European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:D001219.20200218 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 18 Februar 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | D 0012/19 | ||||||||
Anmeldenummer: | - | ||||||||
IPC-Klasse: | - | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | - | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | DBA | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die mit Schreiben vom 24. Juli 2019 fristgerecht eingelegte Beschwerde richtet sich gegen die dem Beschwerdeführer mit Einschreiben mit Rückschein vom 1. Juli 2019 übermittelte Entscheidung der Prüfungskommission für die Europäische Eignungsprüfung 2019, dass er die europäische Eignungsprüfung nicht bestanden habe. Die Prüfungsarbeiten wurden wie folgt bewertet: Aufgabe A: 45 Punkte, Aufgabe C: 40 Punkte. Die Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen die Bewertung der Aufgabe A mit 45 Punkten. Die Beschwerdegebühr wurde ebenfalls fristgerecht gezahlt.
II. Das Prüfungssekretariat legte die Beschwerde mit Schreiben vom 11. September 2019 der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten gemäß Artikel 24(3) der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für zugelassene Vertreter (VEP, Zusatzpublikation 2 ABl. EPA 2019, 2 ff) vor und teilte dem Beschwerdeführer mit, dass die Prüfungskommission beschlossen habe, der Beschwerde nicht abzuhelfen.
III. Dem Präsidenten des Europäischen Patentamts (EPA) und dem Präsidenten des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter (epi) ist mit Schreiben vom 6. Dezember 2019 gemäß Artikel 24(4) VEP i. V. m. Artikel 12 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern (VDV, Zusatzpublikation 1, ABl. EPA 2020, 135 ff.) Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Es sind keine schriftlichen Stellungnahmen zu der Beschwerde eingegangen.
IV. Nachdem sich der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14. Januar 2020 mit einer verkürzten Ladungsfrist einverstanden erklärt hat, erging eine Ladung zur nicht öffentlichen mündlichen Verhandlung am 18. Februar 2020 gemäß Artikel 13 VDV.
V. In einer Mitteilung vom 3. Februar 2020 gemäß Artikel 13(2) der Ergänzenden Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten (VOBKD) teilte die Beschwerdekammer ihre vorläufige und nicht bindende Meinung mit, wonach weder eine Verletzung der relevanten Vorschriften der VEP zu erkennen sei, noch ersichtlich sei, dass die Prüfungsaufgabe oder die Bewertungshinweise in dem Prüferbericht oder die Bewertung der Prüfungsarbeit des Beschwerdeführers mit einem schweren und eindeutigen und offensichtlichen, d.h., ohne Wiedereröffnung des gesamten Bewertungsverfahrens und ohne wertende Neubetrachtung der Prüfungsarbeit feststellbaren Fehler behaftet ist. Die Beschwerde sei daher voraussichtlich zurückzuweisen.
VI. Mit Schreiben vom 11. Februar 2020 hat der Beschwerdeführer zu der vorläufigen Meinung der Beschwerdekammer Stellung genommen.
VII. Am 18. Februar 2020 fand die nicht öffentliche mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Daran nahmen der Beschwerdeführer, sowie ein vom Präsidenten des EPA bestimmter Vertreter und eine vom Präsidenten des EPI bestimmte Vertreterin (Artikel 24(4) VEP in Verbindung mit Artikel 14 VDV) teil.
VIII. Die entscheidungserheblichen Argumente des Beschwerdeführers lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die angegriffene Entscheidung der Prüfungskommission beruhe auf einem offensichtlichen und schweren Fehler. Die als Beurteilungsgrundlage verwendete Musterlösung stehe im Widerspruch zu den Richtlinien für die Prüfung im EPA sowie der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA im Hinblick auf die Definition von wesentlichen Merkmalen. Danach seien die wesentlichen Merkmale eines Anspruchs die Merkmale, die zur Erzielung einer technischen Wirkung erforderlich sind, mit der die der Anmeldung zugrundeliegende technische Aufgabe gelöst wird. Merkmale, die nicht tatsächlich zur Lösung der Aufgabe beitragen, seien keine wesentlichen Merkmale, selbst wenn sie in der Anmeldung durchgängig im Zusammenhang mit der Erfindung genannt würden. Um zu prüfen, ob es sich tatsächlich um ein wesentliches Merkmal handelt, sei zu klären, ob dieses Merkmal zur Lösung der technischen Aufgabe erforderlich ist.
