T 0579/00 (Glycinderivate/AVENTIS) of 9.9.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T057900.20040909
Datum der Entscheidung: 09 September 2004
Aktenzeichen: T 0579/00
Anmeldenummer: 95103333.1
IPC-Klasse: C07D 239/46
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Substituierte N-Ethyl-Glycinderivate zur Herstellung von PNA und PNA-/DNA-Hybriden
Name des Anmelders: Aventis Pharma Deutschland GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 113(1)
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Hauptantrag, Hilfsantrag 1 - Klarheit (nein) - widersprüchliche Merkmale
Hilfsantrag 2: Klarheit (ja) - Widerspruch gelöst, Neuheit (ja) - Merkmale nicht in Kombination offenbart, Erfinderische Tätigkeit (nein) - willkürliche Auswahl
Rückzahlung Beschwerdegebühr (nein) - kein Verfahrensfehler
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/88
T 0337/95
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1089/15

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 5. Mai 2000 eingegangene Beschwerde richtet sich gegen die am 28. Februar 2000 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die Anmeldung Nr. 95 103 333.1 mit der Veröffentlichungsnummer 672 661 zurückgewiesen wurde.

II. Die Prüfungsabteilung hat in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, daß im Hinblick auf die Druckschrift

(1) WO-A-93/12129

die Anmeldung weder neu sei, noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Der Entscheidung lagen die mit Schriftsatz vom 11. Februar 1999 geänderten Ansprüche 1 bis 6 zugrunde, deren Ansprüche 1 und 2 wie folgt lauteten:

"1. Verbindung der Formel I

FORMEL I

worin

PG für eine Aminoschutzgruppe vom Urethantyp aus der Reihe 1-(1-Adamantyl)1-methylethoxycarbonyl (Adpoc), 1-(3,5-di-tert.-butylphenyl)1-methylethoxycarbonyl (t- Bumeoc) und 1-Methyl-1-(4-biphenyl)ethyloxy-carbonyl (Bpoc) oder vom Trityl-Typ aus der Reihe Triphenylmethyl (Trt), (4-Methoxyphenyl)diphenyl- methyl (Mmt), (4-Methylphenyl)diphenylmethyl (Mtt), Di-(4-methoxyphenyl)phenylmethyl (Dmt) und 9-(9-Phenyl)xanthenyl (Pixyl),

X für NH, O oder S,

Y für CH2, NH oder O, und

B' für natürliche oder unnatürliche Nucleobasen stehen, deren exocyclische Amino bzw. Hydroxygruppen durch geeignete bekannte Schutzgruppen geschützt sind, sowie deren Salze."

"2. Verbindung der Formel I gemäß Anspruch 1, worin B'für eine natürliche Nucleobase, ausgewählt aus der Gruppe Adenin, Cytosin, Guanin, Thymin und Uracil oder für eine unnatürliche Nucleobase, ausgewählt aus der Gruppe Purin, 2.6-Diaminopurin, 7-Deazaadenin, 7-Deazaguanin, N4N4-Ethanocytosin, N6N6-Ethano-2.6- diaminopurin, 5-Methylcytosin,5-(C2-C6)-Alkinyl- uracil, 5-(C2-C6)-Alkinylcytosin, 5-Fluor-uracil und Pseudoisocytosin, deren exocyclische Amino bzw. Hydroxygruppen durch geeignete bekannte Schutzgruppen geschützt sind, oder für Imidazol, Triazol oder Nitro- Imidazol steht."

Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, daß die Druckschrift (1) neuheitsschädlich sei. Die Zusammenschau von Anspruch 19 und Seite 8, Zeilen 1 bis 20. dieser Druckschrift offenbare einen Gegenstand, der von der Streitanmeldung umfaßt werde. Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei von der Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik auszugehen, die Glycinderivate für PNA (Polyamide Nucleic Acids) betreffe. Im Hinblick auf die anmeldungsgemäße Aufgabe, weitere Monomere zum einfachen Aufbau von PNA/DNA- Hybriden bereitzustellen, sei es naheliegend gewesen, die Glycinderivate für PNA's der Druckschrift (1) einzusetzen, da nach eigener Angabe des Beschwerdeführers PNA's und DNA's analog seien.

