D 0005/09 () of 24.3.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:D000509.20100324
Datum der Entscheidung: 24 März 2010
Aktenzeichen: D 0005/09
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
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Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

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Angeführte Entscheidungen:
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Anführungen in anderen Entscheidungen:
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Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer hat die europäische Eignungsprüfung, die vom 6. bis 8. März 2007 stattgefunden hat, nicht bestanden. Gegen diese Entscheidung der Prüfungskommission hat der Beschwerdeführer bereits einmal Beschwerde eingelegt. Über diese Beschwerde erging die Entscheidung D 45/07, mit der der Prüfungskommission aufgetragen wurde, die Arbeit C des BF neu zu bewerten, wobei bei der Vergabe von Punkten nach Maßgabe von Regel 4 (2) und (3) ABVEP jede Lösung jeder Teilaufgabe zu berücksichtigen sei.

II. Die Prüfungskommission hat daraufhin mit Schreiben vom 26. Jänner 2009 dem Beschwerdeführer erneut mitgeteilt, dass er die europäische Eignungsprüfung nicht bestanden hat. Sie hat in diesem Schreiben auch mitgeteilt, dass dieses Schreiben die neue Entscheidung der Prüfungskommission darstelle, die gemäß dem Auftrag der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten (D 45/07) nach erneuter Bewertung der Prüfungsaufgabe erfolgt ist.

III. Gegen diese Entscheidung richtet sich die gegenständliche Beschwerde. Sie ist am 6. März 2009 im EPA eingelangt und wurde mit Schreiben vom 4. April 2009, eingelangt am 7. April 2009, begründet. Die Beschwerdegebühr wurde am 3. März 2009 bezahlt.

IV. Die Begründung kann wie folgt zusammengefasst werden: Die Prüfungskommission habe gegen Regel 6 ABVEP verstoßen, da die dem Beschwerdeführer zugesandten Bewertungsbögen keine ausreichenden Einzelheiten der Notengebung enthalten hätten. Dies widerspreche auch der Entscheidung D 7/05. Es sei kein neuer Prüferbericht erstellt worden, obwohl der Prüfungskommission in der Entscheidung D 45/07 aufgetragen worden sei, die Neubewertung auf einer geänderten Basis durchzuführen.

Weiters werden sprachliche Unterschiede zwischen dem englischen und dem deutschen Aufgabentext gerügt, die trotz des Auftrages in der Entscheidung D 45/07 bei der neuerlichen Bewertung nicht berücksichtigt worden seien.

V. Mit Schreiben vom 29. Mai 2009 wurde der Präsidentin des Amtes sowie dem Präsidenten des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Sie haben davon nicht Gebrauch gemacht.

VI. Die Beschwerdekammer hat in einer Mitteilung zur Ladung zur mündlichen Verhandlung ihre vorläufige Meinung geäußert, wobei sie auch darauf verwies, dass sich die Prüfungskommission tatsächlich nicht mit der Problematik eines allfälligen Übersetzungsfehler und dessen möglicher Auswirkung auf die Prüfungsarbeit auseinandergesetzt zu haben scheine.

VII. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde vorrangig die Frage der sprachlichen Divergenz diskutiert. Der Beschwerdeführer machte auch Ausführungen zum Problem der Bewertung seiner Arbeit und sah in der Vorgangsweise der Prüfungskommission bzw. der Prüfer einen Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention und das Grundgesetz, da er durch die nichtbestandene Prüfung in seiner Berufsfreiheit eingeschränkt sei. Die Benotung selbst mache es mangels Begründung auch unmöglich, die korrekte Vorgangsweise entsprechend nachzuvollziehen. In diesem Zusammenhang legte der Beschwerdeführer eine Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts vor.

VIII. Der Vertreter der Präsidentin führte aus, dass die Aufträge an die Prüfer und die Prüfungskommission im Lichte der ständigen Praxis ausreichend klar gewesen seien. Er verwies weiters auf Entscheidungen deutscher Gerichte, wonach durch die vor dem EPA abzulegende Prüfung keine Einschränkung der Berufsfreiheit gegeben sei.

