European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2003:T038900.20030224 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 24 Februar 2003 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0389/00 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94904575.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08B 30/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung eines Polysaccharid enthaltenden Produktes sowie Polysaccharidzusammensetzungen | ||||||||
Name des Anmelders: | K&S BIO-PACK-ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT FÜR VERPACKUNGEN MBH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Flottweg GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Umfang der Einspruchs Einspruchsgründe - unzureichende Offenbarung (verneint) Prüfung des Einspruchs - Beweislast Neuheit - (bejaht) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) - Aufgabe und Lösung |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 680 490 mit dem Titel "Verfahren zur Herstellung eines Polysaccharid enthaltenden Produktes sowie Polysaccharidzusammensetzungen" auf die am 14. Januar 1994 unter Beanspruchung der Priorität einer deutschen Voranmeldung (4301587) vom 21. Januar 1993 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 94 904 575.1, die auf die internationale Patentanmeldung Nr. PCT/DE94/00029 zurückgeht, erfolgte am 3. Juli 1996 (Patentblatt 1996/27).
Die erteilte Fassung des Patents enthält 20 Ansprüche, deren unabhängige Ansprüche folgenden Wortlaut haben:
"1. Verfahren zur Herstellung von Amylose aus Erbsenmaterial, wobei das Erbsenmaterial getrocknet und vermahlen und gegebenenfalls vorgesiebt wird; und
wobei das entstandene Mehl zur Trennung in lösliche Protein- und unlösliche Polysaccharidbestandteile mit 10 bis 100 mM NaOH als flüssigem Aufschlußmittel versetzt wird und das Mehl unter Rühren aufgeschlossen wird,
wobei a) eine Trennung in eine flüssige Proteinphase und eine Polysaccharid enthaltende Feststoffphase durchgeführt wird;
wobei b) die Feststoffphase in Wasser aufgeschlämmt wird;
wobei c) die wäßrige Polysaccharidaufschlämmung zur Abtrennung von Rohfasern und/oder Restprotein wenigstens zwei Siebschritten mit wenigstens einer Siebanordnung definierter Maschenweite unterzogen wird;
wobei d) der Siebdurchlauf erneut in die Polysaccharid enthaltende Feststoffphase und die flüssige Phase zerlegt wird; und
wobei e) die nunmehr weitgehend proteinfreie, im wesentlichen Amylose enthaltende Feststoffphase, gegebenenfalls nach einem Waschschritt, einem Trocknungsschritt ausgesetzt wird;
wobei
Erbsen verwendet werden, deren Amylosegehalt im Bereich von ca. 70 Gew% bis 93 Gew% liegt;
der erste Siebschritt mittels eines Bogensiebes durchgeführt wird und der zweite Siebschritt mittels eines Strahlauswaschers durchgeführt wird;
ein Strahlauswascher mit einem Sieb und/oder einem Siebkorb mit einer Maschenweite von ca. 50 µm bis 90. µm, vorzugsweise ca. 75 µm, wobei der Neigungswinkel des Siebkorbes ca. 15° bis 45°, vorzugsweise ca. 20° beträgt, verwendet wird."
"9. Erbsenamyloseprodukt, erhältlich nach einem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 8,
dadurch gekennzeichnet, daß
es ohne Zusatz von Wasser und Weichmacher thermoplastisch verarbeitbar ist."
"12. Thermoplastisch verarbeitbare Polysaccharidzusammensetzung, enthaltend:
Ca. 50 Gew.-% bis 90 Gew.-% Amylose als Hauptbestandteil, welche erhältlich ist gemäß einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8; und wenigstens ein weiteres Material pflanzlichen Ursprungs, wobei ein Mehl verwendet wird, welches ausgewählt wird aus der Gruppe bestehend aus:
Gräsern, insbesondere Viskantus (Elefantengras); Getreide, insbesondere Weizen, Roggen, Hafer, deren Körner und/oder deren Kleie und/oder deren Stroh; Lupinen, insbesondere alkaloidarme Süßlupinen, vorzugsweise deren Samen; Kreuzblütler, insbesondere Leindotter; Hülsenfrüchte, insbesondere Erbsen, Linsen, Bohnen, vorzugsweise Sojabohnen; Pflanzenfasern wie Kokos-, Sisal-, Bananenfasern, insbesondere Pflanzenfasern mit lang strukturierter Cellulose; sowie deren Mischungen."
"15. Gegenstand aus einer Polysaccharidzusammensetzung gemäß Anspruch 12 bis 14 dadurch gekennzeichnet, daß der Gegenstand biologisch abbaubar ist und mit Wasser bei Raumtemperatur wenigstens eine Standzeit von ca. 5 Stunden aufweist."
"16. Gegenstand, im wesentlichen Amylose enthaltend, erhältlich gemäß einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß der Gegenstand biologisch abbaubar ist und mit Wasser bei Raumtemperatur wenigstens eine Standzeit von ca. 5. Stunden aufweist."
Die übrigen abhängigen Ansprüche betreffen spezielle Ausgestaltungen dieser Ansprüche (Regel 29 (3) EPÜ).
II. Gegen das Patent wurde am 27. März 1997 Einspruch eingelegt und der Widerruf des Patents in vollem Umfang beantragt. Der Einspruch stützte sich auf Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) (mangelnde erfinderische Tätigkeit) und 100 b) EPÜ (Nichtdurchführbarkeit wegen mangelhafter Offenbarung) und verwies auf die folgenden Literaturstellen:
D1: Schriftenreihe des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Reihe A: Angewandte Wissenschaft, Heft 380, Stärke im Nichtnahrungsbereich, 1990, Seiten 239 bis 247, E. Gabriel-Blanke et al.: "Gewinnung von Erbsenstärke im Technikumsmaßstab";
D2: G. Tegge, Stärke und Stärkederivate, Behr's Verlag, Hamburg, 1984, Seiten 79 bis 85;
D3: Schriftenreihe des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Reihe A: Angewandte Wissenschaft, Heft 367, Körnerleguminosen, 1989, Seiten 112 bis 115, N.U. Haase: "Amylosereiche Erbsenstärke - Eigenschaften und Anwendungen".
