T 0474/00 (Datenträgerkarte/ORGA) of 26.6.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T047400.20020626
Datum der Entscheidung: 26 Juni 2002
Aktenzeichen: T 0474/00
Anmeldenummer: 92113439.1
IPC-Klasse: G06K 19/077
G06K 19/07
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Datenträgerkarte mit eingeklebtem Schaltkreisträger
Name des Anmelders: Orga Kartensysteme GmbH
Name des Einsprechenden: Siemens AG
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der vorliegenden Beschwerde wird die Entscheidung der Einspruchsabteilung angefochten, den Einspruch gegen das Streitpatent zurückzuweisen.

Der Anspruch 1 des Patents lautet wie folgt:

"Datenträgerkarte bestehend aus einem Kartenkörper (1) aus einem ersten Kunststoffmaterial, der eine Aussparung (10) mit einem Absatz (11) aufweist, in der eine aus einem zweiten Kunststoffmaterial bestehende Trägerfolie (2), die einen Schaltkreisbaustein (20) trägt, mit einer Schmelzkleberfolie (3) eingesiegelt ist,

dadurch gekennzeichnet, daß der Absatz (11) eine angerauhte Oberfläche aufweist und nur dieser mit einer Schmelzkleberfolie (3) beklebt ist, die aus zwei flächig miteinander verbundenen Teilklebstofffolien (3A, 3B) besteht, von denen die erste Teilklebstofffolie (3A) einen optimalen Haftwert zu dem ersten Kunststoffmaterial des Kartenkörpers (1) und die zweite Teilklebstofffolie (3B) einen optimalen Haftwert zu dem zweiten Kunststoffmaterial der Trägerfolie (2) aufweist, die damit verklebt ist."

II. Im Einspruchsverfahren wurden zum Stand der Technik u. a. folgende Druckschriften in Betracht gezogen, auf die im Beschwerdeverfahren Bezug genommen wurde:

D1: DE-A-3 639 630

D2: EP-A-0 344 058.

III. In der der Ladung zur mündlichen Verhandlung als Anlage beigefügten Mitteilung hat die Kammer ausgeführt, daß nach ihrer Auffassung die Druckschrift D2 von Bedeutung sei, obwohl die Einspruchsabteilung zu dem Schluß gekommen war, daß der Fachmann in dieser Schrift nicht die Lösung des Problems suchen würde.

IV. Am 26. Juni 2002 wurde mündlich verhandelt.

1. Zur Begründung ihres Antrags führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes aus:

Eine Datenträgerkarte gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 sei, wie auch die Beschwerdegegnerin einräume, aus der Entgegenhaltung D1 bekannt. Ausgehend von diesem Stand der Technik liege der angeblichen Erfindung die Aufgabe zugrunde, die Verklebung der Trägerfolie in dem Kartenkörper der Datenträgerkarte so zu verbessern, daß sie auch einer Biegebeanspruchung der Karte standhalte.

D2 beschreibe eine Datenträgerkarte, die die meisten Merkmale des kennzeichnenden Teiles des Anspruchs 1 aufweise. Der Unterschied zur Datenträgerkarte nach der Erfindung bestehe nur darin, daß die Trägerfolie bei D2 aus Metall bestehe und der Absatz der Aussparung eine angerauhte Oberfläche aufweise. Zwar sei es richtig, daß in D2 nicht - wie in Anspruch 1 - explizit ausgeführt sei, daß die Teilklebstofffolien jeweils einen optimalen Haftwert zu den zu verklebenden Materialien aufweisen. Dies sei aber für den Fachmann selbstverständlich, weil in D2 eine Metallfolie, also ein ganz anderes Material als Kunststoff, mit einem Kunststoffkörper verklebt werde. Es sei offensichtlich, daß die beiden Klebstoffe an den Seiten der Kaptonbänder 52, 54 auf die unterschiedlichen Materialien abgestimmt sein müßten.

Bezüglich der Anrauhung der Oberfläche des Absatzes sei zu erwähnen, daß in der Patentschrift nicht ausgeführt sei, wie die Oberfläche zu bearbeiten sei oder wie diese nach der Bearbeitung aussehe. Eine derartige Anrauhung der Oberfläche sei einerseits bei Klebeverfahren üblich, anderseits bleibe offen, wie eine Anrauhung bei einem Absatz in einer Aussparung in einer sehr dünnen Trägerfolie auszuführen sei. Eine technische Lehre dazu sei im Streitpatent nicht angegeben.

Der Unterschied zwischen dem Baustein nach D2, der in den Kartenkörper eingeklebt werde (siehe Figur 4), und dem entsprechenden Bauteil nach dem Streitpatent (bestehend aus der Trägerfolie 2 mit den Kontaktflächen 22. des Schaltkreises und mit dem Schaltkreisbaustein 20) sei im Übrigen nicht groß. Beide Bausteine beinhalteten sowohl Kunststoffe als auch metallische Teile.

