T 0152/00 (Hydraulisches Bindemittel/HEIDELBERGER ZEMENT) of 30.11.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T015200.20011130
Datum der Entscheidung: 30 November 2001
Aktenzeichen: T 0152/00
Anmeldenummer: 93110649.6
IPC-Klasse: C04B 28/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schnellhärtendes hydraulisches Bindemittel
Name des Anmelders: Heidelberger Zement AG
Name des Einsprechenden: Akzo Nobel N.V.
LAFARGE ALUMINATES
Dyckerhoff AG
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Schlagwörter: Änderungen - zulässig
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0392/04

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 93 110 649.6 wurde das europäische Patent Nr. 0 579 063 erteilt. Das Patent wurde auf drei Einsprüche hin von einer Einspruchsabteilung des EPA widerrufen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde der Patentinhaberin.

II. Während des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung wurden die Patentansprüche geändert. Der Widerruf wurde damit begründet, daß der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe und damit die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfülle.

III. Während des Beschwerdeverfahrens wurden die Einsprüche der Einsprechenden I und II zurückgenommen. In der am 30. November 2001 durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde ein neuer Anspruch 1 mit folgendem Wortlaut vorgelegt:

"Schnellerhärtendes, hydraulisches Bindemittel, bestehend aus Portlandzement, Tonerdezement sowie an sich bekannten Zusatzstoffen, dadurch gekennzeichnet, daß es besteht aus 5. - 95 Masse-% an einem Bindemittel der Zusammensetzung mit einem Gehalt an Tonerdezement,

a) 98,1 - 99,1 Masse-% Portlandzement,

0,5 - 1,5 Masse-% Alkalicarbonat,

0,1 - 0,4 Masse-% organischer, die Hydratation der Calciumsilikate hemmender Verzögerer,

0,01 - 0,05 Masse-% eines anorganischen Erstarrungsbeschleunigers für Calciumaluminathydrate, und

0,01 bis 0,20 Masse-% eines Hemmers bezüglich der Bildung der Calciumaluminatsulfathydrate,

und

95. - 5 Masse-% an einem Bindemittel der Zusammensetzung

b) 92,45 Masse-% Portlandzement

4,7 Masse-% Tonerdezement

0,5 Masse-% Alkalicarbonat

0,3 Masse-% Alkalisulfat

1,6 Masse-% Ca(OH)2

0,05 Masse-% anorganischer Erstarrungsbeschleuniger für Calciumaluminathydrate

0,20 Masse-% organischer, die Hydratation der Calciumaluminatsulfate hemmender Erstarrungsverzögerer

0,20 Masse-% organischer, die Hydratation der Calciumsilicate hemmender und verflüssigungsförderender Erstarrungsverzögerer."

Nach Angabe der Beschwerdeführerin ist der technische Inhalt dieses Anspruchs identisch mit Anspruch 4 wie erteilt und ursprünglich eingereicht.

IV. In Bezug auf diesen neu eingereichten Anspruch 1 hat die Beschwerdegegnerin vorgetragen, daß nach der Mischung der Zusammensetzungen a) und b) nicht mehr festzustellen sei, ob die gemischte Zusammensetzung tatsächlich durch Mischen der Teilzusammensetzungen a) und b) hergestellt wurde. Außerdem könnten durch das Mischen Zusammensetzungen hergestellt werden, die nicht ursprünglich offenbart worden seien. So ergebe sich für die Komponente c) gemäß dem erteilten Anspruch 1, bei 5% der Zusammensetzung a) mit einem Gehalt an der Komponente c) von 0,01% und 95% der Zusammensetzung b) mit einem Gehalt an der Komponente c) von 0,05%, ein Bereich von 0,012 bis 0,048 Masse-%. Ein derartiger Bereich sei in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbart. Auch Bindemittel, deren Zusammensetzungen außerhalb der im erteilten Anspruch 1 angegebenen Bereiche lägen, seien durch die jetzt beanspruchte Mischung nicht ausgeschlossen. Darüber hinaus sei der Anteil an Tonerdezement nicht klar, weil diese Komponente in der Zusammensetzung a) nicht definiert sei. Weiter gebe es Grenzwerte, die zusammengerechnet über 100% hinausgingen. Der geltende Anspruch 1 entspreche daher nicht den Erfordernissen der Artikel 84 und 123 EPÜ.

V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung zur weiteren Prüfung auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchs 1, dem sich die erteilten Unteransprüche 2-7 anschließen sollen.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Anspruch 1 enthält nicht mehr das von der Einspruchsabteilung gerügte Merkmal eines Gehalts an 0,8-1,5 Masse-% Alkalicarbonat im Bindemittel a), sondern stattdessen den im erteilten Anspruch 3 genannten Gehalt an 0,5-1,5 Masse-% Alkalicarbonat. Der Widerrufsgrund wurde damit ausgeräumt.