Im Laufe des Einspruchsverfahrens nannte die Patentinhaberin u. a. zusätzlich:
D4: die restlichen Seiten des Artikels D3, d. h. die Seiten 112 bis 124;
D5: wie D3, Seiten 270 bis 275, W. Kempf: "Charakterisierung von Leguminosenstärke unter besonderer Berücksichtigung von Erbsen";
D6: wie D3, Seiten 328 bis 331, M. Dambroth et al.: "Erste Ergebnisse zum Aufbau von Basispopulationen mit hohem Amylosegehalt bei Erbsen"; und
D10: Handbuch der Lebensmittelchemie, L. Acker, Springer Verlag, Berlin, 1967, Seiten 408 bis 410.
Mit Hinweis auf die Formulierung von Anspruch 1 wurde seitens der Einsprechenden der Einwand erhoben, der Fachmann könne den Gegenstand des Streitpatents nicht ausführen, da Erbsen mit einem Amylosegehalt von ca. 70 bis 93 Gew.-% unbekannt seien. Zur Stützung dieses Einwands wurde auf D1 verwiesen. Daraus sei zu entnehmen, daß der Stärkegehalt von Markerbsenmehl ohne Kleie 33,2 Gew.-%, der von geschälten Palerbsen 55,9 Gew.-% betrage. Dabei weise die Stärke von Markerbsen einen Amylosegehalt von maximal 80 Gew.-%, die von Palerbsen von höchstens knapp 40 Gew.-% auf.
Im übrigen beruhe der Streitgegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit, da sich das beanspruchte Verfahren von dem in D1 beschriebenen Verfahren zur Gewinnung von Stärke nur unwesentlich durch Merkmale unterscheide, die als routinemäßige Optimierung oder naheliegende übliche Maßnahme anzusehen seien.
Seitens der Patentinhaberin wurde die Zulässigkeit des Einspruchs wegen ungenügender Substantiierung der geltend gemachten Einwände bezüglich der Ansprüche 2 bis 20. angezweifelt. Hilfsweise beantragte sie zudem, die Ansprüche 1 und 2 nach den Prozentbereichen der Amylosegehalte jeweils durch Einfügen von ", bezogen auf die Stärke," zu berichtigen.
Mit Bescheid vom 20. Mai 1999 (Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung) wurde durch die Einspruchsabteilung zusätzlich die Frage der Neuheit der Ansprüche 9 und 16 sowie der davon abhängigen Ansprüche ins Verfahren eingeführt.
III. Das Patent wurde mit einer am Ende der mündlichem Verhandlung am 12. November 1999 verkündeten Entscheidung, deren schriftliche Begründung am 3. Februar 2000 zur Post gegeben wurde, widerrufen.
Der Einspruch wurde für zulässig erklärt, da die Angaben der Einsprechenden zu den Ansprüche 2 bis 20 so zu verstehen seien, daß die gegen Anspruch 1 vorgebrachten Argumente sinngemäß auch für die weiteren Ansprüche gelten. Er sei somit auch für diese Ansprüche substantiiert worden und erfülle die Erfordernisse der Artikel 99 und 100 EPÜ.
Hinsichtlich des auf Artikel 100 b) EPÜ beruhenden Einspruchsgrundes kam die Einspruchsabteilung zur Überzeugung, daß der Fachmann im Hinblick auf den verfügbaren Stand der Technik habe mitlesen können, daß sich der in Anspruch 1 definierte Amylosegehalt der eingesetzten Erbsen auf die darin enthaltene Stärke und nicht auf die Erbsen selbst bezog. Eine beantragte diesbezügliche Berichtigung der Ansprüche 1 und 2 wurde von der Einspruchsabteilung nicht zugelassen, da sie zwar die Bedingungen von Regel 88 EPÜ, Satz 2 erfüllt, jedoch gegen Artikel 123 (3) EPÜ verstoßen hätte.
Das Verfahren gemäß Anspruch 1 sah die Einspruchsabteilung als nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhend an. Dabei wurde die Literaturstelle D1, die die Gewinnung qualitativ hochwertiger amylosereicher Stärke aus Markerbsen für eine thermoplastische weitere Verarbeitung betreffe, als nächstliegender Stand der Technik angesehen.
Die Einspruchsabteilung schloß sich der Beurteilung von D1 durch die Einsprechende an, derzufolge sich das beanspruchte Verfahren von der Lehre in D1 zwar durch die Siebanordnung und die Größe der Maschenweite unterscheide, ein Unterschied zwischen den Endprodukten Amylose (Streitpatent) und Stärke (D1) habe jedoch anhand der Trennungsstufen nicht glaubhaft gemacht werden können. Die Aufgabe des Patents habe gegenüber D1 in der Bereitstellung eines Polysaccharids aus Erbsen bestanden, dessen Rohfasergehalt deutlich unter 1% gesenkt worden sei. Um dieses Ziel zu erreichen, habe der Fachmann die Maschenweite der Siebe senken können. Damit sei aber eine Erhöhung der Verstopfungsgefahr verbunden gewesen. In D1 sei aber beschrieben worden, daß z. B. ein Bogensieb neue Qualitätsverbesserungen bringen könne. Überdies sei aus D2 bekannt, daß bei Bogensieben, die bei der Stärkegewinnung eingesetzt werden, "die Verstopfungsgefahr außerordentlich gering" sei. Ein Vorteil durch den Ersatz nur eines Strahlauswaschers durch ein Bogensieb sei im Hinblick auf Seite 4, Zeilen 40 bis 43 des Streitpatents nicht erkennbar. Auch sei es beim Einsatz nur eines Bogensiebes vorteilhafter, den ersten Strahlauswascher zu ersetzen, da dieser der höchsten Verstopfungsgefahr ausgesetzt sei.
