T 0381/00 () of 8.3.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T038100.20020308
Datum der Entscheidung: 08 März 2002
Aktenzeichen: T 0381/00
Anmeldenummer: 94114470.1
IPC-Klasse: B05D 7/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von Mehrschichtlackierungen
Name des Anmelders: Herberts Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Name des Einsprechenden: BASF Coatings AG
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das Patent Nr. 0 646 420 Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die im Artikel 100 a) EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünden.

Sie hat folgende Entgegenhaltungen berücksichtigt:

E1: EP-A-0 525 867 und E2: US-A-3 998 716.

II. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

IV. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 15 lauten wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung von Mehrschicht-lackierungen durch elektrophoretische Abscheidung einer ersten Überzugsschicht auf einem elektrisch leitenden Substrat aus einem wäßrigen ersten Überzugsmittel, Auftrag einer zweiten Überzugsschicht auf der Basis eines pulverförmigen zweiten Überzugsmittels, und gemeinsames Einbrennen der so erhaltenen Überzugsschichten, dadurch gekennzeichnet, daß man für die zweite Überzugsschicht ein pulverförmiges Überzugsmittel auf der Basis von Bindemitteln, die frei von auf Dienen basierenden Polymereinheiten sind, verwendet, wobei man die Überzugsmittel so wählt, daß das Intervall der minimalen Einbrenntemperatur der zweiten Überzugsschicht über dem der ersten Überzugsschicht liegt oder dieses so überlappt, daß die Untergrenze des Intervalls der zweiten Überzugsschicht oberhalb der Untergrenze des Intervalls der ersten Überzugsschicht liegt."

"15. Elektrisch leitendes Substrat, beschichtet nach dem Verfahren eines der vorhergehenden Ansprüche."

V. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Zum Anspruch 1:

Die Merkmale

"wobei man die Überzugsmittel so wählt, daß das Intervall der minimalen Einbrenntemperatur der zweiten Überzugsschicht über dem der ersten Überzugsschicht liegt oder dieses so überlappt, daß die Untergrenze des Intervalls der zweiten Überzugsschicht oberhalb der Untergrenze des Intervalls der ersten Überzugsschicht liegt"

gingen zwar aus den Entgegenhaltungen E1 und E2 nicht expressis verbis hervor, ergäben sich jedoch für den Fachmann zwanglos aus der Lehre dieser Entgegenhaltungen.

Die o. a. Merkmale seien Pseudoparameter. Es komme nur auf die Anpassung der Einbrenntemperaturen der beiden zu härtenden Schichten auf einem möglichst niedrigen Temperaturniveau an. Hierzu sei jedoch keine erfinderische Tätigkeit notwendig.

Außerdem gehe aus Spalte 3, Zeilen 59 bis 61 der Entgegenhaltung E2 hervor, daß die verwendeten Elektrotauchlacke bei Temperaturen von 150 bis 300 C vernetzt würden. Somit sei in der Entgegenhaltung E2 bereits das Intervall der minimalen Einbrenntemperatur der ersten Überzugsschicht offenbart. Dem Beispiel 7, Spalte 5, Zeilen 61 bis 64 der Entgegenhaltung E2 lasse sich weiterhin entnehmen, daß das verwendete pulverförmige zweite Überzugsmittel eine Einbrenntemperatur von 177 C (350 F) habe. Somit sei in der Entgegenhaltung E2 auch das Intervall der minimalen Einbrenntemperatur der zweiten Überzugsschicht offenbart. Hieraus folge, daß, wenn das Intervall der minimalen Einbrenntemperatur der ersten Überzugsschicht bei 150 C liege, auch die als nicht expressis verbis offenbarten Merkmale des Anspruchs 1 beim Verfahren gemäß der Entgegenhaltung E2 erfüllt seien.

Zum Anspruch 15:

Der Gegenstand des Anspruchs 15 weise keinen eigenständigen erfinderischen Überschuß auf und beruhe genau aus denselben Gründen wie Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die Entgegenhaltung E2 offenbare ein Verfahren zur Mehrschichtlackierung, bei dem ein Elektrotauchlack mit einem Pulverlack überschichtet werden könne. Demgegenüber habe sich die vorliegende Erfindung die Aufgabe gestellt, ein Mehrschichtlackierungsverfahren bereitzustellen, das verbesserte Überzüge, insbesondere hinsichtlich der Steinschlag- bzw. Impact-Beständigkeit aufweise. Es habe sich gezeigt, daß diese Aufgabe durch die erfindungsgemäße Kombination mit den kennzeichnenden Merkmalen gelöst werde. Dies wurde durch die im Streitpatent angegebenen Beispiele bewiesen, insbesondere durch die Beispiele 13 und 22.

