European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2002:T028300.20021113 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 13 November 2002 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0283/00 | ||||||||
Anmeldenummer: | 93119063.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | H02P 6/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Ansteuern eines Reluktanzmotors | ||||||||
Name des Anmelders: | DaimlerChrysler AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Robert Bosch GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der festgestellt wurde, daß unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent EP 599 334 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügten.
II. Patentanspruch 1 in der Fassung, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegt, hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zum Ansteuern eines wechselrichtergespeisten Reluktanzmotors, mit Leistungsschaltern (TR, TS, TT) in den Zweigen niedrigen und hohen Potentials der Motorstränge, wobei im gemeinsamen Hochpotentialzweig nur ein Leistungsschalter (TH) vorgesehen ist, und mit Freilaufdioden (DH, DR, DS, DT), die die Stromanschlüsse niedrigen Potentials mit dem hohen Potential der Versorgungsspannung und den gemeinsamen Stranganschluß hohen Potentials mit dem Anschluß niedrigen Potentials der Versorgungsgleichspannung verbinden,
dadurch gekennzeichnet,
daß vor dem Einleiten des Kommutierungsvorgangs eines ersten Strangs (R, S, T) durch Öffnen des Leistungsschalters (TH) und Öffnen des Schalters (TR, TS, TT) im ersten Strang der Schalter (TS, TT, TR) des nächsten Strangs (S, T, R) geschlossen wird, so daß bei Einleitung des Abkommutierungsvorgangs im ersten Strang (R, S, T) der nächste Strang (S, T, R) bereits voll bestromt ist, d. h., der Strom in diesem Strang einen Referenzwert erreicht hat, und daß für die Dauer der Kommutierung der Schalter im Hochpotentialzweig und der Schalter des ersten Strangs ausgeschaltet und der Schalter des nächsten Strangs eingeschaltet ist."
Die Patentansprüche 2 bis 5 sind von Anspruch 1 abhängig.
III. Der Einspruch gegen das Patent war auf die Einspruchsgründe Artikel 100 a) (Neuheit und erfinderische Tätigkeit) sowie Artikel 100 b) EPÜ gestützt. Unter anderem berief sich der Einsprechende hierzu auf die folgenden Dokumente:
D1: EP-A-0 476 751 und
D2: DE-A-3 819 097.
IV. Die angefochtene Entscheidung bringt die Auffassung der Einspruchsabteilung zum Ausdruck, daß bei korrekter Auslegung des Patentanspruchs 1 die Kommutierung stattfinde, wenn beide Schalter TH und TR öffneten. Schon vor diesem Zeitpunkt werde der Strang S voll bestromt, habe also seinen Nominalwert erreicht. Dieses Verfahren sei deutlich und vollständig in der Beschreibung offenbart. D1 nehme die vorliegende Erfindung nicht vorweg, da die Figur 3, welche anscheinend ein solches Verfahren zeige, fehlerhaft und nicht von der Beschreibung der D1 gestützt sei. Ähnliches gelte für die Figur 6b der D2. Eine Überlappung der Bestromung aufeinanderfolgender Stränge im Sinne des Anspruchs 1 sei durch die Dokumente nicht nahegelegt.
V. In einer Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung hat die Kammer den Beteiligten die vorläufige Ansicht mitgeteilt, daß die Stromverläufe in D1, Figur 3 und D2, Figur 6b eine Überlappung von Strangströmen offenbar erst im Freilauf, nach dem Öffnen des Schalters des ersten Strangs, aufwiesen. Beim Streitpatent müßten aber vor Einleitung der Abkommutierung gleichzeitig zwei Stränge aus der Spannungsquelle bestromt werden.
VI. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 13. November 2002 statt. Die Parteien haben der obigen Interpretation des Kommutierungsvorgangs in der Mitteilung der Kammer nicht widersprochen.
