D 0021/16 () of 27.1.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:D002116.20170127
Datum der Entscheidung: 27 Januar 2017
Aktenzeichen: D 0021/16
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
-
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

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Angeführte Entscheidungen:
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Anführungen in anderen Entscheidungen:
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Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Fest­stellung des Nichtbestehens die Prüfungsaufgabe C der europäischen Eignungsprüfung 2016 und die dieser zugrunde liegende Benotung.

II. Die Prüfungskommission legte die Benotung für die Prüfungsaufgabe C der europäischen Eignungsprüfung 2016 auf 40 Punkte fest und entschied, dass die Beschwerde­führerin die Eignungsprüfung nicht bestanden hat. Die Mitteilung dieses Ergebnisses sowie der Bewertung wurde der Beschwerdeführerin am 25. Juli 2017 per Post zuge­sandt. Die Mitteilung enthielt auf der Rückseite die folgenden Einzelheiten zur Notenvergabe durch die Prüfer der Prüfungskommission II (nachfolgend: Bewertungsbogen):

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III. Die Beschwerdeführerin legte gegen diese Entscheidung am 1. September 2016 form- und fristgerecht Beschwerde ein.

IV. Die Prüfungskommission half diese Beschwerde nicht ab, sondern legte sie am 7. Oktober 2016 der Beschwerde­kammer in Disziplinarangelegenheiten (nachfolgend: Beschwerdekammer) vor.

V. Mit Schreiben vom 4. November 2016 beantragte die Beschwerdeführerin hilfsweise eine mündliche Verhandlung. Die Ladung erging am 23. November 2016. Am 27. Januar 2017 fand eine nicht öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart der Beschwerdeführerin, ihres Rechts­beistands sowie eines vom Präsidenten des Europäischen Patentamts bestimmten Vertreters statt (Artikel 24 (4) der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für zugelassene Vertreter [VEP, Zusatzpublikation zum Amtsblatt EPA 2/2014, 2] in Verbindung mit Artikel 14 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern [Zusatzpublikation zum Amtsblatt EPA 1/2016, 126]).

VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Die Beschwerdeführerin macht zunächst eine Verletzung von Artikel 8 (1) d) VEP in Verbindung mit Regel 4 (1) der Ausführungsbestimmungen zu den Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung (ABVEP, Zusatzpubli­kation zum Amtsblatt EPA 2/2014, 18) geltend. Der Bewertungsbogen auf der Rückseite der angefochtenen Entscheidung enthalte nicht die erforderlichen Einzelheiten zur Notengebung, um die Entscheidung der Prüfungskommission für den Bewerber nachvollziehbar zu machen und gegebenenfalls schwerwiegende Bewer­tungsfehler aufzudecken. Unter Einzelheiten zur Notengebung verstehe die Rechtsprechung eine hin­reichende Unterteilung der möglichen Maximalpunktzahl und der für den Bewerber vergebenen Gesamtpunktzahl in Unterpunkte und die Angabe, für welche Sachver­haltskomplexe, rechtliche Fragestellungen bzw. Prüfungskategorien diese Unterpunkte vergeben wurden. Aus den im Bewertungsbogen genannten Kategorien "novelty use", "novelty argumentation", "inventive step use", "inventive step argumentation", "other use" und "other argumentation" gehe nicht hervor, welche Aspekte einer Antwort zur Benotung herange­zogen würden und wie diese Aspekte bei der Bewertung der Prüfungsarbeit voneinander abgegrenzt würden. Die Nachvollziehbarkeit der Bewertung werde auch dadurch verunmöglicht, dass der Bewertungsbogen lediglich die Summe der zuerkannten Punkte für die genannten 6 Kategorien zusammenfasse und daher nicht erkennen lasse, wie sich die zuerkannten Punkte auf die ein­zelnen, im Prüferbericht genannten Einwände und die dort aufgeführten, zu erreichenden Punktezahlen ver­teilten. Zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs müsste daher der Beschwerdeführerin die Einsichtnahme in die Bewertungsbögen der Prüfer mit den im Prüfer­bericht vorgegebenen Einzelheiten zur Benotung oder in die von den Prüfern mit Korrekturvermerken ver­sehenen Kopien der Prüfungsarbeit der Beschwerde­führerin gewährt werden. Andernfalls werde ihr die Möglichkeit genommen, schwerwiegende Fehler bei der Bewertung zu erkennen.

b) Da nach Auskunft des Vertreters des Präsidenten des Europäischen Patentamts zu einer Prüfungsarbeit keine weiteren Dokumente des Prüfungsausschusses vorliegen als der auf der Rückseite der angefochtenen Entschei­dung wiedergegebene Bewertungsbogen, könne die Beschwerdeführerin nur auf der Grundlage von Plausibilitätsüberlegungen schwerwiegende Fehler bei der Bewertung geltend machen und sich in der Sache nicht äußern. Die Beschwerdeführerin könne daher nur die folgenden Unstimmigkeiten rügen:

i) Zunächst ergebe sich aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin den erwarteten Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegen An­spruch 5 wie im Prüfungsbericht ausgeführt habe, dass die ihr für die Kategorie "erfinde­rische Tätigkeit" zuerkannten Punkte allein für diesen Angriff gegeben wurden. Dabei habe die Beschwerdeführerin nicht einmal die maxi­male Punktzahl erzielt. Für die anderen Ein­wände der mangelnden erfinderischen Tätigkeit in Bezug auf Anspruch 3 sowie Anspruch 6 habe die Beschwerdeführerin folglich keine Punkte erhalten, obschon diese Angriffe entsprechend dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz ausgeführt und begründet wurden. Dass bei Anspruch 1 zusätz­lich zu einem Neuheitsangriff auch ein Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit erwar­tet wurde, widerspreche darüber hinaus frühe­ren Prüfungen. Die geringe Punktezahl in der Kategorie "erfinderische Tätigkeit" lege daher einen schwerwiegenden Bewertungsfehler nahe, zumal die geringe erzielte Punktezahl mit der Bewertung in der Kategorie "Neuheit" kontras­tiere. Hier habe die Beschwerdeführerin nur wenige Punkte abgezogen erhalten, obschon sie beispielsweise den erwarteten Einwand der mangelnden Neuheit des Gegenstands von An­spruch 6 nicht erhoben habe.

