D 0001/91 () of 22.7.1992

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1992:D000191.19920722
Datum der Entscheidung: 22 Juli 1992
Aktenzeichen: D 0001/91
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE | FR
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
-
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

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Angeführte Entscheidungen:
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Anführungen in anderen Entscheidungen:
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Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer unterzog sich der europäischen Eignungsprüfung 1990 (4. bis 6. April 1990). Mit formlosem Schreiben vom 11. Oktober 1990 teilte ihm das Sekretariat der Prüfungskommission für die europäische Eignungsprüfung mit, daß die Prüfungskommission nach Beurteilung der Prüfungsarbeiten zu dem Ergebnis gekommen sei, daß er die Eignungsprüfung nicht bestanden habe. Die Leistungen in den Prüfungsarbeiten seien nach der im Amtsblatt des Europäischen Patentamts veröffentlichten Notenskala (AB1. EPA 1988, 234 Rdn. III und 1989, 136 Rdn. 6) wie folgt bewertet worden:

Prüfungsarbeit

A: 3 gut

B: 3 gut

C: 5 mangelhaft

D: 5 mangelhaft

Die Prüfungskommission habe eine sog. negative Grenzfall—Entscheidung im Sinne von Artikel 12 (3) der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für die beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter - nachfolgend als VEP bezeichnet - getroffen.

II. Am 7. Dezember 1990 wurde dem Beschwerdeführer die negative Prüfungsentscheidung der Prüfungskommission vorn 5. Dezember 1990 zugestellt. In der Entscheidung wird dargelegt, aus welchen Gründen nach den Ergebnissen einer "Gesamtprüfung" der vier Arbeiten ein Ausgleich der beiden mit der Note 5 bewerteten Arbeiten (C und D) durch die beiden anderen Arbeiten nicht möglich gewesen sei. Die Prüfungskommission habe die praktischen Leistungen des Beschwerdeführers (Arbeiten A und B sowie die Bewertungsgesichtspunkte "Verwendung der Information" und "Argumentation" aus der Arbeit C) von den rechtlichen Leistungen (Arbeit D und "rechtliche Gesichtspunkte" der Arbeit C) unterschieden und geprüft, ob die Mängel der einen und der anderen mit der Note 5 bewerteten Arbeit durch ein 'günstiges Ergebnis' der entsprechenden (praktischen oder rechtlichen) Leistungen in den anderen Arbeiten aufgewogen werden können. Sei diese Frage auch nur für eine der mit der Note 5 bewerteten Arbeiten zu verneinen, so erachte die Prüfungskommission den Bewerber als ungeeignet, die Tätigkeit eines zugelassenen Vertreters vor dem EPA auszuüben. Bei der Abwägung spiele eine Rolle, ob die Note 5 im oberen, mittleren oder unteren Bereich der entsprechenden Punktskala liege. Alle als Ausgleich zu prüfenden Leistungen müßten, um bei einem Notenbild der hier vorliegenden Art als "günstiges Ergebnis" in Betracht zu kommen, eindeutig mindestens mit der Note 3 bewertet worden sein.

Aufgrund der für die Einzelleistungen in den Arbeiten C und D vergebenen Punktezahl ist die Prüfungskommission zu dem Ergebnis gekommen, daß die praktischen Leistungen der Arbeit C im oberen Bereich der Note 4 liegen (Prüfer 4: 59 Punkte, Prüfer 8: 54 Punkte); ein Notenausgleich sei insoweit nicht erforderlich. Die erreichte Punktezahl wurde wie folgt ermittelt:

Prüfer 4: 24 + 17 von 70 Punkten (x 100 : 70) = 59

Prüfer 8: 22 + 16 von 70 Punkten (x 100 : 70) = 54

Die rechtliche Leistung in der Arbeit C liegt nach Auffassung der Prüfungskommission im oberen Bereich der Note 7 (ungenügend):

Prüfer 4: 7 von 30 Punkten (x 100 : 30) = 20 Punkte

Prüfer 8: 6 von 30 Punkten (x 100 : 30) = 23 Punkte

Die ungenügende rechtliche Leistung in der Arbeit C kann, so führt der Prüfungsentscheid vorn 5. Dezember 1990 aus, weder durch die Note 5 in der Arbeit D noch durch die guten praktischen Leistungen des Beschwerdeführers ausgeglichen werden.

