European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:J003603.20050222 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 Februar 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | J 0036/03 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99810710.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | F01D 5/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Strömungsmaschine mit gekühlter Rotorwelle | ||||||||
Name des Anmelders: | ALSTOM (Switzerland) Ltd | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.1.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ermäßigung der Prüfungsgebühr bei Einreichung des Prüfungsantrags in einer zugelassenen Nichtamtssprache aber bei Übertragung der Patentanmeldung vor Zahlung der Prüfungsgebühr auf einen Anmelder, der nicht dem in Artikel 14 (2) EPÜ festgelegten Personenkreis unterfällt - ja | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung des Europäischen Patentamts, daß der Anmelderin im Gegensatz zu ihrer Rechtsvorgängerin ein Anspruch auf Ermäßigung der Prüfungsgebühr nach Regel 6 (3) EPÜ nicht zusteht.
II. Die frühere Anmelderin, eine Schweizer Aktien- gesellschaft, hatte zusammen mit dem Antrag auf Erteilung eines europäischen Patents einen Prüfungs- antrag in italienischer Sprache gestellt. Das entsprechende Feld im EPA-Formblatt 1001.1 enthält bereits vorgedruckt eine Übersetzung des Prüfungsantrags in die drei Amtssprachen.
III. Mit Wirkung vom 31. Oktober 2001 wurde antragsgemäß der Rechtsübergang der Anmeldung auf eine französische Gesellschaft eingetragen.
IV. Nach Veröffentlichung des europäischen Recherchen- berichts am 23. Januar 2002 zahlte die Anmelderin am 11. Juli 2002 die Prüfungsgebühr in voller Höhe, beantragte jedoch gleichzeitig eine Gebührenermäßigung nach Regel 6 (2) EPÜ, weil ihre Rechtsvorgängerin den schriftlichen Prüfungsantrag bereits bei der Einreichung der Anmeldung in einer nach Artikel 14 (4) EPÜ zugelassenen Sprache gestellt, und damit im Sinne der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 0006/91 die erste wesentliche Verfahrenshandlung in einer zugelassenen Nichtamtssprache vorgenommen habe, deshalb seien 20 % der Prüfungsgebühr zurückzuzahlen.
V. Nach Mitteilung des Europäischen Patentamts, daß der Anspruch auf Gebührenermäßigung nach der Übertragung der Patentanmeldung auf die französische Anmelderin nicht mehr bestehe, bat die Anmelderin unter Ergänzung und Vertiefung ihrer Argumente um Überprüfung dieser Auffassung und, falls diese ohne Erfolg bleiben solle, um eine Entscheidung nach Regel 69 Absatz 2 EPÜ.
VI. Mit Entscheidung vom 18. Juni 2003 wies das Europäische Patentamt den Antrag auf Ermäßigung der Prüfungsgebühr zurück, weil eine solche allein den in Artikel 14 (2) EPÜ genannten Anmeldern zustehe. Zu diesem Kreis gehöre zwar die frühere Anmelderin. Allerdings gelte ein Prüfungsantrag erst als gestellt, wenn die Prüfungs- gebühr entrichtet worden sei. Diese habe jedoch erst die französische Rechtsnachfolgerin bezahlt, die ihrerseits nicht zu dem nach Artikel 14 (2) EPÜ berechtigten Anmelderkreis gehöre, so daß die Prüfungsgebühr zum Zeitpunkt ihrer Zahlung in voller Höhe fällig gewesen sei. Dies werde auch von der Großen Beschwerdekammer so gesehen, wie aus G 0006/91 Nr. 21 der Entscheidungs- gründe vorletzter Satz folge: "Bekräftigt wird dies durch die Tatsache, daß etwa die Eigentumsrechte an der Anmeldung zwischenzeitlich einer anderen Person übertragen worden sein könnten, die die Bedingungen des Artikels 14 (2) und (4) EPÜ nicht mehr erfüllt". Genau diese Situation liege auch hier vor. Denn nach der Stellung des Prüfungsantrags in italienischer Sprache nebst Übersetzung in die drei Amtssprachen habe die erste Anmelderin nicht die weiter notwendige Handlung, nämlich die Zahlung der Prüfungsgebühr vorgenommen, ohne die aber der Prüfungsantrag nicht als gestellt gelte.