VII. Der Einsprechende und Beschwerdeführer argumentierte im wesentlichen wie folgt:
Die Erfindung sei im Streitpatent nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen könne. Ein gleichzeitiges Öffnen des Schalters im ersten Strang und des stromabhängig getakteten gemeinsamen Leistungsschalters TH zur Einleitung des Kommutierungsvorgangs gehe aus der Patentschrift nicht hervor. Wenn die Schalter aber nicht gleichzeitig öffneten, ergebe sich ein anderer Beginn und Verlauf des Kommutierungsvorgangs. Es stelle sich die Frage, wann der Kommutierungsvorgang beginne, da nach Anspruch 1 der Schalter des nächsten Strangs bereits "vor dem Einleiten des Kommutierungsvorgangs" geschlossen und der nächste Strang bestromt werde. Weiter müsse "für die Dauer der Kommutierung der Schalter im Hochpotentialzweig (TH) und der Schalter des ersten Strangs ausgeschaltet" sein. Nach der Beschreibung sei ein Ende der Kommutierung aber erst nach Wiedereinschalten erreicht, wenn "der Strang S nach Abschluß des Kommutierungsvorgangs genau den erwünschten Strom" führe (Patentschrift, Seite 4, Zeilen 10 und 11; Figur 3: Zeitpunkt "t", welcher auf Seite 3, Zeilen 10 und 11, als "t5" bezeichnet sei). Im Widerspruch dazu müsse nach Anspruch 1 der nächste Strang schon "bei Einleitung des Abkommutierungsvorgangs im ersten Strang" voll bestromt sein (vgl. Seite 3, Zeilen 56 bis 58 der Patentschrift). Anspruch 1 lege auch keinen Bezug zwischen dem Beginn des Kommutierungsvorgangs und dem Minimalwert der Induktivität fest, was aber nach der Beschreibung (Seite 3, Zeilen 57 und 58) wesentlich sei.
Die Beschreibung offenbare nirgends eine Beziehung zwischen einem Referenzwert und dem Ausdruck "voll bestromt". Das dem Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal "d. h., der Strom in diesem Strang einen Referenzwert erreicht hat" verstoße daher gegen Artikel 123 (2) EPÜ. Es erweitere auch den Schutzbereich des erteilten Patentanspruchs 1, da nunmehr der Zustand "voll bestromt" als das Erreichen eines (beliebigen) Referenzwertes definiert sei.
D1, Figur 3, offenbare ein identisches Verfahren. Auch wenn die Darstellung dort nicht maßstäblich exakt sei, erkenne der Fachmann doch eine Überlappung der Phasenströme im Sinne des Streitpatents. Auch D2 offenbare ein solches Verfahren. Die vermeintlichen Unterschiede ergäben sich daraus, daß ein Takten des Leistungsschalters beim Streitpatent nicht dargestellt sei. Aus dem Stromverlauf in D2, Figur 6b, sei klar erkennbar, wann der Leistungsschalter offen und wann er geschlossen sei. Der Leistungsschalter (1) werde gleichzeitig mit dem Schließen des nachfolgenden Schalters und dem Öffnen des vorausgehenden Schalters (zum Zeitpunkt t5) geschlossen. Der Leistungsschalter werde wieder abgeschaltet, wenn der Strom im nächsten Strang einen Referenzwert erreicht habe. Da der Schalter des nächsten Strangs bereits vor diesem Zeitpunkt (Erreichen des Referenzwertes) geschlossen worden sei, werde das Verfahren nach Anspruch 1 durch D2 vorweggenommen. Zumindest aber werde das Verfahren des Streitpatents durch D1 oder D2 nahegelegt, da ein Fachmann bei Bedarf die ihm durchaus bekannte Überlappung der Phasenströme nutzen könne.
VIII. Der Beschwerdegegner und Patentinhaber argumentierte im wesentlichen wie folgt:
Die Einwände mangelnder Offenbarung und unzulässiger Änderung beruhten auf einem Mißverständnis der vorliegenden Erfindung. Figur 3 der Patentschrift zeige nicht den Stromverlauf beim erfindungsgemäßen Verfahren, sondern erläutere, welche Probleme beim bekannten Ansteuerungsverfahren einer Schaltung nach Figur 2 aufträten. Patentanspruch 1 betreffe ein neues Ansteuerverfahren, das bei derselben Schaltungstopologie angewendet werden könne. Da im Bereich des Induktivitätsminimums bei konstanter Induktivität (Figur 3) kein Drehmoment erzeugt werde, könne der nächste Strang in der Ansteuerungsfolge schon vorbestromt werden, wenn der vorhergehende Strang noch vollen Strom führe. Wegen der kleineren wirksamen Induktivität steige der Strom in diesem Strang schneller an und erreiche bereits vor dem