III. In einer Mitteilung gemäß Regel 11, Absatz 2 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, welcher der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, hat die Kammer zusätzlich Bedenken unter anderem hinsichtlich der Deutlichkeit von Ansprüchen und Anspruchsmerkmalen sowie hinsichtlich der erfinderischen Qualität des Erfindungsgegenstandes geäußert.

IV. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 9. September 2004 hat der Beschwerdeführer zwei neue Hilfsanträge eingereicht, die alle vorgängigen Hilfsanträge ersetzen. Der Hilfsantrag 1 unterscheidet sich im Wortlaut vom Hauptantrag dadurch, daß in der Definition des Substituenten PG die beiden Satzteile "eine Aminoschutzgruppe vom Urethantyp aus der Reihe" und "oder vom Trityl-Typ aus der Reihe" gestrichen sind. Der Hilfsantrag 2 enthält 4 Ansprüche, darunter nur noch einen einzigen Stoffanspruch, welcher wie folgt lautet:

1.Verbindung der Formel I

FORMEL I

worin

PG für 1-(1-Adamantyl)1-methylethoxycarbonyl (Adpoc), 1-(3,5-di-tert.-butylphenyl)1-methylethoxycarbonyl (t-Bumeoc), 1-Methyl-1-(4-biphenyl)ethyloxycarbonyl (Bpoc), Triphenylmethyl (Trt), (4-Methoxyphenyl)- diphenylmethyl (Mmt), (4-Methylphenyl)diphenylmethyl (Mtt), Di-(4-methoxyphenyl)phenylmethyl (Dmt) oder 9-(9-Phenyl)xanthenyl (Pixyl),

X für NH, O oder S,

Y für CH2, NH oder O, und

B' für Adenin, Cytosin, Guanin, Thymin, Uracil, 2.6-Diaminopurin, 7-Deazaadenin, 7-Deazaguanin, N4N4-Ethanocytosin, N6N6-Ethano-2.6-diaminopurin, 5-Methylcytosin,5-(C3-C6)-Alkinyl-uracil, 5-(C3-C6)- Alkinyl-cytosin, 5-Fluor-uracil und Pseudoisocytosin, deren exocyclische Amino bzw. Hydroxygruppen durch die Benzoyl-, Isobutanoyl-, Acetyl-, Phenoxyacetyl-, 4-(t-Butyl)-benzoyl-, 4-(t-Butyl)-Phenoxyacetyl-, 4-(Methoxy)-benzoyl, 2-(4-Nitrophenyl)ethyloxy- carbonyl-, 2-(2,4-Dinitrophenyl)ethyl-oxycarbonyl-, 9- Fluorenylmethoxycarbonyl-, Diphenylcarbamoyl- oder Formamidin-Schutzgruppe geschützt sind, und auch für Guanin durch eine Kombination von 2-N-Acetyl mit 6-O-Diphenylcarbamoyl geschützt sind, oder für Imidazol, Triazol oder Nitro-Imidazol, steht."

V. Der Beschwerdeführer hat den Einwand der mangelnden Deutlichkeit der Ansprüche bestritten. Zwar sei der Substituent B' in Anspruch 1 als Nucleobase definiert, deren exocyclische Amino bzw. Hydroxygruppen durch geeignete bekannte Schutzgruppen geschützt sind, dies bedeute jedoch nicht, daß solche Gruppen tatsächlich auch vorhanden seien. Daher gebe es auch keinen Widerspruch mit Anspruch 2 und der Beschreibung, worin Purin, welches keine Amino- oder Hydroxygruppe besitze, als erfindungsgemäße Nucleobase genannt wird. Was den Begriff "unnatürliche Nucleobase" in Anspruch 1 betreffe, so habe der Beschwerdeführer einen Fachmann zu Rate gezogen, der den Begriff verstanden habe. Auch habe er, der Beschwerdeführer, diesen Begriff in Patentanmeldungen bereits verwendet. Gleiches gelte für den Begriff "geeignet", welcher die Schutzgruppen in Anspruch näher beschreibe.

