T 0302/00 () of 18.4.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T030200.20020418
Datum der Entscheidung: 18 April 2002
Aktenzeichen: T 0302/00
Anmeldenummer: 94102357.4
IPC-Klasse: F16K 11/074
F16K 27/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Steuerpatrone für eine Einhebel-Mischarmatur
Name des Anmelders: KWC AG
Name des Einsprechenden: Friedrich Grohe AG & Co. KG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag, bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 94 102 357.4 wurde das europäische Patent Nr. 0 616 156 erteilt.

II. Der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) gegen das Patent eingelegte, auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit) im Hinblick auf die Druckschriften (E1) FR-A-2 506 886, (E2) DE-A-3 243 268 und (E3) DE-A-3 518 698 gestützte Einspruch führte zu der am 4. Februar 2000 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung, in der festgestellt wurde, daß das Patent unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des Übereinkommens genügt.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 18. März 2000 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 26. Mai 2000 eingegangen.

IV. Am 18. April 2002 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent gemäß den mit Schreiben vom 11. März 2002 eingereichten Hilfsanträgen I bis IV aufrechtzuerhalten.

Der am 21. September 1998 eingegangene, im Sinne des in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung gestellten Antrags vom 10. Januar 2000 geänderte, der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

"Steuerpatrone für eine Einhebel-Mischarmatur, mit einem Anschlüsse für die Zufuhr von Kalt- und Warmwasser aufweisenden Gehäuse (16, 18), in welchem ein Steuerelement und eine daran anliegende Steuerscheibe (40) zu einer zentralen Achse (X) der Steuerpatrone (10) koaxial angeordnet sind, wobei das Steuerelement gehäusefest und die Steuerscheibe (40) mittels eines um die Achse (X) drehbaren Betätigungselementes (42) drehbar ist, das Steuerelement ausschliesslich zwei Durchlässe (80, 82) aufweist, von denen der erste (80) mit dem Kaltwasser-Anschluss und der zweite (82) mit dem Warmwasser-Anschluss verbunden ist, und die Steuerscheibe (40) mindestens einen, in eine mit einem Auslass (77) verbundene Mischkammer (78) mündenden Durchlass (84, 86) aufweist, die Einlass-Durchlässe (80, 82) des Steuerelements sowie der Durchlass (84, 86) der Steuerscheibe (40) mindestens annähernd auf einer gemeinsamen Kreislinie (88) derart verteilt angeordnet sind, dass bei Drehung der Steuerscheibe (40) in Öffnungsrichtung (90) nacheinander die Kaltwasser-Zufuhr bis etwa zum Maximum freigegeben wird, danach zusätzlich die Warmwasser-Zufuhr freigegeben wird und anschliessend die Kaltwasser-Zufuhr gedrosselt wird, wobei das Steuerelement eine an der genannten Steuerscheibe (40) anliegende, die Einlass-Durchlässe (88, 82) aufweisende weitere Steuerscheibe (38) ist, die Durchflussrichtung (79) vom Einlass in die weitere Steuerscheibe (38), durch die unterhalb der Steuerscheibe (40) angeordnete Mischkammer (78) bis zum Auslass (77) im wesentlichen geradlinig in Richtung der Achse (X) verläuft, der Auslass (77) an einem im Gehäuse (16, 18) verdrehsicher eingesetzten Halteteil (68) angeordnet ist, und die Mischkammer (78) in einer einerseits mit der Steuerscheibe (40) und andererseits über eine den Halteteil (68) durchgreifende Verbindung mit dem Betätigungselement (42) drehfest verbundenen Mitnehmerbuchse (54) angeordnet ist."

Dem Anspruch 1 schließen sich die am 21. September 1998 eingegangenen abhängigen Ansprüche 2 bis 12 an und die Beschreibung, Spalten 1, 1A und 2 bis 4 mit der gemäß Antrag vom 10. Januar 2000 vorgenommenen Änderung in Spalte 1 und die Zeichnungen (Figuren 1, 2) der Patentschrift.