III. Gegen die Entscheidung der Prüfungskommission hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vorn 19. Dezember 1990 - beim EPA am 24. Dezember 1990 eingegangen – Beschwerde eingelegt und beantragt,

— die Prüfungsentscheidung vom 5. Dezember 1990 aufzuheben,

— festzustellen, daß die europäische Eignungsprüfung 1990 als bestanden gilt,

- die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Mit Schreiben vorn 2. Oktober 1991 hat der Beschwerde-führer vorsorglich und zur Vermeidung einer für ihn negativen Entscheidung ohne weitere Möglichkeit zur Stellungnahme Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

Die Beschwerdegebühr wurde durch Scheckeinreichung am 24. Dezember 1990 entrichtet.

1. Die Beschwerde macht geltend, daß die nach Artikel 12 (3) VEP im vorliegenden Fall erforderliche "Gesamtprüfung" nicht stattgefunden habe. Diese habe, wie der englische und französische Text bestätigten ("as a whole", "l’ensemble des réponses"), auf die Summe der Prüfungsarbeiten abzustellen; sie solle die zuvor durchgeführte Einzelbewertung, die sich aus vielen Teil- und Unter-bewertungen der in den Prüfungsarbeiten enthaltenen Teil- und Unteraufgaben ergebe, ergänzen. Auf Bruchteile einzelner Prüfungsaufgaben dürfe die "Gesamtprüfung" nicht abstellen.

Maßstab für eine Gesamtbetrachtung in diesem Sinne sei das schlechteste Ergebnis, welches ohne weitere Überprüfung gerade noch die Note 4 rechtfertige, also 4 gerade noch als "befriedigend" bewertete Prüfungsarbeiten (Hinweis auf D 1/86, D 2/86 und D 3/86 in AB1. EPA 1987, 496, Ziffer 3.5).

Der Beschwerdeführer stellt der Mindestpunktzahl für alle 4 Arbeiten die Gesamtbewertungen der Arbeiten durch die Prüfungskommission wie folgt gegenüber:

Arbeit Mindestbewertung Arbeiten des Beschwerdeführers

A 24 31

B 21 30

C 50 46 (Mittelwert)

D 55.5 48.75 (Mittelwert)

150,5 155,75

Bei der nach Auffassung des Beschwerdeführers gebotenen Gewichtung im Verhältnis zur erreichbaren Gesamtpunktzahl falle der Vergleich noch günstiger aus (10 % über der Mindestpunktzahl):

Arbeit erreichbare Mindest- Arbeiten des

Punktzahl bewertung Beschwerde-

(in %) führers

(in %)

A 48 50 64,6

B 48 43,8 62,5

C 100 50 46

D 100 55.5 48.8

296 199,3 221,9

2. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, daß die VEP an den Ausgleich von zwei mit der Note 5 bewerteten Arbeiten, die durch keine Vorschrift ausgeschlossen werde, keine besonderen Anforderungen stelle.

3. Der Beschwerdeführer macht weiterhin geltend, der angegriffenen Entscheidung fehle eine auf den Einzelfall abgestellte Begründung, die sich an den Vorgaben der VEP, insbesondere Artikel 12 orientiere. Er beanstandet, daß die Prüfungskommission zwischen praktischen und rechtlichen Leistungen unterscheide, ohne auszufuhren, aus welchen rechtlichen Vorgaben sich diese Art der Unterscheidung ableite.

Durch nichts begründet und nicht näher erläutert werde der Unterschied der Beurteilung bei einer oder zwei Arbeiten mit der Note 5. Die VEP enthielten keinen Hinweis für eine solche Differenzierung.

Der Beschwerdeführer sieht auch in dem Hinweis auf die "Anweisungen an die Prüfungsausschüsse für die Bewertung der Prüfungsarbeiten" einen Begründungsmangel. Ihre Berücksichtigung bei der Gesamtbetrachtung der Prüfungsleistungen durch die Prüfungskommission verbiete sich schon aus Gründen der Systematik: die fraglichen Anweisungen hätten nur den Zweck, die einheitliche Bewertung der Arbeiten durch die Prüfungsausschüsse sicherzustellen.