In der Musterlösung bzw. im Prüferbericht werde als objektive technische Aufgabe für die Aufgabe A 2019 angegeben: "im Hinblick auf D1 und D2 bestand die objektive Aufgabe in der Erhöhung des Gasaustausches eines Zellkulturbehälters, um dadurch die Zellwachstumsrate zu steigern". Beide gasdurchlässigen Membranen zugleich auch "flüssigkeitsundurchlässig auszugestalten und "mittels einer auslaufsicheren Abdichtung an dem Rahmen der Vorrichtung zu befestigen" habe gemäß [005] des Anmelderschreibens die technische Wirkung, zu verhindern, dass Zellkulturmedium aus der Vorrichtung ausläuft. Diese Wirkung sei aber für die Lösung der genannten objektiven technischen Aufgabe gerade nicht erforderlich. Die Vorrichtung könne nämlich auch ohne eine derartige vollständige Auslaufsicherung realisiert werden. Während der Anwendung sei die untere gasdurchlässige Membran 2a mit Zellsuspension bedeckt, während die obere gasdurchlässige Membran 2b keinen Flüssigkeitskontakt habe. Es genüge daher, dass lediglich die untere gasdurchlässige Membran 2a "flüssigkeitsundurchlässig" und "mittels einer auslaufsicheren Abdichtung am Rahmen befestigt" sei. Das Merkmal, beide gasdurchlässigen Membranen "flüssigkeitsundurchlässig" auszugestalten und mit einer "auslaufsicheren Abdichtung am Rahmen zu befestigen" sei in Bezug auf die Erfindung zwar ein vorteilhaftes Merkmal, trage aber gerade nicht wesentlich zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe bei, den Gasaustausch innerhalb des Zellkulturbehälters und dadurch die Zellwachstumsrate zu steigern.
Die in der Musterlösung bzw. im Prüferbericht vorgenommene Aufnahme des Merkmals, dass beide "gasundurchlässigen Membranen" zugleich auch "flüssigkeitsundurchlässig" und "mittels einer auslaufsicheren Abdichtung am Rahmen befestigt" seien, stelle einen Verstoß gegen Regel 23(3) ABVEP dar. Die Aufnahme dieses zwar vorteilhaften, aber keinesfalls wesentlichen Merkmals führe nämlich zu einer unnötigen Beschränkung des unabhängigen Anspruchs, so dass dieser dem Anmelder gerade nicht, wie von Regel 23(3) ABVEP gefordert, den größtmöglichen Schutzumfang gemäß dem EPÜ biete.
Die Musterlösung beruhe daher auch auf einer offensichtlichen, technisch und rechtlich fehlerhaften Beurteilungsgrundlage.
Im vorliegenden Fall könne Regel 22(3) ABVEP gerade nicht zur Rechtfertigung der in der Musterlösung bzw. im Prüferbericht vorgenommenen Aufnahme des Merkmals, dass beide "gasundurchlässigen Membranen" zugleich auch "flüssigkeitsundurchlässig" und "mittels einer auslaufsicheren Abdichtung am Rahmen befestigt" sind, in den unabhängigen Vorrichtungsanspruch dienen. Denn dieses Merkmal sei in [005] des Anmelderschreibens gerade nicht als ein wesentliches Merkmal für die Erfindung, sondern nur als wesentlich für eine ganz bestimmte Wirkung der Erfindung beschrieben. Es erscheine fraglich, ob ein Verstoß gegen Regel 23(3) ABVEP durch Regel 22(3) ABVEP gerechtfertigt werden könne und letzterer Vorrang einzuräumen sei.