Der Beschwerdeführer hat zur Neuheit vorgetragen, daß die Druckschrift (1) nicht neuheitsschädlich sei. Es sei unzulässig, zur Ermittlung des Offenbarungsgehaltes einer Entgegenhaltung einzelne Teile darin miteinander zu kombinieren, welche von der Entgegenhaltung selbst nicht miteinander verknüpft würden. Eine solche unzulässige Verknüpfung von separaten Teilen werde jedoch in der angefochtenen Entscheidung vorgenommen, um zu einem neuheitsschädlichen Gegenstand zu gelangen. Folglich sei das geltende Schutzbegehren in der Druckschrift (1) nicht vorbeschrieben.

Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist der Beschwerdeführer von der Druckschrift (1) ausgegangen. Die Streitanmeldung habe sich die Aufgabe gestellt, weitere Glycinderivate zur Herstellung von PNA und PNA/DNA-Hybriden bereitzustellen. Wenn in den beanspruchten Verbindungen der Substituent X die Bedeutung NH besitze, führe dies zu PNA's und, wenn er die Bedeutungen O oder S annehme, entstünden PNA/DNA- Hybride. Da in der Druckschrift (1) lediglich die Bedeutung NH für diesen Substituenten genannt werde, könnten daraus auch nur PNA's und keine PNA/DNA-Hybride hergestellt werden. Die Druckschrift offenbare die Schutzgruppe Boc für den Substituenten PG, welche sich nicht mit schwachen Säuren abspalten lasse, während dies mit den anspruchsgemäßen Schutzgruppen gelinge. Daher beruhe der Anspruchsgegenstand auf erfinderischer Tätigkeit.

Der Beschwerdeführer hat die Verfahrensführung der Prüfungsabteilung gerügt, da sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Artikel 113 EPÜ durch Erlaß der angefochtenen Entscheidung verletzt habe. Es seien im vorliegenden Fall "zweifellos entscheidungserhebliche Fragen offen geblieben" (Schriftsatz vom 3. Juli 2000, Seite 2, Absatz 1). Er habe mehrfach der Auffassung der Prüfungsabteilung begründet widersprochen, weswegen "diese Zurückweisungsentscheidung damit sachlich nicht gerechtfertigt" gewesen sei (loc. cit. Seite 2, vorletzter Absatz). Die Prüfungsabteilung habe die Zurückweisung wegen mangelnder Neuheit auf eine Kombination von zwei Stellen der Druckschrift (1) gestützt, welche ihm nicht bekannt gewesen seien. Den Ablauf des Prüfungsverfahrens aus seiner Sicht hat der Beschwerdeführer in einer in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgelegten Tabelle zusammengefaßt. Außerdem habe es die Prüfungsabteilung versäumt, ihn vor der Entscheidung telefonisch zu kontaktieren oder eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Daher sei sein Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr begründet.

VI. Der Beschwerdeführer hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage des Hauptantrages, eingegangen am 16. Februar 1999, oder auf Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 1 oder 2 zu erteilen. Außerdem hat er die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.

VII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Deutlichkeit (Artikel 84 EPÜ)

2.1. Artikel 84 i. V. m Regel 29 (1) EPÜ stellt das Erfordernis auf, daß die Ansprüche deutlich sind und durch Nennung der technischen Merkmale der Erfindung den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird. Dieses Erfordernis gewährleistet, daß die Öffentlichkeit nicht im unklaren darüber bleibt, welcher Gegenstand von den Ansprüchen umfaßt wird und welcher nicht. Aus diesem Grundsatz der Rechtssicherheit folgt zur Überzeugung der Kammer, daß Ansprüche nicht als deutlich in Sinne von Artikel 84 EPÜ anzusehen sind, wenn sie nicht erlauben, diese Unterscheidung zu treffen (siehe Entscheidungen G 2/88, ABl. EPA 1990, 93, Punkt 2.5 der Entscheidungsgründe; T 337/95, ABl. EPA 1996, 628, Punkte 2.2 bis 2.5 der Entscheidungsgründe). Ansprüche, die ein undeutliches technisches Merkmal enthalten, schaffen indessen Unklarheit über den tatsächlich von den Ansprüchen umfaßten Gegenstand. Wegen dieses Mangels an Rechtssicherheit sind solche Ansprüche somit nicht deutlich im Sinne von Artikel 84 EPÜ.