Abkommutieren des ersten Strangs einen Wert, der dem voll bestromten Zustand entspreche. Der Kommutierungsvorgang werde durch Öffnen des gemeinsamen Leistungsschalters und des Schalters im ersten Strang eingeleitet. Wenn der gemeinsame Leistungsschalter im Taktbetrieb zu diesem Zeitpunkt schon offen sei, werde nur der Schalter im ersten Strang geöffnet. Erfindungsgemäß blieben diese Schalter für die Dauer der Kommutierung dann ausgeschaltet. Daher kommutiere der erste Strang über zwei Freilaufdioden und die Versorgungsspannungsquelle sehr rasch ab. Gleichzeitig werde der Schalter im nächsten Strang geschlossen gehalten. Der Strangstrom über diesen Schalter und die parallele Freilaufdiode (DH) sinke wegen der kleinen Spannung in diesem Freilaufzweig nur sehr langsam ab. Die Patentschrift (z. B. Seite 3, Zeilen 45 bis 49; Seite 4, Zeilen 9 bis 12) offenbare deutlich, daß der angestrebte Referenzwert jener Wert sei, bei dem der nächste Strang voll bestromt sei, damit es beim Einschalten dieses Strangs zu keinem Drehmomenteinbruch komme. Selbstverständlich könne der angestrebte Wert des Strangstroms während des Vorbestromens durch Takten im Mittel auf dem Referenzwert gehalten werden (Seite 3, Zeilen 48 und 49). Nach einer vorteilhaften Ausführung des Verfahrens (Anspruch 2) werde ein erhöhter Referenzwert so gewählt, daß der Strom nach Abschluß der Kommutierung genau den gewünschten Strom aufweise (Seite 4, Zeilen 9 bis 12). Ein genauer Zeitpunkt für den Beginn und das Ende des Kommutierungsvorgangs könne nicht für alle möglichen Anwendungen festgelegt werden, da die Kommutierung von den Einsatzbedingungen abhänge. Patentanspruch 1 in der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Fassung sei daher nicht unzulässig geändert worden, und die Erfindung sei dem Fachmann deutlich und vollständig offenbart.
Weder D1 noch D2 offenbarten ein Ansteuern der Schalter mit Vorbestromen des nächsten Strangs und raschem Abkommutieren des ersten Strangs. D1 verfolge ein abweichendes Ziel, indem Stromimpulse ausgelassen würden, damit ein einwandfreies Kommutieren möglich werde. D2 vermeide ebenfalls eine gleichzeitige Bestromung zweier aufeinanderfolgender Stränge. Niemals würden hier die Signalleitungen (27, 31) zur Ansteuerung zweier zugeordneter Strangschalter gleichzeitig auf Einschalten gesetzt. Die Schaltsignale in der Figur 6b der D2 zeigten, daß der aufkommutierende Strom (I1) und der abkommutierende Strom (I2) gleichzeitig geschaltet würden. Der Strom (I2) im abkommutierenden Strang klinge nur langsam ab (D2, Spalte 7, Zeilen 30 bis 39). Eine weitergehende Überlappung der Ströme in dieser Figur oder in Figur 3 der D1 stehe nicht im Einklang mit der Offenbarung der D2 bzw. D1 und könne deshalb nicht berücksichtigt werden. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents sei daher neu und erfinderisch.
IX. Der Einsprechende und Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
X. Der Patentinhaber und Beschwerdegegner beantragte die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Offenbarung der Erfindung
2.1. Das Streitpatent betrifft (wie D1 und D2) das Ansteuern eines geschalteten Reluktanzmotors. Dabei wird durch ein von der Rotorwinkellage abhängiges Weiterschalten des Magnetfelds von einem Statorpol zum anderen eine kontinuierliche Drehbewegung erzeugt. Durch den Strom in einem ersten Strang und die sich mit der Rotordrehung ändernde Stranginduktivität entsteht ein Drehmoment, das den Rotor in eine Position zieht, bei der sich Stator- und Rotorpole gegenüberstehen. Um anschließend ein Bremsmoment zu verhindern, muß der Strom im ersten Strang abgeschaltet sein, bevor die Induktivität wieder abnimmt. Wird der gemeinsame Leistungsschalter getaktet, kann der Strangstrom bei kleinen Drehzahlen begrenzt und ein erwünschter Strom eingeprägt werden (Patentschrift, Seite 2, Zeile 27 bis Seite 3, Zeile 7; Seite 3, Zeilen 39 und 40; Figuren 2 und 3; vgl. auch D1, Seite 2, Zeilen 13 bis 26; Seite 5, Zeilen 2 bis 12; Figuren 1 bis 4; D2, Spalte 1, Zeilen 6 bis 16; Spalte 2, Zeilen 29 bis 43; Figuren 1 bis 6).
