D 0007/93 () of 15.2.1995

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1995:D000793.19950215
Datum der Entscheidung: 15 Februar 1995
Aktenzeichen: D 0007/93
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 70 KB)
-
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
-
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer hat sich vom 8. bis 10. April 1992 der europäischen Eignungsprüfung unterzogen. Seine vier Prüfungsarbeiten sind wie folgt bewertet worden:

Prüfungsarbeit A:4 (befriedigend)

Prüfungsarbeit B:6 (sehr mangelhaft)

Prüfungsarbeit C:5 (mangelhaft)

Prüfungsarbeit D:4 (befriedigend)

II. Mit Schreiben vom 9. Oktober 1992 wurde dem Beschwerdeführer die Entscheidung der Prüfungskommission mitgeteilt, daß er die europäische Eignungsprüfung nicht bestanden habe.

III. Gegen die Entscheidung der Prüfungskommission, deren Abgabe zur Post am 14. Oktober 1992 erfolgt ist, hat der Beschwerdeführer am 17. Dezember 1992 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Am 12. Januar 1993 hat der Beschwerdeführer eine Beschwerdebegründung eingereicht.

IV. Der Beschwerdeführer macht geltend, daß sein ungenügendes Prüfungsergebnis auf mißverständliche Prüfungsunterlagen zurückzuführen sei. Bei der Bearbeitung der Prüfungs­aufgabe C sei er nämlich davon ausgegangen, daß der in den Prüfungsunterlagen als Anlage 2 enthaltene Prüfungsbescheid lediglich aus Seite 92/C/d/13 bestand. Die auf die Rückseite des Prüfungsbescheides kopierte Fortsetzung des Prüfungsbescheides habe er nicht erkannt und in seiner Arbeit nicht verwerten können. Im Vergleich zu seinen Kandidatenkollegen habe er daher weniger Angaben zur Lösung der Aufgabe zur Verfügung gehabt und der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe sei für ihn entsprechend anders als für seine Kandidatenkollegen gewesen. Sein Prüfungsergebnis sei daher durch das Verhalten der Prüfungskommission mitverursacht. In den Prüfungsunterlagen sei der Prüfungsbescheid des EPA nämlich nicht so wiedergegeben, daß bei einem vernünftigen Adressaten Mißverständnisse über seinen vollständigen Inhalt ausgeschlossen waren.

Der Beschwerdeführer vertritt ferner die Auffassung, daß der Vertrauensschutz, der nach Artikel 125 EPÜ und nach der Rechtsprechung (z. B. J 1/89; ABl. EPA 1992, 17) das Verfahren zwischen dem EPA und dem Anmelder beherrsche, auch auf das Verfahren zwischen der Prüfungskommission und den Prüfungskandidaten auszudehnen sei. Danach dürfe dem Kandidaten kein Nachteil daraus erwachsen, wenn er mißverständliche Prüfungsunterlagen zur Grundlage seiner Arbeit mache. Zum gleichen Ergebnis gelange man im übrigen auch bei Stützung allein auf die VEP: Nach Artikel 9 VEP sei Gegenstand der Prüfung der Nachweis von Kenntnissen. Die Sorgfalt und Umsicht eines Kandidaten bei der Prüfung der Prüfungsunterlagen selbst sei jedoch nicht Gegenstand der Prüfung.

V. Der Beschwerdeführer beantragt, die Benotung für seine Prüfungsarbeit C neu festzusetzen und dabei

- die Gesamtzahl der erreichbaren Punkte in den einzelnen Bereichen neu festzulegen, ausgehend von einer Prüfungsaufgabe C, bei der die Angaben aus Punkt 4 und 5 von der Rückseite des Prüfungs­bescheides nicht zur Verfügung stehen. Der Beschwerdeführer beantragt weiter, dabei