Die Einspruchsabteilung erkannte an, daß im Streitpatent eine Natronlauge von 10 bis 100 mM anstelle einer "schwachen Natronlauge" verwendet werde, es sei jedoch kein mit diesem speziellen Bereich verbundener Effekt demonstriert worden, so daß davon auszugehen sei, daß beide Maßnahmen eine ähnliche Wirkung, die Lösung der Proteinfraktion, haben sollten. Durch die Patentinhaberin sei ebensowenig demonstriert worden, daß durch das beanspruchte Verfahren Amylose von Amylopectin getrennt werde.
Die gegenüber D1 zu lösende und gelöste Aufgabe sah die Einspruchsabteilung darin, amylosereiche Stärke so zu reinigen, daß sie thermoplastisch ohne Zusatz von Wasser und Weichmacher verarbeitet werden kann.
Zur Lösung dieser Aufgabe werde der Fachmann versuchen, die Maschenweite der Siebe zu senken, trotz der damit verbundenen Verstopfungsgefahr. Er wisse aber einerseits aus D1, daß mit Bogensieben eine Qualitätsverbesserung der Trennung zu erwarten sei, und andererseits aus D2, daß Bogensiebe bei der Stärkegewinnung bezüglich Verstopfungsgefahr und Energieverbrauch vorteilhaft seien.
Daher sei der Ersatz eines oder beider Strahlauswaschers in D1 durch ein oder zwei Bogensiebe eine naheliegende Maßnahme, die zu vergleichbaren Ergebnisse führten. Somit sei es naheliegend nur einen und dann den ersten wegen der größeren Verstopfungsgefahr durch ein Bogensieb zu ersetzen.
Darüber hinaus kam sie im Hinblick auf die in D1 veröffentlichten Daten (Seite 240, Abbildungen 3 und 5) zu dem Schluß, daß es den Produkten gemäß Anspruch 9 an Neuheit fehle.
IV. Am 12. April 2000 erhob die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde. Sie beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage der von der Einspruchsabteilung nicht zugelassenen berichtigten Fassung der Ansprüche.
In der am 5. Juni 2000 eingereichten Beschwerdebegründung widersprach die Beschwerdeführerin der angefochtenen Entscheidung mit Ausnahme der Darlegungen zu Artikel 100 b) EPÜ und reichte zwei weitere Hilfsanträge ein. Die Zulässigkeit des Einspruchs gegen die unabhängigen Erzeugnisansprüche wurde weiter in Zweifel gezogen. Auch wurden Argumente zur Stützung der hilfsweise beantragten Berichtigung der Ansprüche 1 und 2 vorgetragen.
Ziel des Streitpatents seien Produkte, die im Gegensatz zu den bisher bekannten Amylosen (Streitpatent: Seite 2, Zeilen 6 bis 15) thermoplastische Eigenschaften besitzen und eine einfache Verarbeitung und Weiterverarbeitung auf üblichen Kunststoff verarbeitenden Maschinen ermöglichen sollen, sowie Stabilität gegenüber Wasser, hohe Flexibilität, Bruch- und Berstfestigkeit und biologische Abbaubarkeit aufweisen sollen. Wie bereits aus dem Wortlaut von Anspruch 1 und einer Reihe von Zitaten aus der Beschreibung ersichtlich, würden solche Produkte mittels eines Verfahrens bereitgestellt, in dem nicht nur wie in D1 Stärke gewonnen, sondern Amylose im Erbsenmaterial angereichert werde (Streitpatent: Seite 2, Zeile 14 ff.; Seite 4, Zeile 29; Seite 5, Zeilen 7, 20 und 25; Beschwerdebegründung: Abschnitt 5.5.1; Eingabe vom 30. April 2001: Abschnitt 4.1).
In D1 werde zwar ausgeführt, daß amylosereiche Erbsenstärke in thermoplastische Werkstoffe überführt werden könne, die dort erzeugte Stärke selbst sei demzufolge noch kein thermoplastischer Werkstoff. Stärke und Amylopectin könnten auf Grund ihrer Klebrigkeit auf kunststoffverarbeitenden Maschinen nicht auf Dauer verarbeitet werden, da diese rasch verklebten und wiederholt gereinigt werden müßten (Beschwerdebegründung: Abschnitt 5.2; Eingabe vom 30. April 2001: Abschnitt 4.2.1).
Selbst wenn nur die Trennschritte betrachtet werden, so seien durch D1 weder die Art der speziellen Siebvorrichtungen, noch deren Reihenfolge, noch deren Maschenweite nahegelegt worden. Ohne Kenntnis der Streitpatentschrift habe der Fachmann eine Vielzahl von Auswahlmöglichkeiten, das Trennverfahren hinsichtlich der Trennorgane zu modifizieren. Hierzu komme dann auch noch die Auswahl der Konzentration der Natronlauge. Dazu wurde auf 13 verschiedene Schritte in Abbildung 2 von D1 mit sechs zum Einsatz kommenden Trennaggregaten verwiesen, die alle modifiziert werden könnten (Eingabe vom 30. April 2001: Abschnitt 4.2.4).
Auch in D2 handle es sich um technische Stärkegewinnung, nicht um ein Anreicherungsverfahren von Amylose. Die zahlreichen verschiedenen dort genannten Trennaggregate seien ohne irgendwelche besondere Empfehlungen nacheinander aufgelistet ("zufällig getroffene Auswahl"; Seite 79, rechte Spalte, Ende von Absatz 1). Kombinationen mehrerer Trennvorrichtungen seien nicht zu entnehmen. Keines der Merkmale von Anspruch 1 seien dort zu finden.