Die vom Beschwerdeführer vorgelegte alternative Lösung stehe auch im Einklang mit der Prüfungspraxis der Aufgabe A aus dem Jahr 2018. Auch dort sei eine Beschränkung der Höhe der Glasplatte auf eine spezifische Höhe vom Mandanten nur im Kontext der ausreichenden Isolierung offenbart, die Glasplatte könnte aber auch für viele andere Zwecke verwendet werden.
Der Beschwerdeführer wies auf folgende Stellen hin, aus denen sich die Richtigkeit seiner Auffassung schon allein ergebe: Prüferbericht, Seite 3, 1. Absatz, Seite 12 vorletzter Absatz und Seite 14. Des weiteren nahm er u.a. Bezug auf das Anmelderschreiben [005], [021] und [022] sowie auf die D1 [003] und auf die Aufgabe A 2018 und den Prüferbericht der Aufgabe A 2018.
Der Beschwerdeführer hat seine Beschwerde in der Beschwerdebegründung vom 24. Juli 2019 zusätzlich auch auf das dort unter Punkt 2.a.b) genannte Vorbringen gestützt, ein pauschaler Punktabzug für die Beanspruchung lediglich einer "dicht verschließbaren Öffnung" in der Zellkulturvorrichtung im Allgemeinen anstelle der speziellen, vom Anmelder in seinem Schreiben beschriebenen drei Ausführungsformen sei nicht gerechtfertigt. Zu diesem Argument hat sich der Beschwerdeführer nach der Stellungnahme der Beschwerdekammer in dem Ladungsbescheid vom 3. Februar 2020 weder in seinem Schreiben vom 11. Februar 2020 noch während der mündlichen Verhandlung erneut geäußert.
IX. Als seine Schlussanträge beantragte der Beschwerdeführer:
1. die angefochtene Entscheidung der Prüfungskommission vom 1. Juli 2019 aufzuheben,
2. der Prüfungskommission aufzutragen, eine neuerliche Bewertung der Prüfungsaufgabe A der europäischen Eignungsprüfung 2019 des Beschwerdeführers durch den betreffenden Prüfungsausschuss zu veranlassen und der Benotung der Prüfungsarbeit A des Beschwerdeführers das Ergebnis der neuerlichen Bewertung zugrunde zu legen und auf Grundlage dieser Benotung zu entscheiden, ob der Beschwerdeführer die europäische Eignungsprüfung bestanden hat;
3. die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
X. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Beschwerdekammer.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Verkürzte Ladungsfrist
2. Gemäß Artikel 24(4) Satz 1 VEP und entsprechender Anwendung des Artikels 13(2) VDV ist Regel 115 EPÜ entsprechend anzuwenden.
Nach Regel 115(1) Satz 2 EPÜ beträgt die Ladungsfrist für eine mündliche Verhandlung mindestens zwei Monate, sofern der Beschwerdeführer nicht mit einer kürzeren Frist einverstanden ist. Da sich der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 14. Januar 2020 mit einer verkürzten Ladungsfrist einverstanden erklärt hat, wurde im vorliegenden Fall mit einer verkürzten Ladungsfrist zur mündlichen Verhandlung am 18. Februar 2018 geladen.
Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
3. Der Beschwerdeführer begehrt die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung der Prüfungskommission, weil die Musterlösung und der Prüferbericht einen schweren und eindeutigen Fehler und einen Verstoß gegen Regel 23(3) Ausführungsbestimmungen zu den VEP (ABVEP, Zusatzpublikation 2 ABl. EPA 2019, 18 ff) aufwiesen. Der in der Musterlösung bzw. im Prüferbericht enthaltene offensichtliche, schwere und eindeutige Fehler könne nicht durch Regel 22(3) ABVEP gerechtfertigt werden.
