblock ist wenigstens eine gestufte Aufnahmebohrung (15) vorgesehen;

b) ein am hydraulischen Teil angeordneter Befestigungsflansch (30) ist in eine Stufe (46) der Aufnahmebohrung (15) eingesetzt und am Ventilblock (11) befestigt;

c) der Befestigungsflansch des hydraulischen Teils ist durch eine Verstemmung aus dem Material des Ventilblocks lagegesichert;

d) der elektrische Teil (14) des Ventils ist auf einen magnetisch wirksame Elemente des hydraulischen Teils enthaltenden Ventildom (16) aufgesteckt.

2.1.2. Aus den Merkmalen a) bis c) des Anspruchs 1 ist klar erkennbar, daß nur der hydraulische Teil im Ventilblock befestigt ist. Da im Anspruch 1 nichts über eine eventuelle Befestigung des elektrischen Teils im Ventilblock gesagt ist, kommt ein fachmännischer Leser schon allein aufgrund des o. g. Teilmerkmals d) des Anspruchs 1 zu dem Ergebnis, daß eine unmittelbare Befestigung des elektrischen Teils im Ventilblock offensichtlich nicht vorgesehen ist. Dies wird im übrigen auch durch die Beispielsbeschreibung bestätigt, in der zum Ausdruck kommt, daß der elektrische Teil erst nach dem Befestigen des hydraulischen Teils im Ventilblock auf den hydraulischen Teil aufgesteckt wird.

Aus dem Vorstehenden folgt, daß es sich bei dem Hydraulikaggregat nach dem Anspruch 1 des Streitpatents um ein elektromagnetisch betätigtes Ventil für schlupfgeregelte Bremsanlagen von Kraftfahrzeugen der von der Beschwerdegegnerin als aufgelöst bezeichneten Bauweise handelt, bei der der elektrische Teil des Ventils ohne Demontage des hydraulischen Teils ausgetauscht werden kann, wie dies beim Stand der Technik nach der D10, Figur 1 bzw. der D7 bekannt ist.

2.1.3. Weiterhin legt der Wortlaut des Anspruchs 1 des Streitpatents eindeutig fest, daß der zur Befestigung des hydraulischen Teils im Ventilblock dienende Befestigungsflansch (30) am hydraulischen Teil des Ventils angeordnet ist (vgl. die oben unter b) zitierte Merkmalsgruppe des Anspruchs), während die Ringscheibe zur Leitung des Magnetflusses im ebenfalls magnetflußleitenden Gehäuse (52) des elektrischen Teils (14) des Ventils aufgenommen ist, vgl. die jeweils letzten Teilmerkmale aus Oberbegriff und Kennzeichen des Anspruchs 1. Diese Teilmerkmale des Anspruchs 1 werden auch durch die Beispielsbeschreibung und die Figuren des Streitpatents gestützt.

2.1.4. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß der Anspruch 1 des Streitpatents auch Hydraulikaggregate mit umfasse, bei denen der hydraulische und der elektrische Teil des Ventils in nicht aufgelöster Bauform im Ventilblock befestigt seien und ein Ausbau des elektrischen Teils ohne Lösen der Ventilbefestigung nicht möglich sei, ist somit aus dem Anspruch 1 nicht herleitbar und wird durch den weiteren Inhalt des Streitpatents widerlegt. Dies gilt ebenfalls für die Argumentation der Beschwerdeführerin, daß die magnetflußleitende Ringscheibe und der am hydraulischen Teil angeordnete Befestigungsflansch nach dem Anspruchswortlaut nicht notwendigerweise separate Bauteile darstellen.

2.1.5. Die Forderung der Beschwerdeführerin, daß die vorstehend diskutierten Teilmerkmale im Anspruchswortlaut im Sinne der detaillierten Ausführungen im Ausführungsbeispiel des Streitpatents zu verdeutlichen seien, kann auch deswegen nicht zu einer Änderung des Anspruchs führen, weil das gemäß Hauptantrag unveränderte Streitpatent im Einspruchsverfahren durch Einwände unter Artikel 84 EPÜ, die keinen Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 EPÜ darstellen, nicht in Frage gestellt werden kann.