2.2. Patentanspruch 1 legt ein Verfahren zum Ansteuern eines Reluktanzmotors "mit Leistungsschaltern (TR, TS, TT) in den Zweigen niedrigen" Potentials fest, wobei "im gemeinsamen Hochpotentialzweig nur ein Leistungsschalter (TH) vorgesehen ist". Über diesen gemeinsamen Leistungsschalter (TH) muß daher jeder Strangstrom aus der Versorgungsspannungsquelle geführt werden (Figur 2 der Patentschrift). Eine Rückspeisung in die Quelle (z. B. über die Freilaufdioden DR, DH) ist nur möglich, wenn der gemeinsame Schalter (TH) und der betroffene Strangschalter (z. B. TR) gleichzeitig offen sind (Figur 5 der Patentschrift). Die Leistungsschalter (TR, TS, TT) in den Zweigen niedrigen Potentials sind verschiedenen Motorsträngen zugeordnet. Sie müssen daher positionsabhängig im Sinne der Weiterschaltung des Magnetfelds angesteuert werden. Dazu ist ein Kommutierungsvorgang des Drehmoment erzeugenden Stroms von einem Strang auf den nächsten erforderlich. Das positionsabhängige Ansteuern eines Strangschalters für diesen Kommutierungsvorgang schließt allerdings nicht ein stromabhängiges Takten während der positionsgesteuerten Einschaltdauer aus (Patentschrift, Seite 3, Zeilen 39 und 40 und Zeilen 43 bis 49).
2.3. Patentanspruch 1 legt weiter fest, daß das "Einleiten des Kommutierungsvorgangs eines ersten Strangs (R, S, T) durch Öffnen des Leistungsschalters (TH) und Öffnen des Schalters (TR, TS, TT) im ersten Strang" erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt (in der erläuternden Darstellung der Figuren 3 und 4: t1) beginnt der (positionsabhängige) Abkommutierungsvorgang. Wenn der Leistungsschalter (TH) stromabhängig getaktet wird, muß das "Öffnen des Leistungsschalters (TH)" so verstanden werden, daß ein (dem stromabhängigen Takten übergeordnetes) positionsabhängiges Öffnungssignal an beide Schalter dafür sorgt, daß sie während der Kommutierung offen sind und bleiben (Ende des Anspruchs 1).
2.4. Wenn, wie beim Stand der Technik, die Bestromung (das Aufkommutieren) des nächsten Strangs frühestens gleichzeitig mit dem Beginn des Abkommutierens (t1) einsetzt (vgl. Figuren 3 und 4: t4), stellt der Beginn des Abkommutierungsvorgangs gleichzeitig den Beginn des Kommutierungsvorgangs dar. Nach Patentanspruch 1 beginnt die Bestromung aber bereits vor dem Einleiten des Kommutierungsvorgangs, und der nächste Strang ist bei Einleitung des Abkommutierungsvorgangs im ersten Strang schon voll bestromt. Da der erste Strangschalter (z. B. TR) noch geschlossen ist und da der gemeinsame Leistungsschalter (TH) während des Vorbestromens geschlossen sein muß, steigt in dieser Phase der Strom in beiden Strangwicklungen an, jedoch unterschiedlich steil. Der schneller ansteigende Strom im nächsten Strang kann bereits vor Einleitung des Abkommutierungsvorgangs einen Referenzwert erreichen, der einer vollen Bestromung entspricht und gegebenenfalls durch Takten auf einem erwünschten mittleren Wert gehalten werden (Patentschrift, Seite 3, Zeilen 41 bis 49). Selbst wenn man dieses Vorbestromen als Teil des Kommutierungsvorgangs (Aufkommutieren des nächsten Strangs) ansieht, legt Patentanspruch 1 deutlich fest, daß der nächste Strang schon vor der Einleitung des Abkommutierungsvorgangs im ersten Strang bestromt wird. Damit ist der späteste Zeitpunkt für das Vorbestromen festgelegt. Der früheste Zeitpunkt ergibt sich aus dem Induktivitätsverlauf für den Fachmann von selbst, da ein Bestromen bei sinkender Induktivität ein Bremsmoment erzeugen würde (Patentschrift, Seite 3, Zeilen 57 und 58; Figur 3).
2.5. Wenn nun "für die Dauer der Kommutierung der Schalter im Hochpotentialzweig und der Schalter des ersten Strangs ausgeschaltet" bleiben (Patentanspruch 1), ist der Abkommutierungsvorgang rasch beendet. Da der nächste Strang vor Beginn der Abkommutierung bereits voll bestromt war, ist der Kommutierungsvorgang mit dem Abkommutieren des ersten Strangs (fast) beendet. Der nächste Strang kann wirksames Drehmoment erzeugen, wenn der Strom nicht Null ist und die Induktivität ansteigt (Patentschrift, Seite 2, Zeilen 45 bis 55; Seite 3, Zeilen 12 bis 14). Nach dem vollständigen Stromabbau im ersten Strang kann der Strom im nächsten Strang durch Schließen des gemeinsamen Leistungsschalters (TH) wieder ansteigen (Patentschrift, Seite 3, Zeilen 8 und 9). Der erwünschte Strom wird in sehr kurzer Zeit wieder erreicht, da der Stromabfall gering und die Kommutierungsdauer kurz gehalten wurden (Patentschrift; Seite 4, Zeilen 1 bis 8). Wird ein Referenzwert gewählt, der um die Differenz des Stromes vor und nach der Abkommutierung erhöht ist, so kann erreicht werden, daß der Strom im nächsten Strang nach Abschluß des Abkommutierungsvorgangs im ersten Strang gerade auf den erwünschten vollen Stromwert abgesunken ist (Seite 4, Zeilen 9 bis 12; Anspruch 2).
2.6. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 ist daher so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann es ausführen kann. Der in Artikel 100 b) EPÜ genannte Einspruchsgrund steht somit der Aufrechterhaltung des europäischen Patents nicht entgegen.
3. Änderungen (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ)
3.1. Der Beschwerdeführer hat den Einwand erhoben, daß die Herstellung der Beziehung zwischen dem Merkmal des Anspruchs 1 "der nächste Strang (S, T, R) bereits voll bestromt ist" und der daran anschließenden Einfügung "d. h., der Strom in diesem Strang einen Referenzwert erreicht hat" gegen Artikel 123 (2) und (3) EPÜ verstoße.
3.2. Wie schon vorausgehend ausgeführt wurde (siehe insbesondere Punkt 2.5 oben), geht es beim Verfahren nach Patentanspruch 1 darum, daß der nächste Strang möglichst voll bestromt ist, wenn der Abkommutierungsvorgang im ersten Strang beendet ist. Der Referenzwert für das Vorbestromen ist daher so zu wählen, daß er der vollen Bestromung des nächsten Strangs entspricht oder bevorzugt etwas darüber liegt (Anspruch 2). Das im Einspruchsverfahren hinzugefügte Merkmal ist daher als eine Erläuterung ("d. h.") dessen anzusehen, was mit "voll bestromt" gemeint ist, nämlich ein der vollen Bestromung im nächsten Strang entsprechender Referenzwert. Diese Auslegung stützt sich auf die schon vorangehend genannten Stellen der Patentschrift sowie der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (insbesondere Seite 5, Zeilen 16 bis 23 und Zeilen 34 und 35, sowie Seite 6, Zeilen 15 bis 20).
3.3. Da ein Referenzwert im Sinne des Patentanspruchs 1 in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart ist und da die Einfügung das Merkmal "voll bestromt" in dem Sinne einschränkt, daß dies der Fall ist, wenn ein bestimmter (vorgewählter) Wert erreicht ist, der der vollen Bestromung entspricht, verstößt diese Änderung nicht gegen Artikel 123 (2) und (3) EPÜ. Die weiteren Änderungen, die im Einspruchsverfahren vorgenommen wurden, sind nicht umstritten.
4. Neuheit und erfinderische Tätigkeit
4.1. Sowohl D1 als auch D2 offenbaren unstreitig ein Verfahren nach dem Oberbegriff des vorliegenden Patentanspruchs 1.
4.2. Beim Verfahren nach D2 ist schon aus der Figur 6b offensichtlich, daß vor der Einleitung des Abkommutierungsvorgangs im ersten Strang der nächste Strang nicht bestromt wird. Ab dem Zeitpunkt t5 (gleichzeitiger Wechsel der Ansteuerbefehle für die Strangschalter; vgl. Figur 5) gibt es zwar eine Überlappung der Ströme I1 und I2. Strangstrom I1 steigt, d. h. Schalter 1 und Schalter 2 müssen geschlossen sein (Figur 5). Aber Strangstrom I2 sinkt, d. h. Schalter 3 kann nicht geschlossen sein. Diese Ansteuerung der Schalter wird durch die Darstellung der Ansteuersignale 27 und 31 in Figur 6b sowie durch die Darstellung in der Beschreibung bestätigt, da der nächste Strangschalter frühestens gleichzeitig mit dem Öffnen des ersten Strangschalters geschlossen wird (D2, Spalte 6, Zeile 64 bis Spalte 7, Zeile 42).
4.3. Die schematischen Darstellung der Figur 3 der D1 läßt auf den ersten Blick nicht erkennen, ob die ansteigende Flanke des aufkommutierenden Stroms I2 (Bezugslinie 30 ) gleichzeitig mit einer ansteigenden Flanke des abkommutierenden Stroms I1 auftritt. Aber der steile Abfall des abkommutierenden Stroms I1 setzt voraus, daß der gemeinsame Leistungsschalter (Figur 2: 43) offen ist, damit der Strang 10 über die Freilaufdioden (13, 44) und die Spannungsquelle abkommutieren kann. Wenn der gemeinsame Leistungsschalter (43) offen ist, muß der Strom I2 im Strang 20 sinken. Die ansteigende Flanke des Stroms I2 fällt somit zeitlich mit der letzten leicht abfallenden Flanke des Stroms I1 zusammen. Nach Auffassung der Kammer steht diese Darstellung, daß I2 erst ansteigt, wenn I1 bereits absinkt, im Einklang mit der Beschreibung der D1. Denn zu keinem Zeitpunkt werden zwei Strangschalter gleichzeitig leitend angesteuert (D1, Seite 5, Zeilen 2 bis 30; Tabelle 1 auf Seite 10; Figuren 2 und 5). Im übrigen nimmt die D1 (Seite 3, Zeilen 41 und 42) bezüglich der Offenbarung ausdrücklich auf D2 Bezug, welche die grundlegenden Zusammenhänge zwischen Stromsteilheit und Schalterstellungen bei einer solchen Schaltung beschreibt (D2, Spalte 3, Zeile 18 bis Spalte 4, Zeile 3; Spalte 7, Zeilen 30 bis 42).
4.4. Weder D1 noch D2 offenbaren daher die Merkmale des kennzeichnenden Teils des vorliegenden Patentanspruchs 1. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 gilt daher als neu (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ).
4.5. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, den Aufwand für das Leistungsstellglied so weit wie möglich zu reduzieren und die Ansteuerung der Leistungsschalter so zu optimieren, daß keine Einbrüche im zeitlichen Verlauf des Drehmoments des Motors auftreten (Seite 3, Zeilen 20 bis 22 der Patentschrift).
4.6. Die Aufgabe wird gelöst, indem der nächste Strang zu einem Zeitpunkt vorbestromt wird, da dieser Strangstrom wegen der konstanten Stranginduktivität keinen Beitrag zur Drehmomentbildung verursacht. Weiter wird beim Verfahren nach Patentanspruch 1 dafür gesorgt, daß das Abkommutieren des ersten Strangs durch Offenhalten seines Strangschalters und des gemeinsamen Leistungsschalters rasch erfolgt. Gleichzeitig bleibt der nächste Strangschalter geschlossen, wodurch dieser Strangstrom nur langsam abfällt. Somit ist der nächste Strang nach dem Abkommutieren des ersten Strangs fast noch voll bestromt (oder voll bestromt, wenn ein Referenzwert nach Patentanspruch 2 gewählt wird).
4.7. D1 und D2 geben zu einer solchen Vorbestromung keine Anregung. Weitere Überlegungen zur Aufrechterhaltung des nächsten Strangstroms bis zum Einschalten dieses Strangs stellen sich daher gar nicht. Die Ansteuerbefehle an den nächsten Strangschalter erfolgen nach D1 und D2 frühestens gleichzeitig mit dem Beginn des Abkommutierens im ersten Strang. Demnach überlappen sich ein ansteigender und abfallender Strangstrom in bekannter Weise (D1, Figur 3; D2, Figur 6b) oder sind so gesetzt, daß sie sich nicht überlappen (D1, Figur 4, Seite 2, Zeilen 22 bis 36; D2, Figur 6a). Daraus läßt sich aber kein Hinweis ableiten, den nächsten Strangstrom schon bei voller Bestromung des ersten Strangstroms aufzubauen und somit einen Drehmomenteinbruch in der Kommutierungsphase möglichst vollständig zu vermeiden. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gilt daher als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend (Artikel 56 EPÜ).
5. Unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen genügen daher das vorliegende Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens (Artikel 102 (3) EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.