T 0487/00 () of 4.7.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T048700.20020704
Datum der Entscheidung: 04 Juli 2002
Aktenzeichen: T 0487/00
Anmeldenummer: 93103923.4
IPC-Klasse: B62J 9/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zur Verriegelung von Zubehör oder Ausrüstungsgegenständen
Name des Anmelders: RIXEN & KAUL GmbH
Name des Einsprechenden: August Winkhaus GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung - Hauptantrag (bejaht)
Neuheit - 1. Hilfsantrag (verneint)
Erfinderische Tätigkeit - entferntes Gebiet der Technik - 2. Hilfsantrag (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0023/86
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 3. März 2000 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 0 566 857 zu widerrufen. Neben dem Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit waren auch die Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und des Verstoßes gegen Artikel 123 (2) EPÜ (Artikel 100 c) EPÜ) genannt worden.

Die angefochtene Entscheidung wurde damit begründet, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt gegenüber der Offenbarung gemäß D8 (US-A-3 999 055) nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

II. Gegen dieser Entscheidung hat die Patentinhaberin am 11. Mai 2000 bei gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt und sie begründet. In Erwiderung darauf hat die Beschwerdegegnerin neben der D8 auf folgende Druckschriften aus dem Einspruchsverfahren Bezug genommen:

D1: DE-A-4 003 474

D3: GB-A-2 145 810

D9: DE-U-8 326 235 (wurde von der Einspruchsabteilung gemäß Artikel 114 (2) EPÜ nicht berücksichtigt).

III. Die Beschwerdeführerin beantragte in der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2002 gemäß Hauptantrag die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt, hilfsweise mit den Unterlagen gemäß den in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsanträgen 1, 2 oder 3 (u. a. jeweilige Ansprüche 1). Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Vorrichtung zur Befestigung von Zubehör (9) an einem Zweirad (35)

- mit einem Anker (6, 16, 80) am Zubehör (29) und mit einem Verschlußstück (7, 41, 91) am Zweirad oder umgekehrt, wobei der Anker (6, 16, 80) in dem Verschlußstück (7, 41, 91) am Zweirad verankert wird, wobei

- der Anker (6, 16, 80) am Verschlußstück (7, 41, 91) geführt wird und

- das Verschlußstück (7, 41, 91) zum Zwecke der Führung des Ankers eine dem Ankerprofil entsprechende Ausnehmung hat,

- mit mindestens einer Handhabe (3, 43, 53, 63, 73) zur Betätigung eines Riegels (5, 15, 50, 62, 82), wobei

- der Riegel (5, 15, 50, 62, 82) in den Anker (6, 16, 80) eingreift, dadurch gekennzeichnet, daß

- der Riegel (5, 15, 50, 62, 82) sich quer zur Längsmittelebene des Ankerprofils und zu einer Längsseite des Verschlußstückes erstreckt und

die Handhabe (3, 43, 53, 63, 73) zur Betätigung des Riegels (5, 15, 50, 62, 82) auf einer Längsseite des Verschlußstücks (7, 41, 91) angeordnet ist, von wo aus der Riegel (5, 15, 50, 62, 82) gegen die Kraft einer Feder betätigt wird."

V. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von dem gemäß dem Hauptantrag im wesentlichen dadurch, daß das Merkmal "mindestens einer Handhabe" durch "einer oder zwei Handhabe(n)" ersetzt ist. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von dem gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, daß das erste kennzeichnende Merkmal wie folgt lautet:

"der Riegel (5, 15, 50, 62, 82) sich quer zur Längsmittelebene des in Einschubrichtung T-förmig ausgebildeten Ankerprofils und zu einer Längsseite des Verschlußstückes erstreckt".

Die Beschreibung und Figuren gemäß den verschiedenen Anträgen bleiben gegenüber der erteilten Fassung ungeändert, mit der Ausnahme des Hilfsantrags 2. Gemäß diesem Antrag wurde die Beschreibung in Spalte 1, Zeile 53 zur Übereinstimmung mit dem entsprechenden Anspruch 1 geändert.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Die erst in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsanträge 1 bis 3 seien als verspätet zurückzuweisen.

Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag enthalte das Merkmal "mindestens einer Handhabe", was eine nach oben unbegrenzte Anzahl von Handhaben bedeute. Die ursprüngliche Anmeldung offenbare jedoch lediglich entweder eine einzige Handhabe oder zwei Handhaben. Der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 gemäß allen Anträgen betreffe eine Vorrichtung, bei der der Riegel nicht notwendigerweise als Blattfeder geformt sein müsse und stütze sich auf die Offenbarung des ursprünglichen Anspruchs 8, bei der der Riegel gegen die Kraft einer Feder betätigt werde. Gemäß diesem Anspruch seien aber zwei Handhaben vorhanden. Ferner sei die sich in Spalte 1, Zeile 55 bis Spalte 2, Zeile 1 der Patentschrift befindende Definition einer "Längsseite des Verschlußstückes ... " in ihrer Gesamtheit in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart. Es gebe keine Basis in der ursprünglichen Anmeldung für die Begriffe "Längsrichtung" (Spalte 1, Zeile 58) und "Längsmittelebene" (Anspruch 1). Darüber hinaus würden die Begriffe "Profil" und "quer" (beide Spalte 1, Zeile 58) gegenüber der ursprünglichen Offenbarung verallgemeinert. Der Begriff "einer Längsseite" werde im Anspruch 1 sowohl hinsichtlich der Erstreckung des Riegels als auch bezüglich der Anordnung einer Handhabe verwendet, wobei die Definition in der Beschreibung lediglich letztere betreffe. Solch eine Differenzierung von Längsseiten werde in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart. Somit sei Artikel 123 (2) EPÜ verletzt.

Der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 sei gegenüber den Offenbarungen u. a. der Druckschriften D1, D8 nicht neu. Der Begriff "Ankerprofil" impliziere keine besondere Form und bei allen Ausführungsbeispielen in der Patentschrift gebe es keinen Formschluß in der Einschubrichtung, bis zum Eingriff des Riegels. Gleiches gelte bei D1. Zwar werde der Anker gemäß D1 nicht linear geführt aber gemäß dem jeweiligen Anspruch 1 sei die Ankerführung nicht definiert. Ferner sei der Gegenstand gemäß dem jeweiligen Anspruch 1 nicht auf die beanspruchten Merkmale beschränkt, was das Vorhandensein zusätzlicher Elemente wie die Kugelgelenkstücke 26 in D1 und den zusätzlich zu betätigenden Schieber 8 in D8 nicht ausschließe.

Auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 sei gegenüber D8 bzw. D9 nicht neu, weil der dortige Anker jeweils in Einschubrichtung T-förmig ausgebildet sei.

Selbst wenn man den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 gegenüber der Druckschriften D1, D8, D9 als neu ansehen sollte, sei das einzige neue Merkmal die T-förmige Ausbildung des Ankers in der Einschubrichtung. Ausgehend von der D1 oder der D9 sei dieses Unterscheidungsmerkmal jedoch naheliegend. Die entsprechende Aufgabe sei, eine Rotation um den Anker zu vermeiden. Es liege innerhalb des allgemeinen Fachwissens, einen zylindrischen Körper mit z. B. einem T-Profil auszustatten, um die Rotationssymmetrie zu vermeiden. Ferner sei es aus der D3 bekannt, ein Fahrradlicht mit analogen Profilen rotationsfest zu montieren. Die Lampe weise dort einen Anker auf, der mit einem in Einschubrichtung T-förmig ausgebildeten Gegenstück zusammenarbeite.