Da im Unterschied zu D1 die Amylose im Produkt angereichert werde, sei das Produkt von Anspruch 9 neu. In Literaturstelle D4, worin Amylose beschrieben wird, werde diese vor ihrer Weiterverarbeitung stets erst chemisch modifiziert (Abbildung 10 und 11). Hingegen stelle die im Streitpatent beanspruchten Produkte Mischungen aus verschiedenen Verbindungen dar und könnten als solche auf kunststoffverarbeitenden Maschinen eingesetzt werden (Beschwerdebegründung: Abschnitte 7 und 8).
V. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) unterstützte in ihrer Beschwerdeerwiderung vom 26. September 2000 im wesentlichen die angefochtene Entscheidung und widersprach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in allen Punkten, insbesondere wurde zur Stützung der Zulässigkeit des Einspruchs auf die einzelnen im Einspruch angesprochenen Einzelheiten verwiesen. Hinsichtlich der Abweisung des Berichtigungsantrags der Beschwerdeführerin wurde der Einspruchsabteilung zugestimmt, jedoch eine andere Position als von dieser hinsichtlich der Erfüllung der Erfordernisse von Regel 88 EPÜ eingenommen.
Der Entscheidung der Einspruchsabteilung zum Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ könne daher nicht gefolgt werden, wenn einerseits anerkannt würde, daß zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents die als Ausgangsprodukt verlangten Erbsen unstreitig nicht verfügbar gewesen seien, und andererseits die von der Beschwerdeführerin beantragte Berichtigung richtig als Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ gewertet würde.
Aus D1 sei die Gewinnung hochwertiger amylosereicher Erbsenstärke bekannt, die in thermoplastische Werkstoffe überführt werden könne (Seite 239, Absätze 1 und 2). Abgesehen von der zahlenmäßig definierten Konzentration der Natronlauge, die aber von dem in D1 verwendeten Begriff "schwache Natronlauge" miteingeschlossen werde und nur eine Optimierung darstelle, unterscheide sich das beanspruchte Verfahren nur durch die Auswahl der Trennorgane. Daß allein der wegen der anderen Maschenweite und des anderen Trennaggregats veränderte Siebvorgang das Verhältnis von Amylose zu Amylopectin verändern solle, sei nicht nachvollziehbar und werde auch von der Beschwerdeführerin nicht belegt. Ob das Produkt, wie in D1, als Stärke oder, wie im Streitpatent, als Amyloseprodukt bezeichnet werde, mache sachlich keinen Unterschied.
VI. Mit einer Eingabe vom 1. März 2002 wurde der Einspruch von der Beschwerdegegnerin zurückgenommen.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung, oder alternativ auf Grundlage eines in der Beschwerdebegründung definierten Hilfsanträge.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig
2. Verweise auf Teile des Streitpatents beziehen sich im folgenden auf die Patentschrift in ihrer erteilten Fassung.
3. Verfahrensfragen
3.1. Da der Einspruch zurückgenommen wurde, ist die bisherige Beschwerdegegnerin an diesem Verfahren nicht mehr beteiligt. Der von ihr gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung ist damit hinfällig.
3.2. Alle Erzeugnisansprüche (Ansprüche 9, 12, 15 und 16) sind mit dem Verfahren von Anspruch 1 dadurch verbunden, daß sie entweder direkt als "Product-by-process-Anspruch" ("erhältlich gemäß einem der Ansprüche 1 bis 8", "erhältlich ... nach einem Verfahren gemäß ...") formuliert oder indirekt durch Verweis auf einen solchen "Product-by-process-Anspruch" auf das Verfahren von Anspruch 1 rückbezogen sind. Dies bedeutet, daß alle Erzeugnisse gemäß den auf Anspruch 1 folgenden Ansprüchen direkt oder indirekt zumindest teilweise durch Merkmale charakterisiert werden, die auf den in Anspruch 1 definierten Maßnahmen beruhen.
Daher sieht die Kammer entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin zur Zulässigkeit des vormaligen Einspruchs keinen Grund, von der Beurteilung der Einspruchsabteilung für die Zulässigkeit in den Abschnitten 1.1 bis 1.3 der angefochtenen Entscheidung abzuweichen, zumal zudem (i) sich der Einspruch laut Einspruchsschriftsatz unter Geltendmachung mangelnder erfinderischer Tätigkeit und unzureichender Offenbarung unter Hinweis auf die Artikel 52 (1), 56, 100 b) und 83 EPÜ eindeutig gegen das erteilte Patent im gesamten Umfang richtete (Nummern V und VI des Formulars 2300.2) und (ii) die Einwände -unabhängig von der Frage, ob die Argumente letztlich in sachlicher Hinsicht durchgreifen - objektiv verständlich waren, da sie die gleichen waren, die gegen Anspruch 1 erhoben wurden.
3.3. Neben den vorstehend genannten Einspruchsgründen hat die Einspruchsabteilung mit ihrem Bescheid vom 20. Mai 1999 die Frage der Neuheit der auf Erzeugnisse gerichteten Ansprüche 9 bis 11 und 16 bis 20 ins Verfahren eingeführt.
4. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ)
4.1. Die Kammer hat keine Veranlassung, die wiederholten Darlegungen der früheren Beschwerdegegnerin anzuzweifeln, daß zum effektiven Anmeldezeitpunkt des Streitpatents Erbsen mit einem Amylosegehalt von ca. 70 bis 93 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht der Erbsen, weder verfügbar noch bekannt waren, wie ihre Berechnungen auf der Grundlage von D1 zum damals bekannten Amylosegehalt von Markerbsen von maximal 26,56 Gew.-% zeigen sollten (Einspruchsschriftsatz vom 26. März 1997: Seite 1).
