T 0511/00 (Boswelliasäure/AMMON) of 19.9.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T051100.20010919
Datum der Entscheidung: 19 September 2001
Aktenzeichen: T 0511/00
Anmeldenummer: 93100398.2
IPC-Klasse: A61K 31/215
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung von reiner Boswelliasäure
Name des Anmelders: Ammon, Hermann P. T.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Haupt- und erster Hilfsantrag - Neuheit - nein - Lehre der medizinischen Verwendung eines Naturproduktextraktes eindeutig vorbeschrieben
Zweiter bis fünfter Hilfsantrag - erfinderische Tätigkeit - nein - Verwendung einer speziellen Komponente eines Naturproduktes als Wirkstoff bzw. alleinigen Wirkstoffes für die beanspruchten medizinischen Indikationen nahegelegt
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/83
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung 93 100 398.2 mit der Veröffentlichungsnummer 0 552 657 wurde mit der am 28. Dezember 1999 zur Post gegebenen Entscheidung der Prüfungsabteilung unter Artikel 97 (1) EPÜ zurückgewiesen.

Anspruch 1 des dieser Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrages, datiert vom 28. Dezember 1998, hat folgenden Wortlaut:

"Verwendung reiner Boswelliasäure oder eines physiologisch annehmbaren Salzes, eines Derivates, eines Salzes des Derivates oder einer Boswelliasäure enthaltenden pflanzlichen Zubereitung zur Herstellung eines Arzneimittels für die human- oder veterinärmedizinische Behandlung von epidermalen Läsionen (Psoriasis), allergischem oder chronischem Asthma, Endotoxinschock, entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) und chronischer Hepatitis."

Im Verlaufe des Prüfungsverfahrens wurden folgende Entgegenhaltungen genannt, die für das weitere Verfahren von Bedeutung geblieben sind:

(1) "Int. J. Immunopharmacol.", Bd. 11, Nr. 6, 1989, Seiten 647 bis 652

(2) "IJBIAC" (The Italian Journal of Biochemistry), Bd. 36, Nr. 4, 1987, Seiten 205 bis 217

(3) "Indian Journal of Pharmaceutical Sciences", Bd. 52, Nr. 3, 1990, Seiten 158 bis 160

(4) "Planta Medica", Bd. 57, 1991, Seiten 203 bis 207.

Die Prüfungsabteilung begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß dem beanspruchten Gegenstand mit Bezug auf den genannten Stand der Technik zwar die Neuheit im Rahmen von Artikel 54 EPÜ zuerkannt werden könne, aber es im Hinblick auf den Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (4) für sich genommen oder in Kombination mit entweder der Entgegenhaltung (1) oder der Entgegenhaltung (3) an der notwendigen erfinderischen Tätigkeit unter Artikel 56 EPÜ mangele.

Insbesondere sei die Funktion von 5-Lipoxygenase-Inhibitoren in Zusammenhang mit den in Anspruch 1 aufgelisteten Krankheiten sowie die als erfindungswesentlich anzusehende Erkenntnis, daß Boswelliasäure enthaltende pflanzliche Zubereitungen sich durch ihre selektive Hemmung der 5-Lipoxygenase bei niederen Konzentrationen auszeichne, der Entgegenhaltung (4) zu entnehmen. Da entsprechende Boswelliasäure enthaltende Produkte in Indien bereits als Medikament verschrieben würden und weder toxisch seien, noch Nebenwirkungen zeigten, wie unter anderem aus der Entgegenhaltung (3) zu entnehmen, sei es insgesamt für den Fachmann nahegelegt gewesen, die Verwendung von Boswelliasäure zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung der Krankheiten gemäß Anspruch 1 konkret vorzusehen.

Da der noch vorgelegte erste Hilfsantrag nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) erfülle und der Anmelder ausdrücklich erklärt habe, daß die Aufrechterhaltung eines Patentes aufgrund des zweiten auf die Verwendung reiner Boswelliasäure eingeschränkten Hilfsantrages, obwohl dieser von der Prüfungsabteilung als patentierbar betrachtet wurde, für ihn nicht akzeptabel sei, müsse die Anmeldung zurückgewiesen werden.

