T 0514/00 () of 22.7.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T051400.20020722
Datum der Entscheidung: 22 Juli 2002
Aktenzeichen: T 0514/00
Anmeldenummer: 93104223.8
IPC-Klasse: B65G 1/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 26 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Gestell zum Lagern von flächigen Werkstücken
Name des Anmelders: MTS Maschinenbau GmbH
Name des Einsprechenden: GIE PSA PEUGEOT CITROEN
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 113(1)
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Nach Änderung (bejaht)
Änderungen - Anspruchserweiterung (verneint)
Rechtliches Gehör
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0783/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die am 27. März 2000 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 0 562 417 am 22. Mai 2000 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr und die Beschwerdebegründung sind ebenfalls an diesem Tag eingegangen.

II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf die Artikel 100 a), b) und c) EPÜ angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung vertrat aber die Auffassung, daß die vorgebrachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünden.

III. Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren auf folgende Entgegenhaltungen verwiesen:

D1: FR-A-2 551 727

D2: US-A-4 113 110.

IV. Die Beschwerdeführerin hat beantragt (siehe Schreiben vom 18. Mai 2000, Seite 1/3, Absatz 1), die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben, das angefochtene Patent zu widerrufen und die Beschwerdegebühr zu erstatten.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat sinngemäß beantragt, das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten (siehe Schreiben vom 15. Oktober 2001):

Patentansprüche: 1, eingereicht mit Schreiben vom 15. Oktober 2001;

2. - 8 wie erteilt;

Beschreibung: Spalten 1 - 4 wie erteilt, mit folgender Änderung: Spalte 1, Zeile 24, ab dem Wort "aufgenommen" bis Zeile 59 wird ersetzt durch Seite 2, eingereicht mit Schreiben vom 15. Oktober 2001;

Zeichnungen: Figuren 1 - 3 wie erteilt.

Außerdem hat die Beschwerdegegnerin eine mündliche Verhandlung beantragt, falls das Patent mit diesen Unterlagen nicht aufrechterhalten werden kann.

V. Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Gestell zum Lagern von flächigen Werkstücken, beispielsweise von durch Pressen hergestellte Teile eines Automobils, aus einzelnen Stapelsäulen (1), welche bewegbare Klinken (6) aufweisen, die in einem Stapelprofil (5) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, daß das Stapelprofil (5) mit einem Schutzprofil (4) lösbar verbunden ist, wobei das Stapelprofil (5) gegenüber dem feststehenden Schutzprofil (4) bewegbar ist."

VI. Im Hinblick auf den geänderten Anspruch 1 hat die Beschwerdeführerin folgendes vorgetragen:

Dasjenige Merkmal, wonach das Stapelprofil gegenüber dem Schutzprofil bewegbar ist, sei nicht in den ursprünglich eingereichten Unterlagen des angefochtenen Patents offenbart gewesen. Der vorliegende Anspruch 1 erfülle daher nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ. Aus der ursprünglichen Beschreibung ginge nämlich lediglich hervor, daß das Stapelprofil gegenüber dem Schutzprofil in seiner Lage veränderbar sei. Dies könne aber nicht so aufgefaßt werden, daß das Stapelprofil gegenüber dem Schutzprofil bewegbar sei. Vielmehr sei daraus lediglich abzuleiten, daß das Stapelprofil gegenüber dem Schutzprofil mehrere feste Stellungen einnehmen könne. Mit dem angefochtenen Patent werde auch nichts anderes angestrebt, da die Stapelsäulen danach eine gleichbleibende vertikale Ausrichtung und einen gleichbleibenden Abstand voneinander aufweisen müßten, damit die einzulagernden Teile ordnungsgemäß auf die Klinken aufgenommen werden könnten. Eine freie Bewegbarkeit des Stapelprofils gegenüber dem Schutzprofil würde dieser Anforderung dagegen entgegengerichtet sein.

Im Hinblick auf die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des vorliegenden Anspruchs 1 hat die Beschwerdeführerin keine Ausführungen gemacht. Die Entgegenhaltungen D1 und D2 hat sie lediglich zu dem, der Entscheidung der Einspruchsabteilung zugrundeliegenden Anspruch 1 genannt.

Zur Stützung ihres Antrags auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr hat sie vorgebracht, daß ihr während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren nicht genügend Zeit gegeben worden sei, um den Wortlaut des neu vorgelegten Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag zu prüfen, daß ihr dessen Text nur mündlich mitgeteilt wurde und daß ihr außerdem keine Gelegenheit für eine ausführliche Stellungnahme zu diesem Hilfsantrag gegeben worden sei. Die Einspruchsabteilung habe daher einen wesentlichen Verfahrensfehler begangen, wie es auch durch die Entscheidung T 783/89 bestätigt werde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Der vorliegende Anspruch 1 unterscheidet sich vom ursprünglich eingereichten Anspruch 1 durch den Zusatz, wonach das Stapelprofil gegenüber dem feststehenden Schutzprofil bewegbar ist.