VII. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der Wortlaut "mindestens einer Handhabe" sei ausdrücklich in Spalte 5, Zeile 20 der Veröffentlichungsschrift (EP-A-0 566 857) der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung enthalten. Ferner sei es deutlich, daß der Wortlaut "eine Handhabe" im ursprünglichen Anspruch 1 nicht nur eine einzige Handhabe bedeute, weil der von diesem Anspruch abhängig abgefaßte Anspruch 2 "zwei" Handhaben definiere. Der Begriff "eine" in einem Patentanspruch habe immer die Bedeutung von "mindestens eine". Die Definition einer "Längsseite des Verschlußstückes ..." in der Spalte 1 der Patentschrift ergebe sich aus der Spalte 1, Zeilen 37 bis 39 und der Spalte 4, Zeilen 26 bis 31 der EP-A-0 566 857. Die Längsseiten seien diejenigen, die sich parallel zur Einschubrichtung erstrecken. "Quer" bedeute "orthogonal zur Längsrichtung" und die Seiten quer zu den Längsseiten seien die Stirnseiten. Beim Lesen des Anspruchs 1 im Lichte der Beschreibung sei es deutlich, daß der zweimalig vorkommende Begriff "einer Längsseite" im Anspruch 1 dieselbe Längsseite betreffe.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 sei gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu und erfinderisch, weil dieser keinen Anker im Sinne des jeweils geltenden Anspruchs 1 offenbare. Der Anker gemäß dem Streitpatent befestige und trage das Zubehör, bevor der Riegel eingreife, der lediglich das versehentliche Herausgleiten des Ankers verhindere. Gemäß dem Streitpatent habe das Verschlußstück eine dem Anker entsprechende Ausnehmung, die beim Einschub des Ankers seine Rotation vermeide. Das im Anspruch 1 definierte Profil sei kein unbestimmtes Profil, sondern ein Ankerprofil.

Insbesondere der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruhe im Lichte der Druckschriften D1, D3, D8, D9 auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der nächstliegende Stand der Technik mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 sei aus D3 bekannt. Hier sei die Position der Handhabe schlecht erreichbar. D1, D9 beträfen beide eine grundsätzlich andere Lösung, weil die Verbindung nicht durch eine Schiebebewegung, sondern durch eine Schwenkbewegung hergestellt werde. D8 sei für eine Befestigung an einem Zweirad nicht relevant. Erstens sei das Mechanismus zu kompliziert, zweitens sei die gleichzeitige Betätigung zweier Handhaben für den Durchschnittsradfahrer zu umständlich. Daher gebe keine der Druckschriften D1, D8, D9 dem Fachmann eine Anregung, die Vorrichtung gemäß D3 im Sinne der beanspruchten Lösung zu ändern.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Ursprüngliche Offenbarung

1.1. Nach Auffassung der Kammer bedeutet der Wortlaut des geltenden Anspruchs 1, wonach die Vorrichtung "mit mindestens einer Handhabe" zur Betätigung eines Riegels ausgestattet ist, daß die Vorrichtung eine beliebige Anzahl von Handhaben aufweisen kann. Die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung enthält zwei unabhängige Ansprüche 1 und 8. Der Anspruch 1 betrifft eine Vorrichtung "mit einer Handhabe", wobei im Kennzeichen die Betätigungsrichtung "der Handhabe" definiert wird. Somit ist es deutlich, daß der Gegenstand des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 auf eine einzige Handhabe beschränkt ist. Der als von diesem Anspruch 1 abhängig formulierte Anspruch 2 definiert zwei Handhaben und betrifft somit eine Vorrichtung mit einer zusätzlichen Handhabe. Der ursprünglich eingereichte unabhängige Anspruch 8 betrifft eine Vorrichtung mit zwei Handhaben. Keiner der übrigen vom ursprünglich eingereichten Anspruch 1 bzw. Anspruch 8 abhängigen Ansprüche 3 bis 7 bzw. 9 bis 13 gibt eine höhere Anzahl von Handhaben als zwei an oder deutet darauf hin, daß mehr als zwei Handhaben vorgesehen werden könnten. In jedem Ausführungsbeispiel in der Beschreibung weist die Vorrichtung zwei Handhaben auf. Die von der Beschwerdeführerin in Bezug genommene Textstelle in der Spalte 5, Zeilen 19 bis 24 der Veröffentlichungsschrift der ursprünglich eingereichten Anmeldung betrifft die Ausführungsform gemäß Figur 4, bei der zwei Handhaben 3, 4 vorgesehen sind. Die Lehre dieser Textstelle ist, daß der Anker durch Knicken des Riegels bei Betätigung mindestens einer der zwei vorhandenen Handhaben freigegeben wird. Im Gegensatz zu der Ausführung der Beschwerdeführerin ist es somit aus dieser Textstelle nicht herleitbar, daß mehr als zwei Handhaben vorgesehen sein können.