II. Der Beschwerdeführer (Anmelder) hat gegen diese Entscheidung Beschwerde erhoben und im schriftlichen Verfahren am 17. August 2001 einen ersten Hilfsantrag eingereicht, dessen Anspruch 1 sich von Anspruch 1 des der Entscheidung der Prüfungsabteilung zugrundeliegenden und im Beschwerdeverfahren weiterverfolgten Hauptantrages durch die Einschränkung der beanspruchten Verwendung des Arzneimittels auf die Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) unterscheidet.

Am 19. September 2001 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in deren Verlauf der Beschwerdeführer vier zusätzliche Hilfsanträge überreichte.

Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrages unterscheidet sich von dem des bestehenden Hauptantrages durch die Einfügung "...oder einer Boswelliasäure als Wirkstoff enthaltenden pflanzlichen Zubereitung zur...".

Anspruch 1 des dritten Hilfsantrages unterscheidet sich von dem des zweiten Hilfsantrages durch die Einschränkung der beanspruchten Verwendung des Arzneimittels auf die Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn).

Der vierte und fünfte Hilfsantrag entsprechen dem Haupt- und ersten Hilfsantrag mit der zusätzlichen Einschränkung auf die Verwendung reiner Boswelliasäure oder eines physiologisch annehmbaren Salzes, eines Derivates oder eines Salzes des Derivates.

III. Im schriftlichen Verfahren sowie in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer hat der Beschwerdeführer unter anderem vorgetragen, daß die Entgegenhaltung (4) als rein wissenschaftliche abstrakte Studie aufzufassen sei, die weder in die medizinische Praxis übertragbar sei noch eine nacharbeitbare Lehre für die Behandlung der beanspruchten Indikationen darstelle. Insbesondere sei aus der Entgegenhaltung (4) weder zu entnehmen, daß die Pflanze Boswellia Serrata Boswelliasäure im eigentlichen chemischen Sinne enthalte noch das Vorhandensein unterschiedlicher Spezies der Boswelliasäure in definierten Anteilen und demzufolge auch keinesfalls die Lehre Boswelliasäure als Wirkstoff für die beanspruchte Auswahl an Indikationen vorzusehen. Die Angaben zum Vorhandensein von Boswelliasäure in Boswellia Serrata in den Entgegenhaltungen (1) bis (3) seien durch keinerlei konkrete Analysen oder Strukturangaben gestützt und beruhten lediglich auf Vermutungen, wobei spätere Untersuchungen gezeigt hätten, daß Komponenten, die für Boswelliasäure gehalten wurden, sich als bloße Harzanteile nach näherer Analyse bestätigt hätten. Alle Angaben zur Behandlung spezieller, auf Entzündungsvorgänge zurückzuführenden Krankheiten, seien im Zusammenhang mit bestimmten Mechanismen in der Entgegenhaltung (4) lediglich beispielhaft aus einer Gruppe hunderter anderer möglicher Krankheiten genannt und eine Wirkung des in der Entgegenhaltung (4) erwähnten Boswellia Serrata Exudates auf zum Beispiel Morbus Crohn könne nur als reine Spekulation angesehen werden. Somit könne die Neuheit des Anmeldungsgegenstandes gegenüber der Entgegenhaltung (4) nicht in Frage gestellt werden.