Wie den zahlreichen zitierten Literaturstellen zudem zu entnehmen ist, werden Prozentangaben des Amylosegehalts dort stets auf die Stärke bezogen (D1: Abschnitt 1, Absatz 1; D3 bzw. D4: Seite 113, Abbildung 1; Seite 120, Text oberhalb von Abbildung 8; D5: Seite 272, Abschnitt 2.3. und Abbildung 5; D6: Seite 328, 1. Einleitung, Absatz 2; Seite 329, Tabelle 1; D10: Seite 409, Absatz 2 nach Tabelle 22). Aus D6: Seiten 330 und 331, wird außerdem deutlich, daß dies offensichtlich sogar gilt, wenn dabei die Bezugsgröße nicht extra angegeben ist. So werden z. B. in Tabelle 3 für zwei von drei Genkombinationen von Markerbsen sogar höhere %-Werte für den Amylose- als für den Stärkegehalt genannt.
Aus diesen Feststellungen und aus der Tatsache, daß im Streitpatent als Ausgangsmaterial "typischerweise sogenannte Markerbsen" eingesetzt werden (Seite 2, Zeilen 39 bis 41), ergibt sich für den Fachmann zwangsläufig, daß der oben genannte Prozentbereich nicht auf die Erbsen als Ganzes bezogen sein kann.
4.2. Daher sieht die Kammer keinen Grund, von der Beurteilung der Einspruchsabteilung zum Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ in Abschnitt III der Entscheidungsgründe abzuweichen. Darüber hinaus wird aber auch keine Notwendigkeit für eine Korrektur der erteilten Anspruchsfassung gesehen, da der Fachmann nicht nur, wie in der angefochtenen Entscheidung angegeben, hätte mitlesen können, sondern tatsächlich mitliest, daß sich der Amylosegehalt auf die Stärke der Erbsen und nicht auf die Erbsen selbst bezieht.
4.3. Daraus folgt, daß der Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ nicht durchgreift, da die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ von der Patentschrift und damit vom Anspruchssatz gemäß Hauptantrag erfüllt werden.
5. Zur Stützung des vormaligen Einspruchs zitierte Literatur
5.1. Die Literaturstelle D1 beschreibt erste Ergebnisse einer Untersuchung zur Gewinnung von Erbsenstärke im Technikumsmaßstab aus Markerbsen (Amylosegehalt der Stärke bis zu 80%) im Vergleich zu den amyloseärmeren Palerbsen. Um die amylosereiche Erbsenstärke in thermoplastische Werkstoffe überführen zu können, müssen gemäß D1 zunächst einmal Verfahren zur Gewinnung qualitativ hochwertiger Erbsenstärke entwickelt werden.
Bei dem dafür skizzierten Verfahren gemäß Abbildung 2 folgt nach einer trockenen Vermahlung und Abtrennung einer Kleiefraktionen vom Mehl, einem Quellschritt mit Wasser und einem Dekantierschritt eine alkalische Aufschlämmung des Erbsmehls mit schwacher Natronlauge, um eine Auflockerung der Stärke-Protein-Matrix zu erreichen. Nach neuerlichem Dekantieren und Aufschlämmen in Wasser zur weitgehenden Abtrennung des Protein- und Fettanteils sowie der Mineralstoffe, wobei die Stärke, Fasern und Restprotein in der festen Phase verbleiben, erfolgt in zwei hintereinander geschalteten Strahlwaschern die Faserabtrennung und -auswaschung. Die dabei erhaltene Stärkemilch wird zweimal unter Zusatz von Wasser aufgeschlämmt und dekantiert. Schließlich erfolgt Neutralisation mit HCl und Sprühtrocknung.
Einer Mengenbilanz in Abbildung 5 sowie der Tabelle 1 ist zu entnehmen, daß ausgehend von 100 Teilen Markerbsenmehl (nach der Abtrennung der Kleie) schließlich 31,1 Teile einer Stärkefraktion oder anders ausgedrückt von 33,2 Teilen der in dem Mehl enthaltenen Stärke 25,5 Teile Stärke erhalten wurden. Der Verlust an Stärke bei der Protein- und Faserabtrennung sowie in den Zwischenschritten errechnete sich aus den in der Abbildung angegebenen Zahlen zu insgesamt 7,7 Teilen. Der Amylosegehalt der Stärke ist mit 67,7 % angegeben (Tabelle 1).
Als kritische Größe im Rahmen der Stärkequalität wird die Verunreinigung durch den Rohfaseranteil genannt. Durch Naßvermahlung sowie die Anwendung neuer Aggregate wie Bogensieb oder Hydrozyklon wurde eine weitere Qualitätsverbesserung über einen Rohfasergehalt von 0,8 % hinaus erhofft. Wegen der niedrigen Stärkegehalte wurde zudem die gleichzeitige Verwertung der Nebenprodukte (Protein und Fasern) als wirtschaftlich notwendig erachtet (Seite 241).
5.2. Die Literaturstelle D2 beschreibt spezielle Maschinen und Apparaturen für die technische Stärkegewinnung. Als Ausgangsmaterialien werden neben Mais, Weizen, Kartoffeln und Süßkartoffeln auch stärkehaltige Wurzeln wie Tapioka und Arrowroot genannt, die für die Auswahl der richtigen Zerkleinerungsapparaturen bestimmend sind. Für die auf die Zerkleinerung des stärkehaltigen Rohmaterials im allgemeinen folgende Extraktion der Stärke, meist durch Naßsiebung oder bei Weizen durch Ausschwemmen, werden nach D2 unterschiedlichste Apparate eingesetzt, darunter Vibrationssiebe, Bogensiebe, Siebpumpen, konische Zentrifugalsiebe in der Form von Strahlauswäschern, Parallelsiebe oder "neuerdings" Hydrozyklone. Bei den Bogensieben wird die außerordentlich geringe Verstopfungsgefahr herausgehoben, bei den Strahlauswäschern die Tatsache, daß durch die Waschwasserzufuhr mittels dem gleitenden Siebgut entgegengerichteten Düsenstrahlen der Siebvorgang verlängert und die Siebflächen offen gehalten werden.
