D 0020/08 () of 4.9.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:D002008.20090904
Datum der Entscheidung: 04 September 2009
Aktenzeichen: D 0020/08
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
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Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

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Angeführte Entscheidungen:
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Anführungen in anderen Entscheidungen:
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Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungskommission für die europäische Eignungsprüfung vom 11. August 2008 und zwar bezüglich des Nichtbestehens der Prüfungsaufgabe D. Der Beschwerdeführer hat die Aufgaben A, B und C schon bestanden. Mit Brief vom 14. September 2008 hat der Beschwerdeführer gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und am 15. September 2008 hat er die Beschwerdegebühr bezahlt. Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2008 hat er seine Beschwerdebegründung eingereicht.

II. Mit Schreiben der Kammer vom 21. November 2008 wurde der Präsidentin des Europäischen Patentamts sowie dem Präsidenten des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter gemäß Artikel 27(4) VEP in Verbindung mit Artikel 12, Satz 2 VDV Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats gegeben. Keiner von ihnen hat sich sachlich zur Beschwerde geäußert.

III. Zur Begründung trägt der Beschwerdeführer im Wesentlichen folgendes vor.

Im letzten Absatz auf Seite 4 der Aufgabestellung der Prüfungsaufgabe D II war ein Fehler, und zwar hätte es im vorletzten Satz ("Ansonsten ist D1 inhaltlich identisch mit DK1") anstelle "D1" richtig "EP1" heißen müssen. Dieser Fehler wurde erst nach dem Ertönen des Anfangszeichens entdeckt. Weil es sich dabei um einen gravierenden Fehler im Sinne der Rdn. 5(b) der "Anweisungen an die Aufsichtspersonen" ("die Anweisungen") handelte, wurde er angekündigt, worauf die Prüfungskommission die Prüfungszeit von vier Stunden um fünf Minuten verlängert hat. Der Beschwerdeführer hatte nach zehn Minuten versucht, eine Aufsichtsperson mit entsprechenden Fragen zu konfrontieren. Vom Beginn der Beschäftigung des Beschwerdeführers mit der fraglichen Passage der Aufgabenstellung bis zur Bekanntgabe der Verlängerung hat es mindestens fünfzig Minuten gedauert.

Somit wurde die Sorgfaltspflicht der Prüfungskommission, den Prüfungsausschüssen die Anweisungen für die Ausarbeitung der Prüfungsaufgabe zu geben, die ausgearbeiteten Entwürfe zu prüfen, deren Fassung endgültig festzulegen (Artikel 7(1) VEP) und die für die Bearbeitung der Prüfungsaufgabe zur Verfügung stehenden Zeit zu bestimmen (Artikel 13(2) VEP), missachtet.

Es werden für Teil D II insgesamt 60 Punkte vergeben, für deren Erreichung vier Stunden zur Verfügung stehen. Deshalb muss innerhalb von vier Minuten ein Punkt erreicht werden und in fünfzig Minuten 12,5 Punkte. Wenn zum Ausgleich dieses Zeitverlustes zusätzliche fünfzig Minuten - das heißt weitere fünfundvierzig Minuten, in denen weitere 11 Punkte hätten erzielt werden können - gewährt worden wären, so hätte der Beschwerdeführer eine genügende Punktzahl erreicht, um die Prüfungsaufgabe zu bestehen. Zumindest hätte ihm zum Ausgleich für den von ihm nicht zu verantwortenden Zeitverlust zugestanden werden müssen, dass er wenigstens die Hälfte der in weiteren fünfundvierzig Minuten erreichbaren Punktzahl, also 5,5 Punkte erreicht hätte. Da die Prüfungsaufgabe D II bisher mit im Durchschnitt 19,5 Punkten bewertet ist, hätte er dann 25 Punkte erzielt. Da er schon 27,5 Punkte im Teil I erzielt hatte, hätte er somit die Prüfungsaufgabe D mit insgesamt 52,5 Punkten bestanden.

Der Beschwerdeführer hat mit einem Brief vom 1. März 2009 ein zusätzliches Argument vorgebracht. Während der laufenden Prüfungszeit habe die führende Aufsichtsperson die Kandidaten aufgefordert, sämtliche Seiten der Aufgabenstellung zu zählen und auf Vollständigkeit zu kontrollieren, was eine weitere Störung des Prüfungsablaufes bedeutet habe, die dem Beschwerdeführer noch etwa vier Minuten Zeitverlust verursacht hat. Für diese Unterbrechung würde die vorgenannten Überlegungen hinsichtlich der Rdn. 5(b) der Anweisungen und Artikel 7(1) und 13(2) VEP analog gelten.

