J 0008/91 (Wiedereinsetzung) of 4.9.1992

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1992:J000891.19920904
Datum der Entscheidung: 04 September 1992
Aktenzeichen: J 0008/91
Entscheidung der Großen Beschwerdekammer: G 0005/92
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 122(5)
Schlagwörter: Restitutio - inapplicable time limit
Enlarged Board - referral (yes)
Orientierungssatz:

Geltungsbereich von Art. 122(5) EPÜ; ergänzende Vorlage zu J 0016/90 - Fabritius zu G 0003/91

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/91
J 0016/90
Anführungen in anderen Entscheidungen:
J 0009/92

Sachverhalt und Anträge

I. Durch die Entscheidung J 16/90-Fabritius hat die Juristische Beschwerdekammer der Großen Beschwerdekammer Rechtsfragen bezüglich der Anwendbarkeit von Artikel 122 EPÜ bei bestimmten Fristversäumnissen gestellt (Aktenzeichen der Großen Beschwerdekammer: G 3/91). Dabei geht es einerseits um die europäische Patentanmeldung (nachfolgend: Euro-Fall) und andererseits um die internationale Anmeldung bei Eintritt in die sog. regionale Phase des PCT beim EPA (nachfolgend: Euro-PCT- Fall). Im einzelnen wird auf die Entscheidung J 16/90 Bezug genommen. Die dort gestellten Rechtsfragen lauten wie folgt:

1. Zur Wiedereinsetzbarkeit von Fristen für Zahlungen, die zu Beginn des Verfahrens vor dem EPA zu zahlen sind:

a) Ist Artikel 122 EPÜ bei europäischen Anmeldungen anzuwenden auf die Fristen der Artikel 78, Absatz 2 und 79, Absatz 2 EPÜ?

b) Ist Artikel 122 EPÜ bei internationalen Anmeldungen anzuwenden auf die Frist zur Zahlung der in Artikel 158, Absatz 2, Satz 2 EPÜ genannten "nationalen Gebühr"?

2. Zur Wiedereinsetzbarkeit von Fristen zur Stellung des Prüfungsantrags:

a) Ist Artikel 122 EPÜ bei europäischen Anmeldungen anzuwenden auf die Frist des Artikels 94, Absatz 2 EPÜ?

b) Ist Artikel 122 EPÜ bei internationalen Anmeldungen anzuwenden auf die in Artikel 150 Absatz 2, Satz 4 EPÜ genannte Frist?

II. Die vorstehenden Rechtsfragen betreffen vier Arten von Fällen, nämlich hinsichtlich der Zahlungen zu Beginn des Verfahrens, d. h. der sog. "Eingangsgebühren" jeweils den Euro-Fall und den Euro-PCT-Fall (Frage 1a und 1b). Entsprechendes gilt hinsichtlich der Stellung des Prüfungsantrags (Frage 2a und 2b). Der mit der Entscheidung J 16/90-Fabritius der Großen Beschwerdekammer vorgelegte Fall ist ein Euro-Fall/Eingangsgebühren; er betrifft also bei enger Betrachtung nur die Frage 1a.

III. Bei der Juristischen Beschwerdekammer, vor allem aber bei der Eingangsstelle des Europäischen Patentamts sind Fälle jeder Art anhängig. Soweit aufgrund der bisherigen Rechtsprechung die Wiedereinsetzung nicht als durch Artikel 122 (5) EPÜ ausgeschlossen angesehen wird, wird die Wiedereinsetzung gewährt, sofern die Voraussetzungen von Artikel 122 (1) bis (3) EPÜ erfüllt sind. Dies hat zwangsläufig zur Folge, daß zur Juristischen Beschwerdekammer überwiegend Euro-Fälle gelangen. Euro- PCT-Fälle sind bei der Juristischen Beschwerdekammer nur anhängig, wenn für die Eingangsstelle des EPA als Erstinstanz ein anderer Grund für die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags maßgeblich war als allein die Frage der Anwendbarkeit von Artikel 122 EPÜ.

IV. Nachfolgend werden die anhängigen Fälle, beginnend mit dem bereits vorgelegten Fall J 16/90 unter Kennzeichnung der Art des Falles aufgeführt:

J 16/90-Fabritius: Euro-Fall/Eingangsgebühren

J 15/90-Duriron: Euro-Fall/Prüfungsantrag

J 08/91-Houpt: Euro-Fall/Prüfungsantrag

J 09/92-Decknology: Euro-P C T - Fall/Prüfungsantrag

J 20/92-Klehr: Euro-P C T - Fall/Eingangsgebühren

Entscheidungsgründe

1.1. Die Juristische Beschwerdekammer hat sich entschlossen, anläßlich der Beschwerden J 15/90, J 08/91, J 09/92, J 20/92 der Großen Beschwerdekammer dieselben Rechtsfragen vorzulegen wie im Falle J 16/90 und dies mit derselben Begründung. Zusätzlich wird eine weitere, die PCT-Fälle betreffende Rechtsfrage vorgelegt.

1.2. In dem vorliegenden Fall J 08/91 und den erwähnten Fällen J 15/90, J 09/92 und J 20/92 ergeht jede Vorlage- Entscheidung gesondert. Es handelt sich nicht um eine Verfahrensverbindung i. S. v. Artikel 9 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (ABl. EPA 1983, 7). Die Entscheidungen sind, abgesehen von der Verfahrenssprache, inhaltlich identisch. Dadurch enthält die Vorlage-Entscheidung im einzelnen Fall auch Ausführungen, die andere Fälle betreffen. Die Beschwerdeführer erhalten auf diese Weise einen Überblick über die gesamte Situation.

2.1. Angesichts des inneren Zusammenhangs der Rechtsfragen erscheint eine erneute Vorlage derselben Rechtsfragen zwar nicht unbedingt notwendig. Die bisherige Vorlage zu G 3/91 beruht nämlich auf Artikel 112 (1) a) EPÜ. Sie hatte zwar das Verfahren J 16/90 zum Anlaß (vgl. Art. 112 (1) a) EPÜ: "bei - during - en cours"). Die Rechtsfragen sind aber - da von grundsätzlicher Bedeutung - allgemeine Rechtsfragen, die den konkreten Fall J 16/90 übergreifen. Die Fragen hängen auch deswegen zusammen, weil es um eine Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes geht.

2.2. Die Juristische Beschwerdekammer zieht es jedoch vor, dem Beispiel der Entscheidung T 184/91 zu folgen. Dort wurde der Großen Beschwerdekammer ein neuer Fall vorgelegt (G 11/91) mit derselben Fragestellung wie diese bereits in einem anderen Fall (G 3/89) der Großen Beschwerdekammer vorgelegt war. Auf diese Weise wird allen Beschwerdeführern auch formal zu einer Beteiligten- Stellung i. S. v. Artikel 112 (2) EPÜ verholfen. Allerdings gilt dies nicht für die Anmelder der bei der Eingangsstelle des Europäischen Patentamts anhängigen Fälle. Ferner kann den PCT-Anmeldern eine Beteiligten- Stellung i. S. v. Artikel 112 (2) EPÜ nur in solchen Fällen verschafft werden, in denen es primär um andere Probleme geht als um die Erlaubtheit der Wiedereinsetzung. Die Wiedereinsetzung wird bekanntlich in PCT-Fällen bisher als erlaubt angesehen.

2.3. Schließlich möchte die Juristische Beschwerdekammer der Großen Beschwerdekammer eine umfassende Beantwortung aller Rechtsfragen ermöglichen im Hinblick auf die in der Beschwerdeinstanz und vor allem bei der Eingangsstelle des EPA anhängigen und ausgesetzten Fälle. Alle Fragen warten auf eine Entscheidung von gleicher Autorität. Da ein Wandel in der bisherigen Rechtsprechung denkbar ist, sollte sich ein solcher auch nicht in Etappen vollziehen.

3. Auch in den nachfolgenden genannten Fällen hält die Juristische Beschwerdekammer eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer i. S. v. Artikel 112 (1) a) EPÜ für erforderlich.

3.1. In den neu vorgelegten Fällen ist - mit Ausnahme des Falles J 20/92-Klehr - die Beschwerde zulässig. Im Falle J 20/92 wäre zunächst eine Wiedereinsetzung in die Frist zur Beschwerdebegründung notwendig, bevor die Frage der Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in der Sache zur Entscheidung steht. Um der Beschwerde stattgeben zu können, bedarf es hier zweifacher Wiedereinsetzung, einmal in die Beschwerdebegründungsfrist und sodann in die Frist zur Zahlung der Eingangsgebühren bei Eintritt in die regionale Phase beim EPA. Sollte sich durch die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer ergeben, daß letzteres durch Artikel 122 (5) EPÜ ausgeschlossen ist, so wäre es kaum sinnvoll, daß sich der Beschwerdeführer überhaupt noch um eine Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist bemüht.

3.2. In dem neu vorgelegten Fall J 09/92-Decknology stellt sich die Frage, ob bei einem Euro-PCT-Fall die Wiedereinsetzung bei Versäumung der Prüfungsantragsfrist (genauer: der Nachfrist nach Regel 85 b) EPÜ) möglich ist, erst in zweiter Linie. Vorher kommt es darauf an, ob die Mitteilung nach Regel 85 b) EPÜ wirksam zugestellt ist. Diese Frage hat aber nur dann eine den Fall allein entscheidende Bedeutung, wenn feststeht, daß eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen ist. Euro-PCT-Fälle, bei denen es ganz allein auf die Wiedereinsetzung ankommt, liegen bei der Juristischen Beschwerdekammer nicht vor, weil die Erstinstanz hier den Artikel 122 EPÜ grundsätzlich anwendet.

4. Durch die Vorlage der neuen Fälle liegen der Großen Beschwerdekammer nunmehr alle Fallgestaltungen nach den gestellten Rechtsfragen 1a, 1b, 2a, 2b vor, nämlich:

Rechtsfrage 1a: J 16/90-Fabritius

Rechtsfrage 1b: J 20/92-Klehr

Rechtsfrage 2a: J 15/90-Duriron und J 08/91-Houpt

Rechtsfrage 2b: J 09/92-Decknologie

5. Durch eine Beantwortung der der Großen Beschwerdekammer vorliegenden Rechtsfragen in ihrer Gesamtheit sind nach Auffassung der Juristischen Beschwerdekammer alle Vorlagen erledigt.

6. Nunmehr werden der Großen Beschwerdekammer auch PCT-Fälle vorgelegt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Große Beschwerdekammer hier - entgegen bisheriger Rechtsprechung und laufend geübter Praxis - die Wiedereinsetzung für ausgeschlossen erklärt. In diesem Fall könnte sich ein Übergangsproblem ergeben. Diesem ist die zusätzlich gestellte Rechtsfrage gewidmet.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. In den Beschwerdefällen J 15/90, J 08/91, J 09/92 und J 20/92 werden der Großen Beschwerdekammer dieselben Rechtsfragen mit derselben Begründung vorgelegt wie im Falle J 16/90 (G 3/91).

2. Zusätzlich wird der Großen Beschwerdekammer folgende Frage vorgelegt:

Ist die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer dann, wenn die Rechtsfrage 1b oder 2b zu verneinen, also eine Wiedereinsetzung in den betreffenden PCT-Fällen ausgeschlossen ist, unmittelbar auch auf alle anhängigen Fälle anzuwenden?

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