5.3. In der Literaturstelle D4, die auch D3 umfaßt, werden die Eigenschaften und Anwendungen amylosereicher Erbsenstärke dargestellt, also im wesentlichen Stärke aus Markerbsen. Der Amylosegehalt der aus Amylopectin und Amylose zusammengesetzte Stärke überschreitet zwar bei den zwar relativ stärkearmen, aber amylosereichen Markerbsen die 70%-Marke, verbleibt aber bei weniger als 80% (Seite 120, Text vor Abbildung 8; Seiten 113/114, Abbildung 1 und Tabelle 1).
Auf Seite 122 und in Abbildung 11 wird auf den Einsatz amylosereicher Markerbsenstärke als Plastiksubstitut für die Produktion thermoplastischer Werkstoffe hingewiesen, der allerdings die zwischengeschaltete Modifizierung der Stärke, z. B. durch Acetylierung, als wesentlichen Verfahrensschritt einschließt.
Zur Verarbeitung der Erbsen wird nur auf die Zerkleinerung mittels einer IKA-Analysenmühle verwiesen, worauf die Stärkeabtrennung folgt (Seite 114, Abschnitt 3).
6. Verfahrensanspruch 1
Da die Fragen, die im Zusammenhang mit der Patentfähigkeit des beanspruchten Verfahrens zu untersuchen sind, auch für die von der Einspruchsabteilung verneinte Neuheit des Gegenstands von Anspruch 9 und die verneinte erfinderische Tätigkeit von Anspruch 12 (siehe Abschnitt I, oben) eine wesentliche Rolle spielen, wird zunächst die Patentfähigkeit von Anspruch 1 im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ behandelt.
6.1. Die Neuheit des Verfahrens ist nie in Frage gestellt worden. Auch die Kammer hat hierzu keine Veranlassung.
6.2. Aufgabe und Lösung
6.2.1. Der genannte Anspruch betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Amylose aus amylosereichem Erbsenmaterial.
6.2.2. Übereinstimmend wurde von der Einspruchsabteilung und den Parteien D1 als nächstliegender Stand der Technik betrachtet. Dieser Literaturstelle ist ein Verfahren zur Stärkegewinnung aus amylosereichen Markerbsen zu entnehmen.
Nach der angefochtenen Entscheidung unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren hiervon lediglich durch die zahlenmäßig eingegrenzte Konzentration der zur Abtrennung von Protein verwendeten Natronlauge und den Einsatz eines anderen Trennungsorgans, sowie die Verkleinerung der Maschenweite des zweiten Trennorgans (siehe Abschnitt III, Absatz 4 ff., oben).
Wie bereits in Abschnitt 5.1 oben gezeigt, wird in D1 Erbsenstärke in mehreren Aufschlämm-, Wasch- und diesen nachgeschalteten Trennstufen aus Markerbsenmehl gewonnen, wobei zur Lockerung der Stärke-Protein-Matrix eine alkalische Behandlung mit schwacher Natronlauge durchgeführt wird. Darüber hinaus konzentriert sich D1 auf eine möglichst weitgehende Reduzierung der Faser-, Fett- und Proteingehalte, um die amylosereiche Erbsenstärke dann in thermoplastische Werkstoffe überführen zu können. Nirgends ist von einer Auftrennung des Stärkemehls in seine Amylose- und Amylopectin-Bestandteile oder einer Verschiebung des Mengenverhältnisses dieser beiden Komponenten die Rede. Der Amylosegehalt der Markerbsenstärke wird lediglich in der Einleitung und in Tabelle 1 angesprochen. Aus den einzigen Zahlenwerten (Einleitung "bis zu 80%", Tabelle 1: 67,7%) läßt sich keinesfalls ableiten, und dies ist auch weder von der früheren Beschwerdegegnerin geltend gemacht, noch von der Einspruchsabteilung in Betracht gezogen worden, daß sich im Verhältnis der beiden Stärkekomponenten während des Verfahrens etwas ändern würde (siehe Abschnitt 4.3.1 der angefochtenen Entscheidung: "so daß beide Maßnahmen ... eine ähnliche Wirkung haben sollen, nämlich die Lösung der Proteinfraktion.").
6.2.3. Demgegenüber kann, wie auch von der Beschwerdeführerin vorgetragen, gemäß Beschreibungseinleitung die durch das Streitpatent zu lösende Aufgabe in der Erzeugung eines Amyloseprodukts aus Erbsenmaterial mittels eines wirtschaftlich interessanten Verfahrens gesehen werden, das durch direkte thermoplastische Verarbeitung ohne Verklebungsprobleme auf üblichen Kunststoffverarbeitungsmaschinen als Ersatz für Kunststoffe zu Formkörpern verarbeitet werden kann (Streitpatent: Seite 2, Zeilen 14 bis 25, 32 und 44 bis 48; Beschwerdebegründung: Abschnitt 5.2 und 5.3; Eingabe vom 30. April 2001: Abschnitt 4.1).
Diese Aufgabe wird nach Anspruch 1 im Anschluß an einen Trockenmahlschritt durch eine Abfolge genau definierter Aufschluß-, Wasch- und Trennungsschritte gelöst. Dabei wird das gemahlene Ausgangsmaterial, dessen Stärke einen Amylosegehalt von ca. 70 bis 93 Gew.-% aufweist (typischerweise Markerbsenmehl), durch 10 bis 100 mM Natronlauge (dies entspricht einer Normalität von 0,01 bis 0,1 und einem pH-Wert von 12 bis 13) aufgeschlossen, und in feste und flüssige Fraktionen getrennt. Der dabei erhaltene Feststoff wird nach Aufschlämmen in Wasser einer Trennung in wenigstens zwei Siebschritten mit, in Schritt 1, einem Bogensieb und, in Schritt 2, einem Strahlauswascher mit einer Maschenweite des Siebs von 50. bis 90 µm und mit einem Neigungswinkel von ca. 15 bis 45° unterworfen und abschließend getrocknet.