2.2. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

2.2.1. Hydraulikaggregate der im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents aufgeführten Gattung sind aus den Druckschriften D1 und D7 sowie der Figur 1 der D10 bekannt. Bei diesen bekannten Ausführungen ist, wie in der Beschreibungseinleitung der D10 in Verbindung mit der Figur 1 erläutert wird, der hydraulische Teil des Ventils (mittels eines Befestigungsflansches) im Ventilblock durch Verstemmen des Ventilblockmetalls befestigt. In der Beschreibungseinleitung der D10 wird allerdings beanstandet, daß dieses Verstemmen eine teure Herstellungsart darstelle und die Verwendung eines Stahl-Ventilblockes unabdingbar mache, was ein unerwünscht schweres Hydraulikaggregat zur Folge habe.

Bei der ebenfalls in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents gewürdigten D11, die ebenfalls ein Hydraulikaggregat der aufgelösten Bauart betrifft, ist der hydraulische Teil des Ventils nicht durch Verstemmen, sondern durch Verschraubung im Ventilblock befestigt, während der elektrische Teil des Ventils auf einen vorstehenden Halteabsatz des Ventilblocks aufgesteckt und umgebördelt ist.

2.2.2. Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 unterscheidet sich vom vorstehenden Stand der Technik zumindest in zweifacher Hinsicht.

Im ersten Kennzeichenmerkmal seines Anspruchs 1 wird auf die Verwendung eines Leichtmetallventilblocks verwiesen, aus dessen Material dann die Verstemmung zur Lagesicherung durchgeführt wird.

Das zweite Kennzeichenmerkmal betrifft die separate, vom Gehäuse des elektrischen Ventilteils aufgenommene magnetflußleitende Ringscheibe, die bei den Hydraulikaggregaten nach den Druckschriften D1, D7, D10 (Figur 1) und D11 offensichtlich nicht vorhanden ist. Bei diesen bekannten Ausführungen erfolgt die Weiterleitung des Magnetflusses vom magnetflußleitenden Gehäuse des elektrischen Ventilteils nämlich über den stählernen, und somit magnetflußleitenden Ventilblock zu den magnetisch wirksamen Elementen des hydraulischen Teils.

2.2.3. Das beim Streitpatent gemäß dem ersten Kennzeichenmerkmal des Anspruchs 1 als Ventilblockwerkstoff vorgesehene Leichtmetall ist jedoch nicht zur Leitung des Magnetflusses geeignet, was durch die Anordnung der magnetflußleitenden Ringscheibe nach dem zweiten Merkmal kompensiert wird.

Die beiden Merkmalsgruppen aus dem Kennzeichen des Anspruchs 1 stehen somit in einem funktionellen Zusammenhang und stellen einander ergänzende, konstruktive Maßnahmen dar, für die die Druckschriften D1, D7 und D11 keine Hinweise oder Anregungen geben.

In der D10 wird vielmehr zur Lösung der auch beim Streitpatent geltenden Aufgabenstellung, nämlich der Forderung nach einer erheblichen Gewichtsersparnis in Verbindung mit einer preisgünstigen Ventilbefestigung, die durch Verstemmen ausgeführte Befestigung aufgegeben, indem das Ventil zwischen zwei Aluminiumplatten verspannt und dadurch gehaltert wird. Die D10 lehrt also, daß die in ihrer Figur 1 gezeigte, dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents entsprechende Ausführung verlassen werden soll und empfiehlt eine nicht verstemmte Halterung des Ventils zwischen zwei Leichtmetallplatten.

Auch die Druckschriften D1, D7 und D11 führen aus den unter 2.2.1 und 2.2.2 angegebenen Gründen von der im Streitpatent beanspruchten Lösung weg.