Bei einer detaillierten Betrachtung einzelner Prüfungsteile sei auf deren praktische Relevanz abzustellen. Es hätte Berücksichtigung finden müssen, daß das Tagesgeschäft eines zugelassenen Vertreters vor dem EPA zu 80 % aus den in den Teilen A und B geprüften Tätigkeiten bestehe.

IV. Mit Schreiben vom 2. Oktober 1991 hat der Beschwerdeführer um einen ersten Hinweis auf die zu erwartende Entscheidung vor Ablauf der Frist zur Anmeldung für die europäische Eignungsprüfung 1992 (2. Dezember 1991) gebeten. Die Geschäftsstelle der zuständigen Beschwerdekammer hat den Beschwerdeführer fernmündlich dahin informiert, daß als für ihn günstigstes Ergebnis nur eine Zurückverweisung zur nochmaligen Überprüfung durch die Prüfungskommission in Betracht komme; mit einer solchen Entscheidung sei nicht vor Ablauf der Frist für die Anmeldung zur europäischen Eignungsprüfung zu rechnen.

Mit Schriftsatz vorn 30. Oktober 1991 hat der Beschwerdeführer einer Zurückverweisung der Sache an die Prüfungskommission aus folgenden Gründen widersprachen:

- Eine Zurückverweisung sei rechtlich nicht geboten. Artikel 111 Abs. i Satz 2 EPÜ sehe eine Sachentscheidung gleichrangig neben der Zurückverweisung vor. Artikel 10 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern sei gegenüber dem EPU nachrangiges Recht und dürfe nicht zu einer Einschränkung der Vorschriften des EPU führen. Auch Artikel 23 Abs. 4 Satz 2 VEP stehe einer Entscheidung in der Sache nach Aufhebung der Prüfungsentscheidung nicht entgegen.

- Die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten habe in der Sache D 4/89 (AB1. EPA 1991, 211) selbst die Sachentscheidung getroffen.

— Der Beschwerdeführer habe ein Interesse an einer schnellen Entscheidung, um Zeitaufwand und Kosten einer Prüfungswiederholung zu vermeiden. Er müsse gegebenenfalls rechtzeitig seine Lebensplanung umstellen können.

— Eine Zurückverweisung sei auch wegen der inzwischen in Kraft getretenen Änderung der VEP entbehrlich.

V. Die Prüfungskommission hat auf ihrer Sitzung am 19. Februar 1991 nach Prüfung gemäß Artikel 23 (3) VEP beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen.

VI. Die Kammer hat gemäß Artikel 23 (4) VEP i. V. m. Artikel 12 Satz 2 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern dem Präsidenten des EPA und dem Präsidenten des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter mit Schreiben vom 28. März 1991 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Präsident des EPA hat mitgeteilt, daß er keine Veranlassung sehe, zu dem Beschwerdeverfahren sachlich Stellung zu nehmen. Der Rat des Instituts der zugelassenen Vertreter hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig, sie erfüllt hinsichtlich Frist und Form die Voraussetzungen des Artikels 23 (2) VEP.

2. Gemäß Artikel 5 (3) der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung (VEP) in der auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung (veröffentlicht in AB1. EPA 1983, 282) prüft die Prüfungskommission insbesondere sog. "Grenzfälle" und entscheidet darüber, ob der Bewerber bestanden hat oder nicht.

Die Prüfungskommission hat im vorliegenden Fall zu Recht angenommen, daß ein Grenzfall im Sinne von Artikel 5 (3) VEP vorliegt. Aus Artikel 12 (3) VEP ist zu entnehmen, daß die Prüfungskommission (auf Empfehlung des Prüfungsausschusses, vgl. Artikel 6, Buchstabe c VEP) die Arbeiten des Bewerbers insgesamt überprüft ("Gesamtprüfung"), wenn "mindestens die Hälfte der Prüfungsarbeiten die zum Bestehen ausreichende Bewertung erzielt haben". Aus Ziffer II der Anweisungen an die Prüfungsausschüsse für die Bewertung der Prüfungsarbeiten (AB1. EPA 1988, 233, geändert gemäß Veröffentlichung in AB1. EPA 1989, 136) ergibt sich, daß auch das schlechte Ergebnis von zwei Prüfungsarbeiten ausgeglichen werden kann. Gemäß Ziffer IV, Satz 1 der "Anweisungen" muß mindestens die Note "befriedigend" (4) erreicht werden. Der Beschwerdeführer hat in den Arbeiten A und B eine Note "gut" (3) erzielt und damit die Voraussetzungen für eine Gesamtüberprüfung seiner Leistungen durch die Prüfungskommission erfüllt.