1.2. Aus den obigen Ausführungen geht hervor, daß die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung lediglich eine oder zwei Handhabe(n) offenbart. In keiner Stelle ist auch nur andeutungsweise, geschweige denn deutlich und unmittelbar offenbart, daß eine höhere Anzahl von Handhaben vorgesehen sein kann. Somit kommt die Kammer zu dem Schluß, daß der Wortlaut im geltenden Anspruch 1 "mindestens einer Handhabe" Artikel 123 (2) EPÜ verletzt. Dem Hauptantrag kann daher nicht stattgegeben werden.

Hilfsantrag 1

2. Zulässigkeit des Antrags

Die Änderung gemäß Hilfsantrag 1 beschränkt sich auf das Ersetzen eines von der Beschwerdegegnerin beanstandeten Wortlauts. Zwar wurde diese Änderung erst in der mündlichen Verhandlung vorgenommen, aber sie erfolgte in Reaktion auf einen von der Beschwerdegegnerin unter Artikel 123 (2) EPÜ erhobenen Einwand. Der neue Wortlaut entspricht genau der Auffassung der Beschwerdegegnerin bezüglich der Offenbarung der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, weshalb die Änderung keine Überraschung für die Beschwerdegegnerin darstellen kann. Ferner bestand Übereinstimmung, daß hierdurch keine neuen Mängel eingeführt wurden. Unter diesen Umständen erachtet die Kammer den Hilfsantrag 1 für zulässig.

3. Auslegung des Anspruchs 1 und ursprüngliche Offenbarung

3.1. Der geltende Anspruch 1 unterscheidet sich von dem gemäß Hauptantrag dadurch, daß der Wortlaut "mindestens einer Handhabe" durch den Wortlaut "einer oder zwei Handhabe(n)" ersetzt wurde. Somit wird die oben behandelte Verletzung des Artikels 123 (2) EPÜ behoben.

3.2. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist eine Vorrichtung, bei der wahlweise eine einzige Handhabe vorgesehen wird und bei der der Riegel gegen die Kraft einer Feder betätigt wird. Die einzige Offenbarungsstelle für eine einzige Handhabe in der ursprünglich eingereichten Anmeldung ist der Anspruch 1, der auf einen als Blattfeder ausgebildeten Riegel beschränkt ist. Spalte 2, Zeilen 50 bis 57 der Veröffentlichungsschrift der ursprünglich eingereichten Anmeldung betrifft den Gegenstand des ursprünglich eingereichten Anspruchs 8, bei dem die Vorrichtung zwei Handhaben aufweist. Gemäß dieser Textstelle sind eine Blattfeder und ein gegen die Kraft einer Feder betätigbarer Riegel als alternative Bauelemente anzusehen. In verschiedenen Stellen in der Beschreibung wird ferner darauf hingewiesen, daß, selbst wenn zwei Handhaben vorgesehen sind, die Entriegelung durch eine einzige Handhabe stattfinden kann. Eine solche Stelle ist Spalte 5, Zeilen 19 bis 24, die eine Ausführungsform mit einer Blattfeder betrifft; andere sind Spalte 7, Zeilen 8 bis 13 und Zeilen 20 bis 22, die eine Ausführungsform mit einer zusätzlichen Feder betreffen. Gemäß dem Ausführungsbeispiel nach Figur 11 ist die Entriegelung bei einer alternativen Federanordnung nur durch die Betätigung einer einzigen Handhabe möglich. Nach Auffassung der Kammer ist es daher durch den gesamten Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart, daß die Ausbildung des Riegels bzw. der Feder und das Vorsehen einer einzigen oder zweier Handhabe(n) in keinem zwingenden Zusammenhang miteinander stehen. Eine Kombination des Merkmals einer einzigen Handhabe mit dem Merkmal eines gegen die Kraft einer beliebigen Feder betätigten Riegels verletzt daher nicht den Artikel 123 (2) EPÜ.