2.2.4. Gemäß dem durch die Fachbücher D3 und D4 sowie die weiteren Druckschriften D5, D6 und D9 belegten Fachwissen ist es zwar prinzipiell möglich, den Werkstoff Stahl durch Leichtmetall, z. B. Aluminium zu ersetzen und dann umzuformen, um eine Verbindungsmöglichkeit für Teile untereinander ohne zusätzliche Verbindungselemente zu schaffen. In diesem Zusammenhang wird in der D5 bzw. D9 auf den Verschluß druckmittelführender Bohrungen durch formschlüssiges Verstemmen von Stahl- bzw. Aluminiumverschlußkörpern in einem Aluminiumgehäuse verwiesen.

Selbst wenn davon ausgegangen wird, daß die in der D10 geäußerten Bedenken gegen die Verwendung von Leichtmetall bei Stemmverbindungen angesichts des Fachwissens nicht als Vorurteil auszulegen sind, wird der beanspruchte Gegenstand durch den Stand der Technik auch in Anbetracht des Fachwissens dennoch nicht nahegelegt, denn er unterscheidet sich vom gattungsgemäßen Stand der Technik, wie schon erwähnt, nicht nur durch die Verwendung von Leichtmetall als Verstemmaterial, sondern auch durch die Anordnung der vom Befestigungsflansch getrennten Ringscheibe aus weichmagnetischem Material im Gehäuse des elektrischen Ventilteils, wofür es beim Stand der Technik keinen Hinweis gibt.

Auch die in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin genannte D2 unterscheidet sich von der beanspruchten Anordnung der Ringscheibe insofern, als bei der D2 der magnetflußleitende Jochboden 14 zur "nicht dargestellten" (vgl. Spalte 2, Zeilen 37 bis 40) Befestigung des gesamten Ventils im Ventilblock dient und somit im Gegensatz zum Streitpatent kein allein vom Gehäuse des elektrischen Ventilteils aufgenommenes und somit separates Element darstellt.

2.2.5. Die von der Beschwerdeführerin weiter als nächstkommender Stand der Technik bezeichnete D8 offenbart ein Hydraulikaggregat, bei dem sowohl der elektrische als auch der hydraulische Teil eines elektromagnetischen Ventils mittels einer in eine Aufnahmebohrung eines Aluminium-Ventilblocks eingepreßten (z. B. aus Stahl bestehenden) Metallhülse gehalten sind. Bei dieser bekannten Ausführung ist also abweichend vom Streitpatent auch der elektrische Teil des Ventils fest im Gehäuseblock verankert, und es handelt sich demnach um eine gattungsfremde, vom Streitpatent unterschiedliche Befestigung in Form einer nicht aufgelösten Bauform des Ventils. Da die D8 im übrigen auch kein Verstemmen aus dem Aluminiummaterial des Ventilblocks offenbart, sondern eine Halterung mittels der in einen Ringspalt zwischen Ventil und Ventilblock eingepreßten Metallhülse, vermag sie auch keine Anregung zu geben, daß bei einer gattungsgemäßen Ausführung nach der D10 (Figur 1) die im Streitpatent beanspruchte Befestigung durch Verstemmen aus Leichtmetall angewendet wird. Dies gilt auch für das weitere im Anspruchskennzeichen des Streitpatents aufgeführte Merkmal hinsichtlich der magnetflußleitenden, separat vom Halteflansch des hydraulischen Teils angeordneten Ringscheibe, denn bei der D8 sind diese beiden beim Streitpatent separat ausgebildeten Teile einteilig zu einem Ventilkörperabschnitt 3 zusammengefaßt. Die D8 unterscheidet sich demnach sowohl prinzipiell als auch in ihren Ausführungsdetails wesentlich von dem im Streitpatent beanspruchten Hydraulikaggregat und führt den Leser ebenfalls in eine vom Streitpatent wegweisende Richtung.

2.2.6. Aus diesen Gründen kommt die Beschwerdekammer zu dem Schluß, daß der Gegenstand nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht nur neu ist, sondern auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

3. Das Patent hat somit auf der Basis der erteilten Unterlagen Bestand, und es erübrigt sich daher, auf die Hilfsanträge einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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