4. Gemäß Artikel 24(1) VEP und nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten (im Anschluss an D 1/92, ABl. EPA 1993, 357) sind Entscheidungen der Prüfungskommission grundsätzlich nur dahingehend zu überprüfen, ob nicht die VEP oder die bei ihrer Durchführung anzuwendenden Bestimmungen oder höherrangiges Recht verletzt sind. Es ist nicht die Aufgabe der Beschwerdekammer, das Prüfungsverfahren sachlich zu überprüfen. Den Prüfungsausschüssen und der Prüfungskommission steht nämlich im Grundsatz ein Beurteilungsspielraum zu, der nur sehr begrenzt der gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Nur wenn der Beschwerdeführer geltend machen kann, dass die angegriffene Entscheidung auf schweren und eindeutigen Fehlern beruht, kann dies von der Beschwerdekammer berücksichtigt werden. Der behauptete Fehler muss so offensichtlich sein, dass er ohne Wiedereröffnung des gesamten Bewertungsverfahrens und ohne wertende Neubetrachtung der Prüfungsarbeit festgestellt werden kann.
5. In der vorliegenden Beschwerdebegründung geht es um die Frage, ob die Lösung des Beschwerdeführers eine gleichwertige oder bessere Lösung als die von der Prüfungskommission erwartete Lösung ist. Um diese Frage zu beantworten, wäre jedoch eine sachliche Überprüfung des Prüfungsverfahrens seitens der Beschwerdekammer notwendig, die sowohl eine eingehende Analyse der Prüfungsaufgabe A als auch eine Bewertung der jeweiligen Lösung des Beschwerdeführers und der Prüfungskommission umfassen müsste. Dies würde jedoch einer Wiedereröffnung des gesamten Bewertungsverfahrens und einer wertenden Neubetrachtung der Prüfungsarbeit gleichkommen, was nach den oben dargelegten Grundsätzen eben nicht die Aufgabe der Beschwerdekammer ist.
6. Ebenso wenig ist es die Aufgabe der Beschwerdekammer, das von der Prüfungskommission bei der Bewertung der Prüfungsarbeit des Beschwerdeführers angewandte Ermessen dahingehend zu überprüfen, ob der Prüfungsausschuss oder die Prüfungskommission zu viele Punkte abgezogen bzw. nicht genügend Punkte für die Beantwortung in den jeweiligen Teilen der Prüfungsarbeit des Beschwerdeführers vergeben hat. Das Werturteil des zuständigen Prüfungsausschusses oder der Prüfungskommission über die Zahl der Punkte, die die jeweilige Antwort auf eine Prüfungsfrage einer Prüfungsarbeit verdient, unterliegt jedoch nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten nicht der Überprüfung durch die Beschwerdekammer (D 13/02, Punkt 5 der Entscheidungsgründe; D 7/05, ABl. EPA 2007, 378, Punkt 20 der Entscheidungsgründe). Dies muss auch für die Kriterien gelten, aufgrund derer die Prüfungskommission die Wertigkeit der erwarteten Antworten auf die Prüfungsfragen bestimmt.
7. Schließlich ist die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten nicht dafür zuständig, die Korrektheit des Bewertungsschemas oder einer individuellen Bewertung unter jedem möglichen Aspekt festzustellen, der die Bewertung eines Kandidaten eventuell negativ beeinflusst hat. Wenn daher die Prüfungskommission ihre implizite Verpflichtung, die Prüfungsaufgaben und das zugehörige Bewertungsschema korrekt auszuarbeiten, nicht "perfekt" erfüllt hat, weil potentiell richtige Lösungen keine oder nicht genügend Punkte erhalten haben, kann dies nicht gleich als Verstoß gegen Regel 23(3) ABVEP angesehen, sondern muss nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden. Anderenfalls wäre die Beschränkung der Beschwerdegründe in Artikel 24(1) VEP hinfällig und es wäre ein Werturteil seitens der Beschwerdekammer erforderlich (D 6/13, Nr. 8 und 9 der Gründe). Die Kammer weist noch darauf hin, dass der Beschwerdesache D 6/13 wie auch im vorliegenden Fall die Bewertung der Aufgabe A zugrunde lag.
8. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsprechung der Beschwerdekammern in Disziplinarangelegenheiten kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für eine Stattgabe der Beschwerdeanträge nicht vorliegen und die Beschwerde daher keinen Erfolg hat. Die Kammer kann weder feststellen, dass die in der Musterlösung bzw. im Prüferbericht vorgenommene Aufnahme des Merkmals, dass beide "gasundurchlässigen Membranen" zugleich auch "flüssigkeitsundurchlässig" und "mittels einer auslaufsicheren Abdichtung am Rahmen" befestigt seien, eine offensichtlich, technisch und rechtlich fehlerhafte Beurteilungsgrundlage schafft, noch zu einem Verstoß gegen Regel 23(3) ABVEP führt.
9. Die Kammer kann sich zunächst dem Vortrag des Beschwerdeführers anschließen, wonach die wesentlichen Merkmale eines Anspruchs die Merkmale sind, die zur Erzielung einer technischen Wirkung erforderlich sind, mit der die der Anmeldung zugrundeliegende technische Aufgabe gelöst wird. Dies gilt auch für die in Bezug auf die vorliegende Aufgabe A in der Musterlösung bzw. im Prüferbericht getroffene Feststellung, die objektive technische Aufgabe sei im Hinblick auf D1 und D2 die Erhöhung des Gasaustausches eines Zellkulturbehälters, um dadurch die Zellwachstumsrate zu steigern. Daraus folgt nach Auffassung der Kammer aber noch nicht, dass ein schwerer und offensichtlicher Fehler und auch ein Verstoß gegen Regel 23(3) ABVEP darin gesehen werden kann, dass nach dem Prüferbericht mindestens "zwei gasdurchlässige und flüssigkeitsundurchlässige Membranen mittels jeweils einer auslaufsicheren Abdichtung am Rahmen befestigt" als wesentliche und daher in den unabhängigen Vorrichtungsanspruch aufzunehmende Merkmale angesehen wurden. Der Abzug von jeweils 10 Punkten für das Fehlen der Merkmale "flüssigkeitsundurchlässig" und "mittels einer auslaufsicheren Abdichtung am Rahmen befestigt" bei der zweiten Membran, wenn - wie in der Lösung des Beschwerdeführers - die wesentlichen Merkmale "flüssigkeitsundurchlässig" und "mittels einer auslaufsicheren Abdichtung am Rahmen befestigt" bei nur einer Membran vorhanden sein müssen, ist von der Beschwerdekammer nach der ihr durch Artikel 24(1) VEP und der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern in Disziplinarangelegenheiten vorgegebenen Überprüfungskompetenz nicht zu beanstanden.
10. Wie in der bereits genannten Entscheidung D 6/13 ausgeführt wurde, liegt nicht grundsätzlich ein Verstoß gegen Regel 23(3) ABVEP vor, wenn die Prüfungskommission ihre implizite Verpflichtung, die Prüfungsaufgaben und das zugehörige Bewertungsschema korrekt auszuarbeiten, nicht "perfekt" erfüllt hat, weil potentiell richtige Lösungen keine oder nicht genügend Punkte erhalten haben. Vielmehr kommt es dann auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an. Diese Einzelfallumstände ergeben sich maßgeblich und insbesondere aus den in den Prüfungsaufgaben genannten Tatsachen, die gemäß Regel 22(3) Satz 1 ABVEP von den Bewerbern als gegeben anzusehen sind und auf die sie sich zu beschränken haben. Die Vorschrift der Regel 22(3) ABVEP ist speziell auf die Situation bei den Prüfungen für die Europäische Eignungsprüfung nach der VEP zugeschnitten und dient dem Ziel, dass die Prüfungsaufgaben in einer möglichst einheitlichen Weise von einer großen Anzahl von Bewerbern gelöst werden können, die eine Ausbildung auf verschiedenen technischen Gebieten haben. Insoweit unterscheidet sich die Situation bei der Bearbeitung der Prüfungsaufgaben nach der VEP von den in der Praxis bei der Bearbeitung von Patentsachen gegebenen Bedingungen, bei denen Konkretisierungen und Klärungen des Sachverhalts und der Rechtslage, etwa im Fall der Ausarbeitung von Patentanmeldungen, durch Nachfragen beim Anmelder möglich sind. Dabei geht es im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers nicht darum, ob Regel 22(3) ABVEP gegenüber der Vorschrift der Regel 23(3) ABVEP "Vorrang" genießt oder ein vermeintlicher Verstoß gegen Regel 23(3) ABVEP durch Regel 22(3) ABVEP "gerechtfertigt" werden kann. Vielmehr stehen beide Vorschriften gleichberechtigt nebeneinander und können nicht unabhängig voneinander bei der Bewertung der Prüfungsaufgaben herangezogen werden.