IV. In einer Mitteilung vom 29. Juni 2006 hat die Kammer ihre vorläufige Meinung zum Ausdruck gebracht, dass die Beschwerde zurückzuweisen sei. Aus folgenden Gründen konnte die Kammer den Argumenten des Beschwerdeführers nicht folgen.

(1) Der vorgetragene Fehler erschien nicht als ein gravierender Fehler im Sinne der Rdn. 5(b) der Anweisungen. Für die Kammer sei es dabei klar, dass im fraglichen Satz die Angabe "D1" nicht korrekt war und "EP1" hätte heißen müssen.

(2) Der Verlust von fünfzig Minuten war im Fall des Beschwerdeführers nur jener Verlust, den er für sich selbst angegeben hat. Für die Kammer sei es nicht überzeugend, dass objektiv die Prüfungskommission eine Verlängerung von fünfzig Minuten hätte gewähren sollen.

(3) Der Beschwerdeführer hat nicht bewiesen, dass der Fehler auf Seite 4 der Aufgabestellung sein Nichtbestehen verursacht hat. Eine Bewertung von 47 Punkten könnte eine ganze Reihe von möglichen Fehler oder Unterlassungen seitens des Beschwerdeführers widerspiegeln.

(4) Selbst wenn die mit dem Brief vom 1. März 2009 neu vorgebrachte Begründung im Beschwerdeverfahren zulässig wäre, war die Kammer der vorläufigen Meinung, dass sie aus den oben erwähnten Gründen keinen Erfolg haben könnte.

V. Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2009 hat der Beschwerdeführer auf die Mitteilung der Kammer geantwortet. (In diesem Schriftsatz war der Beschwerdeführer mit der Verwendung in der Mitteilung von "Artikel" der Anweisungen nicht einverstanden und meint, dass diese als "Randnummer" bezeichnet werden, obwohl er in der Beschwerdebegründung den Ausdruck "Ziffer" verwendet. Die Kammer hält diese Bezeichnungsfrage für unwichtig und verwendet also in dieser Entscheidung den Ausdruck "Randnummer", gekürzt "Rdn.".) Mit Hinblick auf die obigen Punkte lautet die weitere Argumentation des Beschwerdeführers wie folgt.

(1) Im vorliegenden Fall hätte die Aufsichtsperson den Fehler für gravierend gehalten und deswegen wurde der Fehler angekündigt und die zusätzliche Zeit erlaubt. Daran und an der Tatsache, dass dieser Prozess mindestens dreißig Minuten in Anspruch genommen hätte, wird deutlich dass der Fehler nicht so trivial gewesen sei, wie die Kammer in ihrer Mitteilung glauben machen will. Würde es sich also, wie die Kammer meint, nicht um einen gravierenden Fehler handeln, wäre er nicht angekündigt worden und es wäre sonst auch keine zusätzliche Zeit gewährt worden. Hier aber seien sich sowohl die verantwortliche Aufsichtsperson als auch fünf Mitglieder der Prüfungskommission einig darüber gewesen, dass es sich um einen gravierenden Fehler handelte. Es sei demzufolge unerheblich, ob der Fehler von der Kammer subjektiv als gravierend eingestuft worden sei oder nicht. Gravierend sei der Fehler, wenn er von der Aufsichtsperson als solcher angesehen und von der Prüfungskommission als solcher bestätigt wird.

(2) Die Meinung der Kammer, dass im Fall des Beschwerdeführers der Verlust von fünfzig Minuten nur jener Verlust gewesen sei, den er für sich selbst angegeben hatte, wird mehr oder weniger im Wege einer Behauptung vorgetragen. Was seien die von der Kammer angewandten Kriterien für die Zumessung zusätzlicher Prüfungszeit? Wie seien die tatsächlich gewährten fünf Minuten zu begründen? Der Beschwerdeführer habe auf den Zeitverlust verwiesen, der sich gemäß der in seiner Beschwerdebegründung vorgetragenen und objektiven Berechnung ergäbe. Die von der Prüfungskommission gewährten fünf Minuten seien jedoch völlig willkürlich und zu kurz gewählt gewesen. Aus ihrer vorläufigen Meinung wäre nicht ersichtlich, inwieweit sich die Kammer mit der Berechnung des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe, und wo sie eventuelle Schwachpunkte sähe bzw. welche Kriterien sie anlege, die sie dazu veranlassen, die Forderung des Beschwerdeführers nach einer längeren Zeitdauer der Verlängerung als nicht überzeugend zurückzuweisen.

(3) Zur Argumentationslinie (3) der Kammer sei zu sagen, dass auch die Kammer umgekehrt nicht ausschließen könne, dass der Beschwerdeführer die Prüfung bestanden hätte, wenn die Prüfungsaufgabe und der Ablauf der Prüfung keine der vorgetragenen Unzulänglichkeiten aufgewiesen hätten. Denn da zum Bestehen des Prüfungsteils D ohne Ausgleichsmöglichkeit fünfzig Punkten ausreichend seien, so wäre gemäß der Meinung der Kammer festzustellen, dass auch eine Bewertung mit fünfzig Punkten eine ganze Reihe von möglichen Fehlern und Unterlassungen seitens eines erfolgreichen Bewerbers widerspiegeln könnte. Dennoch stelle niemand das Bestehen mit fünfzig Punkten in Frage. Aber ein Bewerber mit beispielsweise 49,5 erreichten Punkten hätte im selben Maße wegen einer ganzen Reihe von Fehlern oder Unterlassungen nicht bestanden. Bei beiden Beurteilungen kämen offensichtlich zweierlei gegensätzliche Sichtweisen zur Anwendung, was eine solche Betrachtung schon vom Ansatz her völlig ungerechtfertigt mache.

Dass die Prüfungsbedingungen so gewählt sein müssten, dass ein Bewerber die Prüfung grundsätzlich bestehen könnte, sei der Grund für die gesetzlichen Vorschriften, die den Ablauf der Prüfung regeln und einen für alle Teilnehmer geltenden Standard schaffen, auf dessen Gewährleistung und Realisierung jeder Bewerber Anspruch habe. Ein vom Bewerber nicht zu vertretendes, gesetzwidriges Abweichen von diesem Standard dürfe wohl kaum dem Bewerber zum Nachteil gereichen, geschweige denn im Wege einer Beweislast auch noch zur Last gelegt werden. Vielmehr habe die Prüfungskommission in einem solchen Fall einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Der von der Prüfungskommission gewährte Ausgleich in Gestalt von lediglich fünf Minuten zusätzlicher Prüfungszeit werde als unzureichend erachtet. Daher sei die angefochtene Entscheidung auf einer rechtlich mangelhaften Grundlage ergangen. Für einen solchen Ausgleich kämen grundsätzlich entweder die Gewährung weiterer Prüfungszeit oder zusätzlicher Punkte in Frage (wie etwa für Teil D der europäische Eignungsprüfung 1996 - in diesem Zusammenhang wies der Beschwerdeführer auf D 5/97, D 10/97, D 15/97 und D 17/97 hin). Im Fall des Beschwerdeführers wäre die Bewertung als "Nichtbestanden mit Ausgleichsmöglichkeit" auch denkbar. Nach seiner Auffassung könne aber ein angemessener Ausgleich nur noch durch die nachträgliche Gewährung von zusätzlichen Punkten bewirkt werden, die zu einem Bestehen der Prüfung führe. Insofern sei dem Beschwerdeführer nicht klar, was er diesbezüglich noch zu beweisen hätte.

(4) Die Antworten auf die Argumente (1) bis (3) seien naturgemäß auch auf die Meinung der Kammer bezüglich der mit dem Brief vom 1. März 2009 neu vorgebrachte Begründung bezogen. Darüber hinaus entspräche das Nachkontrollieren der Prüfungsunterlagen auf Vollständigkeit durch die Bewerber während der Prüfung einer Verlagerung der der Prüfungskommission obliegenden Pflichten bei der Erstellung und Vorbereitung der Prüfungsunterlagen auf die Bewerber. Die geltenden Vorschriften, insbesondere unter Rdn. 5 der "Anweisungen an die Bewerber für den Ablauf der Prüfung", sähen ein solches Nachkontrollieren durch die Bewerber auch nicht vor. Das Nachkontrollieren behindere die Bewerber bei der Bearbeitung der Prüfungsaufgaben, denn für das bloße Nachkontrollieren der Vollständigkeit der Aufgabenstellung würden keine Punkte vergeben werden. Dementsprechend handelte es sich um einen weiteren, groben Verstoß seitens der Prüfungskommission gegen die Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung.

VI. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und eine Entscheidung, dass er die Prüfungsaufgabe D mit 52,5 Punkten und damit die europäische Eignungsprüfung insgesamt bestanden hat.

Mit einem ersten Hilfsantrag beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und eine Entscheidung, dass er die Prüfungsaufgabe D mit 50 oder mehr Punkten, abhängig von der zuzubilligenden zusätzlichen Zeitdauer und der hierdurch zu erwartenden zusätzlichen Punkte, und damit die europäische Eignungsprüfung insgesamt bestanden hat.

Mit einem zweiten Hilfsantrag beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und als angemessenen Ausgleich an ihn die Anwendung ausnahmsweise von Regel 4 Absätze (1), (4) und Regel 5 der Ausführungsbestimmungen zu den VEP, das heißt die Prüfungsarbeit zur Prüfungsaufgabe D aufgrund der insgesamt erzielten 47 Punkte als "Nichtbestanden mit Ausgleichsmöglichkeit" zu bewerten und eine Entscheidung, dass er die europäische Eignungsprüfung aufgrund der Bewertung der anderen Prüfungsarbeiten insgesamt bestanden hat.