Weder die Entgegenhaltung E2 noch die Entgegenhaltung El gäben einen Hinweis auf den aufgezeigten Lösungsweg. Keiner der Entgegenhaltungen lasse sich ein Hinweis auf die Intervalle der minimalen Einbrenntemperaturen bzw. deren Verhältnis zueinander entnehmen.

Daher könnten die Entgegenhaltungen E1 oder E2 den Fachmann nicht zu dem im Anspruch 1 des Streitpatents angegebenen Verhältnis der Intervalle der minimalen Einbrenntemperaturen der beiden Überzugsschichten anregen.

Entscheidungsgründe

1. Anspruch 1

1.1. Neuheit

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 ist neu, weil die Entgegenhaltungen E1 und E2 kein Verfahren mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 offenbaren.

Keine der beiden Entgegenhaltungen offenbart, daß für die Auswahl geeigneter Überzugsmittel als Materialeigenschaft ein "Intervall der minimalen Einbrenntemperatur" zugrunde gelegt werden soll.

Daher offenbart auch keine der beiden Entgegenhaltungen das Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 "wobei man die Überzugsmittel so wählt, daß das Intervall der minimalen Einbrenntemperatur der zweiten Überzugsschicht über dem der ersten Überzugsschicht liegt oder dieses so überlappt, daß die Untergrenze des Intervalls der zweiten Überzugsschicht oberhalb der Untergrenze des Intervalls der ersten Überzugsschicht liegt".

1.2. Erfinderische Tätigkeit

1.2.1. Nächster Stand der Technik

Der nächstkommende Stand der Technik wird durch die Entgegenhaltung E2 offenbart. Diese Entgegenhaltung zeigt ein Verfahren zur Herstellung von Mehrschichtlackierungen durch elektrophoretische Abscheidung einer ersten Überzugsschicht auf einem elektrisch leitenden Substrat aus einem wäßrigen ersten Überzugsmittel, Auftrag einer zweiten Überzugsschicht auf der Basis eines pulverförmigen zweiten Überzugsmittels, und gemeinsames Einbrennen der so erhaltenen Überzugsschichten, wobei für die zweite Überzugsschicht ein pulverförmiges Überzugsmittel auf der Basis von Bindemitteln, die frei von auf Dienen basierenden Polymereinheiten sind, verwendet wird.

Dadurch wird eine Mehrschichtlackierung mit einem verbessertem optischen Erscheinungsbild erzeugt.

1.2.2. Aufgabe

Der Erfindung des Streitpatents liegt ausgehend aus der Entgegenhaltung E2 die Aufgabe zugrunde, ein Mehrschichtlackierungsverfahren bereitzustellen, das verbesserte Überzüge, insbesondere hinsichtlich der Steinschlag- bzw. Impactbeständigkeit aufweist.

1.2.3. Lösung

Diese Aufgabe wird gemäß der Erfindung des Streitpatents dadurch gelöst, daß die Überzugsmittel so gewählt werden, daß das Intervall der minimalen Einbrenntemperatur der zweiten Überzugsschicht über dem der ersten Überzugsschicht liegt oder dieses so überlappt, daß die Untergrenze des Intervalls der zweiten Überzugsschicht oberhalb der Untergrenze des Intervalls der ersten Überzugsschicht liegt.

Die Patentinhaberin hat anhand von Beispielen im Streitpatent, insbesondere Beispiele 13 und 22, glaubhaft nachgewiesen, daß bei Einhaltung der o. a. Lösungsmerkmale, die nach dem Verfahren gemäß Anspruch 1 hergestellten Mehrschichtlackierungen eine bessere Steinschlag- und Impactbeständigkeit aufweisen als Mehrschichtlackierungen, welche nach Verfahren hergestellt werden, bei welchen außerhalb des Bereichs der o. a. Lösungsmerkmale gearbeitet wird.

1.2.4. Zu dieser erfindungsgemäßen Lösung kann aus dem Stand der Technik aus folgenden Gründen keine Anregung entnommen werden:

Die Entgegenhaltung E1 offenbart ein Verfahren zur Beschichtung eines Substrats mit zwei Lagen, wobei die erste Beschichtungslage auf das Substrat aufgetragen wird, die zweite metallisierte transparente Pulverbeschichtungslage auf die erste Beschichtungslage aufgetragen wird, die gewünschtenfalls teilweise oder vollständig gehärtet ist, und das System anschließend gehärtet wird.

