T 0284/00 () of 27.2.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T028400.20020227
Datum der Entscheidung: 27 Februar 2002
Aktenzeichen: T 0284/00
Anmeldenummer: 90121865.1
IPC-Klasse: G02B 21/00
G02B 21/36
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Mikroskop mit einem diagonal verlaufenden Beobachtungsstrahlengang
Name des Anmelders: Firma Carl Zeiss, et al
Name des Einsprechenden: Leica Microsystems AG Corporate Patent+Trademarks Department
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1761/20

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (= Einsprechende) richtet ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 429 005 zurückzuweisen.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ mit der Begründung angegriffen worden, daß sein Gegenstand wegen behaupteter offenkundiger Vorbenutzung nicht neu sei und außerdem nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Von den in der Einspruchsschrift aufgeführten Dokumenten wurden folgende von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren wieder aufgegriffen:

D1: Firmenprospekt: "Bausch & Lomb PhotoZoomTM Inverted Microscope", Cambridge Instruments, Optical Systems Division, Buffalo (US), Dokument Bezeichnung "BI-3152 12/88" (12 Seiten);

D3: US-A-4 440 475;

D5: Firmenprospekt: "Vickers Camera Equipment for Microscopes", Dokument Bezeichnung "VCAM/1, 11/66" (16 Seiten).

II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die geltend gemachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünden. In der Entscheidung war sie der Ansicht, daß die Einsprechende die behauptete offenkundige Vorbenutzung nicht ausreichend substantiiert hatte. Weiterhin sah sie das Veröffentlichungsdatum der von der Einsprechenden eingereichten Firmenprospekte D1 und D5 als ungesichert an, zumal die Einsprechende auf einen Einwand zur Zugänglichkeit dieser Dokumenten seitens der Patentinhaberin nicht reagiert hatte.

III. In der Beschwerdebegründung hatte die Beschwerdeführerin folgende weiteren Dokumente nachgereicht:

D11: Japanisches Geschmackmuster ("design registration") Nr. 775346, veröffentlicht 17.11.1989;

D12: Firmenprospekt "Olympus BH Mikroskope", Olympus Optical Co. (Europa) GmbH, Hamburg (DE), Dokument Bezeichnung "M30G-580B", aufgestempeltes Datum 15.3.82;

D13: Firmenprospekt "Zeiss Polarisationsmikroskope für Durchlicht und Auflicht", Carl Zeiss, Oberkochen (DE), Dokument Bezeichnung "41-500-d, MA-H-VII/82 UToo", Seiten 19, 23 - 25, 29, 31, 51 und Deckblätter.

Laut Beschwerdeführerin entsprach das Japanische Geschmacksmuster D11 exakt der Offenbarung des Dokuments D1. Für Dokument D5 wurde an Eides Statt erklärt, daß dieser Firmenprospekt schon vor circa 1970 im sogenannten "Labor Mikro" der Firma Leitz GmbH vorgelegen hatte. Eine sinngemäße Erklärung wurde ebenfalls für das Dokument D12 abgegeben.

IV. In einer Mitteilung gemäß Artikel 11, Absatz 2 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern hatte die Kammer gutachterlich auf die auf dem Deckblatt des Streitpatents aufgeführte Entgegenhaltung

D15: US-A-4 770 520

hingewiesen.

V. Am 27. Februar 2002 wurde gemäß den hilfsweise gestellten Anträgen beider Parteien mündlich verhandelt. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