IX. Der Beschwerdeführer beantragt,

die Aufhebung der Entscheidung der Prüfungskommission sowie der Prüfungskommission aufzutragen,

a) eine neuerliche Bewertung der Arbeit C der europäischen Eignungsprüfung 2007 des Beschwerdeführers durch den betreffenden Prüfungsausschuss zu veranlassen, wobei

aa) dem Beschwerdeführer zusätzlich diejenigen Punkte zuzuerkennen sind, die in den detaillierten Bewertungsvorlagen im Abschnitt "Priorität und Stand der Technik" hinsichtlich der Erörterung der Priorität der Ansprüche 1 und 7 des Anhangs der Aufgabe C vorgesehen waren, wobei

bb) dem Beschwerdeführer zusätzlich diejenigen Punkte zuzuerkennen sind, die in den detaillierten Bewertungsvorlagen im Abschnitt "Anspruch 1, unabhängig" hinsichtlich der Erörterung der mangelnden Neuheit des Anspruchs 1 des Anhangs 1 gegenüber Anlage 2 vorgesehen waren, wobei

cc) dem Beschwerdeführer zusätzlich diejenigen Punkte zuzuerkennen sind, die in den detaillierten Bewertungsvorlagen im Abschnitt "Anspruch 7, unabhängig" hinsichtlich der Erörterung der mangelnden Neuheit des Anspruchs 7 des Anhangs 1 gegenüber Anlage 2 vorgesehen waren, wobei

dd) bei der Bewertung des Teils der Arbeit des Beschwerdeführers, welcher einen Angriff auf Anspruch 4 gestützt auf Artikel 56 EPÜ mit Anlage 4 als nächsten Stand der Technik betrifft, eine Maximalpunktzahl vorzusehen ist, welche in den detaillierten Bewertungsvorlagen im Abschnitt "Anspruch 4, abhängig von Anspruch 1" für einen Angriff gestützt auf Artikel 56 EPÜ mit Anlage 5 als nächsten Stand der Technik vorgesehen war, wobei

ee) bei der Bewertung des Teils der Arbeit der Beschwerdeführers, welcher einen Angriff auf Anspruch 6 gestützt auf Artikel 56 EPÜ mit Anlage 3 als nächstem Stand der Technik betrifft, eine Maximalpunktzahl vorzusehen ist, welche in den detaillierten Bewertungsvorlagen im Abschnitt "Anspruch 6, abhängig von Anspruch 2" für einen Angriff gestützt auf Artikel 56 EPÜ mit Anlage 4 als nächstem Stand der Technik vorgesehen war, wobei

ff) dem Beschwerdeführer zusätzlich diejenigen Punkte zuzuerkennen sind, die in den detaillierten Bewertungsvorlagen im Abschnitt "Anspruch 1, unabhängig" hinsichtlich der Erörterung von Artikel 69(1) EPÜ vorgesehen waren, wobei

gg) bei der Bewertung der Arbeit des Beschwerdeführers für die Einhaltung der formalen Anforderungen an eine Einspruchsschrift nach Regel 55 EPÜ eine angemessene Anzahl von Punkten zu vergeben ist;

b) der Benotung der Arbeit C des Beschwerdeführers das Ergebnis der neuerlichen Benotung gemäß a) zuzüglich 10 Punkte zugrunde zu legen und hierauf gemäß Artikel 7(3) VEP zu entscheiden, ob der Beschwerdeführer die europäische Eignungsprüfung 2007 und/oder die europäische Eignungsprüfung 2008 bestanden hat oder nicht.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wurde ebenfalls beantragt.

Entscheidungsgründe

1. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten werden Entscheidungen der Prüfungskommission im Zuge eines Beschwerdeverfahrens grundsätzlich nur dahingehend überprüft, ob bei dem ihrer Erlassung vorangegangenen Verfahren bzw. der Entscheidung selbst die VEP oder die bei ihrer Durchführung anzuwendenden Bestimmungen oder höherrangiges Recht verletzt worden sind. Werturteile, wie sie in der Vergabe von Punkten ausgedrückt werden, sind der Überprüfung durch die Beschwerdekammer nicht zugänglich. Nur das Vorliegen schwerer und eindeutiger Fehler, die so offensichtlich sind, dass sie ohne Wiedereröffnung des gesamten Bewertungsverfahrens festgestellt werden können, kann die Beschwerdekammer berücksichtigen.

2. Im gegenständlichen Verfahren bedeutet dies, dass die Beschwerdekammer insbesondere zu überprüfen hat, ob den durch die Entscheidung D 45/07 der Prüfungskommission erteilten Aufträgen entsprochen worden ist. In der Entscheidungsformel zu D 45/07 wird angeordnet, die Prüfungskommission habe eine neuerliche Bewertung der Arbeit C der europäischen Eignungsprüfung 2007 zu veranlassen. Für die Vorgangsweise bei der neuerlichen Bewertung wurden nicht nur in der Entscheidungsformel selbst sondern auch unter Punkt 8 der Entscheidungsgründe weitere Kriterien angegeben, die bei dieser neuerlichen Bewertung zu beachten waren. So heißt es dort, dass bei der Bewertung gegebenenfalls die Abweichung der deutschen Fassung von Anspruch 1 des "Streitpatents" gegenüber der englischen und französischen angemessen zu berücksichtigen sei.