Erst die erfinderische Tätigkeit des Beschwerdeführers habe dazu geführt, gezielt so unterschiedliche Krankheiten, wie Psoriasis oder Morbus Crohn durch ein gemeinsames Therapieprinzip behandeln zu können. Hierbei sei die tatsächliche Wirkung der Boswelliasäure erst durch die Erfindung und somit die Anmeldeschrift des Beschwerdeführers offenbart. Die Entgegenhaltungen (1) bis (3) beträfen eindeutig nur Arthritis bzw. rheumatische Syndrome, so daß diese Entgegenhaltungen für den Fachmann weder eine inhaltliche Verbindung zu der Entgegenhaltung (4) vorgeben könnten noch zu einer erfolgreichen Behandlung der in Anspruch 1 genannten vollständig unterschiedlichen Indikationen anregen könnten. Vielmehr sei die Fachwelt gegenüber der Anwendung von Salai-Guggal (Indischer Weihrauch) dem Gummiharz aus Boswellia Serrata mit nahezu unüberwindbaren Vorurteilen konfrontiert gewesen. So galt nachweislich Anfang der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts Olibanum als obsolet und sei nicht in das Deutsche Arzneibuch aufgenommen worden, und noch mehr als ein halbes Jahrzehnt nach der Anmeldung sei im Jahre 1998 in der Fachliteratur wörtlich vor dem "Einsatz einer unwirksamen Substanz wie Boswelliasäure" mit verheerenden Folgen bei Frühfällen von Polyarthritis gewarnt worden. Die Blindheit der Fachwelt gegenüber der Wirkung von Weihrauch in Verbindung mit dem Faktum, daß die Spekulationen über Entzündungsmechanismen aus der Entgegenhaltung (4) nicht in die medizinische Praxis übertragen wurden, obwohl in der medizinischen Fachwelt ein lang bestehendes Bedürfnis vorhanden war, die Behandlung von z. B. Morbus Crohn mit Glucocorticoiden durch schonendere und nebenwirkungsfreiere Mittel zu ersetzen, sei jedenfalls ein eindeutiges Indiz für das Vorhandensein erfinderischer Tätigkeit. In diesem Sinne würde auch der im Rahmen der Rechtsprechung der Beschwerdekammern übliche "could/would-Ansatz" zeigen, daß eine praktische Behandlung der in der Entgegenhaltung (4) auch nur beispielhaft aufgelisteten Krankheiten vom Fachmann nicht tatsächlich in Betracht gezogen würde. Eine Aussicht auf tatsächlichen medizinischen Behandlungserfolg sei durch die rein wissenschaftliche in vitro Studie der Entgegenhaltung (4) jedenfalls nicht gegeben. Somit bestünde gegenüber der Entgegenhaltung (4) die Aufgabe, eine wirksame Behandlung der dort aufgelisteten Krankheiten zu ermöglichen. Hierzu seien zwei erfinderische Schritte notwendig gewesen, zum einen, welcher Wirkstoff hilft, wobei die Antwort Boswelliasäure sei, die in der Entgegenhaltung (4) mit keinem Wort erwähnt sei, und zum anderen die gezielte Behandlung von Morbus Crohn ohne Nebenwirkungen zu ermöglichen. Insbesondere zeigten nachgereichte Krankenstudien glaubhaft, welche Verbesserung der Lebensqualität dieser Patienten durch die Erfindung zu erzielen sei.

Der Beschwerdeführer beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Ansprüche 1 bis 5 gemäß Hauptantrag vom 28. Dezember 1998 oder erstem Hilfsantrag mit Schreiben vom 17. August 2001 oder einem der Hilfsanträge 2 bis 5, in der mündlichen Verhandlung überreicht.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Gegen die Anspruchsfassungen gemäß Hauptantrag und allen Hilfsanträgen bestehen keine Bedenken im Hinblick auf die Erfordernisse der Artikel 84 EPÜ und 123 (2) EPÜ.

3. Im Einklang mit der Beurteilung der ersten Instanz verbleibt die Entgegenhaltung (4) der entscheidungserhebliche Stand der Technik.

3.1. Dieser, auf eine wissenschaftliche Studie gerichtete Stand der Technik, kommt auf Seite 206, rechte Spalte, unter der Überschrift "Discussion", zu der Schlußfolgerung, daß die Daten der Studie klar zeigen, daß ein ethanolischer Extrakt des Gummiharzes von Boswellia Serrata Komponenten enthält, welche hemmende [Inhibitions]Wirkung auf die Produktion von Entzündungsmediatoren des Leukotrienen Typs in vitro ausüben. Die Autoren der Entgegenhaltung (4) schlußfolgern dann, daß auf der Grundlage unterschiedlicher Beweise, der beobachtete Abfall in der Syntheserate dieses Typs von Mediator als Ergebnis der direkten Einwirkung der Komponenten von Boswellia Serrata auf das Schlüsselenzym der Leukotrienenproduktion, d. h. der 5-Lipoxygenase angesehen werden muß.

Im einleitenden und erläuternden Teil der Entgegenhaltung (4) auf Seite 203, rechte Spalte, mittlerer Absatz, wird zuvor klar aufgezeigt, welche mit Entzündungsvorgängen einhergehende Krankheiten im Zusammenhang mit besagten Mediatoren gemeint sind, und zwar im Rahmen der Feststellung, daß Leukotrienen, für welche die 5-Lipoxygenase das Schlüsselenzym darstellt, als beteiligt an der Auslösung [Initialisierung] und Aufrechterhaltung einer Vielfalt von Entzündungskrankheiten, wie z. B. chronischer Rheumatismus, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa, Psoriasis, bronchiales Asthma und anaphylaktischem Schock, betrachtet werden müssen. Diese Aussage wird am Ende der Studie auf Seite 207, rechte Spalte, letzter Absatz, durch die nochmalige Schlußfolgerung bestätigt, daß der ethanolische Extrakt des Gummiharzes aus Boswellia Serrata auf eine starke und in einer konzentrationsabhängigen Weise die Synthese von 5-Lipoxygenaseprodukten in vitro blockiert.

