T 0154/00 (Fahrbahndecken/GEBR. VON DER WETTERN GMBH) of 29.1.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T015400.20020129
Datum der Entscheidung: 29 Januar 2002
Aktenzeichen: T 0154/00
Anmeldenummer: 94107748.9
IPC-Klasse: C04B 18/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Beton für Fahrbahndecken und Verfahren zur Herstellung derselben
Name des Anmelders: Gebr. von der Wettern GmbH
Name des Einsprechenden: (01) Heilit + Woerner Bau-AG
(02) Hochtief Aktiengesellschaft
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein) - kein Vorurteil
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 94 107 748.9 wurde das europäische Patent Nr. 0 628 522 mit drei Ansprüchen erteilt.

II. Gegen die Patenterteilung legte die Beschwerdeführerin Einspruch ein. Der Einspruch wurde u. a. darauf gestützt, daß der Patentgegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ).

Im Einspruchsverfahren wurden u. a. folgende Entgegenhaltungen genannt:

D1: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswege, Köln, Schriftenreihe der Arbeitsgruppe "Betonstraßen", Heft 17, Seiten 55 bis 61 (1986),

D5: ZTV Beton-StB 91 (1991),

D6: Straßenforschung, Heft 403 (1992), Seiten 55 bis 77,

D8: American Concrete Pavement Association, Druckschrift TB-014P (1993), Seiten 1 bis 18.

III. Die Einspruchsabteilung hat das Patent in geändertem Umfang mit zwei Ansprüchen aufrechterhalten.

Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Verfahren zur Wiederverwendung von alten aufgenommenen und aufbereiteten Fahrbahndecken aus Beton, dadurch gekennzeichnet, daß die Korngruppe größer als 8 mm als Hauptfraktion gewonnen aber keine der Korngruppen unter 8. mm verwendet wird als Zuschlagstoff für die Herstellung einer einlagigen neuen Fahrbahndecke aus Beton nach ZTV Beton-StB 91, Bauklasse SV, bestehend aus mindestens 340 kg/m3 Zement und Zuschlägen mit einer Kornzusammensetzung gemäß DIN 1045 und mindestens eine Korngruppe größer als 8 mm."

Die angefochtene Entscheidung geht davon aus, daß es beim Straßenbau bekannt war, das beim Abbruch erneuerungsbedürftiger Fahrbahndecken aus Beton anfallende Material für den Straßenunterbau zu verwenden. Die Aufgabe der Erfindung wurde darin gesehen, für diese Abbruchmaterialien der Altbetondecke bei der Herstellung der neuen Fahrbahndecke eine weitergehende Anwendung zu ermöglichen. Die beanspruchte Lösung habe vor allem darum nicht nahegelegen, weil aufgrund der D1 gegen die Verwendung von Altbetonsplit in der obersten Lage der Fahrbahndecke ein Vorurteil bestanden habe. Die Lehre der D8 beziehe sich nicht auf die Herstellung einer Fahrbahndecke gemäß ZTV Beton und gebe den Fachmann keine Anregung das Vorurteil zu überwinden. Auch D6 gebe keinen Hinweis darauf, für den Einbau von Altbeton in der obersten Lage der Fahrbahndecke nur die Korngruppe größer als 8 mm zu verwenden und die Korngruppe von 4 bis 8 mm abzutrennen.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende 02) Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdebegründung hat sie ihre Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit auf die Entgegenhaltungen D5 und D6 gestützt. Während der am 29. Januar 2002 durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde zusätzlich noch auf die D8 hingewiesen.