V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Die dem Streitpatent am nächsten kommende Druckschrift E2 betreffe eine im Mündungsbereich eines Auslaufarmes einer Armatur einbaubare Steuerpatrone, die mit Ausnahme des sich im Gegensatz zum beanspruchten Gegenstand mitdrehenden Auslaßstücks schon alle Merkmale aus dem Anspruch 1 (Hauptantrag) des Streitpatents offenbare. Die Mutter 9 der Patrone gemäß E2 sei nämlich ebenfalls als Halteteil anzusehen, das von der Verbindung zwischen Steuerscheibe 5 und Betätigungselement 12 durchgriffen werde. Wenn nun dem Fachmann die Aufgabe gestellt sei, anstelle des bei der E2 mitdrehenden Auslaufstückes 13 ein nichtdrehendes Mundstück zu verwirklichen, dann werde er die Lösung gemäß E3 anwenden, bei der das Auslaufmundstück 10 drehfest angeordnet ist, was dann zwangsläufig zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents führe. Bei der E3 handle es sich zudem ebenso wie bei der E2 um ein Ventil mit geradliniger Wasserführung, so daß es naheliegend war, bei einer Weiterbildung der Steuerpatrone gemäß E2 bekannte Merkmale aus dem Einhandmischventil nach der E3 in Betracht zu ziehen. Der Gegenstand nach dem Anspruch 1, der auch nicht die erforderliche zweiteilige Anspruchsfassung aufweise und dessen auf den Halteteil und die Mitnehmerbuchse bezogenes letztes Teilmerkmal nicht klar verständlich formuliert sei, beruhe demnach nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VI. Die Beschwerdegegnerin trug in etwa folgendes vor:

Der als Anbau für eine Armatur vorgesehene Mischhahn nach der E2 unterscheide sich von der beanspruchten Steuerpatrone nicht nur aufgrund seines sich mit dem Betätigungselement mitdrehenden Auslaßstücks 13, sondern auch durch die beanspruchte Anordnung der Mischkammer unterhalb der Steuerscheibe innerhalb einer Mitnehmerbuchse, die einerseits mit der Steuerscheibe und andererseits mit dem Betätigungselement verbunden ist. Darüber hinaus durchgreife beim Streitpatent die Verbindung zwischen der Mitnehmerbuchse und dem Betätigungselement das den Auslaß bildende Halteteil.

Für den Fachmann habe es keinen Anlaß gegeben, bei einer Weiterentwicklung der Vorrichtung gemäß E2 das Mischventil der E3 zu berücksichtigen, denn bei der E3 sei abweichend vom Streitpatent und der E2, bei denen eine ausschließlich um eine zentrale Achse drehbare Steuerscheibe verwendet werde, eine drehbare und radial verschiebbare Steuerscheibe vorhanden, die einen größeren Platzbedarf aufweise. Auch sei bei der E3 kein Auslaufstück im Sinne des Streitpatents vorgesehen. Darüber hinaus führe die Zusammenschau von E2 und E3 offensichtlich nicht zum beanspruchten Gegenstand. Die Formulierung des Anspruchs 1 sei eindeutig und könne auch im Zusammenhang mit der Beschreibung klar verstanden werden. Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sei demnach erfinderisch.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1. Der im Einspruchsverfahren geänderte Anspruch 1 entspricht den Anforderungen von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ und wurde in diesem Zusammenhang auch von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet.

2.2. Der Wassermischhahn nach der dem Streitpatent am nächsten kommenden Druckschrift E2 ist, wie aus den Figuren 4 und 5 ersichtlich, als Baueinheit 1 am Ende eines Stützrohrs 16 einer Armatur eingebaut und stellt daher ein mit der im Anspruch 1 des Streitpatents diesbezüglich nicht näher definierten Steuerpatrone vergleichbares Bauteil dar. Wenngleich auch aus der E2 ein Großteil der im einteiligen Anspruch 1 des Streitpatents aufgeführten Merkmale schon offenbart ist (vgl. den Absatz 2.5.1 dieser Entscheidung), so ist im vorliegenden Falle die Wiederherstellung der im Einspruchsverfahren verlassenen zweiteiligen Anspruchsform nicht zweckdienlich, da sie zu einer komplexeren Formulierung führen würde, die das Verständnis des Anspruchinhalts erschweren würde. Im übrigen ist der Stand der Technik nach der E2 in der geltenden Beschreibung berücksichtigt.

Die Beschwerdekammer sieht demnach in der einteiligen Fassung des Anspruchs 1 keinen Verstoß gegen Regel 29 (1) EPÜ.

2.3. Der geltende Anspruch 1 ist im Sinne von Artikel 84 EPÜ (Klarheit) nicht zu beanstanden, da die in ihm benutzten Bezeichnungen mit dem übrigen Unterlagen des Streitpatents übereinstimmen, in sich nicht widersprüchlich sind und von einem fachmännischen Leser deutlich verstanden werden können.

2.4. Neuheit

Die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes ist im Beschwerdeverfahren nicht mehr in Frage gestellt worden. Die Beschwerdekammer hat diesbezüglich auch keine Bedenken.