3. Kern des vorliegenden Falles ist die Frage, ob der getroffenen negativen Grenzfall-Entscheidung eine den rechtlichen Bestimmungen genügende Gesamtprüfung im Sinne von Artikel 12 (3) VEP in Verbindung mit den Anweisungen an die Prüfungsausschusse, insbesondere Ziffern II und v, zugrunde liegt.

In Grenzfällen der vorliegenden Art prüft die Prüfungskommission, ob ein Notenausgleich nach Ziffer II der Anweisungen in Betracht kommt, anhand des Ergebnisses einer Gesamtprüfung aller schriftlichen Prüfungsarbeiten (Artikel 12 (3) VEP).

Ein Vergleich der Anweisungen an die Prüfungsausschüsse für den Fall des Ausgleichs der Note 5 (Ziffer V) mit dem Fall des Ausgleichs der Note 6 (Ziffer VI) macht deutlich, daß zum Ausgleich nur "mangelhafter", aber nicht "sehr mangelhafter" Leistungen weitergehende Ausgleichsmöglichkeiten eingeräumt werden und der Grundsatz der Gesamtprüfung voll zur Anwendung kommen soll (so die grundlegende Entscheidung der Beschwerdekammer vom 7. Mai 1987 — D 1/86, D 2/86, D 3/86 — AB1. EPA l987 489, Gründe Ziffer 3.2).

Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten ist der Prüfungskommission bei der Entscheidung von Grenzfällen gemäß Artikel 5 (3) in Verbindung mit Artikel 12 (3) VEP ein Ermessen (Beurteilungsspielraum) eingeräumt, das nur einer begrenzten rechtlichen Überprüfung zugänglich ist. Die Beschwerdekammer prüft lediglich, ob die Prüfungsentscheidung mit den Vorschriften über die Europäische Eignungsprüfung (VEP), den bei ihrer Durchführung anzuwendenden Bestimmungen sowie den Normen höherrangigen Rechts (insbesondere des EPO) vereinbar ist (vgl. die Entscheidung vorn 7. Mai 1987 a.a.O., Gründe Ziffern 3 und 4; weitere Entscheidungen zur Ermessensausübung: D 4/89 in AB1. EPA 1991, 211 Gründe Ziffer 2; D 7/88 Gründe Ziffer 2, unveröffentlicht; D 2/90 Gründe Ziffer 3, unveröffentlicht).

3.1 Die Prüfungskommission geht in ihrer Entscheidung – ebenso wie in anderen Prüfungsentscheidungen mit ewei1s ganz unterschiedlichen Notenbildern — davon aus, daß alle als Ausgleich zu prüfenden Leistungen "eindeutig mindestens mit der Note 3" (gut) bewertet worden sein müssen, um bei einem Notenbild der hier vorliegenden Art als "günstiges Ergebnis" in Betracht zu kommen.

Eine auf den Einzelfall bezogene Begründung, weshalb befriedigende Leistungen (Note 4) für einen Ausgleich nicht in Betracht kommen, fehlt. Im Ergebnis mag eine solche Bewertung im Einzelfall durchaus zutreffend sein. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt jedoch vor, wenn von vornherein, ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, Leistungen, die nicht mit mindestens gut bewertet sind, von der in Grenzfällen erforderlichen Gesamtbeurteilung ausgeschlossen werden, (ebenso Entscheidung der Beschwerdekammer vorn 21. August 1989 – D 4/89 -, abgedruckt in ABl. EPA 1991, 211, Gründe Ziffer 5 zum Notenbild 5, 4, 3, 4; Entscheidung vorn 18. September 1990 - D 1/90 — Gründe, Ziffer 3 zum Notenbild 4, 3, 5, 4; Entscheidung vorn 5. Juli 1991 — D 3/90 — Gründe, Ziffer 3 zum Notenbild 3, 5, 5, 4).