3.2. Der Beschwerdeführer hat zu Recht vorgetragen, das Boswelliasäure als Bestandteil des ethanolischen Extraktes des Gummiharzes von Boswellia Serrata in der Entgegenhaltung (4) nicht wörtlich erwähnt ist.

Die Kammer ist jedoch überzeugt, daß am Prioritätsdatum der vorliegenden Anmeldung der Fachmann zwangsläufig mitliest, daß besagter Extrakt eine Boswelliasäure enthaltende pflanzliche Zubereitung im weitestgehenden Sinne darstellt.

Es mußte zum betreffenden Datum jedenfalls dem allgemeinen Fachwissen zugeordnet werden, daß Boswellia Serrata einen, wenn auch unbestimmten Gehalt an Boswelliasäure aufweist, wobei dieses allgemeine Fachwissen gleich durch drei vorveröffentlichte Studien, die alle Salai-Guggal-Extrakte in der Wirkung auf entzündliche Prozesse betreffen, belegt wird, und zwar die Entgegenhaltung (1), insbesondere auf Seite 647, linke Spalte; die Entgegenhaltung (2), insbesondere die Absätze übergreifend die Seiten 205/206 sowie die Entgegenhaltung (3), insbesondere die Seite 158, linke Spalte.

3.3. Für die patentrechtliche Beurteilung des Gegenstandes des Haupt- und ersten Hilfsantrages, der dem Wortlaut des jeweiligen Anspruchs 1 nach lediglich eine Gesamtwirkung bzw. Summenwirkung aller Komponenten besagter pflanzlichen Zubereitung verlangt und weder eine Konzentrationsangabe zur Boswelliasäure in der pflanzlichen Zubereitung enthält, noch auf definierte Spezies der Boswelliasäure gerichtet ist, ist es im vorliegenden Fall somit unerheblich, ob am Prioritätsdatum der Anmeldung der tatsächliche Gehalt und die wirkliche Struktur der Boswelliasäure(n) in Boswellia Serrata bekannt waren. Somit kann der Vortrag der Beschwerdeführerin, der nach Sicht der Kammer nicht anzuzweifeln ist, daß an besagtem Prioritätsdatum die Autoren der Entgegenhaltungen (1) bis (3) nicht wußten, daß ihren Studien nur äußerst geringe Mengen an eigentlichen Boswelliasäuren unterschiedlicher Struktur in den untersuchten Fraktionen zugrunde lagen, das Allgemeinverständnis des Fachmannes bezüglich des Komponentengehaltes von Boswellia Serrata, wenn er die Entgegenhaltung (4) liest, nicht in Frage stellen.

3.4. Da die Entgegenhaltung (4) eineindeutig die Verknüpfung des Schlüsselenzymes 5-Lipoxygenase mit der Auslösung und Aufrechterhaltung jeder der aufgelisteten Krankheiten wie u. a. Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn für sich genommen offenbart, also besagtes Enzym funktional jeweils für sich genommen mit einer Liste von individuellen Krankheiten verknüpft ist, kann im vorliegenden Fall als Anspruchsgegenstand, wie er dem Haupt- und ersten Hilfsantrag zugrunde liegt, eine Auswahl aus unterschiedlichen Krankheitslisten oder Verursachungsmechanismen nicht angenommen werden.

3.5. Spekulative Ansätze, die zu einer sogenannten "could/would-Situation" bezüglich der Verwendung des in der Entgegenhaltung (4) beschriebenen ethanolischen Extraktes des Gummiharzes von Boswellia Serrata führen könnten, vermag die Kammer im Hinblick auf die überragende wissenschaftliche Leistung, die die Studie nach der Entgegenhaltung (4) zu vermitteln vermag, auch nicht zu erkennen. Ein spekulativer Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (4) wäre für die Kammer im Hinblick auf den Umstand, daß der Autor der Entgegenhaltung (4) der Erfinder des mit der Anmeldung beanspruchten Gegenstandes ist, auch schwer anzunehmen; dies um so mehr, da die strittige Anmeldung nicht mehr und nicht weniger als die in der Entgegenhaltung (4) offenbarte Lehre bestätigt.