2.2. Im vorliegenden Fall definiert der unabhängige Anspruch 1 wie der davon abhängige Anspruch 2 den Substituenten B' der Formel (I) als eine Nucleobase, deren exocyclische Amino- bzw. Hydroxygruppen durch Schutzgruppen geschützt sind. Damit muß die Nucleobase auch zwangsläufig zumindest eine solche exocyclische Amino- oder Hydroxygruppe aufweisen. Die Anwesenheit derartiger geschützter Amino- oder Hydroxygruppen im Substituenten B' ist gerade nicht als fakultativ gekennzeichnet, sodaß das entsprechende Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht stichhaltig ist. Dieses deckt sich außerdem auch nicht mit seinem Vortrag im Verfahren vor der Prüfungsabteilung (Schriftsatz vom 27. Mai 1999, Seite 1), worin er die Anwesenheit der geschützten Amino/Hydroxygruppen in den Nucleobasen als Unterscheidungsmerkmal zum Stand der Technik herausstellt.

Entgegen der allgemeinen Definition des Substituenten B' in den Ansprüchen 1 und 2 benennt der geltende Anspruch 2 als Nucleobase jedoch eine Einzelverbindung, welche keine exocyclische Amino- oder Hydroxygruppe besitzt, nämlich Purin (siehe Punkt II supra). Dieser Widerspruch zwischen der anspruchsgemäßen allgemeinen Definition des Substituenten B', welche die Anwesenheit von exocyclischen Amino/Hydroxygruppen erfordert, einerseits, und der anspruchsgemäß genannten Einzelverbindung für B', welche diese Gruppen nicht aufweist, andererseits, schafft indessen Unklarheit darüber, welcher Gegenstand nun vom Schutzbegehren tatsächlich umfaßt wird und welcher nicht. Die Ansprüche 1 und 2 erlauben daher nicht eindeutig zu entscheiden, ob der Anspruchsgegenstand auch Nucleobasen generell umfassen soll, die keine exocyclische Amino- oder Hydroxygruppe besitzen. Wegen dieses Mangels an Rechtssicherheit erfüllen die Ansprüche 1 und 2 somit nicht das Erfordernis der Deutlichkeit gemäß Artikel 84 EPÜ.

2.3. Folglich kann auch dahinstehen, ob der im Anspruch 1 verwendete Begriff "unnatürliche Nucleobasen", der keine allgemein anerkannte Bedeutung besitzt, deutlich im Sinne von Artikel 84 EPÜ ist oder nicht. Gleiches gilt für die nähere Bestimmung der Schutzgruppe durch das einschränkende Adjektiv "geeignet".

2.4. Aus diesem Grunde ist der Hauptantrag des Beschwerdeführers wegen Verletzung von Artikel 84 EPÜ nicht gewährbar.

Hilfsantrag 1

3. Deutlichkeit (Artikel 84 EPÜ)

Die Ansprüche 1 und 2 des Hilfsantrags 1 unterscheiden sich hinsichtlich der Definition des Substituenten B' nicht von denen des Hauptantrages (siehe Punkt IV supra). Damit ist der gleiche Einwand gegen den Hilfsantrag 1 wie gegen den Hauptantrag zu erheben, denn die anspruchsgemäße allgemeine Definition des Substituenten B' in den Ansprüchen 1 und 2 des Hilfsantrages 1 erfordert die Anwesenheit von exocyclischen Amino/Hydroxygruppen, während die anspruchsgemäß genannte Einzelverbindungen Purin für B' keine dieser Gruppen aufweist. Durch diesen Widerspruch entsteht auch hier Unklarheit darüber, welcher Gegenstand nun von den Ansprüchen tatsächlich umfaßt wird und welcher nicht. Das führt notwendigerweise dann zur gleichen Schlußfolgerung, nämlich daß die Ansprüche 1 und 2 des Hilfsantrages 1 wegen dieses Mangels ebenso nicht das Erfordernis der Deutlichkeit erfüllen.