VII. Hiergegen richtet sich die unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr am 6. August 2003 eingereichte Beschwerde, die am 15. Oktober 2003 wie folgt begründet worden ist:
Zu Unrecht stelle die angefochtene Entscheidung darauf ab, ob die Zahlung der Prüfungsgebühr durch einen zur Inanspruchnahme der Gebührenermäßigung berechtigten Anmelder vorgenommen worden sei. Denn der Rechtsauskunft 6/91 folgend sei die Zahlung von Gebühren nicht Bestandteil des Verfahrens, für das gezahlt werde. Gebühren könnten auch von jedermann wirksam entrichtet werden. Im übrigen stellten die gesetzlichen Regelungen für die Begründung eines Anspruchs auf Gebühren- ermäßigung allein darauf ab, ob eine dazu berechtigte Person ein fristgebundenes Schriftstück in einer für sie zugelassenen Nichtamtssprache eingereicht hat. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt. Daraus leite sich gemäß Regel 6 (3) EPÜ unmittelbar das Anrecht auf eine Ermäßigung der Prüfungsgebühr ab. Regel 6 (3) EPÜ enthalte keinerlei Einschränkung im Hinblick auf den Personenkreis, auf den sich diese Rechtsfolge erstrecke. Die Vorschriften stellten nicht darauf ab, wer den Prüfungsantrag "rechtskräftig" oder "wirksam" gestellt oder gar, wer die Prüfungsgebühr bezahlt habe. Die gesetzliche Fiktion des Artikels 94 (2) EPÜ sei hier bedeutungslos, da es allein auf die Verfahrenshandlung, nämlich die Einreichung des Prüfungsantrags ankomme. Dies habe auch die Große Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 0006/91 so gesehen. Im übrigen gelte mit der Zahlung der Prüfungsgebühr - durch eine beliebige Person - der Prüfungsantrag mit ex-tunc-Wirkung an dem Tag als gestellt, an dem der schriftliche Prüfungsantrag eingereicht worden sei. Damals sei aber die Schweizer Aktiengesellschaft Anmelderin gewesen, die ohne Zweifel zu dem nach Artikel 14 (2) EPÜ berechtigten Personen- kreis gehöre.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragt:
- die am 18. Juni 2003 erlassene Entscheidung der Eingangsstelle aufzuheben;
- eine Ermäßigung der Prüfungsgebühr gemäß Regel 6 (3) EPÜ zu gewähren;
- einen Betrag in Höhe von 20 % der Prüfungsgebühr gemäß Artikel 12 (2) GebO zurückzuerstatten.
hilfsweise
eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Entscheidungsgründe
1. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
2. Nach Artikel 94 (2) EPÜ ist ein Anmelder, der eine Prüfung seiner europäischen Patentanmeldung durch das Europäische Patentamt wünscht, verpflichtet hierfür eine Gebühr zu zahlen. Gemäß Artikel 4 (1) GebO wird die Prüfungsgebühr mit dem Eingang des Prüfungsantrags fällig. Dieser kann gemäß Artikel 94 (2), Satz 1 EPÜ bis zum Ablauf von sechs Monaten nach dem Tag gestellt werden, an dem im europäischen Patentblatt auf die Veröffentlichung des europäischen Recherchenberichts hingewiesen worden ist.
3. Die konkrete Höhe der Prüfungsgebühr ist der Gebührenordnung (GebO) zu entnehmen und kann für den Fall ihres vollen Satzes aus Artikel 2 Ziffer 6 GebO, für den Fall ihrer Ermäßigung aus Artikel 12 (1) GebO abgelesen werden. Die Voraussetzungen für einen Ermäßigungstatbestand - jedenfalls soweit er hier in Betracht zu ziehen ist - sind dagegen in Regel 6 (3) EPÜ festgelegt.