Gegenüber dem Anspruch 1 des erteilten Patents wurde der vorliegende Anspruch 1 durch das zusätzliche Merkmal eingeschränkt, wonach das Schutzprofil feststehend ist.

2.2. Das Merkmal, wonach das Stapelprofil gegenüber dem feststehenden Schutzprofil bewegbar ist wird vom Offenbarungsgehalt des ursprünglichen Anspruchs 8 umfaßt. Darin wird angegeben, daß das Schutzprofil auf einer Grundplatte festgelegt ist, während das Stapelprofil gegenüber dieser Grundplatte bewegbar ist. Für den Fachmann ist es deshalb offensichtlich, insbesondere unter Berücksichtigung der ursprünglichen Figuren 1 und 2 sowie der zugehörigen ursprünglichen Beschreibung (siehe z. B. Seite 6, Zeilen 15 - 24), daß die Angabe, wonach das Schutzprofil auf einer Grundplatte festgelegt ist, impliziert, daß das Schutzprofil feststeht. Außerdem ist es selbstverständlich, daß das gegenüber der Grundplatte bewegbare Stapelprofil auch gegenüber dem auf der Grundplatte festgelegten Schutzprofil bewegbar sein muß. Zusammenfassend ist festzustellen, daß der ursprüngliche Anspruch 8 somit offenbart, daß das Stapelprofil gegenüber dem feststehenden Schutzprofil bewegbar ist.

2.3. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach dieses Merkmal ursprünglich nicht offenbart gewesen sein soll, ist demgegenüber nicht überzeugend. Es ist zwar richtig, daß auf Seite 2, der ursprünglichen Beschreibung ab Zeile 26 ausgeführt ist, daß das Stapelprofil in seiner Lage veränderbar ist, so daß nach Festlegung des Schutzprofils auf einem Untergrund eine Justage erfolgen kann. Daraus folgt aber nicht, daß das Stapelprofil gegenüber dem Schutzprofil nur mehrere feste Stellungen einnehmen kann. Vielmehr entnimmt der Fachmann daraus in Zusammenhang mit dem kennzeichnenden Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 1, wonach das Stapelprofil mit dem Schutzprofil lösbar verbunden ist, die technische Lehre, daß die Verbindung zwischen dem Stapelprofil und dem Schutzprofil zur Justage gelöst wird, das Stapelprofil dann derart relativ zum feststehenden Schutzprofil bewegt wird, bis es die gewünschte Ausrichtung eingenommen hat und schließlich wieder die feste Verbindung zwischen den beiden Profilen hergestellt wird. Daß dabei nur solche Bewegungen des Stapelprofils vorgenommen werden, die zur gewünschten Ausrichtung des Stapelprofils führen (z. B. das im Ausführungsbeispiel gemäß Figuren 2 und 3 gezeigte Kippen), ist selbstverständlich. Die von der Beschwerdeführerin angesprochenen freie Bewegbarkeit des Stapelprofils ist dagegen weder notwendig, noch im vorliegenden Anspruch 1 beansprucht.

2.4. Die Merkmale von Anspruch 2 sind im ursprünglichen Anspruch 2 und auf Seite 2, Zeilen 31, 32 der ursprünglichen Beschreibung offenbart. Die Ansprüche 3. - 7 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3 - 7 und Anspruch 8 ist durch das erste Teilmerkmal des ursprünglichen Anspruchs 8 gedeckt.

Die Beschreibung wurde lediglich an den Wortlaut der geänderten Ansprüche angepaßt.

2.5. Nachdem der Gegenstand des geänderten Patents somit nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinausgeht und der Schutzbereich des angefochtenen Patents auch nicht erweitert wurde, ist die geänderte Fassung des Patents sowohl im Hinblick auf Artikel 123(2) EPÜ als auch auf Artikel 123(3) EPÜ zulässig.

3. Neuheit

3.1. D1 offenbart ein Gestell (1) zum Lagern von flächigen Werkstücken (14, 15; siehe auch Seite 1, Zeilen 1 - 3), wobei das Gestell aus einzelnen Stapelsäulen besteht, welche bewegbare Klinken (6) aufweisen, die in einem Stapelprofil (3) angeordnet sind.

Das aus D1 bekannte Gestell weist aber kein Schutzprofil auf.

3.2. D2 offenbart ein weiteres Gestell (10), das zum Lagern von flächigen Werkstücken geeignet ist, wobei ein Profil (11) des Gestells mit einem Schutzprofil (35) lösbar verbunden ist.