Wie die beiden Beispiele des Streitpatent belegen, läßt sich das anspruchsgemäß hergestellte Amyloseprodukt mittels Vorextrusion und anschließendem Spritzguß zu Trinkbechern verarbeiten, die eine Standzeit von 7 bis 9 Stunden gegenüber der Einwirkung von Wasser aufweisen. Die zugrundeliegende technische Aufgabe wird also glaubhaft gelöst.
6.3. Erfinderische Tätigkeit
Es bleibt zu entscheiden, ob sich die gefundene Lösung aus dem im vorigen Einspruch herangezogenen Stand der Technik für den Fachmann in naheliegender Weise ergibt.
6.3.1. Es war unstreitig, daß die Literaturstelle D1 keinerlei Angaben zur Konzentration der eingesetzten Natronlauge oder zum eingestellten pH-Wert macht. Ebenso unstreitig liegt in D1 die Maschenweite der Siebbespannung der Strahlauswascher mit 150 µm deutlich höher als in Anspruch 1.
6.3.2. In D1 wird im Rahmen der Gewinnung von Stärke aus Markerbsen auf eine "effektive Auflockerung der Stärke-Protein-Matrix" durch schwache Natronlauge verwiesen (D1: Abschnitte 1 und 3.1; siehe Abschnitt 5.1, Absatz 1, oben). Die so gewonnene Stärke soll nach mehrfacher Reinigung später in thermoplastische Werkstoffe überführt werden können.
6.3.3. Im Gegensatz zur Einspruchsabteilung, die in ihrer Entscheidung darlegt, daß keine auf den oben genannten Unterschieden beruhenden technischen Effekte demonstriert worden seien, und daher die Produkte von D1 und dem Streitpatent gleichsetzt, kommt die Kammer bei dieser Sachlage zur Feststellung, daß die frühere Beschwerdegegnerin, der nach andauernder gefestigter Rechtsprechung die Beweispflicht für die Stichhaltigkeit ihres diesbezüglichen, von der Einspruchsabteilung übernommenen Vortrags (Abschnitt III, Absatz 5, oben) oblag, dieser Pflicht nicht ausreichend nachgekommen ist. Es ist nicht nachgewiesen worden, daß im Verfahren gemäß Streitpatent "nur Stärke" isoliert, d. h. die obige technische Aufgabe nicht gelöst worden ist, was allerdings auch in direktem Gegensatz zu den Beispielen des Streitpatents gestanden hätte. Die Beweispflicht kann in einem Einspruchsverfahren nicht auf den Patentinhaber verschoben werden.
6.3.4. Überdies ist seitens der früheren Beschwerdegegnerin keinerlei Beleg erbracht worden, der als überzeugende Grundlage für die Richtigkeit der Nichtanerkennung eines technischen Effekts hinsichtlich des Einsatzes von 10 bis 100 mM Natronlauge dienen könnte (angefochtene Entscheidung: Abschnitt 4.3.1).
In diesem Zusammenhang sei zur Verdeutlichung des Fehlens einer ausreichender Begründung für diese Nichtanerkennung auf die bereits im Prüfungs- und im Einspruchsverfahren angesprochene Druckschrift DE-A-2 922 247 (vgl. Streitpatent: Seite 2, Zeile 7; im Prüfungsverfahren als D1 bezeichnet; Schriftsätze vom 27. März 1998 und 13. Juli 1998: jeweils Seite 4, erster vollständiger Absatz) hingewiesen. Auch darin wird bei der Verarbeitung von Gemüsesamen, insbesondere Erbsen, zur Abtrennung der Stärke vom Protein in wäßrigem Medium Natronlauge eingesetzt (Ansprüche 3, 10, 17, 19, 20 und 22). Nach den Ansprüchen 19 und 20 erfolgt dies im pH-Bereich von etwa 8,0 bis 10,0, bzw. 8,5 bis 9,5 (vgl. dazu auch den Brückenabsatz der Seiten 12/13 der Druckschrift), d. h. bei einer Natriumhydroxid-Konzentration, die um mindestens zwei Größenordnungen niedriger als im Streitpatent liegt (siehe Abschnitt 6.2.3, oben). Dabei wurde wie in D1 eine Fraktionierung der Stärke in ihre verschiedenen Bestandteile in dieser Druckschrift nicht in Betracht gezogen. Es ist aus der genannten Literatur und den vorgetragenen Argumenten der früheren Beschwerdegegnerin nicht ohne weiteres zu entnehmen, welche Auswirkung derartige Konzentrations- und pH-Unterschiede bei einem solchen Aufschluß auf das Endprodukt haben würde, zumal die Beschwerdeführerin wiederholt auf die Unterschiedlichkeit der Produkte verwiesen hat.
Der Vergleich dieser Tatsachen mit der im Streitpatent offenbarten Herstellung eines nachgewiesenermaßen direkt thermoplastisch verarbeitbaren Erbsenamyloseprodukts bestimmter Eigenschaften zeigt jedoch, daß der von der Einspruchsabteilung gezogene Schluß, bei der Laugenbehandlung könne jeweils nur Protein entfernt worden sein, ohne eindeutige Belege dafür, die von der ehemaligen Beschwerdegegnerin hätten geliefert werden müssen, nicht hinreichend begründet ist.
6.3.5. Die Kammer kann unter diesen Umständen nicht umhin, dem Argument der Beschwerdeführerin (Beschwerdebegründung: Abschnitte 5.5.1 und 5.5.3) zu folgen, daß ein Verfahren zur Herstellung von Amylose aus Erbsenmaterial, wie in Anspruch 1 definiert, durch das Verfahren von D1, das lediglich der Isolierung von Stärke dient und für das nicht die Identität der Reaktionsbedingungen nachgewiesen worden ist, nicht nahegelegt wird.
6.3.6. Bei dieser Sachlage kann auch die wie immer geartete Beurteilung der Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit die spezielle Kombination eines Bogensiebes mit einem Strahlauswascher, der mit einem Sieb und/oder Siebkorb mit einer Maschenweite von ca. 50 bis 90 µm ausgestattet ist, einen Einfluß auf die Lösung des oben genannten technischen Problems hat, zu keiner anderen Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Anspruch 1 führen.