VII. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

VIII. Anspruch 1 des erteilten Patents lautet wie folgt:

"Mikroskop mit einem Gehäuse (1), einem diagonal nach oben zur oberen Frontseite des Gehäuses (1) verlaufenden Beobachtungsstrahlengang (B), einem an das Gehäuse (1) angesetzten Wechseltubus (8; 108; 308), einem dem Wechseltubus nachgeschalteten Binokulartubus (9; 309a, 309b) und einem im Wechseltubus (8; 108; 308) angeordneten Strahlteiler (22; 122; 322), der das vom Objektiv kommende Licht in den Beobachtungsstrahlengang und einen Strahlengang für Zusatzgeräte aufteilt, wobei der Beobachtungsstrahlengang (B) durch den Strahlteiler (22; 122; 322) und den Wechseltubus (8; 308) geradlinig in Richtung auf den Binokulartubus (9; 309a, 309b) hindurchtritt und der Strahlengang (P2) für die Zusatzgeräte (12) durch Reflexion an der Teilerfläche des Strahlteilers (22; 122; 322) und eine weitere Reflexion in die vertikale Richtung umgelenkt ist."

Der unabhängige Anspruch 11 des erteilten Patents lautet wie folgt:

"Mikroskopsystem, das ein Mikroskopgehäuse (1) inverser Bauart mit einem diagonal nach oben zur oberen Frontseite des Gehäuses (1) verlaufenden Beobachtungsstrahlengang (B) und mindestens zwei wahlweise an das Mikroskopgehäuse (1) ansetzbare Wechseltuben (8; 208; 308, 108) umfaßt, wobei dem Wechseltubus (8; 208; 308, 108) jeweils ein Binokulartubus (9; 309a, 309b) nachgeschaltet ist, wobei der eine Wechseltubus (8; 208; 308) einen Strahlteiler (22; 122; 322) enthält, der das vom Objektiv kommende Licht in den Beobachtungsstrahlengang (B) und einen Strahlengang (P2) für Zusatzgeräte (12) aufteilt, indem der Beobachtungsstrahlengang (B) durch den Strahlteiler (22; 122; 322) und den Wechseltubus (8; 208; 308) geradlinig in Richtung auf den Binokulartubus (9; 309a, 309b) hindurchtritt und der Strahlengang (P2) für die Zusatzgeräte (12) durch Reflexion an der Teilerfläche des Strahlteilers (22; 122; 322) und eine weitere Reflexion in die vertikale Richtung umgelenkt ist, und wobei der mindestens zweite Wechseltubus (208) nur den Ansatz für einen Binokulartubus (9) ohne weitere Bildausgänge enthält."

Die Ansprüche 2 - 10 und Anspruch 12 sind abhängige Ansprüche.

IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die in der Patentschrift in Spalte 2, Zeilen 20 - 27 erwähnte Aufgabe, für ein Mikroskop mit einem diagonal in Richtung auf den Betrachter verlaufenden Beobachtungsstrahlengang eine einfache Form der Ausspiegelung eines Teils des Strahlenganges für Zusatzgeräte und zudem auch eine Variante ohne Ausspiegelung vorzusehen, ist als Aufgabe auf dem Gebiet der Mikroskope, sowohl solcher klassischer als auch inverser Bauart, bekannt.

Als nächstliegender Stand der Technik ist ein inverses Mikroskop mit diagonalem Strahlengang anzusehen. Ein solches Mikroskop wird zum Beispiel in den Dokumenten D1, D11 und der Druckschrift D15 offenbart. Die Geräte aus D1, D11 und D15 enthalten außer einem Binokulartubus auch ein Zusatzgerät (Kamera). Das inverse Mikroskop aus D15, Figur 1, zeigt einen geradlinig in Richtung auf den Binokulartubus verlaufenden Strahlengang. Bei dieser Vorrichtung kann der Strahlengang mittels eines kippbaren Spiegels 40 ("flip mirror") zum Zusatzgerät umgelenkt werden.