Die Begründung kann wie folgt zusammengefaßt werden:

Eine Lösung der dem Streitpatent zugrundeliegenden Aufgabe der möglichst vollständigen und hochwertigen Wiederverwendung der Altbetonstraßendecke werde auch in D6 angestrebt. Die Lösung gemäß Streitpatent unterscheide sich von der in D6 vorgeschlagenen Lösung nur durch die Verwendung von Altbetonsplitt mit einer Korngröße oberhalb 8mm statt 4 bis 32 mm wie in D6 offenbart. Es sei jedoch aus der D8 bekannt, daß der gröbere Altbetonsplitt für die Wiederverwendung besser geeignet sei. Wenn man die höchste Qualitätsnorm erfüllen wolle, sei es damit naheliegend, nur den gröberen Splitt mit einer Korngröße oberhalb 8 mm zu verwenden.

V. Die Beschwerdegegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht mit den Argumenten der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt und in Erwiderung auf die Beschwerde nur mitgeteilt, daß keine Argumente vorgebracht wurden, die nicht bereits in der Entscheidung der Einspruchsabteilung berücksichtigt wurden. Sie war in der mündlichen Verhandlung, wie angekündigt, auch nicht vertreten.

VI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 02) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 628 522.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. D6 kann als nächster Stand der Technik betrachtet werden. Diese Druckschrift offenbart ein Verfahren zur Wiederverwendung von alten aufgenommenen und aufbereiteten Fahrbahndecken aus Beton, bei dem die Korngruppe von 4 bis 32 mm als Hauptfraktion gewonnen und vollständig als Zuschlagstoff für die Herstellung des Unterbetons einer zweischichtigen Fahrbahndecke verwendet wird (Abschnitt 2.6 und Kapitel 4). Der Zementgehalt betrug 350 kg/m3. Weil von einem mehrlagigen Einbau im Sinne der D5, Absatz 2.1, nicht die Rede ist, wird der Fachmann, gestützt durch die Figur 18, von einem einlagigen Einbau ausgehen. Der Betonsplitt erfüllt die Anforderungen der ÖNORM B 3304 (Seite 76, erster Satz). Der Unterbeton wird mit einem Oberbeton aus Zement, Sand und Splitt 4/8 beschichtet. Der Splitt 4/8 im Oberbeton wird zur Erzielung einer geräuscharmen und griffigen Oberfläche aus Felsgestein hergestellt (Seite 77). Weil ein Oberbeton von höherer Qualität verwendet wurde, kann zugunsten der Beschwerdegegnerin davon ausgegangen werden, daß der Unterbeton die Anforderungen der ZTV Beton-StB 91, Bauklasse SV, die höchste deutsche Qualitätsnorm, nicht erfüllt.

2. Ausgehend von D6 kann die technische Aufgabe der Erfindung, wie im Streitpatent dargestellt (Spalte 2, Zeilen 15 bis 21), darin gesehen werden, aus dem Betonsplitt einer alten Fahrbahndecke eine neue Fahrbahndecke herzustellen, die die Anforderungen der ZTV Beton-StB 91, Bauklasse SV erfüllt. Nach dem Streitpatent kann diese Aufgabe durch ein Verfahren gelöst werden, bei dem gemäß Anspruch 1 von dem Altbetonsplitt nur die Korngruppen oberhalb 8 mm als Zuschlag verwendet werden. Der Kammer sind keine Umstände bekannt und die Beschwerdeführerin hat auch keine Angaben gemacht, aus denen zu schließen wäre, daß mit dem Verfahren gemäß Anspruch 1 diese Aufgabe nicht gelöst werden konnte. Die Kammer geht daher davon aus, daß die genannte Aufgabe durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 auch tatsächlich gelöst wurde.