3.6. Abgesehen davon, daß im Rahmen einer reinen Neuheitsbetrachtung eines Anspruchsgegenstandes, wie voranstehend aufgezeigt, ein vermeintliches Vorurteil gegen einen als solchen vorbeschriebenen Gegenstand unberücksichtigt bleiben muß, könnten nach Auffassung der Kammer die geltend gemachten Vorurteile, die sich im wesentlichen gegen die medizinische Verwendung des Naturproduktes Salai Guggal richten, wie es in der Ajurveda-Medizin eingesetzt wird, die aufgezeigte Lehre der Verwendung von Boswellia Serrata gemäß der Entgegenhaltung (4), die auf eine Studie nach streng wissenschaftlichen Kriterien zurückzuführen ist, auch nicht in Frage stellen.

3.7. Bei dieser Sachlage kann die Kammer nur zu dem Schluß gelangen, daß die Entgegenhaltung (4) eindeutig und zweifelsfrei die Lehre offenbart, eine Boswelliasäure enthaltende pflanzliche Zubereitung gemäß Anspruch 1 des Haupt- und ersten Hilfsantrages zu verwenden und daß folglich der Gegenstand des jeweiligen Anspruches 1 gemäß geltendem Haupt- und Hilfsantrag im Lichte der Offenbarung der Entgegenhaltung (4) für sich genommen nicht die Erfordernisse des Artikels 54 (1) EPÜ erfüllt.

4. Was die geltenden Hilfsanträge 2 und 3 betrifft, so vermag die Kammer zu Gunsten des Beschwerdeführers den Wortlaut des jeweiligen Anspruches 1 so zu lesen, daß Boswelliasäure nicht nur allgemein als Wirkstoff anzusehen ist, sondern in der Wirkung mit Bezug auf die im Anspruch genannten Krankheiten (Indikationen).

Der Beschwerdeführer hat dem folgend zu Recht vorgetragen, daß die Entgegenhaltung (4) diese spezifische Wirkung von Boswelliasäure nicht offenbart, so daß demgegenüber die Neuheit des Gegenstandes des jeweiligen Anspruches 1 des zweiten und dritten Hilfsantrages im Rahmen von Artikel 54 (1) EPÜ anerkannt werden kann.

5. Was die den Hilfsanträgen 2 und 3 zugrundeliegende erfinderische Tätigkeit betrifft, so verbleibt unbestritten die Entgegenhaltung (4) als nächstkommender Stand der Technik.

5.1. Ausgehend von dem voranstehend unter Punkt 3 aufgezeigten Offenbarungsgehalt kann dann die dem Gegenstand des jeweiligen Anspruches 1 der Hilfsanträge 2 und 3 zugrundeliegende Aufgabe

i) in der Bereitstellung eines Wirkstoffes zur Herstellung eines Arzneimittels für die human- oder veterinärmedizinische Behandlung von epidermalen Läsionen (Psoriasis), allergischem oder chronischem Asthma, Endotoxinschock, entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) und chronischer Hepatitis (Hilfsantrag 2) bzw.

ii) in der Bereitstellung eines Wirkstoffes zur Herstellung eines Arzneimittels für die human- oder veterinärmedizinische Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) (Hilfsantrag 3),

gesehen werden.

5.2. Zur Lösung dieser Aufgabe ist u. a. Boswelliasäure als der Wirkstoff in der pflanzlichen Zubereitung vorgesehen, wobei im Rahmen eines zweiten (weiteren) medizinischen Verwendungsanspruches nach der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/83 (ABl. EPA 1985, 60) die Verwendung dieses Wirkstoffes beansprucht wird.

Im Hinblick auf den glaubhaften Vortrag des Beschwerdeführers sowie die im schriftlichen Verfahren vorgelegten medizinischen Gutachten ist die Kammer überzeugt, daß die bestehende Aufgabe durch die beanspruchten Merkmale auch tatsächlich gelöst wird.

5.3. Der mit der bestehenden Aufgabe konfrontierte Fachmann wird aber nicht nur auf den Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (4) zurückgreifen, sondern auch nach weiteren Veröffentlichungen bzw. Studien Ausschau halten, die dasselbe oder ein vergleichbares pharmazeutisches oder medizinisches Arbeitsgebiet betreffen.