2.5. Erfinderische Tätigkeit

2.5.1. Die E2 offenbart in Übereinstimmung mit dem Gegenstand nach dem Anspruch 1 des Streitpatents ebenfalls eine Steuerpatrone für eine Einhebel-Mischarmatur, bei der die Mengen- und Temperaturregelung prinzipiell in Übereinstimmung mit den diesbezüglichen Merkmalen des Anspruchs 1 des Streitpatents erfolgt.

Die Steuerpatrone nach dem Anspruch 1 des Streitpatents unterscheidet sich von der Steuerpatrone nach der E2 wie folgt:

a) Beim Streitpatent ist der Auslaß (77) an einem im Gehäuse (16, 18) verdrehsicher eingesetzten Halteteil (68) angeordnet, während bei der E2 der Auslaß (Strahlkonzentrator 13) an dem zusammen mit dem Betätigungselement (12) drehbaren, der Mitnehmerbuchse des Streitpatents entsprechenden Einstellglied (7) angebracht ist.

b) Die Mitnehmerbuchse (54) des Streitpatents, die (in Übereinstimmung mit dem Einstellglied 7 gemäß E2) die Mischkammer (78) aufweist und sowohl mit der Steuerscheibe (40) als auch mit dem Betätigungselement (42) drehfest verbunden ist, durchgreift mit ihrer Verbindung zum Betätigungselement (42) hin den verdrehsicher eingesetzten Halteteil (68).

2.5.2. Beim Mischhahn nach der E2 endet die als Halteteil dienende Mutter (9), in Ausströmrichtung gesehen, vor einem mit der Mitnehmerbuchse (7) verbundenen und diese umgebenden Ringglied (11), an dem auch das Betätigungselement (12) befestigt ist. Der Auslaß (13) ist in die drehbare Mitnehmerbuchse eingeschraubt. Der E2 ist keine Anregung zu entnehmen, diese Lösung zu verlassen und die Mutter (9) über die Mitnehmerbuchse und das Betätigungselement hinaus axial zu verlängern, um an ihr eine verdrehsichere Befestigung des Auslasses zu ermöglichen

Beim Einhandmischventil nach der E3 wird die Temperatur- und Mengeneinstellung nicht wie beim Streitpatent (und bei der E2) allein durch eine Drehbetätigung, sondern durch eine Drehbewegung und eine Radialverschiebung der Steuerscheibe bewirkt. Diese Steuerbewegungen werden durch Drehung (um eine zentrale Ventilachse) bzw. durch Anheben bzw. Absenken (in Richtung der Ventilachse) des Betätigungselementes (Griffteil 63) bewirkt. Dieses bekannte Steuerprinzip benötigt demnach infolge der radialen Verschiebung der Steuerscheibe sowohl einen erhöhten Platzbedarf der Ventilkartusche quer zur axialen Ventilachse als auch in deren Achsrichtung (infolge der Umsetzung der Auf- und Abbewegung des Betätigungselementes in eine Radialverschiebung des Steuerelementes). Der erhöhte Platzbedarf der Ventilkartusche nach der E3 steht somit der dem Streitpatent zugrundeliegenden Hauptaufgabe, nämlich der Schaffung einer wenig Platz beanspruchenden Steuerpatrone, entgegen. Außerdem wird bei der E3 aufgrund des anderen Funktionsprinzips die Mischkammer durch den Überströmkanal (50) im Innern der Regelscheibe (5) gebildet und ist demnach nicht innerhalb der vom Betätigungsglied gedrehten Mitnehmerbuchse enthalten, wie dies beim Streitpatent der Fall ist.

Somit bestand für den nach Weiterbildung des Bauprinzips nach der E2 strebenden Fachmann kein Anlaß, die Anwendung von konstruktiven Einzelheiten des anderen Bauprinzips (nach der E3) zu erwägen.

Infolge der unterschiedlichen Bauformen der Ventile nach der E3 und der E2 lassen sich im übrigen konstruktive Einzelmerkmale auch nicht ohne weiteres von dem einen auf das andere System übertragen. Die Anwendung eines isolierten Einzelmerkmals der E3 bei dem anderen Bauprinzip nach der E2 könnte daher nur bei rückschauender Betrachtungsweise in Kenntnis der beanspruchten Lösung als einfache und naheliegende Maßnahme angesehen werden.

2.5.3. Aus dem Vorstehenden folgt, daß ein Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung nicht in naheliegender Weise vom nächstliegenden Stand der Technik nach der E2 zur Lehre nach dem Anspruch 1 des Streitpatents kommen konnte. Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

3. Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, auf die Hilfsanträge einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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