Der Hilfsantrag 1 ist daher wegen Verletzung von Artikel 84 EPÜ nicht gewährbar.

Hilfsantrag 2

4. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

Anspruch 1 stützt sich auf den ursprünglichen Anspruch 1, die Definition des Substituenten PG auf den ursprünglichen Anspruch 2 und die des Substituenten B' auf die ursprüngliche Seite 2, Zeile 28 bis Seite 3, Zeile 12. Die Ansprüche 2 bis 4 beruhen auf den ursprünglichen Ansprüchen 4 bis 6 und die nähere Bestimmung des Kupplungsreagenzes findet sich auf Seite 4, Zeile 25 bis Seite 5, Zeile 18 der ursprünglichen Unterlagen.

Der geltende Anspruchssatz genügt daher der Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.

5. Deutlichkeit (Artikel 84 EPÜ)

Der geltende Anspruchssatz enthält nur noch einen einzigen Stoffanspruch 1, in welchem für den Substituent B' jetzt einzelne Nucleobasen aufgelistet werden, die nach Angaben des Beschwerdeführers alle eine exocyclische Amino- bzw. Hydroxygruppe aufweisen und worin Purin, das diese Gruppen nicht aufweist, nicht mehr enthalten ist. Damit ist der im Hauptantrag und Hilfsantrag 1 gerügte Widerspruch in den Ansprüchen aufgelöst und das Erfordernis der Deutlichkeit erfüllt.

6. Neuheit

Der Anspruchsgegenstand ist nunmehr eingeschränkt und auf Verbindungen der Formel (I) gerichtet, deren Substituent PG bestimmte, einzeln aufgezählte Schutzgruppen und deren Substituent B' bestimmte, einzelne Nucleobasen mit bestimmten, einzeln aufgezählten Schutzgruppen bedeutet (siehe Punkt IV supra).

Die Druckschrift (1) steht diesem Gegenstand nicht neuheitsschädlich entgegen, auch wenn sie alle anmeldungsgemäßen Strukturmerkmale offenbart, denn diese werden dort nicht in Kombination genannt. Der Offenbarungsgehalt einer Druckschrift wird durch das festgelegt, was ihr unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist. Daher ist es zur Ermittlung des Offenbarungsgehaltes auch nicht statthaft, einzelne Teile daraus miteinander zu kombinieren, welche von der Entgegenhaltung selbst nicht miteinander verknüpft werden. Folglich ist der geltende Anspruchsgegenstand in der Druckschrift (1) nicht vorbeschrieben.

Hierzu erübrigen sich indessen weitere Ausführungen im Hinblick auf die folgenden Darlegungen zur erfinderischen Tätigkeit.

7. Erfinderische Tätigkeit

Es verbleibt daher im Beschwerdeverfahren zu prüfen, ob der geltende Anspruchsgegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

7.1. Die Streitanmeldung betrifft N-Ethyl-Glycinderivate zur Herstellung von PNA's und PNA/DNA-Hybriden. Die Druckschrift (1) beschreibt ebenfalls N-Ethyl-Glycinderivate für den gleichen Zweck, nämlich zur Herstellung von PNA's. Die Kammer betrachtet daher, in Einklang mit dem Beschwerdeführer, die Druckschrift (1) als nächstliegenden Stand der Technik und Ausgangspunkt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

So offenbart die Druckschrift (1) Verbindungen gemäß der anmeldungsgemäßen Formel (I). Diese Verbindungen sind auch freie Carbonsäure (Anspruch 19, mit R4=H). Die endständige Aminogruppe ist geschützt (Anspruch 19), wobei die anmeldungsgemäßen Aminoschutzgruppen Trt und Dmt in dieser Druckschrift entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers ausdrücklich genannt sind (Seite 8, Zeile 17). Natürliche Nucleobasen auf Basis von Purin und Pyrimidin, nämlich Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin, werden angeführt (Seite 7, Zeilen 13 ff). Deren exocyclische Aminogruppen sind mittels üblicher Schutzgruppen geschützt (Seite 10, Zeilen 35; Seite 12, Zeile 25). Damit umfaßt die Druckschrift (1) allgemein den Anspruchsgegenstand.