Die gleichzeitige Aufteilung des Strahlenganges in Richtung Beobachter und Kamera ist bei inversen Mikroskopen mit diagonalem Strahlengang bekannt, wie dem Firmenprospekt D5 zu entnehmen ist: auf Seite 14, untere Hälfte, ist ein solches inverses Mikroskop ("Metalette") gezeigt. Der Beobachtungsstrahlengang führt geradlinig zum Beobachter (Okular). Mittels einem "Reflector body" wird ein Teil des Strahlengangs zu einer 35 mm-Kamera ausgespiegelt. Auf Seite 9, Zeilen 1 - 2 dieses Prospektes ist offenbart, daß das "Reflector Body" ein Strahlteilerprisma enthält, das 80 % des Lichtes zur Kamera lenkt und 20 % zum Beobachter oder, wahlweise, zu einem Photometer durchläßt. Sowohl dieses Photometer als auch die Kamera können angeflanscht werden, wozu verschiedene "Adaptors" angeboten werden (Seite 8 und letzte Seite des Prospekts), welche als "Wechseltuben" bezeichnet werden können.

Der Fachmann, der die Vorrichtung nach D15 solchermaßen abwandeln möchte, würde dazu ein Strahlteilerprisma verwenden wie in Dokument D12, Seite 5, gezeigt. Dabei verläuft beim in D12 beschriebenen Mikroskop der Fotostrahlengang geradeaus und der Beobachtungsstrahlengang wird vom Strahlteilerprisma abgelenkt. Es ist jedem Optikfachmann jedoch klar, daß, wenn dazu ein Bedarf besteht, beispielsweise in ergonomischer Hinsicht, das Strahlteilerprisma in der Vorrichtung nach D15 genau so gut umgekehrt eingebaut werden kann, wobei die Strahlengänge des Strahlteilers im Vergleich zur Vorrichtung in D12 vertauscht werden. Er wird daher das Prisma solchermaßen einbauen, daß der Strahlengang zum Beobachter geradeaus führt und der zweite Strahlengang für das Zusatzgerät abgezweigt wird. Da das Strahlteilerprisma aus D12, Seite 5, in Bauart identisch zum Strahlteiler aus dem Streitpatent ist, wird der zweite Strahlengang bei der so abgewandelten Vorrichtung ebenso vertikal verlaufen.

Schließlich belegt Dokument D13, Seiten 19 und 39, daß die Verwendung sogenannter Schieberprismen als Strahlteiler und Zwischentuben und Module im Strahlengang von Mikroskopen allgemein bekannt ist, weshalb der Einbau solcher Einheiten für den Fachmann eine fachübliche Maßnahme ist.

Aus diesen Gründen fehlt der Vorrichtung des Anspruchs 1 des Streitpatents die erfinderische Tätigkeit.

X. Die Beschwerdegegnerin stützt ihren Antrag auf folgende Argumente:

Für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit sind die Dokumente D1 und D11 kein geeigneter Beleg für einen nächstliegenden Stand der Technik, da der Veröffentlichungszeitpunkt des Dokumentes D1 ungewiß ist und Dokument D11 lediglich ein sogenanntes "Geschmacksmuster" betrifft, wobei neben der Bezeichnung "Inverted Microscope" nur die äußeren Formen dieses Mikroskops gezeigt werden. Dokument D15 zeigt ein Mikroskop inverser Bauart mit einem diagonal zu einem Binokulartubus verlaufenden Strahlengang und einem Photostrahlengang. Im Gegensatz zum Mikroskop in Anspruch 1 offenbart Dokument D15 nicht, daß für die Ausspiegelung des zweiten Strahlenganges ein Wechseltubus verwendet wird; auch zeigt D15 nicht einen Strahlteiler für die Ausspiegelung, sondern einen Kippspiegel. Schließlich soll laut Anspruch 1 dieser Strahlteiler so gestaltet und eingebaut sein, daß der Beobachtungsstrahlengang geradlinig durch den Strahlteiler durchtritt und der Photostrahlengang ausgekoppelt wird, wobei dieser über eine weitere Reflexion in die vertikale Richtung umgelenkt wird.

Aus diesen Unterschieden läßt sich die objektive Aufgabe herleiten, die darin besteht, für ein Mikroskop mit einem diagonalen Beobachtungsstrahlengang eine wahlweise Möglichkeit zum Anschluß zusätzlicher Dokumentationsanordnungen mit einfacher Ausspiegelung eines Teils des Strahlenganges vorzusehen, wobei auch vorgesehen wird, die Vorrichtung ohne Zusatzgerät verwenden zu können.