4. Diese Vorschrift, die in Kapitel I "Sprachen des europäischen Patentamts" der Ausführungsordnung zum EPÜ enthalten ist, stellt darauf ab, daß ein Anmelder, Patentinhaber oder Einsprechender von den durch Artikel 14 (2) und (4) EPÜ eröffneten Möglichkeiten Gebrauch macht. Danach besteht die Möglichkeit, europäische Patentanmeldungen (Artikel 14 (2) EPÜ) oder fristgebundene Schriftstücke (Artikel 14 (4) EPÜ) in einer anderen als den drei Amtssprachen des Europäischen Patentamts einzureichen.
5. Dem Sinn und Zweck der Bestimmungen des Artikels 14 (2) und (4) und der Regel 6 (3) EPÜ, nämlich einen zumindest teilweisen Ausgleich für die Nachteile zu schaffen, die Angehörigen von Vertragsstaaten, deren Amtssprache nicht Amtssprache des Europäischen Patentamts ist, dadurch entstehen, daß sie eine Übersetzung in eine der drei Amtssprachen des Europäischen Patentamts anfertigen lassen müssen (vgl. G 0006/91 Ziffer 11 der Entscheidungsgründe), entspricht es, daß die in Artikel 14 (2) und (4) EPÜ eingeräumten Möglichkeiten nur für solche Personen bestehen, die ihren Wohnsitz oder Sitz im Hoheitsgebiet eines solchen Vertragsstaates haben, in dem eine andere Sprache als Deutsch, Englisch oder Französisch Amtssprache ist oder die Angehörige eines solchen Staates mit Wohnsitz im Ausland sind.
6. Haben allerdings unter diesen Personenkreis fallende Anmelder, Patentinhaber oder Einsprechende von der Möglichkeit, eine europäische Patentanmeldung oder ein fristgebundenes Schriftstück - das ist im vorliegenden Fall die schriftliche Erklärung, Prüfungsantrag zu stellen - beim Europäischen Patentamt in einer zugelassenen Nichtamtssprache einzureichen, Gebrauch gemacht, entsteht der Anspruch auf Ermäßigung der in Regel 6 (3) EPÜ genannten Gebühren mit der Vornahme dieser Handlung (G 0006/91, Punkt 16 und 21 der Entscheidungsgründe). Die Gebühr wird nur in der ermäßigten Höhe fällig, (G 0006/91, Punkt 16 der Entscheidungsgründe) d. h. sie ist nur in der ermäßigten Höhe geschuldet. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Patentanmeldung, das Patent oder der Einspruch vor Zahlung der Gebühr auf einen anderen übertragen wird, der diese persönlichen Vorraussetzungen nicht erfüllt, und erst dieser die Prüfungsgebühr entrichtet.
7. Denn der Gebührenermäßigungsanspruch ist ebensowenig ein an die Person des nach Artikel 14 (2) oder (4) EPÜ Handelnden gebundenes, subjektives Recht wie es die Patentanmeldung, das Patent oder der Einspruch selbst ist.
Dies folgt für den Fall der Patentanmeldung, die für die Frage einer Ermäßigung der Prüfungsgebühr allein von Bedeutung ist, aus den Artikeln 71 f. EPÜ, wonach eine Patentanmeldung wie ein anderer Vermögensgegenstand rechtsgeschäftlich übertragen oder sonst als Gegenstand von Rechten verfügbar sein kann.
8. Der Anspruch des Amtes auf Zahlung einer Prüfungsgebühr entsteht in einem bestimmten Verfahrensstadium, nämlich dann, wenn (innerhalb der nach Artikel 94 (2) Satz 1 EPÜ vorgeschriebenen Frist) für die Patentanmeldung Prüfungsantrag gestellt worden ist. Hängt die Höhe dieser Prüfungsgebühr von besonderen Voraussetzungen ab, unter denen der Prüfungsantrag gestellt worden ist (vgl. Regel 6 (3) EPÜ), so haben sich diese Voraussetzungen mit der Stellung des Prüfungsantrags unter diesen Besonderheiten objektiviert. Sie bestimmen den Zustand der Patentanmeldung und gehen deshalb auch dann nicht verloren, wenn die Patentanmeldung auf einen anderen übertragen wird, der seinerseits die besonderen Voraussetzungen nicht erfüllt. Anders ausgedrückt, hat die Patentanmeldung, die in diesem Stadium übertragen wird, den Umfang und den Zustand, in dem sie der abgebende Anmelder übertragen hat, und sein Rechtsnachfolger rückt in ebendiese Rechtsstellung ein, die ihm der abgebende Anmelder übermittelt hat.