11. Unter diesen Umständen kann die von der Prüfungskommission der Aussage in [005] des Anmelderschreibens beigemessene Bedeutung nach Auffassung der Kammer nicht als schwerer und offensichtlicher Fehler angesehen werden. Dort hat der Anmelder es als wesentlich bezeichnet, dass - um ein Auslaufen des Zellkulturmediums aus der Vorrichtung zu verhindern - die gasdurchlässigen Membranen flüssigkeitsundurchlässig und mittels einer auslaufsicheren Abdichtung am Rahmen befestigt sind (Hervorhebung durch die Kammer). Der Anmelder hat also als wesentlich angesehen, dass beide Membranen die genannten Merkmale aufweisen. Zwar wird in dem letzten Satz des unmittelbar vorangehenden Absatzes [004] das Ziel der Erfindung definiert, nämlich den Austausch von Gasen zu erhöhen und somit die Zellwachstumsrate zu steigern. Der Beschwerdeführer sieht insoweit als maßgeblich an, dass in [004] die zu lösende technische Aufgabe genannt wird, während in [005] lediglich eine vorteilhafte Wirkung der Erfindung beschrieben wird. Gerade der unmittelbare Zusammenhang des letzten Satzes in [004] und des ersten Satzes in [005] lässt nach Auffassung der Kammer aber auch die Interpretation zu, dass der Anmelder die in dem ersten Satz des [005] als wesentlich bezeichneten Merkmale als wesentlich für die Ausführung der Erfindung und nicht nur als Bezeichnung einer besonderen Wirkung verstanden hat und zu berücksichtigen wünscht.
12. Hierfür spricht zunächst, dass der Anmelder selbst in [005] gerade zwischen "wesentlichen" Merkmalen und einer lediglich "vorteilhaften" optischen Ausgestaltung der Membran unterscheidet. Weiterhin wird diese Auslegung auch gestützt durch die Angaben des Anmelder in [011] seines Schreibens. Dort bezeichnet der Anmelder - um den in D1 beschriebenen Nachteil zu beseitigen, dass das Flüssigkeitsmedium und die Zellen nicht eingebracht oder entnommen werden können - es als "wesentlich", dass die Zellkulturvorrichtung eine dicht wiederverschließbare Öffnung aufweist und führt weiterhin im letzten Satz dieses Absatzes aus, dass "zur Ausführung der Erfindung" die dort genannten Alternativen für eine solche Öffnung vorzusehen sind. Daher erscheint eine Interpretation der Angaben im Anmelderschreiben nicht mit einem eindeutigen und schweren Fehler behaftet, wenn die dort in [005] und [011] als wesentlich bezeichneten Merkmale von der Prüfungskommission nicht nur als Beschreibung von vorteilhaften Wirkungen, sondern ausdrücklich als erforderlich zur "Ausführung der Erfindung" und letztlich im weiteren Sinne zur Lösung der technischen Aufgabe gewertet wurden.