Ein direkter Hinweis zu der Lösung gemäß Anspruch 1 kann aus der Entgegenhaltung El nicht kommen, da keine "Intervalle von minimalen Einbrenntemperaturen der beiden Überzugsschichten" in dieser Entgegenhaltung angesprochen worden sind. Aber auch ein indirekter Hinweis kann nicht hergeleitet werden. In der Entgegenhaltung El wird sowohl das gemeinsame Einbrennen der ersten und der zweiten Überzugsschicht beschrieben, als auch die erzielten Vorteile hinsichtlich einer besseren Haftung der Schichten untereinander und mit dem Substrat werden genannt, vgl. das Beispiel in Spalte 5, Zeilen 20 ff, worin nur eine gemeinsame Härtungstemperatur der beiden Überzugsschichten genannt wird. Jedenfalls kann der Entgegenhaltung E1 kein Hinweis auf die Bedeutung eines " Intervalls einer minimalen Einbrenntemperatur" für die Auswahl der Überzugsmittel entnommen werden.

Der Vertreter der Einsprechenden führte zur Entgegenhaltung E2 aus, daß zum einen die Einbrenntemperatur der ersten Überzugsschicht mit 150 bis 300 C angegeben sei (vgl. Spalte 3, Zeilen 59 bis 61) und zum anderen gemäß Beispiel 7 (vgl. Spalte 5, Zeilen 51 ff) die Einbrenntemperatur der zweiten Überzugsschicht bei 177 C liege, so daß der im Streitpatent beanspruchte Bereich der Einbrenntemperaturen bekannt sei.

Dieser Auffassung kann sich die Kammer nicht anschließen.

Bei den in der Entgegenhaltung E2 genannten Einbrenntemperaturen handelt es sich um tatsächliche Einbrenntemperaturen, die beim Härten derartiger Grundlacke im Zweistufen-Verfahren üblich sind. Über ein "Intervall der minimalen Einbrenntemperatur" beider Lacke ist in der Entgegenhaltung E2 keine Aussage gemacht worden. Die in Spalte 3, Zeilen 4 bis 9 des Streitpatentes definierten "Intervalle der minimalen Einbrenntemperatur" der beiden Überzugsschichten sind nicht vergleichbar mit den tatsächlich angewandten Einbrenntemperatur gemäß der Entgegenhaltung E2. Erfindungsgemäß handelt es sich beim "Intervall der minimalen Einbrenntemperatur" um eine Materialeigenschaft eines Überzugsmittels, welche gemäß Anspruch 1 der Auswahl der Überzugsmittel zugrunde gelegt wird. Auch der Entgegenhaltung E2 kann daher kein Hinweis auf die Bedeutung eines "Intervalls einer minimalen Einbrenntemperatur" für die Auswahl geeigneter Überzugsmittel entnommen werden.

Auch dem Argument der Beschwerdeführerin, daß die "Intervalle der minimalen Einbrenntemperatur" "Pseudoparameter" seien und daß es nur auf die Anpassung der Einbrenntemperaturen der beiden zu härtenden Schichten auf einem möglichst niedrigen Temperaturniveau ankomme, kann die Kammer nicht folgen.

Wie bereits unter Punkt 1.2.3 ausgeführt wurde, zeigen die im Streitpatent erläuterten Beispiele in der Tabelle in Spalte 23 (vgl. z. B. insbesondere die Versuche 13 und 22), daß bei Auswahl der Überzugsmittel gemäß den im Anspruch 1 angegebenen Bereichen für die "minimale Einbrenntemperatur" eine höhere Steinschlagbeständigkeit erzielt wird als bei der Verwendung von Überzugsmitteln, deren minimale Einbrenntemperatur außerhalb dieser Bereiche liegen.

In Spalte 3, Zeile 4 bis Spalte 4, Zeile 1 des Streitpatents wird detailliert die Bestimmung der "Intervalle der minimalen Einbrenntemperaturen" angegeben. Des weiteren erhält der Fachmann anhand der im Anspruch 1 angegebenen Verhältnisse der "Intervalle der minimalen Einbrenntemperaturen" konkrete Anweisungen, wie er die Materialien für die Herstellung einer Mehrschichtlackierung gemäß Anspruch 1 auszuwählen hat.

Die im Anspruch 1 angegebenen "Intervalle der minimalen Einbrenntemperaturen" sind daher keine "Pseudoparameter", sondern stellen konkrete, den Schutzumfang des Anspruchs 1 klar und eindeutig bestimmende Merkmale dar.

1.2.5. Daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

2. Ansprüche 2 bis 14

Das gleiche wie für den Anspruch 1 gilt auch für die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 14, welche vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstandes des Anspruchs 1 darstellen.

3. Die Ansprüche 1 bis 14 haben daher Bestand.

4. Anspruch 15

Der Anspruch 15, welcher Erzeugnisse betrifft, die nach dem Verfahren gemäß den Ansprüchen 1 bis 14 hergestellt werden, hat ebenfalls Bestand.

5. Da somit der vom Beschwerdeführer angezogene Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ nicht greift, ist das Streitpatent aufrechtzuerhalten.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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