3. Das Bindemittel gemäß Anspruch 1 besteht aus einer Mischung von zwei, unterschiedlich definierten, Bindemitteln a) und b). Es ist unbestritten, daß nach der Mischung am Endprodukt die Zusammensetzung und das Mengenverhältnis der Ausgangskomponenten a) und b) nicht mehr nachweisbar sind. Das beanspruchte Bindemittel wird jedoch definiert durch die Summe der Merkmale (Mengenverhältnisse der Bestandteile) der Bindemittel a) und b) und die Mengenanteile dieser Bindemittelkomponenten. Die Gesamtzusammensetzung des Bindemittels ist dadurch eindeutig bestimmt und nichts anderes wird beansprucht. Auch wenn man Anspruch 1 als einen "product by process claim" betrachten würde, hätte das auf den Umfang des Anspruchs keinen Einfluß. Nach ständiger Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, umfaßt ein solcher Anspruch alle Produkte, die identisch sind mit den Produkten, die durch die im Anspruch definierten Verfahren hergestellt werden, auch wenn sie auf andere Weise hergestellt wurden.

4. Die Kammer verkennt nicht, daß sich aus dem geltenden Anspruch 1 Grenzwerte für die Komponenten der Zusammensetzung ergeben, die von den Bereichen im erteilten Anspruch 1 abweichen. So beträgt der untere Grenzwert für die Menge des anorganischen Erstarrungsbeschleunigers für Calciumaluminathydrate (Komponente c) des erteilten Anspruchs 1) 0,012 Masse-% im Unterschied zu dem im erteilten Anspruch 1 genannten Wert von 0,01 Masse-%. Dieser Grenzwert errechnet sich jedoch auch aus dem erteilten und ursprünglich eingereichten Anspruch 4, in dem die gleiche Bindemittelkombination beansprucht wurde. Der von der Beschwerdegegnerin errechnete Grenzwert ist also den ursprünglichen Unterlagen eindeutig zu entnehmen. Die Beschwerdegegnerin hat nicht gezeigt, daß sich bei richtiger Anwendung der Grundrechnungsregeln Grenzwerte ergeben, die außerhalb der im erteilten Anspruch 1 genannten Bereiche liegen. Aber selbst wenn das der Fall wäre, wären solche Grenzwerte auch bereits mit dem erteilten Anspruch 4, der inhaltlich mit dem vorliegenden Anspruch 1 identisch ist, beansprucht worden.

5. Im Bindemittelteil a) ist die Menge an Tonerdezement nicht explizit angegeben. Deren Maximalwert wird jedoch durch die Minimalwerte der übrigen Komponenten bestimmt und beträgt 1,3 Masse-%. Im übrigen fehlten die expliziten Grenzwerte für Tonerdezement bereits im erteilten Anspruch 4. Wenn diesbezüglich überhaupt ein Mangel an Klarheit vorliegt, ist dieser im Einspruchsverfahren hinzunehmen, weil ein Verstoß des erteilten Anspruchs gegen Artikel 84 EPÜ kein Einspruchsgrund ist.

6. Aus dem gleichen Grund wäre auch eine Zusammensetzung des Bindemittelteils a) hinzunehmen, wenn die Grenzwerte zusammen einen Wert über 100% ergeben würden, weil die gleichen Grenzwerte bereits im erteilten Anspruch 4 durch dessen Rückbeziehung auf den erteilten Anspruch 3 enthalten waren. Im übrigen ist der diesbezügliche Einwand auch sachlich unbegründet. Beim Minimalwert des Portlandzements kann jede einzelne der übrigen Bestandteile in der maximal möglichen Menge vorhanden sein, ohne daß die Gesamtmasse mehr als 100% beträgt. Der Anspruch verlangt nicht, daß mehrere Komponenten der beanspruchten Mischung gleichzeitig in den maximal möglichen Mengenanteilen vorhanden sein müssen.

7. Die Kammer betrachtet also in Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin den geltenden Anspruch 1 als inhaltlich identisch mit dem erteilten und ursprünglichen Anspruch 4; er entspricht damit den Erfordernissen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ. Es sind folglich auch keine Unklarheiten eingeführt worden, die unter Artikel 84 EPÜ angegriffen werden könnten.

8. In der angefochtenen Entscheidung wurde auf die Nacharbeitbarkeit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Streitpatents nicht eingegangen. Auch während des Einspruchsverfahrens hat die Einspruchsabteilung zu diesen Einspruchsgründen der Beschwerdegegnerin nicht Stellung genommen. Bei dieser Sachlage ist es angebracht, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage des vorliegenden Anspruchs 1 an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen (Artikel 111 (1) EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen, zur weiteren Prüfung auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchs 1.

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