T 0025/00 () of 23.7.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T002500.20020723
Datum der Entscheidung: 23 Juli 2002
Aktenzeichen: T 0025/00
Anmeldenummer: 93909925.5
IPC-Klasse: B60N 3/04
B60R 13/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Dämpfungsmatte zum Entdröhnen für Fahrzeuge
Name des Anmelders: Pelzer, Helmut
Name des Einsprechenden: Stankiewicz GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - unzureichende Offenbarung (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der von der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) gegen das europäische Patent Nr. 0 639 125 eingelegte Einspruch, der auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) (fehlende Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100 b) EPÜ (fehlende Ausführbarkeit) gestützt war, führte zum Widerruf des Patents mangels Ausführbarkeit seines Gegenstandes durch die am 4. November 1999 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung.

II. Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer (Patentinhaber) am 23. Dezember 1999 bei gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 4. März 2000 eingegangen.

III. Am 23. Juli 2002 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen (Patentanspruch 1, Beschreibung) und der Zeichnung gemäß Patentschrift.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Der geltende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Dämpfungsmatte mit einem Elastizitätsmodul der Matte von < als ca. 5 x 109 N/m2 zum Entdröhnen der Böden von Kraftfahrzeugen, die ohne verbindende Kleb- oder Haftschicht auf den zu entdröhnenden Fahrzeugboden aufgelegt ist, bestehend aus einer Weichschicht (2) mit geringem Strömungswiderstand, einem Dämpfungsfaktor von > 0,05 aus PUR-Schnittschaumstoff auf Polyether- oder Polyesterbasis mit verzögertem Rückstellvermögen mit einem Raumgewicht zwischen ca. 10 und 200 kg/m3 und einer Dicke zwischen 2 und 5 mm und einer Schwerschicht (3) einer Dicke von 1 bis 2,5 mm aus einem mit Füllstoffen mit einem Raumgewicht von ca. 1000 bis 2000 kg/m3 beladenen Kunststoff auf EPDM- oder EVA-Basis, die biegeweich ist und einen Elastizitätsmodul von weniger als 4,5 x 109 N/m2 aufweist."

Von den insgesamt von den Verfahrensbeteiligten vorgelegten Beweismitteln haben in der mündlichen Verhandlung nur noch die folgenden eine Rolle gespielt:

D2: DE-U-8 907 030

D11: DE-C-1 940 838

D13: SAE-Bericht ISBN 1-56091-367-3, SAE/P-93/264, 1993 Noise and Vibration Conference, Traverse City, Michigan, May 10-13, 1993, mit "Attachment 5B" vom 27.01.1992, Telefax vom 29.09.1992 mit "Abstract"

D20: Tabellarische Übersicht über die Prüfung von Kunststoffen, Bodo Carlowitz, 3. Auflage, Beiheft zu "Kunstoff-Berater" (ohne Datum)

D21: DIN 53 445 (Ausgabe August 1986)

D22: DIN EN ISO 6721-2 (1996-12)

D23: Polyurethan Taschenbuch, Konrad Uhlig, 1998, Seiten 76 - 81

D24: Polyurethane, Kunststoff-Handbuch, Bd. 7, 1983, Seiten 504, 505

D25: "Bericht über die Untersuchung der Biegewellendämpfung von Blechen mit dem dämpfenden Belag "Schallschluck" 163F" der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, Gesch.-Nr. 5.13-8000/78" für die Firma Stankiewicz GmbH aus dem Jahr 1979.

IV. Das Vorbringen des Beschwerdeführers läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Die Angabe des Dämpfungsfaktors im Patentanspruch des Streitpatents diene unabhängig von deren Verwendung allein zur Kennzeichnung der Weichschicht. Es seien auch in der D2 zur Definition des PUR-Schaumstoffs Werte für den Dämpfungsfaktor angegeben, ohne daß, abgesehen vom pauschalen Hinweis auf die Meßmethode nach Oberst, Näheres zur Bestimmung des Wertes angegeben sei. Um Einzelheiten über die Messung des Dämpfungsfaktors zu erhalten, sei jedoch die DIN-Norm gemäß D21 bezüglich des Meßverfahrens für den Dämpfungsfaktor verfügbar gewesen, die den Fachmann zur Anwendung der darin angegebenen Methoden und Vorschriften verpflichtet habe. Daher sei das Vorhandensein weiterer, firmenintern benutzter Meßmethoden kein Grund dafür, bei der Angabe des Dämpfungsfaktors ausdrücklich auf das bei seiner Feststellung benutzte Meßverfahren zu verweisen. Auch im Kunststoffhandbuch gemäß D24 seien die Werte für den Schubmodul und den Dämfungsfaktor für weichelastische PUR-Schaumstoffe mit der in der D21 beschriebenen Meßmethode ermittelt und in Abhängigkeit von der Temperatur in Diagrammform dargestellt worden. Aus dem Verlauf des Dämpfungsfaktors im Diagramm der D24 sei erkennbar, daß er innerhalb des für Dämpfungsmatten in Kraftfahrzeugen relevanten Temperaturbereichs zwischen 20. und 70° C in etwa linear in einem Bereich in der Nähe des Wertes von 0,1 verlaufe. Der Fachmann beziehe demnach den im Streitpatent angegebenen Dämpfungsfaktor auf diesen für die Anwendung relevanten Temperaturbereich. Die im weiteren Normblatt gemäß D22 unter Punkt 11 erwähnte Meßunsicherheit von ± 30 % beziehe sich auf die Glasübergangstemperatur des Schaumstoffes, die weit außerhalb des im vorliegenden Falle interessierenden Temperaturbereichs liege. Auch der in der DIN-Norm gemäß D21 für die Messung empfohlene Frequenzbereich von 1 Hz ± 10 % müsse für den im Streitpatent genannten Dämpfungsfaktor als relevant angesehen werden. Die im freien Handel käuflichen Schaumstoffe mit den in Rede stehenden hohen Dämpfungsfaktoren würden bezüglich ihres mechanischen Verhaltens klassifiziert und es sei deshalb durchaus sinnvoll sie durch Angabe von Meßwerten zu kennzeichnen, die in den niedrigen, in der Norm gemäß D21 angegebenen Frequenzbereichen ermittelt werden, die nichts mit den für die Akustik im Fahrzeug verantwortlichen wesentlich höheren Frequenzwerten zu tun hätten.

Der im Anspruch des Streitpatents angegebene Parameter "Dämpfungsfaktor" erfülle demnach auch ohne nähere Angaben der anzuwendenden Meßmethode die an die technische Ausführbarkeit gemäß Artikel 83 und 100 b) EPÜ und die Klarheit des Anspruchs gemäß Artikel 84 EPÜ zu stellenden Anforderungen.

V. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:

Die Nennung eines Mindestwertes für einen Dämpfungsfaktor ohne Angabe der Meßmethode und wesentlicher Parameter, wie insbesondere Frequenz und Temperatur, stelle eine willkürliche Festlegung dar, da durch eine geschickte Wahl der Parameter und der Meßmethode für beliebige Weichschaumstoffe ein Dämpfungsfaktor ermittelt werden könne, der größer oder kleiner als der genannte Wert von 0,05 sei. Diese unbestimmte Angabe des Dämpfungsfaktors habe zusammen mit dem weiteren Anspruchsmerkmal "geringer Strömungswiderstand" und der unüblichen Angabe des Elastizitätsmoduls für einen mehrschichtigen Verbundwerkstoff mangelnde Ausführbarkeit des beanspruchten Gegenstands zur Folge.

Die in Rede stehenden PUR-Schaumstoffe seien mit kleinen und großen Dämpfungsfaktoren frei käuflich und allgemein bekannt gewesen, wobei die D24, insbesondere Bild 9.23 zeige, daß PUR-Schaumstoffe in Abhängigkeit von der Meßtemperatur Werte ober- und unterhalb des im Streitpatent relevanten Werts von 0,05 haben können. Beim Stand der Technik seien für die Messung des Dämpfungsfaktors verschiedene Meßmethoden bekannt und es sei in der Praxis üblich gewesen, bei der Charakterisierung des Dämpfungsverhaltens von Schaumstoffen die von Herstellerfirmen bestimmten Meßmethoden detailliert zu benennen. In der D2 sei zusammen mit der Angabe des Dämpfungsfaktors auf die "Oberst-Methode" verwiesen, von der ausgehend die in der DIN-Norm gemäß D21 angegebene Meßmethode entwickelt worden sei. Aus den Druckschriften gemäß D11, D13 und D20 seien weitere Meßmethoden zur Bestimmung des Dämpfungsfaktors bekannt. So beschreibe die D20 neben dem Torsionsschwingungsversuch, wie er in der DIN-Norm gemäß D21 angegeben sei, auch einem Biegeschwingungsversuch zur Feststellung des Dämpfungsfaktors.

Bei der Dämpfungsmatte nach dem Streitpatent gehe es um die Dämpfung von im Hörbereich liegenden Schwingungen, so daß die Messung des Dämpfungsfaktors bei der in der DIN-Norm gemäß D21 angegebenen niedrigen Frequenz irrelevant wäre und daher Messungen mit einem u. a. in der D20 beschriebenen Biegeschwingungsgerät eher in Frage kämen. Auch seien in den Norm-Schriften gemäß D21 bzw. D22 unter den Absätzen 8 (Prüfbericht) bzw. 11 (Meßunsicherheit) Angaben über die Frequenz und die Temperaturen als erforderlich bezeichnet bzw. es werde auf Meßunsicherheiten in der Größenordnung von ± 10 bzw. ± 30 % verwiesen. Die Darstellung des Verlaufs des Dämpfungsfaktors über die Temperatur im Bild 9.23 der D24 sei nur eine schematische Wiedergabe und es seien auch weitere Kurvenverläufe bei anderen Schaumstoffen möglich. Im Bild 9.23 der D24 liege außerdem der lineare Kurvenbereich des Dämpfungsfaktors ebenso wie der einen Extremwert aufweisende Kurvenbereich innerhalb des für die in Rede stehende Dämpfungsmatte relevanten Umgebungstemperaturbereichs. Die Angabe des Temperaturbereichs für die Messung eines sinnvollen Dämpfungsfaktors sei daher unerläßlich. Dies gelte auch für den Frequenzbereich, zumal die für das Entdröhnen verantwortlichen Frequenzen von 150 bis 220 Hz weit außerhalb des in den Normblättern gemäß D21 und D22 angegebenen niedrigen Frequenzbereichs lägen. Der Gegenstand des Anspruchs des Streitpatents sei daher aufgrund der fehlenden Angaben zum Parameter Dämpfungsfaktor im Sinne von Artikel 83 und 100 b) EPÜ nicht ausführbar.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie ist zulässig.

2. Zulässigkeit der Änderungen des Patentanspruchs 1

Der geltende Anspruch 1 entspricht, abgesehen von formalen Änderungen, sinngemäß dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruch 1. Er weist alle im erteilten Anspruch 1 enthaltenen Merkmale auf und stützt sich auf die Merkmale aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 4 bis 6, 8, 9 und 12.

Der Anspruch 1 entspricht daher unbestritten den Anforderungen von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.

3. Klarheit

Die von der Beschwerdegegnerin als unklar bezeichneten Begriffe a) "geringer" Strömungswiderstand eines Schaumstoffes und b) die "unübliche" Angabe eines Elastizitätsmoduls für einen mehrschichtigen Verbundwerkstoff" sind im wesentlichen unverändert schon im erteilten Anspruch 1 vorhanden.

Klarheitseinwände im Sinne von Artikel 84 EPÜ gegen Anspruchsmerkmale sind im Einspruchsverfahren nur dann zu prüfen, wenn sie die Entscheidung über die Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ beeinflussen oder sich im Zusammenhang mit Sachverhalten stellen, die wegen solcher Einspruchsgründe geändert wurden. Beides ist hier jedoch offensichtlich nicht der Fall, wie im folgenden dargelegt wird.

4. Ausführbarkeit (Artikel 83, 100 b) EPÜ) des Gegenstandes nach dem Anspruch 1

4.1. Die in Absatz 3 unter a) genannte, angeblich gegen das Klarheitserfordernis verstoßenden Angabe im Anspruch 1 stellt nach Überzeugung der Kammer die Ausführbarkeit der beanspruchten Dämpfungsmatte nicht in Frage, da die "Weichschicht (2) mit geringem Strömungswiderstand" im wesentlichen durch ihre weiteren im Anspruch definierten Parameter gekennzeichnet ist und die beanstandete Formulierung lediglich eine ergänzende, zur Klassifizierung der Weichschicht nicht unbedingt notwendige Angabe darstellt.

Der in der ersten Zeile des Anspruchs 1 angegebene, auf die mehrschichtige Dämpfungsmatte bezogene Elastizitätsmodul betrifft eine auch bei mehrschichtigen Materialien meßbare Angabe und stellt daher die Ausführbarkeit ebenfalls nicht in Frage.

4.2. Der die Weichschicht betreffende Dämpfungsfaktor von > 0,05 dient neben den weiteren Angaben zum Material und Raumgewicht sowie zur Dicke der Kennzeichnung eines nach übereinstimmender Erklärung der Verfahrensbeteiligten seit langem im Handel erhältlichen Schaumstoffs und stellt daher offensichtlich eine Anweisung zur richtigen Auswahl des zur Lösung der gestellten Aufgabe einzusetzenden Schaumstoffes dar. Dem für die Funktion der Dämpfungsmatte nicht unbeachtlichen Merkmal Dämpfungsfaktor > 0,05 kommt daher auch eine gewisse Bedeutung für die Ausführbarkeit des beanspruchten Gegenstandes zu.

4.3. In der angefochtenen Entscheidung dienten die dort relevanten, im Beschwerdeverfahren nicht mehr erörterten Druckschriften

D9: Handbook of noise control, C. M. Harris, New York - Toronto - London, 1957, Seiten 14-9 bis 14-19, und

D10: Dr. Alois Stankiewicz GmbH - Information 118 (Sonderdruck aus Schweizer Aluminium Rundschau, Heft 5/1980)

zur Begründung des Widerrufs wegen fehlender Ausführbarkeit.

Bei diesen Veröffentlichungen handelt es sich um die Bestimmung des Dämpfungsverhaltens von Flächenkörpern, die mit einer fest haftenden oder lose aufgelegten Dämpfungsschicht bzw. Dämpfungsmatte ausgestattet sind. Bei solchen Meßmethoden ist es offensichtlich zur Bestimmung des Dämpfungsfaktors unumgänglich, u. a. auch Art und Dicke der beim Meßversuch mitverwendeten Flächenkörper anzugeben. Im Gegensatz zu der in der angefochtenen Entscheidung und damals auch vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung, daß die Bestimmung des Dämpfungsfaktors der Weichschicht anhand einer auf das zu entdröhnende Material aufgelegten Matte zu erfolgen habe, stellt der Dämpfungsfaktor der Weichschicht gemäß Patentanspruch ausschließlich eine Kennzeichnung der Weichschicht selbst ohne Bezug auf das zu entdröhnende Material dar. Meßmethoden, die den Dämpfungsfaktor eines Bleches mit aufgelegtem Dämpfungsmaterial betreffen, sind deshalb im vorliegenden Fall außer acht zu lassen, da sie für die Frage der Ausführbarkeit der beanspruchten Weichschicht im Sinne einer zuverlässigen Nacharbeitbarkeit offensichtlich ungeeignet sind.

Solche für den vorliegenden Fall ungeeignete Meßmethoden sind auch in den im Beschwerdeverfahren erörterten Druckschriften D11 und D25 angegeben, die daher für die Bestimmung des Dämpfungsfaktors für einen isoliert betrachteten Schaumstoff ebenso wenig in Frage kommen.

4.4. Bezüglich des auf die Weichschicht der Dämpfungsmatte bezogenen Dämpfungsfaktors von > 0,05 sind allerdings in den Unterlagen des Streitpatents keine Angaben hinsichtlich der Meßmethode für diesen Parameter enthalten. Die in der Beschreibung des Streitpatents, Spalte 2, Zeilen 8 bis 21 vorhandenen Hinweise auf einen "Versuch mit mehreren lose auf eine in Schwingungen versetzbare Stahlplatte aufgelegten erfindungsgemäßen Dämpfungsmatten" und der Hinweis auf Werte zwischen 70 und 120 dB/sec für die Abklingrate der Plattenschwingungen beziehen sich auf das Schwingungsverhalten einer Stahlplatte mit einer darauf lose aufliegenden Dämpfungsmatte und nicht auf die Weichschicht für sich, während der im Anspruch 1 angegebene Dämpfungsfaktor einen ausschließlich die Weichschicht der Dämpfungsmatte kennzeichnenden Parameter darstellt.

4.5. Der SAE-Bericht nach der D13 betrifft einen Vortrag auf einer Tagung vom 10. bis 13. Mai 1993 und lag nach Angabe der Beschwerdegegnerin (Eingabe vom 26.03.1999, Seite 2) spätestens am 4. Januar 1993 dem Kongreßveranstalter vor. Die D13 ist demnach erst nach dem Prioritätstag des Streitpatents vom 9. Mai 1992 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Dies gilt auch für die von dem Beschwerdeführer genannten Beweismittel D22 und D23, deren Veröffentlichungsdaten auf 12/1996 bzw. 1998 lauten. Der Inhalt dieser Druckschriften ist daher für den Nachweis des am Prioritätstag des Streitpatents bestehenden Fachwissens ungeeignet.