3.3. Der Wortlaut "Längsmittelebene des Ankerprofils" im Anspruch 1 dient zur Definition der Erstreckungsrichtung des Riegels. Der Begriff findet sich zwar nicht ausdrücklich in der ursprünglich eingereichten Anmeldung, der Anker in z. B. der Figur 5 ist aber mit einem symmetrischen longitudinalen Profil ausgebildet, das eine Längsmittelebene aufweist.

3.4. Die Beschreibung gemäß Hilfsantrag 1 ist gegenüber der Beschreibung in der erteilten Fassung unverändert. In der Spalte 1, Zeilen 48 bis 54 wird sinngemäß der Wortlaut des Kennzeichens des Anspruchs 1 wiedergegeben, in dem der Begriff "einer Längsseite" zweimal vorkommt. Das eine Vorkommen betrifft die Anordnung der Handhabe zur Betätigung des Riegels und das andere die Orientierung des Riegels. Im nachfolgenden Absatz in Spalte 1, Zeile 55 bis Spalte 2, Zeile 1 wird die Längsseite gemäß dem einen Vorkommen weiter definiert. Nach Rechtsprechung der Beschwerdekammern, vgl. z. B. T 23/86 (ABl. EPA 1987, 316), kann bei der Prüfung auf Patentierbarkeit des Gegenstands eines Anspruchs die Beschreibung zur Auslegung des Anspruchs herangezogen werden. Nach Auffassung der Kammer ist dies im vorliegenden Fall geboten, weil der in der Spalte 1, Zeile 55 beginnende Absatz einen Wortlaut im Anspruch 1 im Sinne der gewollten Bedeutung interpretiert. Gemäß dieser Interpretation ist die Längsseite, auf der die Handhabe zur Betätigung des Riegels angeordnet ist, die gleiche Längsseite, aus der sich der Riegel erstrecken kann. Aus dieser Definition ist es deutlich, daß die zwei im geltenden Anspruch 1 erwähnten Längsseiten als dieselben zu verstehen sind.

3.5. Ferner ist die relative Anordnung der Längsseite, des Riegels und der Längsrichtung des Ankerprofils aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, insbesondere Anspruch 1 und Figuren 5, 10, entnehmbar. Die Anordnung des Riegels, des Ankers und des Außenumfangs des Verschlußstücks zueinander in diesen Figuren ist rein symmetrisch und orthogonal. Somit gibt der hinzugefügte Inhalt des in Spalte 1, Zeile 55 beginnenden Absatzes lediglich die in dieser Anordnung für den Fachmann erkennbare Lehre wieder. Bezüglich der Aussage, daß ein Riegel aus den Oberflächenteilen herausragen "kann", ist festzustellen, daß gemäß dem in der Figur 11 gezeigten Ausführungsbeispiel, bei dem der Riegel in seiner longitudinalen Richtung (Pfeile 67) verschiebbar ist, nur in der gezeigten neutralen Stellung die Handhaben aus den Oberflächenteilen des Gehäuses herausragen. Bei Verschiebung des Riegels wird die Handhabe am einen Ende des Riegels ins Gehäuse hineingeschoben, während das andere Ende des Riegels aus dem Gehäuse herausragt. Der Begriff "quer" hat nach Auffassung der Kammer dabei die für den Fachmann aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ersichtliche Bedeutung von "im wesentlichen orthogonal".