Es sei zwar korrekt, daß in D2 angegeben sei, daß die Kaptonbänder eine für die Metallfolie verstärkende Funktion hätten. Jedoch habe auch die Schmelzkleberfolie der Erfindung für die Trägerfolie 2 eine entsprechende Funktion. Die der Verwendung von Kaptonbändern in D2 zugrundeliegende Absicht sei aber in erster Linie, die Metallfolie mit dem Kunststoffkartenkörper zu verbinden.

Aus alldem folge, daß aus D1 die Verbindung von zwei Kunststoffen mittels einer Klebstofffolie und aus D2 die Verbindung zwischen zwei unterschiedlichen Materialien mittels zweier unterschiedlicher Klebstoffschichten mit zwischenliegender Kaptonfolie bekannt sei. Es sei daher für den Fachmann naheliegend, zu der Erfindung zu gelangen.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

2. Die Beschwerdegegnerin führte im wesentlichen folgendes aus:

Aus D2 sei nicht zu entnehmen, daß an den beiden Seitenflächen der Kaptonfolie 52/54 unterschiedliche Klebstoffe angebracht seien. Dies gehe besonders deutlich aus Anspruch 7 der D2 hervor, wo es heiße, daß die beiden Seitenflächen mit Klebstoff versehen sind, ohne daß angedeutet würde, daß es sich um unterschiedliche Klebstoffe handeln könnte. Solche beidseitig mit demselben Klebstoff beschichteten Folien würden z. B. unter dem Handelsnamen Pyralux vertrieben und u. a. zur Herstellung von gedruckten Schaltungen verwendet.

Betrachte man die allgemeine Struktur der Datenträgerkarte gemäß D2 näher (insbesondere Figur 5), so sei es für den Fachmann klar, daß die Kaptonfolien 52 und 54 zur Stärkung und Stabilisierung der Metallfolie 10. und für den Zusammenhalt der vielen Kontaktenteile oder Finger (20 bis 34) des Schaltkreises 56 dienen sollten. Die eigentliche Verbindung der Trägerfolie 10 mit dem Schaltkreisbaustein 56 werde mit Hilfe des Klebstofftröpfchens 80 erreicht. Figur 5 zeige deutlich, daß es zwischen der Trägerfolie 10 mit dem Schaltkreisbaustein 56 und dem Kartenkörper 72 in der Aussparung 76 viel Raum gebe und daß eine Verbindung mit dem Kartenkörper im Sinne der Erfindung nicht in Frage kommen könne, weil gemäß der Erfindung die Trägerfolie mit einer Schmelzkleberfolie in der Aussparung eingesiegelt sei. Unter "Einsiegeln" sei zu verstehen, daß die Trägerfolie mit dem Schaltkreis in einer Aussparung eng mit dem Kartenkörper verbunden werde. In der Anordnung nach D2 könne es aber nicht um "Einsiegeln" gehen, weil in der in D2 gezeigten Aussparung reichlich Leerraum vorhanden sei, worin Klebstoff nach Bedarf eingegossen werden könne.

Die Lehre der D2 könne dem Fachmann deshalb die beanspruchte Lösung nicht nahelegen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

3. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer durch den Vorsitzenden verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den in Regel 65 (1) EPÜ aufgeführten Bestimmungen und ist daher zulässig.

2. Die einzige zu entscheidende Frage ist, ob der Gegenstand des Patents auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Eine Datenträgerkarte gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 ist aus der Entgegenhaltung D1 bekannt (siehe insbesondere die Figur 8 in Verbindung mit dem zugehörigen Text). Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils. Die Kammer sieht keinen Anlaß, eine andere objektive Aufgabe zur Lösung der Erfindung zu formulieren als die, die in der Beschreibungseinleitung der Patentschrift angegeben ist (Spalte 1, Zeilen 41 bis 44) und die auch die Beschwerdeführerin benutzt hat (siehe unter Punkt IV.1). Danach soll die Verklebung der Trägerfolie im Kartenkörper verbessert werden, um auch einer Biegebeanspruchung der Karte standzuhalten.

Die Trägerfolie gemäß D1 ("Substratfilm 10") besteht aus einem dünnen, hochelastischen und reißfesten Kunststoffmaterial, beispielsweise aus Polyimid (siehe D1, Spalte 6, erster Absatz), der Kartenkörper 37 jedoch aus einem festeren Kunststoffmaterial oder aus einer dicken Folie, beispielsweise aus PVC (vgl. D1, Figuren 2 und 8). Die Bindefähigkeit einer Schmelzkleberfolie zu diesen sehr verschiedenen Materialien ist sehr beschränkt, da die Haftfähigkeit nicht zu beiden Materialien optimal ausgebildet ist (siehe Beschreibungseinleitung der vorliegenden Patentschrift, erste Spalte, zweiter Absatz).