4.6. Zweifelsfrei zum Stand der Technik gehören die Druckschriften D21, D24 und D2. Die DIN-Norm gemäß D21 betrifft eine Meßmethode für das mechanische Verhalten von polymeren Werkstoffen, wobei mittels eines Torsionsschwingungsgerätes neben dem Schubmodul das logarithmische Dekrement ermittelt wird, das ein Maß für die innere Dämpfung, d. h. den mechanischen Verlustfaktor bzw. Dämpfungsfaktor des Probekörpers ist, vgl. die Abschnitte 1 und 2 der D21.

Das Kunststoff-Handbuch Polyurethane nach D24 befaßt sich unter Kapitel 9.2 mit der Ermittlung der Werkstoffeigenschaften und auf den Seiten 504, 505 (Kapitel 9.2.10.2) u. a. mit der Ermittlung der Temperaturabhängigkeit der mechanischen Dämpfung, d. h. des Dämpfungsfaktors.

In der D2 ist im Zusammenhang mit der Messung von Dämpfungsfaktoren für eine Schwerschicht auf PUR-Basis mit Haftschicht auf eine Messung nach der "Oberst-Methode" verwiesen. Bei dieser Methode handelt es sich, wie die Beschwerdegegnerin erklärt hat, um ein Verfahren, aus dem das in der DIN-Norm gemäß D21 bekannte Meßverfahren entwickelt wurde.

Da auch die in Bild 9.22 der D24 gezeigte Prinzip-Skizze des Versuchsaufbaus mit dem Schema des Torsionsschwingungsgerätes nach Bild 2 der DIN-Norm gemäß D21 übereinstimmt, betreffen die Vorveröffentlichungen D21, D24 und D2 im wesentlichen ein- und dieselbe Meßmethode für den Dämpfungsfaktor von PUR-Schaumstoffen. Hierbei wird ein aus dem zu untersuchenden Stoff bestehender Probekörper als auf Torsion beanspruchtes Federelement in einem sogenannten Torsionspendel benutzt, an dessen unterem Ende eine Schwungscheibe befestigt ist, wobei aus den im Frequenzbereich zwischen 0,1 Hz bis 10 Hz angeregten Torsionsschwingungen und deren Veränderung u. a. der Dämpfungsfaktor bestimmt wird.

4.7. Dies gilt auch für die mit keinem Veröffentlichungsdatum versehene, vom Vertreter des Beschwerdeführers angeblich im Zeitraum 1988/89 aus dem Prüfstoff eines deutschen Patentprüfers abgelichtete D20, in der auf Seite 20 im Zusammenhang mit den Angaben zur Bestimmung des "mechanischen Verlustfaktors" (Dämpfungsfaktors) ausdrücklich auf die DIN-Norm 53445 gemäß D21 verwiesen ist. Dabei ist unter der Diagrammspalte "Prüfgeräte und Probekörper" der Frequenzbereich von 0,1 Hz bis 20 Hz angegeben. Zusätzlich zu diesem Torsionsschwingungsgerät gemäß der DIN-Norm ist in der D20 für die Bestimmung des mechanischen Verlustfaktors (Dämpfungsfaktors), ohne Bezugnahme auf eine DIN-Norm, auch ein Biegeschwingungsversuch beschrieben, welcher dem Frequenzbereich von 20 Hz bis 10 000 Hz zugeordnet ist.

Bei letzterem in der D20 genannten Prüfgerät wird ein am oberen Ende fest eingespannter Probekörper an seinem unteren Ende mittels eines elektromagnetischen Wandlers zu stationären Biegeschwingungen in Resonanz erregt. Dieses Biegeschwingungsgerät ist für die Messung von Parametern eines PUR-Schnittschaumstoffs (mit einem Raumgewicht zwischen 10 und 200 kg/m3) nicht geeignet, da sich ein solch weicher, poröser Schaumkörper offensichtlich nicht zur Anregung von Resonanz-Biegeschwingungen im Frequenzbereich zwischen 20. bis 10 000 Hz eignet. Hingegen stellt das in der D20 ebenfalls genannte Torsionsschwingungsgerät nach DIN-Norm gemäß D21, bei dem der Probekörper in Form eines Bandes mit vorgegebenen Abmessungsbereichen mit niedriger Frequenz zu Torsionspendelschwingungen angeregt wird, die einzige geeignete bekannte Methode für die Untersuchung des in Rede stehenden Schnittschaumstoffes dar.