Nach dem Wortlaut des Artikels 12 (3) V’EP in Verbindung mit Ziffern II und V der "Anweisungen" ist auch ein Ausgleich von mangelhaften Arbeiten (5) durch nur befriedigende (4) Leistungen möglich (siehe oben Ziffer 2). Eine andere Frage ist, ob im Einzelfall unter Würdigung aller Umstände (Zahl der schlechten Arbeiten, Bereich der Notenskala, Analyse der Einzelleistungen usw.) zum Notenausgleich eine bessere, als nur befriedigende Leistung gefordert werden kann. Dies ist in der vorliegenden Prüfungsentscheidung jedenfalls nicht dargelegt worden. Der pauschale Hinweis auf ein "Notenbild der hier vorliegenden Art" genügt zur Begründung nicht. Es fehlt insbesondere eine Würdigung der Einzelleistungen sowie der vorgegebenen Noten für die einzelnen Arbeiten. Auch bei dem im vorliegenden Fall gegebenen Notenbild stellt es einen Ermessensfehlgebrauch dar, wenn, ohne in eine Einzelfallprüfung einzutreten, generell die Möglichkeit eines Ausgleichs durch mit der Note 4 bewertete Arbeiten ausgeschlossen wird.

Bereits die rechtlich nicht zulässige Einschränkung der Möglichkeiten eines Notenausgleichs und die damit verbundene Anwendung eines unrichtigen Bewertungsmaßstabes müssen im vorliegenden Fall zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung führen, obwohl der Beschwerdeführer die geforderten guten Leistungen (3) erbracht hat. Die Frage des Notenausgleichs stellt sich durchaus unterschiedlich, je nach dem ob davon ausgegangen wird, daß die Note 3 mindestens erreicht werden muß, oder ob auch eine nur befriedigende Leistung (4) zum Ausgleich ausreichen kann. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Prüfungskommission zu einem anderen Ergebnis kommt, wenn sie auch befriedigende Leistungen zum Ausgleich grundsätzlich genügen läßt.

3.2 Die Prüfungskommission hat in ihrer Entscheidung eine getrennte Bewertung der "praktischen Leistungen" einerseits und der "rechtlichen Leistungen" andererseits vorgenommen. Sie hat auf der Grundlage der vergebenen Punktezahl für die jeweiligen Einzelleistungen in der Arbeit C Einzelnoten auf arithmetischem Wege errechnet, auf diese Weise für die "rechtlichen Leistungen" die Note 7 (im oberen Bereich) ermittelt und abschließend festgestellt, daß "diese rechtliche Leistung in der Arbeit C nicht durch die Note 5 in Ihrer Arbeit D ausgeglichen werden" kann. Ein Ausgleich unzureichender Leistungen auf rechtlichem Gebiet durch positive Leistungen auf praktischem Gebiet wurde nicht in Erwägung gezogen.

Dieses Verfahren einer getrennten, arithmetischen Bewertung der rechtlichen Leistungen des Beschwerdeführers wird dem Sinn und Zweck der für die Bewertung von Grenzfällen vorgeschriebenen Gesamtprüfung nicht gerecht (vgl. folgende Entscheidungen der Beschwerdekammer:

Entscheidung vom 7. Mai 1987 — D 1/86, D 2/86, D 3/86 — AB1. EPA 1987, 489; Entscheidung vom 21. August 1989 — D 4/89 — AB1. EPA 1991, 211; Entscheidung vom 11. Dezember 1989 — D 6/89; Entscheidung vom 18. Juli 1991 - D 4/91). Es würde bedeuten, daß eine mit mangelhaft (5) bewertete Arbeit D nur mit besseren rechtlichen Leistungen in Arbeit C ausgeglichen werden könnte, obwohl in Arbeit C der rechtliche Teil nur 30 % ausmacht (30 von 100 erreichbaren Punkten).