Hierbei stößt der Fachmann sicherlich auf die Entgegenhaltung (3), gemäß der auf der Seite 158, linke Spalte, letzter Absatz ausgeführt ist, daß die therapeutischen Eigenschaften von Salai Guggal auf dessen Gehalt an Boswelliasäuren zurückzuführen ist, wobei die Antiarthritis-Wirkung durch das Ergebnis der kumulativen synergistischen Wirkungen verschiedener Boswelliasäuren gegeben scheint. Genannt ist im folgenden ß-Boswelliasäure als den Hauptanteil der Säuren darstellend.

5.4. Der Fachmann erkennt sofort, daß die in der Entgegenhaltung (3) angeführte Antiarthritis-Wirkung sich unter dem Begriff chronischer Rheumatismus in die Liste der in der Entgegenhaltung (4) genannten 5-Lipoxygenase abhängigen Krankheiten einreiht und kann zu keinem anderen Schluß gelangen, als daß Boswelliasäure als Wirkstoff gleichfalls auf die übrigen in der Liste der Entgegenhaltung (4) neben chronischem Rheumatismus genannten Krankheiten wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa einen direkten Einfluß ausübt.

5.5. Bei dieser Sachlage ist durch eine Verknüpfung der Lehren der Entgegenhaltungen (3) und (4) der Fachmann direkt auf die gemäß dem jeweiligen Anspruch 1 des zweiten und dritten Hilfsantrages vorgeschlagene Lösung der bestehenden Aufgabe gelenkt, und die Kammer kann nur schlußfolgern, daß die beanspruchten Lösungen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruhen.

6. Für den vierten und fünften Hilfsantrag kann ebenfalls ausgehend von der Entgegenhaltung (4) als unbestritten nächstkommenden Stand der Technik in Abwandlung der voranstehend unter 5.2 formulierten Aufgabe gelten,

i) einen alleinigen Wirkstoff zur Herstellung eines Arzneimittels für die human- oder veterinärmedizinische Behandlung von epidermalen Läsionen (Psoriasis), allergischem oder chronischem Asthma, Endotoxinschock, entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) und chronischer Hepatitis (Hilfsantrag 4) bzw.

ii) einen Wirkstoff zur Herstellung eines Arzneimittels für die human- oder veterinärmedizinische Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) und chronischer Hepatitis (Hilfsantrag 5)

bereitzustellen.

6.1. Diese Aufgaben unterscheiden sich also von den unter 5.2 aufgezeigten Problemstellungen lediglich dadurch, daß der Wirkstoff alleine, also nicht im Gemenge mit anderen Komponenten einer pflanzlichen Zubereitung bereitzustellen ist.

6.2. Zur Lösung dieser Aufgabe ist u. a. reine Boswelliasäure als der Wirkstoff vorgesehen, wobei ebenfalls im Rahmen eines zweiten (weiteren) medizinischen Verwendungsanspruches nach der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/83 (ABl. EPA 1985, 60) die Verwendung dieses Wirkstoffes beansprucht wird.

6.3. Im Hinblick auf den glaubhaften Vortrag des Beschwerdeführers sowie die im schriftlichen Verfahren vorgelegten medizinischen Gutachten, ist die Kammer überzeugt, daß auch diese bestehende Aufgabe durch die beanspruchten Merkmale tatsächlich gelöst wird.

6.4. Aus den voranstehenden Ausführungen unter Punkt 5.3 und 5.4. bezüglich der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zum zweiten und dritten Hilfsantrag ergibt sich unmittelbar, daß durch eine Verknüpfung der Lehren der Entgegenhaltung (3) und (4), insbesondere im Hinblick auf das Ergebnis der Studie gemäß der Entgegenhaltung (3), daß die dort beschriebene Wirkung auf definierte Boswelliasäuren zurückzuführen ist, dem Fachmann die Anregung vermittelt wird, anstatt einer pflanzlichen Zubereitung reine Boswelliasäure in der Verwendung zur Herstellung eines Arzneimittels für die beanspruchten Indikationen vorzusehen.

6.5. Nach alledem kann die Kammer nur schlußfolgern, daß auch die beanspruchten Lösungen des jeweiligen Anspruches 1 zum vierten und fünften Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruhen.

6.6. Abschließend ist zu vermerken, daß aufgrund des Umstandes, daß die Kammer weder die vorgetragenen Wirkmechanismen, noch die geltendgemachten Heilerfolge anzweifelt, es nicht notwendig war, auf die eingereichten gutachtlichen Stellungnahmen näher einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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