Der Entgegenhaltung D2 ist eine ähnliche Datenträgerkarte zu entnehmen, bei der jedoch statt einer Trägerfolie aus Kunststoff eine Metallfolie ("Leadframe") als Schaltkreisbausteinträger verwendet wird (siehe insbesondere die Figur 5 in Verbindung mit dem zugehörigen Text). Insofern stellt sich das konkrete Problem der Verklebung zweier unterschiedlicher Kunststoffmaterialien in D2 nicht, so daß es von daher fraglich erscheint, ob der Fachmann D2 Betrachtung geschenkt hätte. Allenfalls könnte ihn das allgemeine Problem der Verklebung unterschiedlicher Materialien dazu veranlaßt haben, D2 zu berücksichtigen. Dabei bezieht sich D2 jedoch wieder auf einen Spezialfall, nämlich die Metall-Kunststoff-Laminierung, und es erhebt sich die Frage, ob der Fachmann in diesem Zusammenhang dem genannten Dokument die Lehre entnommen hätte, unterschiedliche Klebstoffe zu verwenden.

Die Beschwerdeführerin hat D2 so interpretiert, daß die Kaptonfolie mit unterschiedlichen Klebstoffen auf den Seiten versehen sei, weil der Träger des Schaltkreisbausteins aus Metall sei, das mit Kunststoff verklebt werden müsse. Diese Interpretation ist aber nach Auffassung der Beschwerdegegnerin ein Ergebnis rückschauender Betrachtungsweise. Eigentlich sei es für den Fachmann beim Lesen der D2 klar, daß die Kaptonfolie an beiden Seiten mit demselben Klebstoff versehen sei.

Die Kammer ist zwar der Meinung, daß Spalte 5, Zeilen 19 bis 27 (insbesondere: "les bandes isolantes 52 et 54 sont revêtues sur leur face 52a, 54a non fixée sur le cadre conducteur d'un matériau adhésif bistable") so interpretiert werden könnte, wie es die Beschwerdeführerin tut, nämlich daß die Seitenflächen der Kaptonbänder mit voneinander verschiedenen Klebstoffen versehen sind. In Spalte 4, Zeilen 5 bis 12, ist angedeutet, daß die Kaptonfolien 52 und 54 an den Seitenflächen zum metallischen Träger hin denselben Klebstoff tragen wie die Kaptonfolie 50, die an der von den Kaptonfolien 52 und 54 entgegengesetzten Seite des metallischen Trägers 10 angeklebt ist ("deux bandes isolantes 52 et 54......de même nature que celle-ci" [la bande 50]). In Spalte 4 ist aber nicht angegeben, welchen Klebstoff die Kaptonfolien 50 bzw. 52/54 an der dem Träger zugewandten Seite tragen. Es könnte deshalb angenommen werden, daß der in Spalte 5 genannte Klebstoff ("matériau adhésif bistable"), der an der vom Träger abgewandten Seitenfläche der Folie 52/54 angebracht ist, ein anderer Klebstoff ist, als derjenige, den Folie 50 trägt.

Der Kammer scheinen jedoch die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Argumenten überzeugend. Wäre es wirklich so, daß in D2 gelehrt werden soll, zwei verschiedene Klebstoffe bei den Kaptonfolien zu benutzen, was entgegen normaler Praxis ist, wäre dies wohl deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Dies ist aber nicht der Fall. In Anspruch 7 ist beansprucht, daß die Kaptonfolie 52/54 Klebstoffe an beiden Seitenflächen aufweist, aber es ist keine Rede davon, daß zwei unterschiedliche Klebstoffe dabei benutzt werden könnten.

In Ermangelung eines Hinweises auf die Verwendung unterschiedlicher Klebstoffe in D2 würde der Fachmann vielmehr eine konventionelle Metall-Kunststoff-Laminiertechnik mit identischen Klebstoffschichten unterstellen, wie sie beispielsweise zum Aufbau gedruckter Schaltungen üblich ist. Einen klaren Hinweis in diese Richtung sieht die Kammer in der nach D2 (Spalte 4, Zeilen 6 bis 8) vorgesehenen Verwendung von Pyralux®- Laminaten gegeben. Bei dieser Beurteilung versteht sich von selbst, daß D2 auch keine Anregung zur besseren Verbindung von unterschiedlichen Kunststoffmaterialien geben kann.

Nach Meinung der Kammer wird die Aufgabe der Erfindung deshalb in einer einfachen, aber nicht für den Fachmann naheliegenden Weise gelöst. Nirgendwo im Stand der Technik ist angedeutet worden, daß in diesem Zusammenhang zwei unterschiedliche Klebstoffe (in Form von Teilklebstofffolien) benutzt werden können, die mit unterschiedlichen Hafteigenschaften ausgebildet sind.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher schon aus diesem Grunde auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesem Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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