Den vorliegenden Entgegenhaltungen ist die in Anspruch 1 formulierte Lösung nicht zu entnehmen. Insbesondere ist das für die Erfindung wesentliche Merkmal, daß der Strahlteiler so angeordnet ist, daß der Beobachterstrahlengang geradlinig zum Binokulartubus durchtritt und der Photostrahlengang mittels einer zusätzlichen Reflexion in vertikaler Richtung ausgespiegelt wird, in keinem der Dokumente offenbart. Dieses Merkmal ist deshalb bedeutend, weil es der geradlinig zum Beobachter verlaufende Strahlengang ermöglicht, einen Wechseltubus mit Strahlteiler einzusetzen oder auch nicht. Zudem wird darauf hingewiesen, daß es insbesondere bei inversen Mikroskopen, welche das eigentliche Hauptanwendungsgebiet der Erfindung bilden, nicht üblich war, eine Photokamera in vertikaler Richtung anzubringen, weil bei diesem Mikroskoptypus der Blick- und Handzugang zum Präparattisch normalerweise frei bleiben soll. Dies zeigt zum Beispiel die Vorrichtung in der Patentschrift D15, wobei der Strahlengang, nach Ausspiegelung in vertikaler Richtung, ein zweites Mal in horizontaler Richtung umgelenkt wird.

Was die einzelnen Dokumente betrifft, so zeigt D5 lediglich auf Seite 14 ein inverses Mikroskop mit Ausspiegelung des Strahlenganges zu einer Kamera. Es ist nicht klar, wie diese Ausspiegelung erfolgen soll. Aus der Figur ist erkennbar, daß die Ausspiegelung zur Kamera nicht in vertikaler Richtung ist, auch gibt es keinen Beleg für das Merkmal, daß nach der Ausspiegelung eine zusätzliche Reflexion stattfindet. Der Firmenprospekt D12 zeigt auf Seite 4 ein Mikroskop mit einem Binokulartubus und einem Strahlteiler für einen Phototubus, allerdings zeigt die Figur auf Seite 5, daß der Photostrahlengang geradlinig verläuft, im Gegensatz zur Bedingung in Anspruch 1. Diese Merkmale sind ebenfalls nicht beim Mikroskop aus Dokument D13 offenbart, welches lediglich ein Mikroskop mit der Möglichkeit zum Einbau eines Strahlteiler und von Wechseltuben zeigt. Daher ist, selbst wenn einzelne Bauteile des beanspruchten Mikroskops als solche aus dem Stand der Technik bekannt sind, der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahegelegt, da nicht gezeigt wird, wie der Fachmann zu diesem Gegenstand gelangen würde, selbst wenn er zu diesem gelangen könnte.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

Die Neuheit der beanspruchten Vorrichtungen wurde im Beschwerdeverfahren nicht in Frage gestellt.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Es wird festgestellt, daß die Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren die öffentliche Zugänglichkeit der Dokumente D5, D12 und D13 nicht bestritten hat. Die Kammer hat wegen der Kodierungen/Bezeichnungen auf diesen Dokumenten und den von der Beschwerdeführerin an Eides Statt abgegebenen Erklärungen zur Verfügbarkeit dieser Prospekte vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents keinen Anlaß, dies anzuzweifeln.

3.2. Die Druckschrift D15 zeigt in Figur 1 ein inverses Mikroskop (10) mit einem diagonal verlaufenden Strahlengang ("optical axis 33") in Richtung eines Binokulars ("pair of eyepieces 26"); und einem zweiten ausspiegelbaren Strahlengang in Richtung eines Zusatzgerätes ("camera mount 39"). In der mündlichen Verhandlung hatten beide Parteien die in dieser Druckschrift gezeigte Vorrichtung als Ausgangspunkt für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit genannt. Auch die Kammer ist der Meinung, daß das Mikroskop nach D15 den nächstliegenden Stand der Technik für Anspruch 1 des Streitpatents bildet.