3. Im Zuge der Überprüfung der einzelnen Sprachfassungen konnte sich die Beschwerdekammer davon überzeugen, dass sich Unterschiede im Verständnis des Anspruchs 1 in der deutschen Übersetzung im Vergleich zur englischen oder französischen Version ergeben. In der dem Beschwerdeführer übermittelten Entscheidung betreffend die neuerliche Bewertung seiner Arbeit C findet sich kein Hinweis, ob bzw. in welcher Weise die sprachliche Divergenz bei der Beurteilung berücksichtig worden ist. Damit ist auch keine Möglichkeit der Überprüfung gegeben, ob die allgemeinen Beurteilungskriterien korrekt angewendet worden sind. Die Beschwerdekammer ist der Auffassung, dass dies einen schwerwiegenden Fehler der Entscheidung darstellt, der eine Zurückverweisung der Sache an die Prüfungskommission erforderlich macht, um auf der Basis des Verständnisses der deutschen Übersetzung von Anspruch 1 die Prüfungsarbeit neu zu bewerten.

4. Ob und inwieweit sich dieser Unterschied auf die Arbeit des Beschwerdeführers (z.B. Wahl des nächstliegenden Standes der Technik und der darauf aufbauenden Angriffe gegen einzelne Ansprüche) ) ausgewirkt hat, ist vom zuständigen Prüfungsausschuss zu überprüfen. In der Entscheidung der Prüfungskommission ist dies in nachvollziehbarer Weise darzulegen. Ein bloßer Hinweis, dass die sprachlichen Divergenzen der einzelnen Texte berücksichtigt wurden, genügt jedenfalls nicht.

5. Soweit die unter Punkt 9 angeführten Anträge (lit. a) die Zuerkennung von Punkten für einzelne Teile der Arbeit des Beschwerdeführers betreffen, handelt es sich dabei, wie bereits eingangs erwähnt, um Werturteile, die der Überprüfung durch die Beschwerdekammer entzogen sind. Dies bedeutet, dass die Beschwerdekammer der Prüfungskommission zwar auftragen kann, die Bewertungskriterien entsprechend zu beachten, nicht jedoch, sie beispielsweise zu verpflichten, die Maximalpunkte zu vergeben. Wollte die Beschwerdekammer konkrete Vorgaben für die Vergabe von Punkten liefern, würde dies bedeuten, dass sie selbst eine materielle Prüfung der einzelnen Antworten bzw. Ausarbeitungen eines Kandidaten vornehmen müsste, was nicht in der Kompetenz der Beschwerdekammer liegt.

6. Den Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend die Verletzung höherwertiger Rechtsnormen kann die Beschwerdekammer nicht folgen. Die vom Beschwerdeführer herangezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 419/81 und 213/83 zur Frage der gerichtlichen Prüfungskontrolle besagt, dass berufsbezogene Prüfungsverfahren so gestaltet sein müssen, dass Prüflinge das Recht haben müssen, Einwände gegen ihre Abschlussnoten vorzubringen. Sie führt weiter aus, dass vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösungen nicht als falsch bewertet werden dürfen. Das einem Kandidaten zur europäischen Eignungsprüfung eingeräumte Recht, eine Beschwerde gegen eine negative Entscheidung einzubringen, ist durch Artikel 27 VEP gewährleistet. Von dieser Möglichkeit hat der Beschwerdeführer Gebrauch gemacht und die Beschwerdekammer hat sich mit der Entscheidung der Prüfungskommission sowohl im Verfahren D 45/07 wie auch im gegenständlichen Verfahren entsprechend auseinandergesetzt, was jeweils zu einer Aufhebung der Entscheidung der Prüfungskommission geführt hat.

7. Dass grundsätzlich durch eine Entscheidung der Prüfungskommission, wonach ein Kandidat die europäische Eignungsprüfung nicht bestanden habe, ein von der (deutschen) Verfassung garantiertes Grundrecht verletzt werde, nämlich einerseits eine Begründungspflicht von Entscheidungen, andererseits aber auch die Einschränkung des Recht auf uneingeschränkte Berufsausübung, hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach verneint (siehe beispielsweise 2 BvR 2368/99, 2 BvR 1751/03, 2 BvR 2253/06).

8. Da die Nichtbeachtung eines der Aufträge in der zu D 45/07 ergangenen Entscheidung, nach Auffassung der Beschwerdekammer einen schwerwiegenden Fehler der angefochtenen Entscheidung darstellt, war die Entscheidung aufzuheben und die Sache an die Prüfungskommission zur neuerlichen Bewertung und Entscheidung zurückzuverweisen. Daraus ergibt sich auch, dass es der Billigkeit entspricht, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Prüfungskommission zurückverwiesen, mit dem Auftrag, die Prüfungsarbeit C neuerlich zu bewerten unter Berücksichtigung der sprachlichen Divergenzen in den einzelnen Sprachfassungen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

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