7.2. Ausgehend von diesem nächstkommenden Stand der Technik liegt der Erfindung laut Streitanmeldung (Seite 2, Zeilen 1, 2, 20 und 21) und laut Vortrag des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer die zweigeteilte Aufgabe zugrunde, weitere Glycinderivate für die Herstellung von PNA's (Teilaufgabe (a)) und von PNA/DNA-Hybriden (Teilaufgabe (b)) bereitzustellen.

7.3. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt die Streitanmeldung die Glycinderivate der allgemeinen Formel (I) gemäß Anspruch 1 vor, wobei laut überzeugendem Vortrag des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer die anspruchsgemäße Ausführungsform mit der Bedeutung NH für den Substituenten X die Teilaufgabe (a), nämlich zur Herstellung von PNA's, eigenständig löst, während die anspruchsgemäße Ausführungsform mit den Bedeutungen O und S für den Substituenten X nur die andere Teilaufgabe (b), nämlich zur Herstellung von PNA/DNA- Hybriden, eigenständig löst.

7.4. Die erfolgreiche Lösung der anmeldungsgemäßen Aufgabe durch die Bereitstellung der anspruchsgemäßen Glycinderivate ist im Verfahren nie in Zweifel gezogen worden. Im Hinblick auf die Beispiele in der Streitanmeldung hat die Kammer auch keinen Anhaltspunkt dafür.

7.5. Es bleibt nun zu überprüfen, ob die oben genannte Aufgabe durch die anspruchsgemäßen Glycinderivate in naheliegender Weise gelöst wird. Hierbei wird zuerst die Teilaufgabe (a), nämlich die Bereitstellung von weiteren Glycinderivaten zur Herstellung von PNA's, darauf untersucht, ob für deren eigenständige Lösung die vorgeschlagenen Glycinderivate mit X=NH nahegelegen haben.

7.5.1. Die nächstliegende Druckschrift (1) umfaßt den Erfindungsgegenstand allgemein. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheidet sich davon im wesentlichen durch Auswahl und Zusammenfügung von Substituentenbedeutungen, welche in dieser Druckschrift nur einzeln und nicht in Kombination miteinander offenbart sind (siehe Punkt 7.1, Absatz 2 supra). Der Beschwerdeführer hat weder vorgetragen noch belegt, daß es sich bei der anspruchsgemäßen Auswahl der einzelnen Substituentenbedeutungen oder der Aufzählung anerkanntermaßen bekannter Schutzgruppen für Nucleobasen (Offenlegungsschrift Seite 6, Zeile 43 ff) um etwas Erfindungswesentliches handelt oder damit ein besonderer technischer Effekt im Vergleich zur Druckschrift (1) verbunden ist. Die Kammer hat auch von sich aus keinen Anhaltspunkt hierfür. Folglich ist das Zusammenfügen von bereits einzeln bekannten Strukturelementen im geltenden Anspruch 1 weder zielgerichtet noch kritisch für die zu lösende Teilaufgabe (a), nämlich weitere Glycinderivate zur Herstellung von PNA's bereitzustellen. Diese willkürliche Wahl und Aggregation von Strukturelementen aus dem Rahmen der Druckschrift (1), wie sie anspruchsgemäß vorgenommen wird, stellen jedoch schon wegen ihrer Beliebigkeit lediglich eine Routinetätigkeit dar, die im handwerklichen Können des Fachmanns liegt, ohne daß es eines erfinderischen Tuns seinerseits bedürfte.

7.5.2. Der Beschwerdeführer hat eingewandt, daß im Stand der Technik (1) für den Substituenten PG die Schutzgruppe Boc eingesetzt werde, welche eine stärkere Säurestabilität gegen Abspaltung besitze, während anspruchsgemäß andere Schutzgruppen eingesetzt würden. Diese Behauptung wird indessen durch die Fakten nicht getragen, denn die Druckschrift (1) beschreibt auf Seite 8, Zeile 17 ausdrücklich die Schutzgruppen Trt und Dmt, welche im geltenden Anspruch 1 ebenfalls genannt werden. Daher kann der Einwand des Beschwerdeführers nicht durchgreifen.

7.5.3. Nachdem aus den oben genannten Gründen die eigenständige anspruchsgemäße Lösung der Teilaufgabe (a) naheliegt, ist es entscheidungsunerheblich, ob die vorgeschlagene andere Lösung für die andere Teilaufgabe (b) ebenso nahegelegen hat oder nicht.

7.6. Die Kammer kommt daher zu dem Schluß, daß der Gegenstand des Anspruch 1 des Streitpatents eine naheliegende Lösung der patentgemäßen Aufgabe umfaßt und somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

8. Da über einen Antrag nur als Ganzes zu entscheiden ist, war auf dessen übrige Ansprüche nicht weiter einzugehen.

Der Hilfsantrag 2 ist folglich wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 52 (1) und 56 EPÜ nicht gewährbar.

9. Rückzahlung der Beschwerdegebühr (Regel 67 EPÜ)

Der Beschwerdeführer hat der Prüfungsabteilung eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Artikel 113 EPÜ) und damit einen wesentlichen Verfahrensfehler vorgeworfen, weswegen die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gerechtfertigt sei.

Die vom Beschwerdeführer hierfür vorgetragenen Gründe überzeugen die Kammer indessen nicht. Nach Artikel 113 (1) EPÜ dürfen Entscheidungen des Europäischen Patentamtes, hier der Prüfungsabteilung, nur auf Gründe gestützt werden, zu denen der beschwerdeführende Anmelder sich äußern konnte. Dem Vortrag des Beschwerdeführers ist nicht zu entnehmen, und der Kammer ist auch nicht ersichtlich, zu welchen "Gründen" im Sinne von Artikel 113 EPÜ, auf welche sich die Zurückweisungsentscheidung stützt, er sich nicht hat vorab äußern können. In drei detaillierten Amtsbescheiden, in denen insbesondere die Neuheit des Anmeldungsgegenstandes detailliert durch Angabe spezifischer Stellen in der Entgegenhaltung mit Anspruchsnummer oder mit Seite und Zeile gerügt wurden, hat die Prüfungsabteilung ihre Einwände substantiiert. So hat sie zur Begründung ihrer Neuheitsrüge im Bescheid vom 3. März 1999 unter Punkt 2, wie auch später in der angefochtenen Entscheidung, die Offenbarung des Anspruchs 19 und der Seite 8, Zeilen 16 und 17 der Druckschrift (1) in Kombination angezogen. Die gegenteilige Behauptung des Beschwerdeführers ist daher unzutreffend. Im Gegensatz zu seinem Vorbringen ist somit auch keine entscheidungserhebliche Fragen offen geblieben sind und sein Anspruch auf rechtliches Gehör war gewahrt.

Der Beschwerdeführer hat zu den Amtsbescheiden jeweils ausführliche Eingaben eingereicht, konnte jedoch die Prüfungsabteilung in der Sache nicht überzeugen. Zwischen der Prüfungsabteilung und dem Beschwerdeführer persistierende Auffassungsunterschiede in der Sache stellen jedoch grundsätzlich keinen Mangel des Verfahrens dar.

Auch der Vorwurf des Beschwerdeführers an die Prüfungsabteilung, daß "die Möglichkeit einer telefonischen Rücksprache oder einer mündlichen Verhandlung vor Erlaß einer so schwerwiegenden Entscheidung wie der Zurückweisung der Anmeldung überhaupt nicht genutzt wurde", geht ins Leere. Wenn der Beschwerdeführer dies für sachdienlich gehalten hat, so war es an ihm, die Prüfungsabteilung telefonisch zu kontaktieren oder eine mündliche Verhandlung zu beantragen. Sein eigenes Versäumnis als Verfahrensfehler der Prüfungsabteilung darzustellen, vermag nicht zu überzeugen.

Mangels Verfahrensfehler der ersten Instanz muß daher, unabhängig vom Ausgang der Beschwerde, der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr abgelehnt werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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