ii) Weiter macht die Beschwerdeführerin geltend, dass die dargestellten Unstimmigkeiten bei der Bewertung ihrer Arbeit nahelegten, dass sich ihre vom Prüferbericht abweichende aber ver­tretbare Auslegung des Merkmals "thermoaktive Zusammensetzung" des Streitpatents auf die darauf aufbauenden Beurteilung der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit ausgewirkt hätte. Die sich aus der abweichenden Auslegung ergebenden Konsequenzen für die weitere Argumentation seien bei der Bewertung nicht berücksichtigt worden, was zu einem überproportionalen Punkt­abzug geführt hätte. Der anfängliche "Fehler" sei mit anderen Worten vielfach "abgestraft" worden. Die genaue Punkteverteilung sei dem Bewertungsbogen nicht zu entnehmen. Da aber der Angriff der mangelnden Neuheit gegen Anspruch 1 ausgehend von Anlage 2 sowie der Einwand gegen Anspruch 5 in Übereinstimmung mit dem Prüferbericht ausgeführt wurden, sei davon auszugehen, dass die Bewerberin hier annähernd die volle Punktzahl erzielt habe. Die Punktabzüge entfielen daher auf die Aus­führungen, bei denen sich die abweichende Aus­legung ausgewirkt habe. So habe die abweichen­de Auslegung des Merkmals "thermoaktive Zusam­mensetzung" eine vom Prüferbericht abweichende Beurteilung der Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 des Streitpatents (Anlage 1) gegen­über der Anlage 3 zur Folge gehabt. Zudem seien als Konsequenz der divergierenden Aus­legung des Merkmals "thermoaktive Zusammen­setzung" auch die erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 1 sowie die Neuheit und die erfinde­rische Tätigkeit der abhängigen Ansprüche 3 und 4 abweichend von der Musterlösung zu beur­teilen gewesen. Bei der Bewertung hätten die Prüfer indes dieser einheitlichen Ursache für die Abweichungen von der Musterlösung augen­scheinlich keine Rechnung getragen, sondern schematisch mehrfach Punkte abgezogen.

c) Die Beschwerdeführerin macht sodann bei der Beurtei­lung der erfinderischen Tätigkeit vom Gegenstand des Anspruchs 4 Widersprüche im Prüferbericht geltend:

i) Auf Seite 2 des Prüferberichts werde im zwei­ten vollständigen Absatz darauf hingewiesen, dass es kein Argument für die Begründung des nächstliegenden Stands der Technik sei, dass ein Dokument die meisten Merkmale mit dem Gegenstand des Anspruchs gemein habe. Auf Seite 14 des Prüferberichts werde dagegen im ersten Absatz zu Anspruch 4 ausgeführt, dass die Anlage 2 das einzige Dokument des Stands der Technik sei, das eine wiederverwendbare Therapievorrichtung offenbare, die die meisten Merkmale mit dem Gegenstand des Anspruchs 4 gemein habe.

ii) Ein zweiter Widerspruch sei, dass ausgesagt werde, dass die Anlage 2 das einzige Dokument des Stands der Technik sei, in dem eine wiederverwendbare Therapievorrichtung offen­bart werde. Die Therapievorrichtung der Anlage 3 sei in gleicher Weise wiederverwendbar. Daher habe nach den im Prüferbericht genannten Kriterien die Anlage 3 die meisten Merkmale mit dem Gegenstand des Anspruchs 4 gemein.

iii) Schließlich sei die Ansicht der Prüfungskom­mission fehlerhaft, dass die Anlage 2 als Stand der Technik näher liege als die Anlage 3, weil es in Letzterem hieße, dass andere Befestigungsmittel ungeeignet sind: Ein derartiges Argument zum Ausschluss eines Dokuments als nächstliegenden Stand der Technik sei weder den Prüfungsrichtlinien noch der Rechtsprechung zu entnehmen. Der Anlage 3 sei zudem nicht spezifisch zu entnehmen, welche "anderen" Mittel ungeeignet sein sollen. Der Prüferbericht vernachlässige zudem den gesamten Kontext. Denn der Absatz [0009] der Anlage 3 offenbare in der Zusammenschau mit Figuren 1 und 2 als Befestigungsmittel zwei Drucklaschen in Gestalt von Bändern wie sie auch im Absatz [0025] des Streitpatents (Anlage 1) offenbart sind. Der einzige Unterschied sei die Elastizität der Bänder. Demgegenüber offenbare das Dokument A2 lediglich Knöpfe als Befestigungsmittel.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte

a) die Entscheidung der Prüfungskommission vom 25. Juli 2016 über das Nichtbestehen der Prüfungsaufgabe C der europäischen Eignungsprüfung 2016 zu widerrufen;

b) die der Bewerberin zustehenden Punkte zu vergeben, und das Bestehen der europäischen Eignungsprüfung, Prüfung C, festzustellen;

c) die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten;

d) hilfsweise, die Bewertungsbögen entsprechend dem durch den Prüferbericht vorgegebenen Bewertungs­maßstab zugänglich zu machen und vor dem nächsten Prüfungstermin am 9. März 2017 eine nächste Verhandlung anzuberaumen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde, der die Prüfungskommission nicht nach Artikel 24 (3), Sätze 1 und 2, VEP abhalf, erfüllt die an ihre Zulässigkeit nach Artikel 24 (1) und (2) VEP zu stellenden Voraussetzungen, insbesondere ist sie fristgemäß eingereicht und begründet worden.