4.8. Aus den vorstehenden Gründen folgt, daß für die Ermittlung des im Patentanspruch angegebenen Parameters "Dämpfungsfaktor von > 0,05" für den Fachmann allein die Torsionsschwingungsmethode, wie sie aus der DIN-Norm gemäß D21 bekannt ist, in Frage kommen dürfte.

4.9. Der Einwand der Beschwerdegegnerin, daß die Schwingungsfrequenzen im Hörbereich weit über den in der DIN-Norm gemäß D21 angegebenen niedrigen Frequenzen lägen und daher z. B. die von der DIN-Norm abweichende, auf Biegeschwingung gestützte Meßmethode nach der D20 geeigneter sei, geht insofern ins Leere, als es sich bei dem Parameter Dämpfungsfaktor, wie schon erwähnt, lediglich um eine Angabe zur Klassifizierung eines polymeren Schaumstoffs mittels seines mechanischen Verhaltens handelt. Eine Messung mittels eines hochfrequent schwingenden Bleches ist dagegen für einen Klassifizierungsparameter eines weichen Schaumstoffs irrelevant.

4.10. Da bei der einzig geeigneten Meßmethode (DIN-Norm D21) ein eng begrenzter Meßbereich von etwa 0,1 bis 10 Hz, z. B. 1 Hz, genannt ist, stellt die fehlende Angabe der bei der Messung verwendeten Frequenz keinen wesentlichen Mangel im Sinne von Artikel 83 oder 100 b) EPÜ dar.

Die Torsionsschwingungsmessungen gemäß DIN-Norm nach D21 führen zwar zu temperaturabhängigen Verläufen des mechanischen Dämpfungsfaktors, wie dies in Bild 9.23 der D24 u. a. für einen weichelastischen PUR-Schaumstoff dargestellt ist. Diese Darstellung zeigt jedoch auch, daß der Dämpfungsfaktor weichelastischer PUR-Schaumstoffe in Temperaturbereichen über 0° C, d. h. bei Temperaturen, wie sie am Fahrzeugboden meist vorliegen, relativ linear verläuft, während in Temperaturbereichen unter 0° C ein Extremwert zwischen steil ansteigenden und abfallenden Kurvenästen vorhanden ist. Aufgrund dieses bekannten, temperaturabhängigen Verlaufs des Dämpfungsfaktors für die in Rede stehenden Schaumstoffe ist die Bestimmung eines konkreten Dämpfungsfaktors nur für über 0° C liegenden Temperaturbereich sinnvoll, in dem der Wert des Dämpfungsfaktors im wesentlichen linear ist.

In diesem Zusammenhang ist in der DIN-Norm gemäß D21 unter Absatz 1 auch angegeben, daß der Versuch mit nur einer Temperatur nur als Abnahmebedingung für Stoffe dienen kann, deren umfassendes Verhalten bekannt ist. Dies ist beim in Rede stehenden Schnittschaumstoff der Fall, der, wie von den Verfahrensbeteiligten versichert wurde, im freien Handel erhältlich war.

Wenngleich im Prüfbericht (Absatz 8) der DIN-Norm gemäß D21 angegeben ist, daß im Zusammenhang mit den Prüfergebnissen auch die Angabe der Frequenz bei jeder Temperatur wünschenswert ist, so folgt aus den vorstehenden Betrachtungen, daß der Dämpfungsfaktor auch ohne Temperatur- und Frequenzangabe keine unbestimmte, sondern eine wiederholbare Größe darstellt.

Dabei ist zu berücksichtigen, daß eine Dämpfungsmatte mit den Merkmalen des Anspruchs 1 des Streitpatents nur dann als zum Erfindungsgegenstand gehörend anzusehen ist, wenn bei der Dämpfungsfaktormessung mit dem Torsionschwingungsgerät gemäß DIN-Norm 53445 (D21) alle innerhalb des zulässigen Frequenzbereichs von etwa 0,1 - 10 Hz und innerhalb des für Dämpfungsmatten für Fahrzeugböden in Frage kommenden, eine in etwa linear verlaufende Dämpfungsfaktorkurve eingrenzenden Temperaturbereichs gemessenen Werte größer sind als der im Anspruch 1 geforderte Schwellenwert von 0,05.

4.11. Aus diesen Gründen kommt die Beschwerdekammer zu dem Schluß, daß das europäische Patent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Die Sache wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurückverwiesen.

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