Zwar ist im Rahmen der Gesamtprüfung zulässig und im Einzelfall durchaus sinnvoll, rechtliche und praktische Leistungen gesondert zu betrachten und im Hinblick auf die Praxisrelevanz der Prüfungsaufgaben zu beurteilen; Schwächen innerhalb einzelner Prüfungsabschnitte können in Betracht gezogen werden (D 4/89 in ABi. EPA 1991, 211, Gründe Ziffer 4 unter Bezugnahme auf D 7/88; D 2/90 Gründe Ziffer 5.1; D 4/91, Gründe Ziffer 3). Diese Vorgehensweise darf aber nicht dazu führen, daß die von der Prüfungskommission gebildete Gesamtnote für eine Prüfungsarbeit nachträglich dergestalt "aufgesplittert" wird, daß die Prüfungskommission zu einer im Verhältnis zur ursprünglichen Gesamtnote schlechteren Teilnote kommt (so ausdrücklich die Entscheidung vom 18. Juli 1991 -D 4/91 - a.a.O).

In der Sache D 2/89 (Notenbild 5, 2, 4, 5) hat die Beschwerdekammer die Prüfungsentscheidung aufgehoben, da die isolierte Bewertung der juristischen Leistungen dazu geführt hatte, daß die Prüfungskommission auf die Bewertung der sehr guten praktischen Leistungen in der Arbeit B gar nicht mehr eingegangen ist. Im vorliegenden Fall ist der Ermessensfehlgebrauch zwar nicht so deutlich, die Bewertung der juristischen Leistungen des Beschwerdeführers in der mit insgesamt mangelhaft (5) bewerteten Arbeit C mit der Note 7 (unzulänglich) hat jedoch auch hier dazu geführt, daß ein Ausgleich durch bessere Bewertungen im Bereich praktischer Leistungen nicht mehr geprüft worden ist. Ein solches Verfahren darf auch dann nicht angewendet werden, wenn in den beiden Arbeiten, in denen rechtliche Leistungen zu erbringen sind (Arbeiten C und D) mangelhafte Leistungen festgestellt werden.

Weder die Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung noch die dazu erlassenen Anweisungen an die Prüfungskommission schließen den Ausgleich von schlechten "rechtlichen Leistungen" durch bessere "praktische Leistungen" und umgekehrt aus. Im Gegenteil kann bereits bei der Bewertung der Arbeit C, die aus praktischen und rechtlichen Teilen besteht, ein solcher Ausgleich erfolgen: theoretisch kann der Bewerber trotz 0 Punkten für seine rechtliche Leistung eine sehr gute (2) Bewertung der Arbeit C insgesamt bei maximal 70 Punkten für seine praktischen Leistungen erreichen.

Die Gesamtprüfung soll in Grenzfallen der hier vorliegenden Art eine sachgerechte Entscheidung ermöglichen und Harten ausgleichen, die sich daraus ergeben können, daß die Noten der einzelnen Prüfungsarbeiten rein rechnerisch aus den Einzelbewertungen abgeleitet werden . Die von der Prüfungskommission bei der Entscheidung über einen Ausgleich mangelhafter durch günstigere Leistungen angewendete arithmetische Bewertungsmethode, die einen Ausgleich mangelhafter rechtlicher Leistungen durch bessere praktische Leistungen von vornherein ausschließt, wird dieser Zielsetzung nicht gerecht.

4. Die von Verwaltungsrat mit Wirkung vom 7. Dezember 1990 beschlossenen Änderungen der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung und der Anweisungen an die Prüfungsausschüsse (AB1. EPA 1991, 15 und 88) führen zu keiner anderen Beurteilung des vorliegenden Falles. Zwar käme nach der geänderten Rechtslage ein Notenausgleich nicht in Betracht, da dieser gemäß Ziffer VII C) der Neufassung der Anweisungen bei zwei mit der Note 5 bewerteten Arbeiten nur noch möglich ist, wenn nur eine der Arbeiten A und B und eine der Arbeiten C und D auszugleichen sind. Rückschlüsse auf die für den vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage kommen jedoch zumindest dann nicht in Betracht, wenn der Gesetzgeber eine vollkommen andersartige rechtliche Regelung einführt. Der Verwaltungsrat hat die Gesamtprüfung in Grenzfällen zugunsten einer Prüfungsentscheidung aufgegeben, die ohne Beurteilungsspielraum aus den Bewertungen der schriftlichen Arbeiten folgt. Die Regelungen über eine Gesamtprüfung in Grenzfällen sind entfallen (vgl. Artikel 5 (3) und Artikel 12 (2) VEP in der neuen Fassung sowie die in Ziffer VII der Anweisungen in der neuen Fassung aufgestellten Richtlinien). Die Möglichkeiten eines Notenausgleichs liegen nach der neuen Regelung mit der Vergabe der 4 Noten für die Arbeiten A bis D fest.