3.3. Das im Anspruch 1 definierte Mikroskop unterscheidet sich von der Vorrichtung aus D15, Figur 1, durch einen im Beobachtungsstrahlengang solchermaßen angeordneten Strahlteiler, daß der Strahlengang zum Binokulartubus geradlinig durchtritt und ein Teil durch Reflexion an der Teilerfläche abgezweigt wird und mittels einer weiteren Reflexion in die vertikale Richtung umgelenkt wird. Außerdem soll laut Anspruch 1 dieser Strahlteiler in einem Wechseltubus angeordnet sein.

3.4. Die objektive Aufgabe, die diesen Unterschiedsmerkmalen, d. h. dem Strahlteiler und der Aufnahme des Strahlteilers in einem Wechseltubus, zugrunde liegt, kann als eine zweifache gesehen werden:

i) Der wie im Anspruch definierte Strahlteiler erlaubt die gleichzeitige Benutzung des Mikroskopstrahlenganges durch einen Betrachter und durch ein Zusatzgerät.

ii) Die Aufnahme des Strahlteilers in einem Wechseltubus ermöglicht die Benutzung des Mikroskops ohne den Strahlteiler (z. B. durch Verwendung eines leeren Wechseltubus) oder mit weiteren in einem Wechseltubus angeordneten optischen Elementen.

3.5. Diese beiden Aufgaben, (i) die gleichzeitige Verwendung eines Strahlenganges durch mehrere Benutzer oder optische Geräte; und (ii) die Aufnahme von Wechseltuben oder Adapter als Anschlußelemente für verschiedene Beobachtungsmöglichkeiten, sind auf dem Gebiet der Mikroskope bekannt und zum Beispiel durch den Firmenprospekt D13 belegt. Daher kann im vorliegenden Fall die Formulierung der objektiven Aufgabe keine erfinderische Tätigkeit beinhalten.

3.6. Zur Lösung der beiden Teilaufgaben ist folgendes auszuführen:

3.6.1. ad Teilaufgabe i):

Für die Abzweigung des Strahlenganges zum Zusatzgerät (Kamera) im Mikroskop aus Figur 1 der Druckschrift D15 wird ein Spiegel verwendet, der beim Einklappen ("flipping mechanism", siehe D15, Spalte 2, Zeilen 37 - 38) in den Strahlengang das gesamte Licht zum Zusatzgerät umlenkt. Der Fachmann, der bei Benutzung eines Zusatzgerätes das Objekt gleichzeitig durch die Binokulare beobachten möchte, wird diesen 100 %-Spiegel durch einen Strahlteiler ersetzen. Solche Strahlteiler sind als Bauelement für Mikroskope wohlbekannt, siehe z. B. D5, Seite 9 ("beam splitting prism"). Insbesondere der Prospekt D12 zeigt auf Seite 5 ein solches Teilerprisma für die Aufspaltung des Strahlenganges in einen gerade verlaufenden Teil (hier: zur Kamera) und einen weiteren Teil mittels zweifacher Reflexion unter einem Winkel von etwa 45 (hier: zum Binokulartubus). Zu der Frage, wie der Fachmann diesen Strahlteiler in das Mikroskop aus D15 einbaut, ist zu bemerken, daß in diesem Mikroskop der Hauptstrahlengang (vom Objekt über den Umlenkspiegel 48 zum Binokulartubus) geradlinig und diagonal unter einem Winkel von 45 verläuft. Diese Art der Montierung des Binokulars ist durch ergonomische Gründe motiviert. Daher wird der Fachmann den Strahlteiler solchermaßen einbauen, daß auch bei eingebautem Strahlteiler der Beobachtungsstrahlengang weiterhin geradlinig verläuft, d. h. mit den parallelen Prismenflächen senkrecht zum Beobachtungsstrahlengang angeordnet. Der an der Strahlteilerfläche abgezweigte Strahl unterliegt einer weiteren Reflexion (Totalreflexion im Strahlteiler) und verläßt den trapezförmigen Strahlteiler durch den schrägen Schenkel. Je nach Orientierung des Strahlteilers verläuft der abgezweigte Strahl dann vertikal oder horizontal. Da es beim Einbau des Strahlteilers im Mikroskop nach D15 nur darauf ankommt, daß der Beobachtungsstrahlengang weiterhin geradlinig diagonal bleibt, und die Orientierung der Prismenaustrittsfläche zum Zusatzgerät für die optische Wirkung des Strahlteilers irrelevant ist, wird der Fachmann die Orientierung dieses Strahlteilers je nach Bedarf wählen. So verläuft der Strahlengang des abgezweigten Strahlenganges, falls der Fachmann den Strahlteiler in der gleichen Orientierung einbaut wie in Dokument D12 gezeigt, vertikal. Damit gelangt der Fachmann durch Einbau des bekannten Strahlteilers in der in der D12 gezeigten Orientierung in das Mikroskop aus D15 in naheliegender Weise zu einer Vorrichtung mit dem optischen Strahlenverlauf wie in Anspruch 1 definiert. Da es im übrigen für die Auskoppelrichtung nur zwei Alternativen gibt (vertikal oder horizontal), welche optisch identisch sind und auch in konstruktiver Hinsicht keine überraschenden Vorteile beinhalten, kann die Auswahl einer dieser Alternativen nach Meinung der Kammer nicht als erfinderisch gelten.