3. Der Verwendung von Splitt 4/8 aus Felsgestein als Zuschlag für den Oberbeton kann der Fachmann bereits entnehmen, daß Splitt 4/8 aus der Altbetondecke nicht den höchsten Anforderungen genügen wird. Der Fachmann findet dafür in D1 eine Bestätigung. Dieses Dokument, das sich ebenfalls mit der Wiederverwendung von Beton im Straßenbau befaßt, lehrt, daß bei abnehmender Korngröße der Mörtelanteil und damit die Wasseraufnahme von gebrochenem Altbeton zunimmt (Seite 55, Figuren 2 und 3). Ein Splitt mit hohem Mörtelanteil führt nach D1 zu einer deutlichen Reduktion des Abriebwiderstandes und hat weiter den Nachteil, daß daraus hergestellter Beton im allgemeinem deutlich größere Verformungen zeigt als Normalbeton (Seite 55, linke Spalte, letzter Absatz und Seite 56, rechte Spalte, letzter Absatz). Auch die D8 lehrt eindeutig, daß der Feinanteil einer aufbereiteten Altbetondecke als Zuschlag für eine neue Fahrbahndecke nicht geeignet ist. Der Feinanteil wird darin definiert durch eine Korngröße unterhalb 3/8 inch, etwa 9 mm (Seiten 3, 4, 10 und 13). Ein Fachmann, der sich die Aufgabe gestellt hat, unter Verwendung von Altbetonsplitt die Qualität des Betons für eine neue Fahrbahndecke so zu verbessern, daß sie die Anforderungen der ZTV Beton-StB 91, Bauklasse SV, erfüllt, wird also durch D1 und D8 angeregt, kleinere Korngrößen zu vermeiden. Wenn also unter Einbeziehung der Kornfraktion 4/8 die Qualitätsnorm nicht erfüllt werden kann, ist es somit naheliegend zu versuchen, ob es durch Weglassen der kleineren Kornfraktionen und Verwendung von Albetonsplitt ausschließlich größer als 8. mm gelingt, diese Norm zu erfüllen. Wenn der Fachmann bei einem derartigen Versuch feststellt, daß es mit dem Altbetonsplitt über 8 mm gelingt, die Anforderungen der Bauklasse SV zu erfüllen, ist es auch naheliegend, die Menge an Splitt der Kornfraktion größer als 8 mm bei der Zerkleinerung der Altbetondecke zu optimieren. Eine Maximierung des Grobkorns wird auch in der D8 empfohlen (Seite 3, rechte Spalte, letzter Absatz).