3.6. Die Kammer stellt daher fest, daß Artikel 123 (2) EPÜ durch den Hilfsantrag 1 nicht verletzt wird.

4. Neuheit

4.1. D1 offenbart in der Ausführungsform gemäß Figuren 6, 7 eine Vorrichtung zur Befestigung von Zubehör 51 an einem Zweirad (Lenker 2). Die Vorrichtung weist ein am Zubehör vorgesehenes Verschlußstück 25 mit zwei Bohrungen 48, 49 auf. Zur Anbringung des Zubehörs werden zwei Kugel-Gelenkstücke 26, die an einem am Zweirad montierten Adapter 24 ausgebildet sind, in die Bohrungen 48, 49 eingeführt. Ein Anker 30 mit einem im allgemeinen kreisrunden Profil ragt vom Adapter 24 heraus und weist an seinem freien Ende eine Ausnehmung auf. Nach der Einführung der Kugel-Gelenkstücke in die Bohrungen 48, 49 wird das Verschlußstück um die gemeinsame Achse 27 der Kugel-Gelenkstücke geschwenkt und der Anker wird in eine am Verschlußstück vorgesehene Bohrung 45 eingeführt. Danach ist ein Entfernen der Kugel-Gelenkstücke aus den Bohrungen 48, 49 bedingt durch die Führung des Ankers in der Bohrung 45 verhindert. Es ist eine Handhabe 28 zur Betätigung eines Riegels vorgesehen, wobei der Riegel in die am Anker vorgesehene Ausnehmung eingreift, der somit in dem Verschlußstück verankert wird. Aus der Figur 7 ist es ersichtlich, daß der Riegel sich quer zur Längsmittelebene des Ankerprofils und zu einer Längsseite des Verschlußstückes erstreckt. Die Handhabe zur Betätigung des Riegels ist auf der Längsseite des Verschlußstücks angeordnet, von wo aus der Riegel gegen die Kraft einer Feder 39 betätigt wird.

4.2. Es folgt hieraus, daß sämtliche Merkmale des geltenden Anspruchs 1 aus D1 bekannt sind. Die Kammer stellt dabei fest, daß, obwohl der Anker gemäß D1 normalerweise lediglich eine Verriegelungsfunktion erfüllt, es aus dem Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 nicht herleitbar ist, daß der Anker sowohl eine Trage- als auch eine Verriegelungsfunktion erfüllen soll. Der Begriff "Anker" hat nach Auffassung der Kammer keine klare Bedeutung hinsichtlich der Form seines Profils. Ferner dient die dem Ankerprofil entsprechende Ausnehmung gemäß dem geltenden Anspruch 1 nicht zum Tragen, sondern zur Führung.

4.3. Da der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 somit nicht neu ist, kann auch dem Hilfsantrag 1 nicht stattgegeben werden (Artikel 52 (1) i. V. m. 54 (2) EPÜ).

Hilfsantrag 2

5. Zulässigkeit des Antrags

Auch die in ihm enthaltene zusätzliche Änderung wurde erst in der mündlichen Verhandlung vorgenommen. Wie bei dem Hilfsantrag 1 ist sie aber eine unmittelbare Antwort auf Einwände der Beschwerdegegnerin, nämlich bezüglich einer Verallgemeinerung des Begriffs "Profil" gegenüber der Offenbarung der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung und bezüglich der unklaren Bedeutung des Begriffs "Ankerprofil" im Anspruch 1. Die Kammer erachtet diesen Antrag aus den gleichen Gründen wie beim Hilfsantrag 1 als zulässig.

6. Ursprüngliche Offenbarung der Änderung

Der geltende Anspruch 1 unterscheidet sich von dem gemäß Hilfsantrag 1 lediglich dadurch, daß das Profil des Ankers als "in Einschubrichtung T-förmig" ausgebildet definiert wird. Eine entsprechende Änderung wurde zur Übereinstimmung mit dem Anspruch 1 in der Beschreibung in der Spalte 1, Zeile 53 vorgenommen. Da jede Ausführungsform der Vorrichtung in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Form einen Anker mit diesem Profil aufweist und der Begriff "T-förmig" ausdrücklich in der Spalte 4, Zeile 53 offenbart ist, wird Artikel 123 (2) EPÜ durch diese Änderung nicht verletzt.