13. Soweit der Beschwerdeführer sowohl in seiner Beschwerdebegründung als auch in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2020 zur Stützung seiner Meinung, beide gasdurchlässigen Membranen "flüssigkeitsundurchlässig" auszugestalten und mit einer "auslaufsicheren Abdichtung am Rahmen zu befestigen" sei in Bezug auf die Erfindung nur ein vorteilhaftes Merkmal, mit einer "unteren" Membran 2a und einer "oberen" Membran 2b argumentiert, findet sich hierfür weder im Schreiben des Anmelders noch in den Zeichnungen der Anmeldung eine tatsächliche Grundlage, so dass insoweit die Vorschrift der Regel 22(3) ABVEP nicht beachtet ist. Die Ansicht, dass die Zellkulturkammer vollständig mit Medium gefüllt sein kann, also nicht muss, und daher nur die "untere", nicht aber auch die "obere" Membran flüssigkeitsundurchlässig und auslaufsicher abgedichtet am Rahmen befestigt sein müsse, ist auch sachlich nicht zwingend. Vielmehr werden in [005] des Anmelderschreibens ausdrücklich (mehrere) flüssigkeitsundurchlässige Membranen als wesentlich angesehen, "um zu verhindern, dass das Zellkulturmedium aus der Vorrichtung ausläuft". Aus [021] des Anmelderschreibens ergibt sich nämlich, dass tatsächlich die Gefahr des Auslaufens des Zellkulturmediums besteht, da dort vorgesehen ist, dass die Vorrichtung gekippt oder leicht geschüttelt werden kann. Auch bei nicht vollständiger Füllung der Zellkulturkammer mit Zellkulturmedium ist daher ein Auslaufen des Zellkulturmediums möglich und zu verhindern, nicht nur bei einem Kippen und leichten Schütteln der Vorrichtung, sondern auch wenn z.B. die Vorrichtung in den Inkubator verbracht oder aus diesem herausgeholt werden soll.
14. Der Beschwerdeführer kann sich schließlich zur Stützung seiner Ansicht, dass als wesentlich bezeichnete Merkmale nicht in den unabhängigen Vorrichtungsanspruch aufzunehmen seien, da sie nicht zur Lösung der technischen Aufgabe beitragen und der Schutzbereich nicht unnötig eingeschränkt werden dürfe, nicht auf die Prüfungsaufgabe A 2018 und den entsprechenden Prüferbericht berufen. Da der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf Artikel 6(6) VEP hinweist, besteht aus Sicht der Kammer zunächst Anlass zu einer grundsätzlichen Bemerkung. Nach Artikel 6(6) Satz 2 VEP werden der Prüferbericht und die Musterlösung veröffentlicht, "damit sich die Bewerber auf künftige Prüfungen nach Maßgabe der ABVEP vorbereiten können." Diese Vorschrift kann aber nicht so verstanden werden, dass Aussagen und Wertungen in Prüferberichten früherer Prüfungen, wie hier der Prüfungsaufgabe A 2018, ohne weiteres übertragbar und rechtlich analog anwendbar in späteren Prüfungsaufgaben sind. Dies ist schon deshalb offensichtlich, weil sich die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, d.h., der Prüfungsaufgaben, unterscheiden und eine bestimmte, auf den jeweiligen Sachverhalt bezogene rechtliche Bewertung erfordern. Daher ist der in der genannten Vorschrift genannte Zweck der Ermöglichung der Vorbereitung auf künftige Prüfungen auch eher so zu verstehen, dass die Bewerber einen Eindruck über die Art, den Umfang und die Schwierigkeit der zu erwartenden jeweiligen Aufgaben vermittelt bekommen sollen. Dagegen kann eine unmittelbare Geltung von konkreten rechtlichen Aussagen zu bestimmten Sachverhalten in Prüferberichten früherer Prüfungsaufgaben im Hinblick auf spätere Prüfungsaufgaben nicht beansprucht werden.