Die Prüfungskommission hat die neue Rechtslage insofern teilweise vorweggenommen, als sie einen Notenausgleich zwischen praktischen und rechtlichen Leistungen und einen Ausgleich durch nur befriedigende Leistungen (Note 4) bei zwei mangelhaften Arbeiten ausgeschlossen hat. Solange jedoch eine andersartige Regelung gilt, die die Ausübung eines Beurteilungsermessens vorsieht, ist diese derPrüfungsentscheidung zugrundezulegen.

5. Der Beschwerdeführer hat neben der Aufhebung der Prüfungsentscheidung beantragt festzustellen, daß die europäische Eignungsprüfung als bestanden gilt. Eine solche Sachentscheidung kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht.

Gemäß Artikel 23 (4) Satz 2 VEP hebt die Beschwerdekammer die Prüfungsentscheidung auf, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Beschwerde zulässig und begründet ist, und verweist die Angelegenheit an die Prüfungskommission zurück, es sei denn, daß "besondere Gründe" gegen die Zurückverweisung sprechen (Artikel 12 der Ergänzenden Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten — AB1. EPA 1980, 188).

Die rechtlichen Ausführungen des Beschwerdeführers zu Artikel 111 (1) Satz 2 EPO gehen fehl; für disziplinar— und prüfungsrechtliche Streitigkeiten vor der Beschwerdekammer gelten die zitierten Spezialvorschriften. Insbesondere in Fällen der Überprüfung von Ermessensentscheidungen kommt in aller Regel nur die Kassation der rechtsfehlerhaften Entscheidung in Betracht; die Beschwerdekammer muß der Prüfungskornmission Gelegenheit geben, ihr Ermessen (erneut) unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Kammer auszuüben (so Entscheidung vom 17. Mai 1987, AB1. EPA 1987, 489, Gründe Ziffer 2; D 4/88 Gründe Ziffer 2; D 2/89 Gründe Ziffer 7; D 3/90 Gründe Ziffer 5).

Die Beschwerdekammer hat allerdings gelegentlich in Fällen, in denen sie zum zweiten Mal die von der Prüfungskommission betreffende Entscheidung beanstanden mußte, selbst in der Sache (zugunsten des Beschwerdeführers) entschieden (D 4/89 in AB1. EPA 1991, 211 Gründe Ziffer 6; D 4/91 Gründe Ziffer 5). Im vorliegenden Fall der erstmaligen Befassung mit der getroffenen Prüfungsentscheidung ist dagegen der Prüfungskommission Gelegenheit zu geben, in Ausübung ihres Beurteilungsermessens unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Beschwerdekammer in der Sache erneut zu entscheiden.

Nach der vorn Beschwerdeführer vorgenommenen Berechnung der von ihm erzielten Gesamtpunktzahl für alle gezeigten Teilleistungen ergibt sich zwar eine die Mindestleistung für eine befriedigende Note überschreitende Gesamtleistung. Diese Berechnung kann jedoch lediglich ein Indiz dafür sein, daß ein Notenausgleich in vorliegenden Fall denkbar ist. Sie macht aber ebensowenig, wie die von der Prüfungskommission vorgenommenen Berechnungen, eine Ausübung des Beurteilungsermessens auf der Grundlage einer Würdigung der Gesamtleistung des Beschwerdeführers entbehrlich. Deshalb kommt im vorliegenden Fall, der keineswegs so eindeutig liegt wie die von der Kammer in der Sache entschiedenen Fälle, nur eine Zurückverweisung in Betracht.

6. Da die Beschwerde Erfolg hat, ist die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Artikel 23 (4) Satz 3 VEP anzuordnen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur erneuten Entscheidung an die Prüfungskommission für die europäische Eignungsprüfung des Europäischen Patentamts zurückverwiesen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

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