T 0172/00 () of 1.3.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T017200.20020301
Datum der Entscheidung: 01 März 2002
Aktenzeichen: T 0172/00
Anmeldenummer: 94810372.6
IPC-Klasse: A61C 13/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von Prothesen
Name des Anmelders: METOXIT AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit: ja nach Änderungen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit welcher die Anmeldung mangels erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen wurde, weil eine nicht erfinderische Auswahl von Werkzeugeinstellparametern (Merkmalskomplex b) zur Bearbeitung von aus einem zugestandermaßen bekannten Material (D4 "Product Information Zirkonia Ceramic", vom Anmelder selbst stammend und vorgelegt) hergestellten Prothesenrohlingen (Merkmalskomplex a) beansprucht werde.

II. Am 1. März 2002 fand eine mündliche Verhandlung statt.

Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis der Ansprüche 1 bis 4, wie überreicht in der mündlichen Verhandlung, zu erteilen.

III. Anspruch 1, wie überreicht am 1. März 2002 während der mündlichen Verhandlung, lautet wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung hochpräziser und dreidimensionalkomplexer keramischer Endo- und Exoprothesen bestehend aus

a) Formung eines porösen, keramischen Rohlings folgender Zusammensetzung (in Gewichtsprozent): Zirkonoxid und Hafniumoxid 94,8% bis 95,3%, Yttriumoxid 4% bis 5,2%, Drittoxide kleiner als 0,1% mit einem monoklinen Anteil unter 5 Volumen-Prozent und Umarbeiten dieses Rohlings durch Dichtsintern oder Infiltration zu einem Halbzeug,

b) Bearbeiten dieses Halbzeugs auf Endmaß einer Prothese mittels eines rotierenden Werkzeuges aus metallisch gebundenen Diamantkörnern mit Drehzahlen von 10.000 bis 50.000 Umdrehungen pro Minute, Zustellungen von 0,1 bis 0,7 Millimeter pro Minute, Vorschubgeschwindigkeiten von 0,3 bis 3,0 cm pro Sekunde und Oberflächengeschwindigkeiten für das Werkzeug von 0,5 bis 9,0 Meter pro Sekunde."

IV. Die Beschwerdeführerin trug folgendes vor:

Merkmalskomplex a) sei lediglich bei der Herstellung von Hüftgelenkkugeln bekannt. Diese seien mit Kugel-Schleifmaschinen bearbeitet worden, wobei der Durchmesser der Kugel durch die Schleifdauer bestimmt werde. Vor dem Anmeldetag seien Keramik-Materialien nie mit CAD Werkzeugmaschinen bearbeitet worden. Das Verdienst der Erfindung sei daher darin zu sehen, ein nach Merkmalskomplex a) bekanntes Material in einer neuen und erfinderischen Weise zu bearbeiten und somit die Möglichkeit zu erschließen, diese Materialien auch für hochpräzise, dreidimensionale Prothesen zu verwenden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Die neue Fassung der Ansprüche ergibt sich aus einer Zusammenfassung der ursprünglichen Fassung unter Berücksichtigung der ursprünglichen Beschreibung (EP-A-0 634 149, Spalte 1, Zeilen 34 bis 38, und Spalte 3, erster Absatz 1) und erfüllt somit die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

3. Neuheit

3.1. Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung erneut bestätigt, daß ein Verfahren zur Herstellung keramischer Endo- und Exoprothesen bestehend aus folgenden Schritten aus den Druckschriften D1 und D5 bekannt ist:

a) Formung eines porösen Rohlings aus in Gewichtsprozent Zirkonoxid und Hafniumoxid von 94,8 % bis 95,3 %, Yttriumoxid von 4.8 % bis 5.2 %, Drittoxide als Rest kleiner als 0,1 % mit einem monoklinen Anteil unter 5. Volumen-Prozent und Umarbeiten dieses Rohlings durch Dichtsintern oder Infiltration zu einem Halbzeug. Weiterverarbeitung dieses Halbzeugs, aber nur durch Kugelschleifen und Polieren und nur zu Gelenkskugeln (Druckschriften D4 und D5).