4. Im Hinblick auf die Empfehlungen in D1 und D8 kann die Kammer kein Vorurteil gegen die Verwendung von Kornfraktionen größer als 8 mm erkennen. Aus den obigen Ausführungen geht im Gegenteil klar hervor, daß für die Herstellung einer neuen Fahrbahndecke hoher Qualität gerade das Grobkorn in Betracht kommt. Es stimmt, daß gemäß D1 bei einer Prüfung des Frostwiderstandes von Altbetonzuschlägen aus Abbruchstücken einer einzelnen Betonstraße festgestellt wurde, daß die Korngruppe 8/16 die Bedingungen der DIN 4226 nicht erfüllt (Seite 55, rechte Spalte bis Seite 56, rechte Spalte, erster Absatz). Dies gilt jedoch für einen Straßenbeton ohne Luftporen. Aus der Tabelle in Figur 4 folgt jedoch, daß die Abwitterung bei der Prüfung des Frostwiderstandes nach DIN 4226 sehr stark vom Luftporengehalt abhängig ist. Für die Kornfraktion 8/16 aus Laborbeton ohne Luftporen beträgt die Abwitterung 1,78 Gew.-%, während sie für Laborbeton mit Luftporen nur 0,24 Gew.-% beträgt. D1 erwähnt weiter, daß Beton aus Altbetonzuschlägen mit Luftporen deutlich widerstandsfähiger als Normalbeton ohne ein ausreichendes Luftporensystem ist (Seite 57, linke Spalte, letzter Satz vor "Mischungsentwurf"). Die Kammer geht daher davon aus, daß es Altbetonsplitt aus Straßenbeton mit Luftporen gibt, der die Anforderungen der ZTV Beton-StB 91, Bauklasse SV, erfüllt, gemäß der die Abwitterung des Zuschlags nach DIN 4226 einen Wert von 1 Gew.-% nicht überschreiten darf, wenn er zur einschichtigen Herstellung der Decke verwendet werden soll (D5, Seite 18). Gäbe es solchen Altbetonsplitt nicht, würde die damit hergestellte Fahrbahndecke nicht der ZTV Beton-StB 91, Bauklasse SV, entsprechen, so daß das Verfahren gemäß Anspruch 1 nicht ausführbar wäre. Obwohl der geltende Anspruch 1 nicht eindeutig auf die Herstellung einer einschichtigen Fahrbahndecke beschränkt ist, wird diese doch eindeutig und unbestritten von Anspruch 1 umfaßt. Bei der Herstellung einer derartigen Fahrbahndecke, die die Anforderungen der ZTV Beton-StB 91, Bauklasse SV erfüllen muß, ist die Qualität des Zuschlags immer zu überprüfen (D5, Seite 18, Zeilen 5 und 6). Wenn es sich dabei herausstellt, daß die Korngruppen 8/16 und höher aus Altbeton diese Bedingungen erfüllen, gibt es keinen Grund, sie nicht zu verwenden. Den Ausführungen der angefochtenen Entscheidung, die Beschwerdegegnerin habe ein Vorurteil überwunden, indem sie gezeigt hat, daß die problematische Abwitterung der Bestandteile über 8 mm deutlich verringert war, wenn diese Bestandteile eingebaut und somit weitgehend geschützt waren, kann die Kammer nicht folgen. Die Abwitterungsbedingung gemäß ZTV Beton-StB 91 muß nach DIN 4226 bestimmt werden und muß von dem Zuschlag selbst erfüllt werden, bevor er im Beton eingebaut wird (D5, Seite 18). Ein Zuschlag, der diese Bedingung nicht erfüllt, darf gar nicht eingesetzt werden. Anspruch 1 wäre also in sich widersprüchlich, wenn er die Verwendung des Zuschlags der Korngruppe 8/16 aus Straßenbeton gemäß der Tabelle 4 aus D1 nicht implizit ausschließen würde. D1 hält den Fachmann jedoch nicht davon ab, qualitativ höherwertigen, z. B. luftporenhaltigen, Altbetonsplitt für die Herstellung von Fahrbahndecken gemäß ZTV Beton-StB 91, Bauklasse SV, in Betracht zu ziehen.

5. Anspruch 1 verlangt nicht, daß der gesamte Zuschlag über 8. mm aus der Albetondecke für die neue Decke verwendet wird. Ebensowenig verlangt Anspruch 1, daß als Zuschlag über 8 mm ausschließlich Zuschlag aus der Altbetondecke verwendet wird. Gemäß Streitpatent kann es notwendig sein, einen Teil der Fraktion größer als 8 mm in Form von Edelsplitt zuzugeben, um die Bedingungen der ZTV Beton-StB 91 zu erfüllen, damit diese mindestens 35. Gew.-% des Gesamtzuschlages ausmacht (Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 32 bis 36). Dies bedeutet, daß es gemäß Anspruch 1 ausreicht, daß nur ein geringer Teil des benötigten Grobkorns aus Altbetonsplitt besteht. Wenn also aus der Qualitätsüberwachung des in Korngruppen aufbereiteten Altbetons hervorgeht, daß die Korngruppen oberhalb 8 mm die Norm für den Oberbeton erfüllen, liegt es für den Fachmann auf der Hand, diese, zumindest teilweise, als billigeren Ersatz für den bisher verwendeten Edelsplitt einzusetzen.

6. Aus diesen Gründen ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, daß es zur Lösung der genannten Aufgabe für einen Fachmann nahegelegen hat, die Korngruppen unterhalb 8 mm für eine Fahrbahndecke der Bauklasse SV nicht zu verwenden und für die nach der Bauklasse SV benötigte Menge an Zuschlag oberhalb 8 mm, zumindest teilweise, Grobkorn aus der Aufbereitung einer luftporenhaltigen Altbetondecke zu verwenden. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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