Trotzdem sei nur kurz angemerkt, daß auch zu diesen Merkmalen von Anspruch 1 die frühere Einsprechende und Beschwerdegegnerin ihrer Beweispflicht nicht hinreichend nachgekommen ist und die Ergebnisse des Streitpatents nicht in Frage stellen konnte.
6.3.7. Wie dem Abschnitt 5.2, oben, zu entnehmen ist, hebt D2 zwar die geringe Verstopfungsgefahr von Bogensieben hervor, verweist aber auch auf die Tatsache, daß die Siebfläche bei Strahlauswäschern offen gehalten werden kann. Literaturstelle D3/D4 (Abschnitt 5.3, oben) beschreibt Eigenschaften von amylosereicher Erbsenstärke (neben denen anderer Erbsenstärken), und verweist auf die Verwendbarkeit chemisch modifizierter Markerbsenstärke.
Zur Beantwortung der Fragen zu den der Siebung vorgeschalteten Verfahrensschritten kann keine dieser Literaturstellen etwas beitragen, so daß auch eine Zusammenschau von D1 mit mindestens einer dieser weiteren Druckschriften nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 führen kann.
6.3.8. Die Kammer kommt daher zu der Schlußfolgerung, daß der Gegenstand von Anspruch 1 neben der nicht in Frage gestellten Neuheit (Artikel 54 EPÜ) auch auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).
6.4. Die davon abhängigen Verfahrensansprüche 2 bis 8 werden durch die vorstehend festgestellte Patentfähigkeit von Anspruch 1 mitgetragen. Der Einwand unter Artikel 100 a) EPÜ kann daher hinsichtlich des beanspruchten Verfahrens nicht durchgreifen.
7. Anspruch 9
7.1. Neuheit
7.1.1. Aus den vorstehenden Ausführungen zum Verfahren von Anspruch 1 ist bereits ersichtlich, daß die Verneinung der Neuheit des Gegenstands von Anspruch 9, der nicht auf Amylose per se, sondern auf ein Erbsenamyloseprodukt gerichtet ist, in der angefochtenen Entscheidung wegen vorgeblicher fehlender Demonstration eines technischen Effekts, der mit der Verwendung einer 10 bis 100 mM Natronlauge bei der Herstellung des beanspruchten Produkts anstelle einer schwachen Natronlauge wie in D1 verbunden ist, keine Bestand haben kann.
Wie den in der besagten Entscheidung zitierten Analysendaten (Abschnitt 4.3.1, Seite 10, Absatz 1) zu entnehmen ist, ist der Literaturstelle D1 nur der Restgehalt an Rohprotein und Rohfett, d. h. Verunreinigungsgehalt, zu entnehmen. Darauf kann jedoch keine Aussage hinsichtlich einer Identität der Produkte, d. h. der Stärke von D1 mit dem Erbsenamyloseprodukt des Streitpatents, gestützt werden. Zusätzliche Nachweise für Identität, die der damaligen Einsprechenden oblegen hätten, sind nicht verfügbar.
7.1.2. Daher kann die Kammer der Meinung der Einspruchsabteilung, daß es dem Gegenstand von Anspruch 9 an Neuheit fehle, nicht folgen.
7.2. Da der Gegenstand von Anspruch 9 gegenüber D1 neu ist und da auch die ansonsten vorgetragenen Argumente auf der Basis der von der früheren Einsprechenden angezogenen bzw. der Einspruchsabteilung bei der Beurteilung der Einwände gemäß Artikel 100 a) EPÜ berücksichtigten Literaturstellen keine Anregung zur Herstellung eines derartigen Erbsenamyloseprodukts mit den im obigen Abschnitt 6.2.3 bei der Formulierung der zu lösenden technischen Aufgabe genannten Eigenschaften geben, ist auch die Frage der erfinderischen Tätigkeit zugunsten der Beschwerdeführerin zu entscheiden.
7.3. Anspruch 9 erfüllt somit die Erfordernisse der Artikel 52. (1) bis 56 sowie 100 b) EPÜ. Gleiches gilt auch für die darauf rückbezogenen abhängigen Ansprüche 10 und 11.
8. Anspruch 12
Die in diesem Anspruch beanspruchte thermoplastisch verarbeitbare Polysaccharidzusammensetzung basiert zu ca. 50 bis 90 Gew.-% auf dem Erbsenamyloseprodukt, wie es in Anspruch 9 definiert ist. Die dafür getroffenen Feststellungen gelten folglich ebenso für das Produkt gemäß Anspruch 12, genau wie auch für spezielle Ausgestaltungen dieses Produkts in den Ansprüchen 13 und 14.
9. Zu den restlichen Ansprüchen 15 bis 20 enthält die angefochtene Entscheidung keine Ausführungen, auch sind im Beschwerdeverfahren dazu keinerlei Argumente vorgetragen worden. Sie betreffen Gegenstände, die aus den vorstehend abgehandelten Zusammensetzungen gemäß den Ansprüchen 12 bis 14 bzw. aus der gemäß einem der Ansprüche 1 bis 8 erhältlichen Amyloseprodukt, d. h. dem Produkt gemäß Anspruch 9, bestehen, und werden durch die oben getroffenen Feststellungen zu Neuheit und erfinderischer Tätigkeit getragen.
10. Aus diesen Gründen kommt die Kammer zu der Überzeugung, daß die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung im Hinblick auf den Hauptantrag der Beschwerdeführerin keine Bestand haben kann und daher aufzuheben ist.
11. Da der Hauptantrag erfolgreich ist, besteht keine Notwendigkeit, sich noch mit den Hilfsanträgen der Beschwerdeführerin zu befassen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage, daß Patent im ursprünglich erteilten Umfang und unverändert aufrechtzuerhalten.