7. Neuheit

7.1. Das Profil des Ankers gemäß D1 ist in Einschubrichtung im allgemeinen kreisrund ausgebildet. D3 betrifft eine Vorrichtung, bei der ein Verschlußstück 9 einen Riegel 14. aufweist. Der Riegel wird durch eine Handhabe betätigt, die nicht auf einer Längs-, sondern auf einer Stirnseite des Verschlußstückes angeordnet ist. D8 betrifft eine Vorrichtung zur Befestigung eines Blitzlichts an einem Fotoapparat, mit einem Anker 3, der in Einschubrichtung kreisrund ausgebildet ist. D9 betrifft eine Vorrichtung zur Befestigung eines Zubehörs an einem Zweirad, bei der ein Anker vorgesehen ist, der durch Bohrungen 3, 22 eingeführt wird. In Einschubrichtung weist der Anker ein kreisrundes Profil auf.

7.2. Gegenüber den sich im Verfahren befindlichen Druckschriften ist der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 daher neu.

8. Erfinderische Tätigkeit

8.1. Nach Auffassung der Kammer wird der nächstliegende Stand der Technik durch D3 gebildet. D3 offenbart eine Vorrichtung zur Befestigung einer Lampe 17 an einem Zweirad mit einem Anker an der Lampe und mit einem Verschlußstück 9 am Zweirad, wobei der Anker an dem Verschlußstück geführt und daran verankert wird. Der Anker weist zwei längliche Führungsnuten 13 auf und das Verschlußstück hat zum Zwecke der Führung des Ankers zwei dem Ankerprofil entsprechende hinter Führungsschienen 12 vorgesehene Ausnehmungen. Ein Riegel 14, der sich in Längsrichtung des Verschlußstückes erstreckt, greift in den Anker ein und weist an seinem freien Ende eine Handhabe zur Betätigung des Riegels auf. Die Handhabe ist an der in Einschubrichtung gesehen hinteren Stirnseite des Riegels angeordnet, von wo aus der Riegel gegen die Kraft einer Feder betätigt wird. Bedingt durch diese Anordnung befindet sich die Handhabe hinter der Lampe, wodurch der Zugriff auf die Handhabe erschwert wird.

8.2. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 in seiner breitesten Fassung, nämlich mit nur einer Handhabe, unterscheidet sich von dem gemäß D3 somit dadurch, daß

- das Ankerprofil in Einschubrichtung T-förmig ausgebildet ist;

- der Riegel sich quer zur Längsmittelebene des Ankerprofils und zu einer Längsseite des Verschlußstückes erstreckt; und

- die Handhabe zur Betätigung des Riegels auf einer Längsseite des Verschlußstückes angeordnet ist.

8.3. Durch die seitliche Anordnung der Handhabe wird ihre Betätigung vereinfacht. Die entsprechende zu lösende Aufgabe kann darin gesehen werden, die Vorrichtung gemäß D3 zur Vereinfachung der Entriegelung zu verbessern.