- die individuell in den einzelnen Bereichen erzielten Punkte neu festzulegen. Dabei sei die Schwierigkeit für sich genommen und die Schwierigkeit in Zusammenhang mit der zur Verfügung stehenden Zeit neu zu beurteilen. Die Schwierigkeit sei dadurch erhöht, daß von zusammengesetzten Informationen nur ein Teil zur Verfügung steht. Der vorhandene Informationsteil sei unter diesen Umständen schwieriger zu erkennen und aufzufinden. Die Schwierigkeit sei weiter erhöht, weil das Lösungssystem unter diesen Umständen Lücken aufweise, schwieriger zu erkennen sei, weil zum Einsatz dieses Lösungssystems klassische Argumentationslinien nicht benutzt und Vorbehalte überwunden werden müßten und weil außerdem noch Notkonstruktionen erdacht werden müßten. Schließlich beantragt der Beschwerdeführer, dabei

- aus der neu festgelegten Gesamtzahl der erreichbaren Punkte und der neu festgelegten Zahl der erreichten Punkte nach einem neu zu erstellenden Schlüssel die neue Endnote zu bestimmen.

VI. Die Prüfungskommission hat die Beschwerde gemäß Artikel 23 (3) VEP überprüft, aber beschlossen, ihr nicht abzuhelfen.

VII. Die Kammer hat sowohl dem Präsidenten des Rates des Instituts der zugelassenen Vertreter als auch dem Präsidenten des Europäischen Patentamts nach Artikel 23 (4) VEP in Verbindung mit Artikel 12, Satz 2 der "Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern" (ABl. EPA 1978, 91) Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, aber keiner von ihnen hat sich zur Beschwerde sachlich geäußert.

VIII. Mit Bescheid vom 19. Mai 1994 hat die Kammer dem Beschwerdeführer, in der Form einer vorläufigen Meinung, folgendes mitgeteilt:

Eine Anfrage beim Sekretariat der Prüfungskommission habe ergeben, daß die Anlage 1 (Seiten 1 bis 12) und die Anlage 2 (Seiten 13 bis 15) zur Prüfungsaufgabe C jedem Kandidaten zusammengeheftet zur Verfügung standen. Die bedruckten Seiten der einzelnen Blätter seien fortlaufend numeriert gewesen. Es sei daher nicht klar, wie der Beschwerdeführer die Seite 14 der Anlage 2 habe übersehen können. Ferner sei nicht ersichtlich, weshalb er verglichen zu seinen Kandidatenkollegen weniger Angaben zur Lösung der Aufgabe zur Verfügung gehabt habe oder in einer anderen Weise benachteiligt worden sei. Eine Verletzung der VEP und der Bestimmungen, die bei ihrer Durchführung anzuwenden sind, scheine deshalb nicht vorzuliegen.

IX. Mit Schreiben vom 18. August 1994 nahm der Beschwerde­führer zum Bescheid der Kammer Stellung. Darin macht der Beschwerdeführer im wesentlichen folgendes geltend:

- Der Bescheid der Kammer lasse keine objektive Auseinandersetzung mit seinem Vortrag erkennen. Er trage im wesentlichen vor, daß niemand eine Veranlassung hatte, eine Fortsetzung der Aufgabe zu suchen. Wenn aber trotzdem jemand sicherheitshalber eine Fortsetzung der Aufgabe gesucht hätte, dann hätte er sie nicht auf der Rückseite gesucht.

- Eine Heftung der Aufgabenblätter habe nichts mit dem von ihm vorgetragenen Fall zu tun. Aus dem Heften ergebe sich zwar die Notwendigkeit, daß die einzelnen Seiten umgeblättert werden müßten, man könne sie nicht einfach beiseite legen. Höchstens dieses erzwungene Umblättern könnte daher einen gewissen Zusammenhang ergeben zwischen der Heftung und seinem Vortrag.

- Mit dem Aspekt Umblättern habe er sich aber in seinem Vortrag bereits ausführlich auseinandergesetzt, ob dabei das Umblättern durch die Heftung erzwungen sei oder ob das Umblättern sich eher zufällig ergebe, spiele für die Argumente, die er vorgebracht habe, keine Rolle.