9. Zu Recht hat die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß Regel 6 (3) EPÜ als Rechtsfolgenregelung die Gebührenermäßigung von der Verwirklichung der Voraussetzungen des Artikels 14 (2) und (4) EPÜ abhängig macht und nicht davon, daß diese zum Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung der Prüfungsgebühr fortbestehen.
10. Etwas anderes folgt auch nicht aus Artikel 94 (2) Satz 2 EPÜ, wonach der (Prüfungs-)Antrag erst als gestellt gilt, wenn die Prüfungsgebühr entrichtet worden ist. Denn dabei handelt es sich lediglich um eine gesetzestechnische Formulierung, die im Wege einer Fiktion sicher stellen soll, daß das Europäische Patentamt die Prüfung einer europäischen Patentanmeldung nur vorzunehmen hat, wenn der Anmelder seiner Verpflichtung zur Zahlung der Prüfungsgebühr nachgekommen ist. Die Auslegung, wie sie in der angefochtenen Entscheidung vorgenommen worden ist, würde dazu führen, daß in Anmeldungen, in denen die Erklärung, Prüfungsantrag zu stellen, unter den Voraussetzungen des Artikels 14 (2) und (4) EPÜ abgegeben wurde, nicht in dem Umfang wie in anderen Anmeldungen die durch Artikel 94 (2), Satz 1 EPÜ eingeräumte Möglichkeit wahrgenommen werden könnte, das Ergebnis des europäischen Recherchenberichts zu erfahren, bevor entschieden wird, ob durch die Zahlung der Prüfungsgebühr die Fortsetzung des Erteilungsverfahrens bewirkt oder ob das Verfahren abgebrochen werden soll. Ein nach Artikel 14 (2) oder (4) EPÜ begünstigter Anmelder wäre nach der in der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Auslegung für den Fall einer Übertragung der Anmeldung genötigt, die Prüfungsgebühr ohne Ausnutzung der Überlegungsfrist "vorzeitig" zu zahlen, um den Gebührenvorteil für die Anmeldung zu erhalten.
11. Auch die Große Beschwerdekammer hat in ihrer Entscheidung G 0006/91 unter Ziffer 16 und 21 der Entscheidungsgründe darauf abgestellt, daß die Gebührenermäßigung nach Regel 6 (3) EPÜ unmittelbar mit der Verfahrenshandlung (Einreichung einer Patent- anmeldung, eines Prüfungsantrags, einer Einspruchs- oder Beschwerdeschrift) verknüpft ist, und es sich dabei um einen Anspruch handelt, der durch die Verfahrenshandlung entsteht. Allerdings hatte sich die Große Beschwerde- kammer nicht mit der Frage zu befassen, ob der Anspruch auf Gebührenermäßigung fortbesteht, wenn die Anmeldung nach der Vornahme der entsprechenden Handlung aber vor Zahlung der Gebühr auf einen Anmelder übertragen wird, dem nicht die nach Artikel 14 (2) oder (4) EPÜ eröffneten Möglichkeiten eingeräumt sind, sondern nur damit, ob es für die Ermäßigung einer anderen als der Anmeldegebühr ausreicht, wenn der Anmelder - nur - bei Einreichung der Patentanmeldung von den ihm nach Artikel 14 (2) oder (4) EPÜ eröffneten Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat. Deshalb können die in der angefochtenen Entscheidung zitierten Ausführungen der Großen Beschwerdekammer unter Ziffer 21 der Entscheidungsgründe G 0006/91 die von der Eingangsstelle vertretene Auffassung nicht stützen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Verfahren wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, der Beschwerdeführerin 20 % der Prüfungsgebühr zu erstatten.