8.4. Bei der Vorrichtung gemäß D1 wird die Befestigung des Zubehörs an dem Verschlußstück zweistufig ausgeführt. Das Zubehör mit dem Verschlußstück wird zuerst durch Einführung der Kugel-Gelenkstücke 26 in die Bohrungen 48, 49 eingehängt. Nachdem die Kugel-Gelenkstücke in den Enden der Bohrungen sitzen, kann das Zubehör um die Achse 27 schwenken, damit der Anker in die Bohrung 45 eingeführt werden kann, um ein Entfernen der Kugel-Gelenkstücke aus den Bohrungen zu verhindern. Erst dann kann der Riegel mit Handhabe 28 in den Anker eingreifen. Die Offenbarung der D9 betrifft hauptsächlich die Verriegelung und das Abschließen eines Zubehörs an einem als Verschlußstück dienenden Gepäckträger. Es sind Ausnehmungen im Gepäckträger vorgesehen, die zum Einhaken von Unterhakfüßen dienen (Seite 5, 3. Absatz). Die Verriegelung erfolgt dadurch, daß ein Pilzstift in eine Bohrung 3 in dem Verschlußstück eingebracht wird, wo er durch Stifte 12 verriegelt wird. Nach Auffassung der Kammer ist es für den Fachmann ersichtlich, daß der Pilzstift erst nach dem Einhaken und durch ein gewisses Schwenken des Zubehörs gegenüber dem Verschlußstück in die Bohrung gelangen kann. Die Vorrichtungen gemäß D1, D9 haben daher gemeinsam, daß die Befestigung des Zubehörs eine Schwenkbewegung gegenüber dem Verschlußstück voraussetzt. Bei der Vorrichtung gemäß D3 erfolgt die Verbindung des Zubehörs mit dem Verschlußstück sowie die Verriegelung durch eine reine Längsbewegung der zu verbindenden Teile. Angesichts dieser unterschiedlichen Funktionweisen der Vorrichtungen ist die Kammer der Auffassung, daß der Fachmann bei der Suche nach einer Verbesserung der Vorrichtung gemäß D3 aus den Offenbarungen gemäß D1 und D9 keine Anregungen entnehmen würde. Selbst wenn er dies täte, könnte er diesen Druckschriften keinen Hinweis auf die beanspruchte in Einschubrichtung T-förmige Gestaltung des Ankerprofils entnehmen.

8.5. Die Vorrichtung gemäß D8 dient zur Befestigung eines Blitzlichts an einem Fotoapparat. Diese Vorrichtung gehört weder einem dem technischen Gebiet des Gegenstands des geltenden Anspruchs 1 benachbarten Gebiet an, noch einem übergeordneten allgemeinen technischen Gebiet. Insbesondere ist die durch die Vorrichtung erreichte Möglichkeit zur Schwenkung des Blitzlichts gegenüber dem Fotoapparat (für "bounce-flash") spezifisch für diese technische Verwendung. Ferner ist die Vorrichtung relativ komplex aufgebaut, indem sie zwei Handhaben aufweist, die nacheinander zu betätigen sind, damit ein unbeabsichtigtes Lösen des Blitzlichts nicht erfolgen kann. Solch eine Sicherung wird weder in D3 noch im Streitpatent angestrebt. Aus allen diesen Gründen ist davon auszugehen, daß der Fachmann bei der Suche nach einer Verbesserung der Vorrichtung gemäß D3 die Offenbarung gemäß D8 ebenfalls nicht näher in Betracht ziehen würde. Im übrigen wäre auch aus dieser Entgegenhaltung keine Anregung zu einer in Einschubrichtung T-förmigen Ausbildung des Ankerprofils entnehmbar.

8.6. Aus den obigen Ausführungen geht hervor, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik gemäß D3 nicht durch den genannten Stand der Technik nahegelegt wird.

8.7. Auch ausgehend von D1 oder D9 als nächstliegendem Stand der Technik würde der Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen. Wie unter 8.4. dargelegt wurde, wird das Zubehör mittels der Vorrichtungen gemäß D1, D9 nicht allein durch den Anker am Verschlußstück befestigt. Die übrigen Befestigungsmittel, nämlich die Kugel-Gelenkstücke bzw. die Unterhakfüße, schließen eine Rotation des jeweiligen Ankers um seine Längsachse aus. Das von der Beschwerdegegnerin genannte zu lösende Problem zur Vermeidung solch einer Rotation existiert hier somit nicht, weshalb hiervon auch keine Anregung zu seiner Lösung ausgehen kann.

8.8. Die Kammer kommt daher zu dem Schluß, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).

Da die Ansprüche 2 bis 13 sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 enthalten, beruht der Gegenstand dieser Ansprüche ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Das Patent hat daher auf der Basis des Hilfsantrags 2 Bestand.

Unter diesen Umständen bedarf es keines Eingehens auf den Hilfsantrag 3.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Anspruch 1 und Beschreibung, Spalte 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung (Hilfsantrag 2);

- Ansprüche 2 bis 13 und Beschreibung, Spalten 2 bis 7 sowie Zeichnungen gemäß Patentschrift.

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