15. Letzteres gilt danach auch für den Hinweis des Beschwerdeführers auf die Prüfungsaufgabe A 2018. Dort war eine Beschränkung auf eine bestimmte Höhe in dem unabhängigen Anspruch betreffend die Glasplatte als nicht notwendig angesehen worden, da die Glasplatte nicht nur zur Isolation, sondern auch für viele andere Zwecke, wie in der dortigen D1 beschrieben, verwendet werden konnte. Daher unterscheiden sich aber gerade die Prüfungsaufgaben A 2018 und 2019. In der Aufgabe A 2018 war das Merkmal der bestimmten Höhe der Glasplatte gerade nicht als wesentlich für die vom Anmelder beschriebene Erfindung herausgestellt worden, während in der vorliegenden Aufgabe A 2019 im Gegensatz dazu die Merkmale "flüssigkeitsundurchlässige" und mit einer "auslaufsicheren Abdichtung am Rahmen zu befestigenden Membranen" ausdrücklich als wesentlich bezeichnet worden sind. Ein weiterer Unterschied, der eine Übertragbarkeit der Bewertung in der Aufgabe A 2018 auf die vorliegende Prüfungsaufgabe A 2019 ausschließt, liegt darin, dass die Glasplatte in der Prüfungsaufgabe A 2018 auch für viele andere Zwecke verwendet werden konnte, wohingegen in der Aufgabe A 2019 eine solche vielfache anderweitige Verwendung der Zellkulturvorrichtung weder vorgetragen noch offenbart oder sonst ersichtlich ist.
16. Soweit der Beschwerdeführer seine Beschwerde in der Beschwerdebegründung vom 24. Juli 2019 zusätzlich auch darauf gestützt hat, dass ein pauschaler Punktabzug für die Beanspruchung lediglich einer "dicht verschließbaren Öffnung" in der Zellkulturvorrichtung im Allgemeinen anstelle der speziellen, vom Anmelder in seinem Schreiben beschriebenen drei Ausführungsformen nicht gerechtfertigt sei, hat er sich zu diesem Beschwerdevorbringen nach der Stellungnahme der Beschwerdekammer in dem Ladungsbescheid vom 3. Februar 2020 weder in seinem Schreiben vom 11. Februar 2020 noch während der mündlichen Verhandlung erneut geäußert. Die Beschwerdekammer hat auch nach nochmaliger Erörterung dieses Beschwerdevorbringens keinen Anlass gesehen, von der in der Stellungnahme der Beschwerdekammer in dem Ladungsbescheid vom 3. Februar 2020 dargelegten vorläufigen Auffassung abzuweichen. Die Kammer verweist daher insoweit auf die entsprechenden Ausführungen in dem Ladungsbescheid zu den Punkten 12.2 und 12.3.
17. Dort hat die Kammer insbesondere der Behauptung des Beschwerdeführers unter Hinweis auf [015] und [017] des Anmelderschreibens widersprochen, der Anmelder habe im Rahmen der Ausführungsbeispiele stets selbst ganz allgemein von einer "dicht wiederverschließbaren Öffnung" gesprochen. Dieses Vorbringen widerspricht nämlich dem gesamten Offenbarungsgehalt des Anmelderschreibens und ist daher für die Beschwerdekammer nicht nachvollziehbar. Bei der gebotenen verständigen Würdigung besteht kein Zweifel, dass das verwendete Wort "eine" in den zitierten Absätzen nicht als Zahlwort mit der Bedeutung "eine einzige", sondern als unbestimmter Artikel verwendet wird. In dem Anmelderschreiben findet sich schließlich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers an keiner Stelle ein Hinweis darauf, dass sich die dicht wiederverschließbare Öffnung (auch) in einer der Membranen befinden können soll. Auch dieses Argument kann daher im Hinblick auf die in Regel 22(3) ABVEP genannten Voraussetzungen keine Berücksichtigung finden.
18. Aus den vorgenannten Gründen hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Entscheidungsformel
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.