Das Gestell nach D2 besteht jedoch nicht aus einzelnen Stapelsäulen, welche bewegbare Klinken aufweisen, die in einem Stapelprofil angeordnet sind. Außerdem ist nicht das Schutzprofil (35) feststehend, sondern das Profil (11), so daß nicht das Profil (11) gegenüber dem Schutzprofil (35) bewegbar ist, sondern das Schutzprofil (35) gegenüber dem Profil (11).

3.3. Im Hinblick auf die vorangehenden Ausführungen ist der Gegenstand des vorliegenden Anspruch 1 neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Der nächstliegende Stand der Technik geht aus der Entgegenhaltung D1 hervor, die ein Gestell offenbart, wie es im Oberbegriff des vorliegenden Anspruchs 1 als bekannt vorausgesetzt ist.

4.2. Hiervon ausgehend liegt dem Gegenstand des angefochtenen Patents die Aufgabe zugrunde, ein Gestell zu schaffen, welches einfach aufstellbar und ausrichtbar ist und welches unempfindlich gegen Beschädigungen ist (siehe vorliegende Beschreibung, Seite 2, Zeilen 13 - 16).

4.3. Zur Lösung dieser Aufgabe ist es nach dem vorliegenden Anspruch 1 vorgesehen, daß das Stapelprofil mit einem Schutzprofil lösbar verbunden ist, wobei das Stapelprofil gegenüber dem feststehenden Schutzprofil bewegbar ist.

4.4. Nachdem aus dem nachgewiesenen Stand der Technik keine Anregung zu entnehmen ist, bei einem Lagergestell ein Schutzprofil feststehend anzuordnen und ein Profil des Gestells gegenüber diesem Schutzprofil bewegbar anzuordnen, kann der von einer Vorrichtung nach D1 ausgehende Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand nach Anspruch 1 gelangen.

D2 könnte allenfalls dazu anregen, am feststehenden Stapelprofil des Gestells nach D1 ein dazu bewegbares Schutzprofil lösbar anzuordnen.

4.5. Aufgrund der vorstehenden Betrachtungen ist die Kammer zur Auffassung gelangt, daß der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und das Patent in seiner geänderten Fassung aufrechterhalten werden kann.

5. Rückzahlung der Beschwerdegebühr

5.1. Nach Regel 67 EPÜ besteht eine Voraussetzung für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr darin, daß sie wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.

5.2. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr damit begründet, daß ihr im Hinblick auf den während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren vorgelegten Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin das rechtliche Gehör (Artikel 113 (1) EPÜ) nicht im ausreichenden Maß gewährt wurde.

5.3. Nachdem die Einspruchsabteilung aber schon dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin stattgegeben hat, war es überhaupt nicht notwendig auf den Hilfsantrag einzugehen. Selbst wenn der Beschwerdeführerin keine schriftliche Fassung des Hilfsantrags vorgelegen hat und sie nicht ausreichend Zeit für das Studium dieses Hilfsantrags hatte, kann daher kein wesentlicher Verfahrensmangel erkannt werden. Folglich ist eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ nicht möglich.

5.4. Die von der Beschwerdeführerin genannte T 783/89 betrifft einen Fall in dem die Einspruchsabteilung während der mündlichen Verhandlung einen neuen Anspruch vorgeschlagen hat. Anschließend hat sie den Parteien 10. Minuten zum Studium dieses Anspruchs gegeben und am Ende der Verhandlung das Patent auf der Basis des neuen Anspruchs im geänderten Umfang aufrechterhalten. In diesem Fall wurde entschieden, daß die Erteilung eines Patents auf einen überraschend vorgelegten Anspruch, für dessen Studium nur eine kurze Zeit zur Verfügung stand, einen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigt.

Diese Entscheidung ist jedoch nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar, weil die Entscheidung hier eben gerade nicht auf der Basis des während der mündlichen Verhandlung vorgelegten Antrags getroffen wurde.

6. Nachdem die Kammer das Patent aufrechterhält, war die von der Beschwerdegegnerin hilfsweise beantragte mündliche Verhandlung nicht durchzuführen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit dem Auftrag, das Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche: 1, eingereicht mit Schreiben vom 15. Oktober 2001;

2. - 8 wie erteilt;

Beschreibung: Spalten 1 - 4 wie erteilt, mit folgender Änderung: Spalte 1, Zeile 24, ab dem Wort "aufgenommen" bis Zeile 59 wird ersetzt durch Seite 2, eingereicht mit Schreiben vom 15. Oktober 2001;

Zeichnungen: Figuren 1 -3 wie erteilt.

3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Quick Navigation