- Die Aufgabenblätter seien an der linken oberen Ecke zusammengeheftet gewesen. Das bedeute, daß jedes umgeblätterte Blatt links oben außerhalb des Aufmerksamkeitsbereiches liege, der Text stehe auf dem Kopf.

- Außer dem Hinweis auf das Heften enthalte der Bescheid auch die Anfrage, warum er meine, daß ihm durch die Auslassung verglichen zu seinen Kandidatenkollegen weniger Angaben zur Lösung zur Verfügung gestanden hätten, und warum er meine, daß er durch die Auslassung in anderer Weise benachteiligt gewesen sei. Ernst genommen lasse diese Anfrage den Rückschluß zu, daß nach Ansicht der Kammer die ausgelassene Seite 14 offensichtlich ganz überflüssig gewesen war. In Wirklichkeit sei aber mit dieser Anfrage vielleicht gemeint, welche Angaben auf der ausgelassenen Seite enthalten gewesen waren.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Nachforschungen der Kammer haben ergeben, daß Anlage 1 (Seiten 5 bis 12) und Anlage 2 (Seiten 13 bis 15) zu Prüfungsaufgabe C jedem Kandidaten zusammengeheftet zur Verfügung standen. Der Beschwerdeführer hat diese Tatsache nicht bestritten. Die bedruckten Seiten der einzelnen Blätter waren ferner fortlaufend numeriert. Blatt 1 der Anlage 2 war auf beiden Seiten beschriftet; deshalb trug die Vorderseite die Seitenzahl 13 und die Rückseite die Seitenzahl 14. Der Text auf der Rückseite erstreckte sich über mehr als die Hälfte der Seite und konnte daher bei einer sorgfältigen Lektüre der Anlage 2 unmöglich übersehen werden. Der Einwand des Beschwerde­führers, daß sein ungenügendes Prüfungsergebnis auf mißverständliche Prüfungsunterlagen zurückzuführen sei, sowie dessen Behauptung, daß er im Vergleich zu seinen Kandidatenkollegen weniger Angaben zur Lösung der Aufgabe C zur Verfügung gehabt habe und der Schwierigkeits­grad dieser Aufgabe für ihn entsprechend anders als für seine Kandidatenkollegen gewesen sei, sind daher als unbegründet zurückzuweisen.

3. Da, objektiv betrachtet, keine mißverständlichen Prüfungsunterlagen vorlagen, konnte dem Beschwerdeführer daraus auch kein Nachteil erwachsen. Im übrigen ist von einem angehenden zugelassenen Vertreter zu verlangen, daß er relevante Dokumente mit gebührender Sorgfalt liest.

4. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. D 1/92 [ABl. EPA 1993, 357]) sind Entscheidungen der Prüfungskommission grundsätzlich nur dahin zu überprüfen, ob nicht die VEP oder die bei ihrer Durchführung anzuwendenden Bestimmungen oder höherrangiges Recht verletzt sind. Es ist nicht Aufgabe der Kammer, das Prüfungsverfahren sachlich zu überprüfen. Nur schwerwiegende und eindeutige Fehler, auf denen die angegriffene Entscheidung beruht, können berücksichtigt werden. Der behauptete Fehler muß so offensichtlich sein, daß er ohne Wiedereröffnung des gesamten Bewertungs­verfahrens festgestellt werden kann. Im vorliegenden Fall ist ein solcher Fehler nicht erkennbar.

5. Aus dem Sachvortrag des Beschwerdeführers ist an keiner Stelle zu entnehmen, daß die Prüfungskommission bei der Bewertung seiner Prüfungsarbeiten eine der das Prüfungsverfahren regelnden Bestimmungen verletzt hat. Ferner liegt auch kein Verstoß gegen dene Grundsatz der Gleichbehandlung oder den Vertrauensschutz (vgl. oben Abschnitt 2) oder einen anderen allgemeinen Rechtsgrundsatz vor. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation