D 0007/91 () of 22.3.1993

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1993:D000791.19930322
Datum der Entscheidung: 22 März 1993
Aktenzeichen: D 0007/91
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
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Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

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Angeführte Entscheidungen:
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Anführungen in anderen Entscheidungen:
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Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer hat sich vom 4. bis 6. April 1990 der europäischen Eignungsprüfung unterzogen. Seine vier Prüfungsarbeiten sind wie folgt bewertet worden:

Prüfungsarbeit A: 4 (befriedigend)

Prüfungsarbeit B: 5 (mangelhaft)

Prüfungsarbeit C: 3 (gut)

Prüfungsarbeit D: 5 (mangelhaft)

II. Mit Schreiben vorn 11. Oktober 1990 teilte das Sekretariat der Prüfungskommission dem Beschwerdeführer mit, daß die Prüfungskommission auf ihrer Sitzung vorn 9. bis 11. Oktober 1990 zu dem Ergebnis gekommen sei, daß er die europäische Eignungsprüfung nicht bestanden habe. In der Begründung ihrer Entscheidung vorn 5. Dezember 1990 hat die Prüfungskommission dazu im wesentlichen folgendes ausgeführt:

- Aufgrund der vom Beschwerdeführer erzielten Noten handele es sich um einen Grenzfall im Sinne von Artikel 12 (3) VEP, so daß die Prüfungskommission anhand des Ergebnisses einer Gesamtprüfung der vier Prüfungsarbeiten zu entscheiden hatte, ob der Beschwerdeführer die Prüfung bestanden habe. Im Falle von zwei Fünfern seien die praktischen Leistungen (Prüfungsarbeiten A und B sowie von der Prüfungsarbeit C die Bewertungsgesichtspunkte "Verwendung der Information" und "Argumentation") von den rechtlichen Leistungen (Prüfungsarbeit D und von der Prüfungsarbeit C die "rechtlichen Gesichtspunkte") zu unter­ scheiden. Zur Beantwortung der Frage, ob Mangel der mit der Note 5 bewerteten Prüfungsarbeiten durch ein günstiges Ergebnis der entsprechenden Leistungen in den anderen Prüfungsarbeiten aufgewogen werden konnten, sei zu berücksichtigen, ob die Note 5 im oberen, mittleren oder unteren Bereich der Punktskala liegt . Um bei einem Notenbild der vorliegenden Art als "günstiges Ergebnis " in Betracht zu kommen, mußten dabei alle als Ausgleich zu prüfenden Leistungen eindeutig mindestens mit der Note 3 bewertet worden sein.

- Die Note 5 für die Prüfungsarbeit B liege im oberen Bereich der Punktskala. Die als Ausgleich zu prüfende Prüfungsarbeit A sei mit der Note 4 bewertet worden und die Note 3 für die ebenfalls als Ausgleich zu prüfende praktische Leistung in der Prüfungsarbeit C liege im unteren Bereich der Punktskala. Die Note 5 für die Prüfungsarbeit D liege im unteren Bereich der Punktskala, während die als Ausgleich zu prüfende rechtliche Leistung in der Prüfungsarbeit C einer guten Note 3 entspreche.

- Die Note 5 in der Prüfungsarbeit D könne durch die rechtliche Leistung des Beschwerdeführers in der Prüfungsarbeit c ausgeglichen werden. Die Note 5 in der Prüfungsarbeit B sei zu einem wesentlichen Teil durch Mangel in der Abfassung der Ansprüche verursacht worden. Die übrigen Prüfungsarbeiten hatten die Prüfungskommission nicht überzeugt, daß der Beschwerdeführer in bezug auf die Formulierung von Schutzrechten und Anpassung der Ansprüche als zugelassener Vertreter vor dem EPA geeignet sei. Für die Anpassung der Ansprüche sei insbesondere die Verwendung der zur Verfügung stehenden Information wichtig. Die Prüfungsarbeit C allein könne als Kompensation für die Note 5 in der Prüfungsarbeit B nicht herangezogen werden, zumal der Beschwerdeführer hier bei der "Verwendung der Information" im Vergleich zu den anderen Bewertungsgesichtspunkten der Prüfungsarbeit C seine schwächste Leistung erzielt habe. Eine Note 4 für die Prüfungsarbeit A sei ebenfalls nicht ausreichend, um die Note 5 in der Prüfungsarbeit B auszugleichen. Die Note 4 in der Prüfungsarbeit A und die praktische Leistung des Beschwerdeführers in der Prüfungsarbeit C reichten deshalb nicht aus, um die Note 5 in der Prüfungsarbeit B auszugleichen. Ferner konnten unzureichende praktische Leistungen durch ausreichende rechtliche Leistungen auch nicht ausgeglichen werden.

III. Gegen die Entscheidung der Prüfungskommission, deren Abgabe zur Post am 5. Dezember 1990 erfolgt ist, hat der Beschwerdeführer am 25. Januar 1991 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig eine Beschwerdebegründung eingereicht. Die Beschwerdegebühr ist am 30. Januar 1991 entrichtet worden.

Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen folgendes geltend:

- Die ihn betreffende Grenzfallentscheidung sei unter Verletzung der Vorschriften des VEP und der bei ihrer Durchführung anzuwendenden Bestimmungen erfolgt, da bei dieser Entscheidung die Ergebnisse der Gesamtprüfung nicht einheitlich und ausreichend gewürdigt worden seien und somit ein Verstoß gegen Artikel 12 (1) VEP vorliege. Im weiteren fehle im Protokoll über sein Ergebnis in der europäischen Eignungsprüfung 1990 die Empfehlung des Prüfungsausschusses I für die Entscheidung in Grenzfallen. Damit sei eine wesentliche Verpflichtung, die sich für den Prüfungsausschuß aus Artikel 6 c) VEP ergebe, nicht erfüllt worden.

- Die Prüfungsarbeit B sei mit 20 Punkten bewertet worden, was einer "fast noch" Note 4 entspreche (für die Note 4 hatten nämlich 21 Punkte ausgereicht).

- Bei einer Gesamtprüfung nach Artikel 12 (3) VEP gebe es keine rechtliche Grundlage für die Annahme, daß alle als Ausgleich zu prüfenden Leistungen; einschließlich der Einzelabschnitte innerhalb der verschiedenen Prüfungsarbeiten, eindeutig mindestens mit der Note 3 oder entsprechenden Durchschnitts­ werten bewertet sein mußten.

- In der angefochtenen Entscheidung sei nicht gewürdigt worden, daß seine Leistungen in der Prüfungsarbeit A im obersten Bereich der Note 4 und, wie bereits erwähnt, auch seine Leistungen in der Prüfungsarbeit B im obersten Bereich der Note 5 liegen. Es sei sogar so, daß er in den Prüfungsarbeiten A und B die Note 3 bzw. 4 um jeweils bloß einen einzigen Punkt verfehlt und der eine Prüfer seine Prüfungsarbeit A mit 30 Punkten sogar als "gut" bewertet habe.

- Die Note 4 in Arbeit A sei die Folge einer Notenabgleichung, zu der aber jegliche Begründung fehle .

- Beide Prüfer hatten die Abfassung der unabhängigen und der abhängigen Ansprüche in seiner Prüfungsarbeit A mit 59,1 %/54,5 % bzw. 73,3 %/90 % der maximal möglichen Punktzahl bewertet, was klar zeige, daß er fähig sei, Ansprüche zu formulieren .

IV. Der Beschwerdeführer stellt folgende Anträge:

a) Aufhebung der angefochtenen Entscheidung;

b) eine neue Gesamtbewertung unter Berücksichtigung seiner Begründung der Beschwerde;

c) hilfsweise sei eine mündliche Verhandlung durchzufuhren;

d) hilfsweise sei Einsicht in alle ihn betreff ende Prüfungsunterlagen sowie deren Kopien zu gewahren, soweit er diese noch nicht bereits erhalten habe;

e) Ruckzahlung der Beschwerdegebühr.

V. Die Prüfungskommission hat die Beschwerde gemäß Artikel 23 (3) VEP überprüft, aber beschlossen, ihr nicht abzuhelfen.

VI. Gestützt auf Artikel 23 (4) VEP hat die Beschwerdekammer dem Präsidenten des Rates des Instituts der zugelassenen Vertreter und dem Präsidenten des Europäischen Patentamts in Anwendung von Artikel 12, Satz 2 der "Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern" (ABl. EPA 1978, 91) Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, aber keiner von ihnen hat sich zur Beschwerde sachlich geäußert.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht Artikel 23 (2) VEP; sie ist zulassig.

2. Die Kammer teilt insoweit die Auffassung der Prüfungskommission, daß der vorliegende Fall als sogenannte Grenzfall-Entscheidung nach Artikel 5 (3), Satz 2 in Verbindung mit Artikel 12 (3) VEP, jeweils in der vor dem 7. Dezember 1990 geltenden Fassung (veröffentlicht in ABl. EPA 1983, 282), nachstehend frühere Fassung genannt, anzusehen ist. Die mit einer solchen Entscheidung verbundene Problematik hat die Kammer bereits in mehreren Entscheidungen ausführlich analysiert, insbesondere in der grundlegenden Entscheidung D 01/86, D 02/86, D 03/86 (ABl. EPA 1987, 489). Soweit dort ein bestimmtes Maß an Ausführlichkeit der Begründung in derartigen Grenzfallen gefordert wird, entspricht die angefochtene Entscheidung den von der Kammer entwickelten Grundsätzen.

3. Der Kern der Begründung der angegriffenen Entscheidung liegt offensichtlich in der Auffassung, daß alle als Ausgleich zu prüfenden Leistungen eindeutig mindestens mit der Note 3 bewertet sein müssen, um bei einem Notenbild der vorliegenden Art als "günstiges Ergebnis " in Betracht zu kommen. Ausgehend von dieser Betrachtungsweise kam die Prüfungskommission in ihrer Entscheidungsfindung zum Ergebnis, daß die Note 4 in der Prüfungsarbeit A und die praktische Leistung des Beschwerdeführers in der Prüfungsarbeit C nicht ausreichten, um die Note 5 in der Prüfungsarbeit B auszugleichen.

4. Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Prüfungskommission, daß bei einem Notenbild des vorliegenden Falles (d. h. 4, 5, 3, 5) alle als Ausgleich zu prüfenden Leistungen, einschließlich Einzelabschnitte innerhalb der verschiedenen Prüfungsarbeiten, eindeutig mindestens mit der Note 3 oder entsprechenden Durchschnittswerten bewertet sein müssen. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze, wie sie die Kammer in einer ähnlich gelagerten Grenzfall-Entscheidung (D 04/89; ABl. EPA 1991, 211) entwickelt hat. Die Auffassung der Prüfungskommission steht offensichtlich weder im Einklang mit Artikel 12 (3) VEP (frühere Fassung) noch mit den Anweisungen. Es gibt keinen rechtlichen Grund dafür, bei der nach Artikel 12 (3) VEP (frühere Fassung) vorgeschriebenen Gesamtprüfung einen solchen starren Bewertungsmaßstab anzuwenden. Diese Auffassung steht auch im klaren Gegensatz zu der oben genannten Entscheidung D 01/86, D 02/86, D 03/86, wonach die Antwort auf die Frage, ob dem Bewerber im Hinblick auf seine Gesamtleistung die berufliche Eignung abgesprochen werden muß, im Grenzbereich nicht rein arithmetisch aus den Punktzahlen und den sich daraus ergebenden Noten gefunden werden kann (siehe Grunde Nr. 3.3). Die Ausübung des Ermessens der Prüfungskommission ist daher in diesem Fall im Hinblick auf Artikel 12 (3) VEP (frühere Fassung) und die Anweisungen nicht verständlich, sondern muß als willkürlich bezeichnet werden. Die angefochtene Entscheidung ist somit gemäß Artikel 23 (4) VEP aufzuheben.

5. Gemäß Protokoll über das Bewertungsverfahren (Form EC­I/90) ist die Rubrik "Bemerkungen" vom Unterausschuß und vom Ausschuß insbesondere auszufüllen, wenn der Unterausschuß sich nicht auf eine Note einigt bzw. der Ausschuß von der durch den Unterausschuß vergebenen Note abweicht. In den übrigen Fällen ist die Angabe von Gründen grundsätzlich nicht vorgeschrieben, da bei jeder Notengebung stets ein gewisser Ermessensspielraum besteht und auch bestehen muß. Findet jedoch, wie im vorliegenden Fall, eine Notenabgleichung zu Lasten des Beschwerdeführers statt, so sollte diese Maßnahme in angemessener Weise begründet werden.

6. Da die Kammer keine Veranlassung sieht, in der Sache selbst zu entscheiden, ist die Angelegenheit an die Prüfungskommission zurückzuverweisen mit der Auflage, die Gesamtbewertung der Prüfungsarbeiten des Beschwerdeführers unter angemessener Berücksichtigung der Begründung seiner Beschwerde zu überprüfen und eine erneute Entscheidung in dieser Angelegenheit zu erlassen.

Unter diesen Umständen braucht die Kammer sich nicht mit den Hilfsantragen zu befassen.

7. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen, weil die Voraussetzungen des Artikels 23 (4), Satz 3 VEP (ABl. EPA 1991, 79, 87) erfüllt sind.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur erneuten Entscheidung an die Prüfungskommission für die europäische Eignungsprüfung des Europäischen Patentamts zurückverwiesen.

3. Die Ruckzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

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