J 0015/85 (Verzicht auf Anspruch) of 10.7.1986

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1986:J001585.19860710
Datum der Entscheidung: 10 Juli 1986
Aktenzeichen: J 0015/85
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: EN
Verteilung:
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: nicht veröff.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: Streicht der Anmelder Ansprüche aus einer europäischen Patentanmeldung, ohne dabei anzugeben, dass die Einreichung einer Teilanmeldung hiervon nicht berührt wird, so ist die Prüfungsabteilung verpflichtet, der späteren Einreichung einer Teilanmeldung ihre Zustimmung zu versagen.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 R 25(1)(a)
Schlagwörter: Verzicht auf Anspruch
Anspruch/Verzicht
Teilanmeldung/Versagung der Zustimmung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0001/05
G 0001/06
J 0015/95
J 0016/95
J 0017/95
J 0024/95
J 0025/95
J 0019/96
J 0029/97
J 0002/01
T 0441/92
T 0910/92
T 0762/07
T 0144/09
T 1878/14
T 0344/16

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. ... wurde am 24. August 1979 im Namen von X eingereicht; sie nimmt die Priorität zweier am 28. August 1978 und am 18. April 1979 in den Vereinigten Staaten von Amerika eingereichter nationaler Anmeldungen in Anspruch. Die Anmeldung wurde am 5. März 1980 veröffentlicht.

II. Am 15. Juni 1981 übertrug X dem jetzigen Beschwerdeführer neben anderen Anmeldungen auch die europäische Patentanmeldung Nr. ...

III. In einem Bescheid vom 14. Oktober 1981 teilte die Prüfungsabteilung dem Beschwerdeführer mit, daß die europäische Patentanmeldung den Erfordernissen des Europäischen Patentübereinkommens nicht genüge, da es allen 16 Patentansprüchen entweder an Neuheit oder an erfinderischer Tätigkeit mangele.

IV. Der Vertreter des Beschwerdeführers reichte mit seiner Erwiderung vom 1. Februar 1982 einen neuen Satz von 9 Ansprüchen ein, die alle früheren ersetzen sollten.

V. In einem zweiten Bescheid vom 17. Juni 1982 erklärte die Prüfungsabteilung, Anspruch 1 sei mit einigen redaktionellen Änderungen möglicherweise gewährbar.

VI. Mit Schreiben vom 30. September 1982 legte der Vertreter des Beschwerdeführers einen Satz von 4 Ansprüchen vor, die den früheren Ansprüchen 1 bis 4 entsprachen, wobei der Anspruch 1 so geändert worden war, wie es die Prüfungsabteilung in ihrem Bescheid vom 17. Juni 1982 vorgeschlagen hatte. Gleichzeitig erklärte er die übrigen Ansprüche für gestrichen.

VII. Die Ankündigung der Mitteilung nach Regel 51 (4) und (5) EPÜ mit der für die europäische Patentanmeldung vorgeschlagenen Fassung wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 28. Juni 1983 zugesandt.

VIII. Am 19. September 1983 teilte die Prüfungsabteilung dem Vertreter des Beschwerdeführers in der Mitteilung nach Regel 51 (4) und (5) EPÜ mit, daß sie beabsichtige, auf der Grundlage der geänderten Fassung der Patentanmeldung ein europäisches Patent zu erteilen.

IX. Mit Schreiben vom 10. November 1983 teilte der Vertreter des Beschwerdeführers der Prüfungsabteilung mit, daß nach Auffassung des Beschwerdeführers ein sehr viel breiterer Schutz gewährt werden sollte als der, der sich aus den in der Mitteilung nach Regel 51 (4) und (5) EPÜ angegebenen Ansprüchen ergebe; es werde nämlich Schutz für die im Verfahren des Beschwerdeführers verwendete Zusammensetzung angestrebt, der durch die Einreichung einer Teilanmeldung erlangt werden könne.

X. Am 14. November 1983 reichte der Beschwerdeführer eine Teilanmeldung für die Zusammensetzung ein und erklärte in einem Begleitschreiben, daß sich die Einreichung einer Teilanmeldung erst nach Erhalt der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ als notwendig herausgestellt habe.

XI. Mit Entscheidung vom 15. März 1984 wurde auf die Anmeldung Nr. ... ein europäisches Patent auf der Grundlage der in der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ genannten Unterlagen erteilt. Gegen diese Entscheidung wurde keine Beschwerde eingelegt.

XII. In einer Mitteilung nach Regel 69 (1) EPÜ vom 27. März 1984 erklärte die Eingangsstelle, daß die Teilanmeldung nach der von der Prüfungsabteilung festgesetzten Frist eingereicht worden sei und deshalb nach Regel 25 (1) a) EPÜ von der für die Prüfung der Stammanmeldung zuständigen Prüfungsabteilung hätte gebilligt werden müssen. Die Prüfungsabteilung verweigere ihre Zustimmung, weil die Einreichung der Teilanmeldung in einem zu weit fortgeschrittenen Stadium des Erteilungsverfahrens zur Stammanmeldung erfolgt sei.

XIII. Mit Schreiben vom 25. Mai 1984 beantragte der Beschwerdeführer gemäß Regel 69 (2) EPÜ eine Entscheidung über diese Feststellung.

XIV. In der angefochtenen Entscheidung vom 25. Januar 1985 vertritt die Eingangsstelle die Auffassung, daß die Teilanmeldung nicht als solche behandelt werden könne, weil die zuständige Prüfungsabteilung der Einreichung einer Teilanmeldung nicht zugestimmt habe.

XV. Mit Schreiben vom 19. März 1985 legte der Vertreter des Beschwerdeführers dagegen Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung der Entscheidung der Eingangsstelle vom 25. Januar 1985. Die Beschwerdegebühr wurde fristgerecht entrichtet.

XVI. In der Beschwerdebegründung vom 24. Mai 1985 brachte der Vertreter des Beschwerdeführers folgendes vor:

(1) Der eigentliche Kern der Erfindung sei erkannt worden, nachdem die Frist zur Einreichung von Änderungsvorschlägen zur Stammanmeldung auf die Ankündigung hin abgelaufen und bevor die Entscheidung zur Erteilung eines Patents auf die ursprüngliche Anmeldung ergangen sei.

(2) Durch die Zulassung dieser Anmeldung als Teilanmeldung entstehe Dritten kein Nachteil, da der beantragte Patentanspruch der Anmeldung in der eingereichten und veröffentlichten Fassung bereits zu entnehmen gewesen sei; damit erübrige sich auch die Frage nach der Einführung ursprünglich nicht offenbarter Sachverhalte.

(3) Die Erfindung stelle einen wichtigen Beitrag zum Stand der Technik dar; dies sei ein weiterer Grund, der für die Einreichung einer Teilanmeldung spreche.

XVII. In einem Schreiben an die Beschwerdekammer vom 14. Februar 1986 wies der Vertreter des Beschwerdeführers darauf hin, daß im Falle einer anderen Anmeldung unter ähnlichen Umständen zugunsten des Anmelders entschieden worden sei.

XVIII. In einem Bescheid der Juristischen Beschwerdekammer vom 15. Mai 1986, der dem Vertreter des Beschwerdeführers zusammen mit einer Ladung zur mündlichen Verhandlung zuging, hieß es, daß im vorliegenden Fall zwei Tatsachen von besonderer Bedeutung seien, nämlich daß die Ansprüche 5 bis 9 der Stammanmeldung mit der Erwiderung des Vertreters vom 30. September 1982 auf den zweiten Bescheid der Prüfungsabteilung vom 17. Juni 1982 gestrichen worden seien und daß die Teilanmeldung erst nach Absendung der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ eingereicht worden sei.

XIX. In der mündlichen Verhandlung am 10. Juli 1986 bestätigte der Vertreter des Beschwerdeführers dessen Haupt- und Nebenantrag. Er machte geltend, der Beschwerdeführer habe nie auf den Gegenstand des Anspruchs 8 verzichtet, da die zugehörige Beschreibung noch immer in der Stammanmeldung enthalten sei. Außerdem würde das Interesse der Öffentlichkeit nicht verletzt, wenn eine Teilanmeldung eingereicht würde, weil die Öffentlichkeit den Gegenstand der Stammanmeldung nicht ohne den der Teilanmeldung ausführen könne und diese nur eine Zusammensetzung betreffe, die in dem Verfahren nach der Stammanmeldung verwendet werde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.

2. Die Beschwerdekammer ist nach Artikel 114 (1) EPÜ verpflichtet, in den vor ihr anhängigen Verfahren den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln; sie ist dabei weder auf das Vorbringen noch auf die Anträge der Beteiligten beschränkt. Im vorliegenden Fall vertritt die Kammer von Amts wegen den Standpunkt, daß der Beschwerdeführer auf den betreffenden Gegenstand der Ansprüche der Stammanmeldung verzichtet hat.

3. Nach Erhalt der Mitteilung der Prüfungsabteilung nach Artikel 96(2) und Regel 51 (2) EPÜ vom 17. Juni 1982 änderte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30. September 1982 die Stammanmeldung, indem er neue Ansprüche einführte, die den früheren Ansprüchen 1 bis 4 entsprachen, und erklärte, daß die übrigen Ansprüche gestrichen werden sollten. Bei der Streichung dieser Ansprüche hat der Beschwerdeführer nicht angegeben, daß die Einreichung einer Teilanmeldung hiervon nicht berührt werden solle. Damit stand eindeutig fest, daß der Beschwerdeführer für die Zusammensetzungen an sich keinen Schutz mehr beanspruchte, auch wenn die Beschreibung der Patentanmeldung noch die Angaben über die Zusammensetzungen enthielt, die Gegenstand der gestrichenen Ansprüche waren. In Artikel 84 EPÜ heißt es nämlich ausdrücklich, daß die Patentansprüche den Gegenstand angeben müssen, für den Schutz begehrt wird.

4. Zum Zeitpunkt des Verzichts auf die Ansprüche auf die Zusammensetzungen als solche war die Stammanmeldung bereits veröffentlicht worden, so daß die Öffentlichkeit Zugang zur Akte hatte. Da diese keinen Hinweis auf die Einreichung einer Teilanmeldung enthielt, mußte die Öffentlichkeit zu Recht annehmen, daß der Beschwerdeführer auf die Zusammensetzungen an sich unwiderruflich verzichtet hatte und auch später keinen Schutz dafür begehren würde. Der Vertreter des Beschwerdeführers wurde von der Kammer in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, daß ein Dritter die Zusammensetzungen als solche in den benannten Staaten herstellen und zur Verwendung in anderen Staaten verkaufen dürfe.

5. Nach diesem Verzicht war die Prüfungsabteilung also in jedem Fall verpflichtet, ihre Zustimmung zur späteren Einreichung einer Teilanmeldung zu verweigern. Unter diesen Umständen braucht nicht geprüft zu werden, ob die Prüfungsabteilung ihre Zustimmung zu Recht mit der Begründung verweigert hat, daß die Teilanmeldung erst eingereicht worden sei, nachdem die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ zur Stammanmeldung abgesandt worden war. Dies darf jedoch nicht so verstanden werden, daß mit der vorliegenden Entscheidung in irgendeiner Weise der Grundsatz in Frage gestellt werden soll, nach dem die Prüfungsabteilung ihre Zustimmung verweigert hat.

6. Die Kammer kann keine Anhaltspunkte finden, die eine Stattgabe dieser Beschwerde rechtfertigen könnten.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Eingangsstelle vom 25. Januar 1985 wird zurückgewiesen.

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