3.2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von diesem Stand der Technik dadurch, daß:

b) die herzustellenden Prothesen hochpräzis und dreidimensional komplex sind,

c) die Bearbeitung des Halbzeugs auf Endmaß einer Prothese mittels eines rotierendes Werkzeuges aus metallisch gebundenen Diamantkörnern mit Drehzahlen von 10.000 bis 50.000 Umdrehungen pro Minute, Zustellungen von 0,1 bis 0,7 Millimeter pro Minute, Vorschubgeschwindigkeiten von 0,3 bis 3,0 cm pro Sekunde und Oberflächengeschwindigkeiten für das Werkzeug von 0,5 bis 9,0 Meter pro Sekunde erfolgt.

3.3. Das beanspruchte Verfahren ist daher neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Die traditionell verwendeten Werkstoffe für Prothesen sind - neben verschiedenen keramischen Werkstoffen - Titan oder Legierungen aus Chrom-Kobalt. Beide Werkstoffe sind einfach zu bearbeiten und ermöglichen eine hohe Formgenauigkeit, jedoch hat Titan eine niedrige Härte, während Legierungen aus Chrom-Kobalt eine geringere chemische Beständigkeit gegen PH-Wert-Schwankungen aufweisen. Dabei ist es, um eine hohe Härte zu erreichen, notwendig, den keramischen Rohling dichtzusintern oder zu infiltrieren. Diese Prozesse verändern jedoch die vorgefertigten Konturen und Maße des Rohlings, so daß der Rohling nachbearbeitet werden muß, was sich aber wegen dessen Härte als schwierig erweist. So wurde im Stand der Technik kein keramischer Werkstoff zur Herstellung hochpräziser, dreidimensional komplexer Prothesen eingesetzt, weil keine Möglichkeit gesehen wurde, dieses Material mit der notwendigen Genauigkeit zu bearbeiten.

4.2. Demgegenüber war es Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem auch solche Prothesen aus Keramik hergestellt werden können. Diese Aufgabe wurde glaubhaft durch die unterscheidenden Merkmalskomplexe b) und c) gelöst, das ist durch die Auswahl eines bestimmten keramischen Werkstoffes und durch die Anwendung spezifischer Verfahrensparameter bei dessen Bearbeitung.

4.3. Werden zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dieser Lösung deren einzelne Elemente (Verfahrensschritte) nicht isoliert, sondern richtigerweise in ihrem gesamthaften Zusammenwirken betrachtet, so erweist sich, daß dafür kein Hinweis im Stand der Technik zu finden war. Vielmehr bestand ein gerade durch das Bekanntsein keramischer Prothesenwerkstoffe (siehe oben Punkt I.) und deren Eigenschaften ausgelöstes Vorurteil in der Fachwelt, wonach die bekannten Verfahren zur individuellen Feinbearbeitung für diese Werkstoffe nicht geeignet sind, weshalb daraus keine hochpräzisen, dreidimensional komplexen Prothesen herstellbar seien. Die in Überwindung dieses Vorurteils gefundene Lösung beruht auf einer Kombination von einem ausgewählten keramischen Werkstoff mit einer bestimmten Bearbeitungsmethode unter Anwendung wiederum ausgewählter Bearbeitungsparameters.

Eine solche Kombination wird keineswegs schon durch das Bekanntsein oder das Naheliegen ihrer Einzelelemente - hier des Werkstoffs einerseits, der Bearbeitungsmethode und -parameter andererseits - selbst naheliegend. Der in der angefochtenen Entscheidung unter Berufung auf eine (nicht korrekt bezeichnete und überdies nicht richtig wiedergegebene) Stelle in den Richtlinien für die Prüfung im EPA vertretenen Auffassung, es handle sich (nur) um eine nicht erfinderische Auswahl von (Bearbeitungs-)Parametern aus für den Anwendungszweck vorgegebenen Bereichen, kann sich die Kammer daher nicht anschließen.

Dementsprechend beruht Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüchen 1 bis 4 und einer noch anzupassenden Beschreibung zu erteilen.

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