2. Gegenstand der Beschwerde ist die von der Prüfungs­kommission auf Vorschlag des Prüfungsausschusses II getroffene Feststellung des Nichtbestehens der Prüfungs­aufgabe C der europäischen Eignungsprüfung 2016. Anhand der Prüfungsaufgabe C soll beurteilt werden, ob die Bewerber fähig sind, gemäß Artikel 1 (4) VEP eine Ein­spruchsschrift gegen ein europäisches Patent auszu­arbeiten (Regel 25 (1) ABVEP). Von den Bewerbern wird erwartet, dass sie sich in die Lage des Vertreters versetzen und allein anhand der Angaben des Mandanten eine Einspruchsschrift verfassen, die - in maschinen­schriftlicher Form - so eingereicht werden könnte (Regel 25 (3) ABVEP). Die Einspruchsschrift muss voll­zählig (und ausschließlich) all diejenigen Gründe - möglichst gegen alle Ansprüche - enthalten, die nach Ansicht des Bewerbers im jeweils vorliegenden Fall der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehen. Das Weg­lassen triftiger Einspruchsgründe hat einen Punktabzug zur Folge, der umso höher ausfällt, je wichtiger der be­treffende Grund ist. Der Bewerber muss ferner auf einem gesonderten Blatt kurz begründen, warum er den Empfeh­lungen des Mandanten gefolgt oder nicht gefolgt ist. Außerdem müssen alle Fragen, die der Mandant möglicher­weise gestellt hat, beantwortet werden (Regel 25 (5) ABVEP). Die Ansprüche sind getrennt voneinander zu behandeln, wobei den jeweiligen Abhängigkeiten gebührend Rechnung zu tragen ist (Regel 25 (6) ABVEP).

Einzelheiten zur Notengebung

3. Die Beschwerdeführerin rügte zunächst die mangelnde Transparenz und Begründung der Bewertungen durch die beiden Prüfer. Der Bewertungsbogen auf der Rückseite der angefochtenen Entscheidung genüge aufgrund seiner Unter­gliederung in lediglich drei Kategorien respektive sechs Unterkategorien den rechtlichen Mindestanforderungen nicht, weil er keine Zuordnung der innerhalb der einzel­nen Kategorien vergebenen Punkte zu den prüfungsrelevan­ten Angriffen und den von der Beschwerdeführerin tat­sächlich ausgeführten Angriffen erlaube. Eine Nach­prüfung der Prüfungsentscheidung sei anhand des Bewer­tungsbogens auf der Rückseite der angefochtenen Ent­scheidung nicht möglich.

4. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammer müssen Entscheidungen, mittels derer Bewerbern das Nicht­bestehen der Prüfung mitgeteilt wird, als solche nicht begründet sein, da die Vorschriften über die Eignungs­prüfung eine Begründung nicht erfordern (D 12/97, ABl. EPA 1998, 556; D 3/03 vom 23. April 2004, Nr. 3 der Entscheidungsgründe; eingehend D 7/05, ABl. EPA 2007, 378, Nr. 16 bis 21 der Entscheidungsgründe). Allerdings müssen nach Artikel 8 (1) d) VEP und Regel 4 (1) ABVEP die Bewertungsbögen Einzelheiten zur Notengebung ent­halten. Diese Vorschrift dient dem Ziel, die Entschei­dung der Prüfungskommission im Einzelfall für den Bewerber nachvollziehbar zu machen (D 12/82, ABl. EPA 1983, 233, Nr. 4 der Entscheidungsgründe; D 7/05, ABl. EPA 2007, 378, Nr. 8 der Entscheidungsgründe; D 11/07 vom 14. Mai 2009, Nr. 8 der Entscheidungsgründe). Unter Einzelheiten zur Notengebung sind eine hinreichende Unterteilung der möglichen Maximalpunktzahl und der für den Bewerber vergebenen Gesamtpunktzahl in Unterpunkte zu verstehen und die Angabe, für welche Sachverhalts­komplexe, rechtliche Fragestellungen bzw. Prüfungs­kategorien diese Unterpunkte vergeben wurden (D 7/05, ABl. EPA 2007, 378, Nr. 9 der Entscheidungsgründe).

5. Mit derartigen Angaben ist auch in Abwesenheit einer verbal-argumentativen Begründung die Entscheidung der Prüfungskommission über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Prüfungsaufgabe für die Bewerber in Verbindung mit dem veröffentlichten Prüferbericht nachvollziehbar. Die Bewerber können ihre Antworten mit dem Prüferbericht und den darin enthaltenen Anmerkungen samt Lösungsvorschlag sowie der ebenfalls veröffentlichen Prüfungsarbeit eines Bewerbers vergleichen und anhand des Bewertungsbogens feststellen, ob und in welchem Umfang, d.h. hinsichtlich welcher Teilaspekte der Prüfungsaufgabe, ihre Antworten als richtig und vollständig bzw. als falsch oder unvoll­ständig bewertet wurden, sowie auch, ob die Beurteilung ihrer Prüfungsarbeit das Ergebnis einer Fehlbeurteilung gewesen sein könnte, die von der Beschwerdekammer in einem Beschwerdeverfahren überprüft werden kann (D 7/05, ABl. EPA 2007, 378, Nr. 9 der Entscheidungsgründe; D 3/03 vom 23. April 2004, Nr. 4 der Entscheidungsgründe; D 11/07 vom 14. Mai 2009, Nr. 10 der Entscheidungs­gründe).

6. Die Beschwerdeführerin vermag mit ihrer Kritik der mangelnden Begründung und der fehlenden Nachprüfbarkeit der Prüfungsentscheidung nicht durchzudringen. Es gilt diesbezüglich zu berücksichtigen, dass die Begründung und Nachvollziehbarkeit der Prüfungsentscheidung nach der Rechtsprechung nicht allein durch die Angaben in den Bewertungsbögen, sondern in Verbindung mit den Anmerkun­gen und dem Lösungsvorschlag im Prüferbericht sowie der veröffentlichten Prüfungsarbeit eines Bewerbers zu gewährleisten ist. Wie der deutschen Übersetzung des Prüferberichts für die Aufgabe C 2016 (nachstehend: Prüferbericht) auf Seite 8 zu entnehmen ist, sind in den Abschnittsüberschriften des Lösungsvorschlags jeweils in Klammern die für die Unterkategorien "Verwendung der Informationen" und "Argumentation" erzielbaren Punkte angegeben. Diese erlauben eine Zuordnung der innerhalb der einzelnen Kategorien vergebenen Punkte zu den prüfungsrelevanten Angriffen, wie die nachstehende tabellarische Übersicht verdeutlicht. Dem Lösungsvor­schlag und den Anmerkungen im Prüferbericht ist auch jeweils zu entnehmen, welche Ausführungen in der Einspruchsschrift erwartet wurden.

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7. Unter Heranziehung des Prüferberichts und des darin ent­haltenen Lösungsvorschlags war mithin für einen Außen­stehenden nachvollziehbar, welche Ausführungen in der Einspruchsschrift erwartet wurden und wie sich die maximal zu erreichenden Punkte im Bewertungsbogen auf die einzelnen Teile der Einspruchsschrift verteilten. Wie aus der Begründung zu den geltend gemachten Bewer­tungsfehlern (nachfolgend Nr. 14 ff.) ersichtlich wird, wurde die Beschwerdeführerin auf der Grundlage des ihr zusammen mit der angefochtenen Entscheidung übersandten Bewertungsbogens unter vergleichender Heranziehung der Anmerkungen und des Lösungsvorschlags im Prüferbericht einerseits und ihrer eigenen Lösung andererseits in die Lage versetzt, die Bewertung (d.h. die Punkteverteilung auf die einzelnen Teile der Einspruchsschrift, die Notenbildung, die Notenabgleichung und die Gesamtbe­wertung) nachzuvollziehen und auf Einhaltung von Bewertungsgrundsätzen hin zu prüfen, sowie zu erkennen, weswegen ihre Prüfungsarbeit nicht den Anforderungen entsprochen hat. Damit erfüllt der Bewertungsbogen für die Prüfungsaufgabe C im vorliegenden Fall gerade noch die rechtlichen Mindestanforderungen an die Einzelheiten zur Notengebung.

8. Da aufgrund der konkreten Gegebenheiten der vorliegenden Beschwerde die Einhaltung der Bewertungsgrundsätze geprüft werden konnte (nachfolgend Nr. 14 ff.), sah sich die Beschwerdekammer nicht veranlasst, von ihren frühe­ren Entscheidungen, denen zufolge die Aufgliederung der Punkte in den Bewertungsbögen der Prüfungsaufgabe C Artikel 8 (1) d) VEP und Regel 4 (1) ABVEP nicht ver­letzt (D 9/11 vom 23. April 2012; Nr. 39 und 40 der Ent­scheidungsgründe; D 9/09 vom 20. Oktober 2011, Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe), abzuweichen.

9. Der Kritik der Beschwerdeführerin am Bewertungsbogen für die Prüfungsaufgabe C kann die Kammer allerdings insoweit zustimmen, als Verbesserungen möglich und auch wünschenswert erscheinen. Die Zusammenfassung großer Punktezahlen in wenigen Kategorien ist unbefriedigend, da sie zunächst eine Aufschlüsselung anhand des Lösungs­vorschlags im Prüferbericht erfordert, und die Zuordnung der von den Prüfern vergebenen Punkte zu den einzelnen Teilen der Einspruchsschrift nicht ohne Mutmaßungen auskommt. Die Beschwerdekammer schließt sich daher der bereits in der Entscheidung D 9/11 vom 23. April 2012 (Nr. 41 der Entscheidungsgründe) geäußerten Überzeugung an, dass die Transparenz (und Nachvollziehbarkeit) der Bewertung durch die Prüfer und die Prüfungskommission dadurch weiter verbessert werden könnte, dass die den Prüfern ohnehin bekannte und ihrer Bewertung zugrunde­liegende Punkteuntergliederung gemäß dem Lösungsvor­schlag des Prüferberichts auch im Bewertungsbogen nach­vollzogen würde. In der Tat würde dadurch auch die nach Artikel 6 (5) VEP gebotene Überprüfung der Notenvor­schläge der Prüfungsausschüsse durch die Prüfungs­kommission erheblich verbessert, da große Abweichungen der vergebenen von der erzielbaren Punktezahl für die einzelnen Teile der Einspruchsschrift und auch starke Abweichungen der Bewertungen der beiden Prüfer ersicht­lich werden und gezielt verifiziert werden können.

10. Mit ihren weiteren Argumenten vermochte die Beschwerde­führerin nicht durchzudringen. So machte sie geltend, dass mangels Aussagekraft der Unterkategorien "Verwen­dung der Informationen" und "Argumentation" erfolglose und künftige Bewerber keine Hinweise erhielten, welche Aspekte der Antwort welcher Unterkategorie zuzuordnen sei. Was die Schulung künftiger Bewerber anbelangt, ist entgegenzuhalten, dass die europäische Eignungsprüfung in erster Linie dem Qualifikationsnachweis und nicht der Qualifikationsvermittlung dient, wenn auch jede Prüfung als Übungsmaterial zur Schulung herangezogen werden kann. Die Vorbereitung künftiger Bewerber vermag daher keine erhöhten Anforderungen an die Einzelheiten zur Notenge­bung stellen. Sodann ist Artikel 8 (1) d) VEP und Regel 4 (1) ABVEP auch in Bezug auf erfolglose Bewerber keine Verpflichtung der Prüfungsorgane zur Erstellung und Veröffentlichung einer Bewertungsvorlage zu ent­nehmen, in der die für einen erwarteten Angriff in einer Einspruchsschrift zu erreichende Punktzahl detailliert den Einzelaspekten dieses Angriffs zugeordnet wird. Derart feine Untergliederungen der Notengebung bewegen sich in der Regel in dem nicht justiziablen Bereich des Bewertungsermessens der Prüfungsorgane zur Einzelwertig­keit von Antwortdetails der zu bewertenden Arbeiten und können die Verpflichtung der Prüfer, bei der Bewertung der einzelnen Teile der Antworten eines Bewerbers ihre Wertigkeit im Gesamtzusammenhang der Prüfungsarbeit nicht außer Acht zu lassen (D 3/00, ABl. EPA 2003, 365, Punkt 3 der Entscheidungsgründe), u.U. eher behindern (D 7/05, ABl. EPA 2007, 378, Nr. 13 der Entscheidungs­gründe).

Akteneinsicht

11. Hilfsweise begehrte die Beschwerdeführerin Einsicht in die Bewertungsbögen der Prüfer mit den im Prüferbericht vorgegebenen Einzelheiten zur Benotung oder in die von den Prüfern mit Korrekturvermerken versehenen Kopien der Prüfungsarbeit der Beschwerdeführerin.

12. Entsprechend dem Vortrag des Vertreters des Präsidenten des Europäischen Patentamts muss die Beschwerdekammer davon ausgehen, dass es neben den tabellarisch darge­stellten Einzelheiten zur Notenvergabe auf der Rückseite der Entscheidung der Prüfungskommission über das Bestehen oder Nichtbestehen der Prüfungsaufgabe C keine inhaltlich detaillierteren Bewertungsbögen der Prüfer gibt und auch die den Prüfern übersandten Kopien der einzelnen Arbeiten von diesen nicht mit Korrektur­vermerken versehen werden. Soweit einzelne Prüfer für sich individuelle Notizen machten, seien diese nicht Teil der Bewertung.

13. Das Fehlen solcher Unterlagen verletzt nicht die VEP, deren Ausführungsbestimmungen oder höherrangige Rechts­grundsätze: Wenn die Bewertungsbögen den rechtlichen Mindestanforderungen im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung genügen, besteht kein Rechtsanspruch auf eine weitergehende Einzelbegründung hinsichtlich der für jede Antwort von den Prüfern jeweils vergebenen Punkte, sei dies durch Zugänglichmachung von Kopien der Prüfungsarbeiten mit Anmerkungen der Prüfer oder durch Einsichtnahme in deren allenfalls vorhandene Notizen zu den einzelnen Prüfungsarbeiten (D 9/09 vom 20. Oktober 2011, Nr. 3 und 3.2 der Entscheidungsgründe). Das Recht auf Akteneinsicht kann ebenfalls keinen weitergehenden Rechtsanspruch begründen (D 7/05, ABl. EPA 2007, 378, Nr. 10 und 12 der Entscheidungsgründe; D 12/82, ABl. EPA 1983, 233, Nr. 4 und 5 der Entscheidungsgründe). Das Fehlen einer argumentativen Begründungspflicht verstößt auch nicht gegen höherrangige Rechtsgrundsätze (D 5/09 vom 24. März 2010, Nr. 6 und 7 der Entscheidungsgründe; D 7/05, ABl. EPA 2007, 378, Nr. 25 bis 31 der Entschei­dungsgründe; D 3/03 vom 23. April 2004, Nr. 3 der Ent­scheidungsgründe). Daher war der Antrag auf Akten­einsicht zurückzuweisen.

Schwerwiegende und eindeutige Fehler bei der Bewertung

14. Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, dass die Bewertung ihrer Prüfungsarbeit nicht schlüssig sei: Während die Punkteabzüge in den Kategorien "Neuheit" geringfügig seien, sei ihr in der Kategorie "erfinde­rische Tätigkeit" eine große Anzahl Punkte pauschal versagt worden, was im Widerspruch zu ihrer Prüfungs­leistung stehe (siehe im Einzelnen oben Nr. VI.b)i)).

15. Von den erwarteten Einwänden hat die Beschwerdeführerin den Einwand der mangelnden Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 auf der Grundlage von Anlage 2 als Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ sowie den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 5 ausgehend von Anlage 5 als nächstliegendem Stand der Technik ausgeführt. Wird entsprechend dem Vortrag der Beschwerdeführerin unterstellt, dass sie für diese beiden Angriffe im Wesentlichen die maximale Punktzahl erzielt haben sollte, so folgt aus den von den Prüfern für die Kategorien "Neuheit" und "erfinderische Tätigkeit" vergebenen Punkten, dass die Beschwerde­führerin für die übrigen, von ihr in der Einspruchs­schrift erhobenen Einwände, praktisch keine Punkte zugesprochen erhalten hat. Dies veranschaulicht die nachfolgende summarische Übersicht.

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16. Im Folgenden ist zu prüfen, ob diese summarische Punkte­verteilung auf die einzelnen Teile der Einspruchsschrift einen schwerwiegenden Fehler bei der Bewertung der Prüfungsarbeit der Beschwerdeführerin erkennen lässt.

17. Die Beschwerdeführerin hat den erwarteten Angriff auf die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 auf der Grundlage von Anlage 3 nicht geführt. Dass ein solcher Einwand zusätzlich zum Neuheitseinwand erwartet wurde, ist nach Auffassung der Kammer nicht zu bean­standen. Denn anders als bei einem Neuheitseinwand ge­stützt auf ein Dokument, das Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ ist, besteht bei einem Neuheitsein­wand gestützt auf ein Dokument, das Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ ist, kein Widerspruch in der Argumentation, da Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht zu ziehen ist (Artikel 56, Satz 2, EPÜ). Wie noch im Zusammenhang mit dem Anspruch 3 ein­gehender erörtert werden wird (unten Nr. 18.2), musste sodann der zusätzliche, laut Lösungsvorschlag des Prüferberichts nicht erwartete, lediglich rudimentär begründete Einwand der mangelnden Neuheit gegenüber Anlage 3 (Seite 18 der Prüfungsarbeit) nicht zwingend zu einer besseren Bewertung führen. Folglich liegt kein schwerwiegender Bewertungsfehler vor, wenn der Beschwerdeführerin lediglich für den Neuheitsangriff Punkte zugesprochen wurden.

18. Die Beschwerdeführerin hat den erwarteten Angriff auf die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 3 auf der Grundlage von Anlage 3 geführt und dabei auch die im Anspruch enthaltenen Alternativen berücksichtigt. Allerdings hat die Beschwerdeführerin ihren Ausführungen ein vom Prüferbericht abweichendes Verständnis des Merk­mals "thermoaktive Zusammensetzung" zugrunde gelegt. Dieses Verständnis hatte zur Folge, dass dieses Merkmal keinen Unterschied zum Gegenstand von Anspruch 3 bildete, was die Beschwerdeführerin veranlasste, zusätzlich zum Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit einen Einwand der mangelnden Neuheit zu erheben.

18.1 Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin überein, dass nach der Rechtsprechung eine vom Prüferbericht abweichende, aber dennoch zumindest vertretbar und kompetent begründete Antworten gerecht zu bewerten ist (siehe D 7/05, ABl. EPA 2007, 378, 2. Leitsatz sowie Nr. 13 der Entscheidungsgründe; D 12/82, ABl. EPA 1983, 233, Nr. 3 der Entscheidungsgründe). Der Prüferbericht bestätigt, dass diesem Bewertungsgrundsatz Rechnung getragen wurde (Seite 3, 4. Absatz): "Außer für die im nachstehenden Lösungsvorschlag beschriebenen Angriffe wurden auch für andere glaubhafte und solide begründete Angriffe Punkte vergeben." Dabei ist nicht zu beanstan­den, wenn die Vergabe zusätzlicher Punkte sich danach richtet, inwieweit sich die Antwort mit dem bevorzugten Ansatz deckt (Prüferbericht, Seite 3, 4. Absatz), da Punkte in erster Linie für die Verwendung der Informa­tionen und die darauf bezogene spezifische Argumentation vergeben werden.

An den von der Beschwerdeführerin angeführten Stellen ihrer Prüfungsarbeit (Seite 18 i.V.m. Seiten 9, 10 und 14) findet sich indes keine Auseinandersetzung mit dem Merkmal "thermoaktive Zusammensetzung" des Streitpatents (Anlage 1), sondern es wird lediglich ausgesagt, dass die Anlage 3 eine "thermoaktive Zusammensetzung" offen­bare, respektive dass die Taschen der therapeutischen Vorrichtung der Anlage 3 eine "thermoaktive Zusammen­setzung" enthielten. Diese Aussagen zum Offenbarungs­gehalt der Anlage 3 waren mangels Begründung für die Prüfer bei der Bewertung der Arbeit der Beschwerde­führerin nicht nachvollziehbar, weshalb es ihnen auch nicht möglich war, den abweichenden Antworten im Rahmen einer individuellen Leistungsbeurteilung Punkte zuzu­erkennen. Im Übrigen erfordert die Beantwortung der Frage, ob für die weiteren Ausführungen der Beschwerde­führerin zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 3 im Rahmen einer gerechten Bewertung Punkte zu vergeben waren, eine sachliche Über­prüfung, zu der die Beschwerdekammer nach Artikel 24 (1) VEP und nach ständiger Rechtsprechung (im Anschluss an D 1/92, ABl. EPA 1993, 357) nicht befugt ist. Die Kammer stellt allerdings in diesem Zusammenhang fest, dass den abweichenden Ausführungen der Beschwerdeführerin eine geringe Anzahl zusätzlicher Punkte zuerkannt wurden (dazu unten Nr. 19.2), auch wenn deren Anzahl und Zuordnung zu den jeweiligen Ausführungen unbestimmt bleibt.

18.2 Weiter gibt die Beschwerdekammer mit Blick auf den von der Beschwerdeführerin unter Verweis auf die Argumenta­tion zur erfinderischen Tätigkeit dargelegten Einwand der mangelnden Neuheit des Gegenstands von Anspruch 3 gegenüber Anlage 3 (Seite 14 der Prüfungsarbeit) zu bedenken, dass zusätzliche, laut Lösungsvorschlag des Prüferberichts nicht erwartete Einwände nicht zwingend zu einer besseren Bewertung der Prüfungsarbeit führen müssen, sondern auch einen Punktabzug begründen können. Nach Regel 25 (5) ABVEP ist vorausgesetzt, dass die vom Bewerber anzufertigende Einspruchsschrift vollzählig (und ausschließlich) alle diejenigen Gründe enthalten muss, die nach Ansicht des Bewerbers im jeweils vorlie­genden Fall der Aufrechterhaltung des Patents entgegen­stehen. Vom Bewerber wird demzufolge erwartet, dass er einerseits alle triftigen Einspruchsgründe erkennt, an­dererseits allein diese darlegt. Die Einspruchsschrift muss komplett, aber doch gezielt sein. Regel 25 (5) ABVEP schließt daher selbst bei Vollständigkeit der Antwort einen Punktabzug nicht aus, wenn ein Bewerber zur Vermeidung eines Abzugs für fehlende Einwände möglichst viele Einspruchsgründe abhandelt, auch wenn deren Begründung im Einzelnen zweifelhaft ist, so dass der Bewerber im Ergebnis dem Prüfungsausschuss aufgibt, die stichhaltigen Einspruchsgründe herauszusuchen. Denn eine Einspruchsschrift, die eine Vielzahl nicht kompe­tent begründeter Einspruchsgründe enthält, lässt nicht erkennen, dass der Bewerber die geforderte Fähigkeit besitzt zu beurteilen, welches die triftigen, für einen Erfolg des Einspruchs relevanten Einspruchsgründe sind (D 11/14 vom 10. Februar 2015, Nr. 2.4 der Entschei­dungsgründe).

18.3 Im Rahmen ihrer eingeschränkten Überprüfungsbefugnis kann die Beschwerdekammer auch in Bezug auf den An­spruch 3 nach dem Gesagten keinen schwerwiegenden, als Ermessensmissbrauch bzw. als Überschreitung des Beurteilungsspielraums zu betrachtenden Bewertungsfehler der Prüfer des Prüfungsausschusses II erkennen.

19. In Bezug auf den Gegenstand der Ansprüche 4 und 6 des Streitpatents (Anlage 1) war zu beachten, dass die Anlage 2 Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ bildete und somit – anders als für den Gegenstand der Ansprüche 1 und 3 - bei der Beurteilung der erfinde­rischen Tätigkeit zu berücksichtigen war. Gegen den Gegenstand von Anspruch 4 wurde daher ein Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gestützt auf Anlage 2 als nächstliegendem Stand der Technik und gegen den Gegenstand von Anspruch 6 ein Einwand der mangelnden Neuheit gegenüber Anlage 2 erwartet.

19.1 Die Beschwerdeführerin erhob bei Anspruch 4 einen Ein­wand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von Anlage 3 als nächstliegendem Stand der Technik (Seite 15 bis 17 der Prüfungsarbeit). Wiewohl sie bei ihren Ausführungen zum Zeitrang der Ansprüche und zum Stand der Technik (Seiten 2 und 5 der Prüfungsarbeit) erkannte, dass die Anlage 2 in Bezug auf den Gegenstand der Ansprüche 4 und 6 Stand der Technik nach Arti­kel 54 (2) EPÜ darstellt, setzte sie sich bei ihren Aus­führungen zum Anspruch 4 nicht mit der Anlage 2 aus­einander. Infolge der Außerachtlassung der Anlage 2 fehlte ein triftiger, für einen Erfolg des Einspruchs relevanter Einspruchsgrund. Nach Regel 25 (5) ABVEP hat das Weglassen triftiger Einspruchsgründe einen Punkt­abzug zur Folge, der umso höher ausfällt, je wichtiger der betreffende Grund ist. Daher kann nicht auf eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums seitens der Prüfer geschlossen werden, wenn den Ausführungen der Beschwerdeführerin zu Anspruch 4 keine Punkte zuerkannt wurden. Die Vergabe von Punkten für den abweichenden Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 4 im Rahmen einer gerechten Bewertung bewegt sich in dem nicht justiziablen Bereich des Bewertungsermessens der Prüfer zur Einzelwertigkeit von Prüfungsteilen. Dabei müssen zusätzliche Einwände nicht zwingend zu einer besseren Bewertung der Prüfungsarbeit führen (siehe oben Nr. 18.2).

19.2 Gegen Anspruch 6 erhob die Beschwerdeführerin einen Einwand der mangelnden Neuheit gegenüber Anlage 4 sowie einen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von Anlage 4 als nächstliegendem Stand der Technik (Seite 19 und 20 sowie 23 und 24 der Prüfungs­arbeit). Wiederum ließ die Beschwerdeführerin Anlage 2 außer Acht. Aus den gleichen Überlegungen wie bei Anspruch 4 (vorstehend Nr. 19.1) kann die Beschwerde­kammer keinen schwerwiegenden Bewertungsfehler erkennen, wenn der Beschwerdeführerin kein Punkt zugesprochen wurde. Dem Umstand, dass die vom Prüfer A zuerkannten Punkte in den Unterkategorien "novelty use" und "novelty argumentation" die maximale Punktzahl für den erwarteten, von der Beschwerdeführerin ausgeführten Neuheitseinwand gegen Anspruch 1 übersteigt, legt nahe, dass der Prüfer den Ausführungen der Beschwerdeführerin zu Anspruch 6 (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) zusätz­liche Punkte zuerkannte. Die genaue Anzahl lässt sich zwar nicht feststellen, da die Summe der Punkte in diesen Unterkategorien denkbare Punktabzüge beim Neu­heitseinwand gegen Anspruch 1 nicht erkennen lässt. Für die Beschwerdeführerin war aber dennoch ersichtlich, dass ihre vom Lösungsvorschlag abweichenden Ausführungen berücksichtigt worden waren – wenngleich nicht im von ihr erwarteten Ausmaß. Die Bewertung des Prüfers B in der Unterkategorie "inventive step use" erlaubt die gleiche Feststellung. Auch hier kann die genaue Zahl zusätzlicher Punkte nicht eruiert werden. Die Anzahl wird jedoch selbst unter Berücksichtigung möglicher Punktabzüge bei den Ausführungen zu Anspruch 5 gering sein. Die genaue Anzahl und Zuordnung ist im vorliegen­den Fall jedoch unerheblich, weil selbst eine geringe Zahl zusätzlicher Punkte noch keine Verletzung des Be­wertungsgrundsatzes einer gerechte Bewertung von vom Schema abweichenden Antworten stützen kann, wenn be­rücksichtigt wird, dass die Prüfungsarbeit bei vier Einwänden, auf die insgesamt 67 Punkte entfallen (22 für "Verwendung von Information", 45 für "Argumentation"), vom Lösungsschema abgewichen oder sogar unvollständig geblieben ist.

20. Die Beschwerdeführerin vermag auch mit ihrer Rüge, dass ihre vom Prüferbericht abweichende aber vertretbare Auslegung des Merkmals "thermoaktive Zusammensetzung" des Streitpatents (Anlage 1) mehrfach zu einem Punkt­abzug geführt hat, nicht durchzudringen. Einerseits begründete die Beschwerdeführerin ihre abweichende Auslegung in ihrer Prüfungsarbeit nicht weiter, so dass von den Prüfern nicht erwartet werden konnte, dass sie die vom Lösungsschema abweichenden Ausführungen nach­vollziehen und bei der Beurteilung der Einzelwertigkeit der weiteren Ausführungen berücksichtigen (siehe oben Nr. 18.1).

Andererseits konnten die Ausführungen der Beschwerde­führerin die Beschwerdekammer nicht davon überzeugen, dass die abweichende Auslegung mehrfach zu einem Punkt­abzug geführt hat. Vielmehr stehen andere Gründe für die Versagung von Punkten im Vordergrund: In Bezug auf den Gegenstand von Anspruch 1 hat die Beschwerdeführerin keinen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit erhoben (siehe Nr. 17), so dass auch irrelevant ist, ob ihre abweichende Auslegung des Merkmals "thermoaktive Zusammensetzung" zu einer anderen als der im Lösungs­vorschlag des Prüferberichts dargelegten Analyse geführt hätte. Bei den Ansprüchen 4 und 6 hat die Beschwerde­führerin die Anlage 2 nicht berücksichtigt (siehe Nr. 19.1 und 19.2) und daher in ihrer Arbeit auch nicht erörtert, weshalb der von ihr gewählte Stand der Technik für die ausgeführten Einwände besser geeignet sei als die Anlage 2. Mangels einer solchen Argumentation war auch der Zusammenhang zur abweichenden Auslegung nicht nachvollziehbar.

21. Im Ergebnis bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mitglieder des Prüfungsausschusses II bei der Bewertung der Prüfungsarbeit der Beschwerdeführerin Bewertungs­grundsätze verletzt oder einen schwerwiegenden, als Ermessensmissbrauch bzw. als Überschreitung des Beurteilungsspielraums zu betrachtenden Fehler gemacht hätten. Die Ausführungen zeigen auch, dass die Angaben im Bewertungsbogen auf der Rückseite der Mitteilung über das Nichtbestehen der Prüfungsaufgabe C in Verbindung mit dem publizierten Prüferbericht den rechtlichen Mindestanforderungen an die Einzelheiten zur Notengebung gerade noch genügten, da es der Beschwerdekammer möglich war, im vorliegenden Fall die Bewertung der Prüfungs­arbeit der Beschwerdeführerin durch die beiden Prüfer auf ihre Schlüssigkeit hin zu überprüfen und Bewertungs­fehler auszuschließen.

Weitere schwerwiegende und eindeutige Fehler

22. In Bezug auf den behaupteten Widerspruch in der Begrün­dung des nächstliegenden Stands der Technik auf den Seiten 2 und 14 des Prüferberichts (oben VI.c)i)) kann die Beschwerdekammer nicht erkennen, inwiefern sich der behauptete Widerspruch auf die Bewertung der Prüfungs­arbeit der Beschwerdeführerin ausgewirkt haben soll. Insoweit die Rüge darauf abzielt, dass die Angabe des Zwecks des angegriffenen Gegenstands auf Seite 14 des Prüferberichts nicht erwähnt oder die Wahl des nächst­liegenden Stands der Technik unzureichend begründet ist, wäre der Prüferbericht höchstens unvollständig. Es folgt nicht aus dem Bericht, dass bei Anspruch 4 und anderen unter Artikel 56 EPÜ zu erörternden Ansprüchen des Streitpatents (Anlage 1) auf die Angabe des Zwecks des angegriffenen Gegenstands und der Gründe für die Wahl des nächstliegenden Stands der Technik verzichtet werden konnte, und dies für die Bewertung - entgegen der Aussage auf Seite 2 des Prüferberichts - folgenlos gewesen wäre.

23. Den zweiten, von der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Aussage auf Seite 14 des Prüferberichts beanstandeten Fehler kann die Beschwerdekammer nicht nachvollziehen. Die relevante Aussage lautet im Gesamtkontext wie folgt (Hervorhebung durch die Kammer): "Anlage 2 ist der nächstliegende Stand der Technik und das einzige Doku­ment des Stands der Technik, in dem eine wiederverwend­bare Therapievorrichtung offenbart ist, die die meisten Merkmale mit dem Gegenstand des Anspruchs 4 gemein hat." Der Prüferbericht schließt mithin nicht aus, dass andere Anlagen – namentlich die Anlage 3 (siehe hierzu den Prüferbericht auf den Seiten 5, 10 und 12) - ebenfalls eine wiederverwendbare Therapievorrichtung offenbaren. Vielmehr betont der Bericht die weitgehende Überein­stimmung in Bezug auf die anspruchsgemäßen Merkmale und stellt hierzu den Zusammenhang zum erwarteten Einwand der mangelnden Neuheit gegen Anspruch 1 her. Die Auf­fassung der Beschwerdeführerin, die Anlage 3 offenbare mehr gemeinsame Merkmale und sei daher im Vergleich zur Anlage 2 der besser geeignete Ausgangspunkt für den er­warteten Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit, beruht auf der abweichenden Auslegung des Merkmals "thermoaktive Zusammensetzung", das in den Absätzen [0002] und [0009] des Streitpatents (Anlage 1) definiert ist, sowie von Absatz [0010] der Anlage 3. Der Rüge liegt also eine inhaltliche Meinungsverschiedenheit zugrunde, die mangels Kompetenz zur Überprüfung in der Sache von der Beschwerdekammer nicht zu beurteilen ist. Allerdings hat sich die Beschwerdeführerin bei ihren Ausführungen zum Anspruch 4 nicht mit der Anlage 2 und dem Merkmal "thermoaktive Zusammensetzung" auseinander­gesetzt (siehe oben Nr. 19.1), so dass der abweichenden Auffassung der Beschwerdeführerin bei der Bewertung ihrer Prüfungsarbeit nicht Rechnung getragen werden konnte.

24. Entsprechend ist auch das Vorbringen der Beschwerde­führerin zu beurteilen, die Ansicht der Prüfungskommis­sion, dass Anlage 2 als Stand der Technik näher liege als Anlage 3, sei insoweit fehlerhaft, als diese Ansicht damit begründet werde, dass es in Anlage 3 hieße, dass andere Befestigungsmittel ungeeignet sind. Wiewohl die Beschwerdekammer die Bedenken der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Begründung des nächstliegenden Stands der Technik zum Gegenstand des Anspruchs 4 des Streit­patents (Anlage 1) im Prüferbericht auf Seite 6 nach­vollziehen kann, so geht die Rüge doch an der Sache vorbei. Denn die Beschwerdeführerin hat sich – wie schon mehrfach angeführt - in ihrer Prüfungsarbeit auf den Seiten 15 bis 17 erst gar nicht mit der Frage ausein­andergesetzt, ob nun die Anlage 2 oder die Anlage 3 nächstliegender Stand der Technik sei, wiewohl sie an sich richtig erkannt hat, dass die Anlage 2 in Bezug auf den Gegenstand von Anspruch 4 Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ bildet (Seite 5 der Prüfungsarbeit). Überhaupt bleibt die Anlage 2 in der gesamten Argumenta­tion der Beschwerdeführerin zu den Ansprüchen 4 und 6 unerwähnt. Daher kann sich der von der Beschwerde­führerin gerügte Fehler gar nicht auf die Beurteilung ihrer Arbeit ausgewirkt haben.

25. Nach alledem vermochte die Beschwerdekammer nicht fest­zustellen, dass die Prüfungskommission und die Prüfer die ihnen übertragenen Aufgaben bei der Prüfungsaufgabe C der Europäischen Eignungsprüfung 2016 im Allgemeinen und der Bewertung der Arbeit der Beschwerdeführerin im Besonderen nicht im Einklang mit den Vorschriften der VEP ausgeführt hätten. Die Beschwerde war daher zurück­zuweisen. Da der Beschwerde nicht stattgegeben werden konnte, bestand für die von der Beschwerdeführerin bean­tragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Artikel 24(4), Satz 3 VEP kein Rechtsgrund.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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