3.6.2. ad Teilaufgabe ii):

Die Ausstattung von Mikroskopen mit Wechseltuben oder Adapter zur Erhöhung der Modularität und Verwendung verschiedenartiger Diagnostikvorrichtungen ist bekannt. So zeigt der Firmenprospekt D13 auf Seite 39 mehrere sogenannte Zwischentubuse. Auch der Strahlteiler in der Vorrichtung aus D5, Seite 14, ist in einer auswechselbaren Einheit ("reflector body M030061") angeordnet. Deshalb ist auch der in Anspruch 1 definierte Einbau des Strahlteilers in einem Wechseltubus durch den Stand der Technik nahegelegt.

3.6.3. Zum Argument der Beschwerdegegnerin, daß es aus ergonomischen Gründen bei inversen Mikroskopen, z. B. aus der D15, nicht üblich war, eine Photokamera in vertikaler Richtung anzubringen, weshalb der Fachmann einen Einbau des Strahlteilers nach D12 nicht in Betracht ziehen würde, ist anzumerken: einerseits verlangt Anspruch 1 nicht, daß der gesamte Strahlengang bis zum Zusatzgerät nach der "weiteren Reflexion" in vertikaler Richtung verläuft. Daher würde ein wie in D15, Figur 1, gezeigter Strahlengang zum Zusatzgerät (mit nochmaliger Reflexion in die horizontale Richtung) ebenfalls die Bedingung aus Anspruch 1 erfüllen. Andererseits würde ein Merkmal das im Vergleich zu bekannten Vorrichtungen technisch nachteilig ist (z. B. die Anordnung eines Zusatzgerätes an einer ergonomisch ungünstigen Stelle) nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen, weil eine "objektive Aufgabe" in diesem Falle nur als "Bereitstellung einer alternativen Lösung" formuliert werden könnte, und der Fachmann immer das Bestreben hat, technische Alternativen zu entwickeln.

3.6.4. Nach Auffassung der Kammer ist daher eine Kombination der technischen Lehren der Druckschriften D12 und D13 oder D5 mit der Druckschrift D15 naheliegend, und der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem einzigen Antrag erfüllt nicht die Bedingungen der Artikel 52 (1) und 56. EPÜ.

4. Da Patentanspruch 1 aus diesen Gründen keinen Bestand hat, ist der einzige Antrag der Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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