Mit einem dritten Hilfsantrag beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und als angemessenen Ausgleich an ihn die Prüfungsarbeit zur Prüfungsaufgabe D als bestanden zu bewerten und eine Entscheidung, dass er die europäische Eignungsprüfung insgesamt bestanden hat.

Mit einem vierten Hilfsantrag beantragt der Beschwerdeführer, die Prüfung zu wiederholen und eine zusätzliche europäische Eignungsprüfung zumindest mit dem Prüfungsteil D und außerhalb des normalen Jahresrhythmus im Jahr 2009 oder 2010 (beispielsweise im Monat September) durchzuführen, und ihm die ihm im Zusammenhang mit der Teilnahme an der europäische Eignungsprüfung 2008 unmittelbar entstandenen Kosten, das heißt die gezahlte Prüfungsgebühr und die entstandenen Kosten für Anreise und Hotel zu erstatten.

Mit einem fünften Hilfsantrag beantragt der Beschwerdeführer, die ihm im Zusammenhang mit der Teilnahme an der europäische Eignungsprüfung 2008 unmittelbar entstandenen Kosten, das heißt die gezahlte Prüfungsgebühr und die entstandenen Kosten für Anreise und Hotel zu erstatten.

Mit einem sechsten Hilfsantrag beantragt der Beschwerdeführer, die ihm im Zusammenhang mit der Teilnahme an der europäische Eignungsprüfung 2008 gezahlte Prüfungsgebühr zu erstatten.

Außerdem beantragt der Beschwerdeführer mit jedem der vorstehenden Anträge die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Kompetenz der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten ist, soweit es um die Nachprüfbarkeit von Entscheidungen der Prüfungskommission geht, auf die Frage beschränkt, ob die VEP oder die bei ihrer Durchführung anzuwendenden Bestimmungen oder ein höherrangiges Recht verletzt sind. Alle anderen Behauptungen der Art, dass die Prüfungsarbeiten unrichtig bewertet worden seien, fallen nicht in die Kompetenz der Kammer, da Werturteile der Prüfungskommission grundsätzlich der gerichtlichen Überprüfung entzogen sind. Weiterhin sind nur schwerwiegende und eindeutige Fehler, die so offensichtlich sind, dass sie ohne Wiedereröffnung des gesamten Bewertungsverfahrens festgestellt werden können, von der Kammer zu berücksichtigen. Dieses Prinzip entspricht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten (z.B. D 1/92 (ABl. 1993, 357), Nr. 3-5 der Gründe; D 6/92 (ABl. 1993, 361), Nr. 3, 5-6 der Gründe; D2/95 (unveröffentlicht), Nr. 1 der Gründe). Nur schwerwiegende Fehler, deren offensichtliche Unrichtigkeit in einer Entscheidung eine Berichtigung von Fehlern gemäß Regel 140 EPÜ nahe legen würde, können zur Änderung der Noten führen (vgl. D 23/97 vom 16 März 1998, Nr. 5 der Gründe). Die Kammer muss daher die Argumente des Beschwerdeführers aus der Sicht dieses Prinzips berücksichtigen.

3. Die Rdn. 5(b) der Anweisungen lautet:

" Wird ein Fehler in einer Prüfungsaufgabe entdeckt, nachdem das Anfangszeichen ertönt ist, so wird er in der Regel nicht angekündigt (Anweisungen 2a zu Rdn. 2 am Ende). Hält die verantwortliche Aufsichtsperson den Fehler jedoch für gravierend, so ist das Sekretariat telefonisch davon zu unterrichten. Der Fehler wird nur angekündigt, nachdem das Sekretariat der verantwortlichen Aufsichtsperson mitgeteilt hat, dass es das Einverständnis von 5 Mitgliedern der Prüfungskommission eingeholt hat. Das Sekretariat klärt auch die Frage, ob und wie viel zusätzliche Zeit für die Ankündigung gegeben wird."

Die Kammer ist mit dem Beschwerdeführer darin einig auf, dass die Vorschrift auf die Meinung der verantwortlichen Aufsichtsperson abstellt, ob ein Fehler "gravierend" ist. Hält die verantwortliche Aufsichtsperson einen Fehler für gravierend, dann ist die Prozedur laut Rdn. 5(b) einzuleiten. Eine mögliche aber nicht obligatorische Konsequenz dieser Prozedur ist die Ankündigung des Fehlers, was dem Ausdruck "Der Fehler wird nur angekündigt..." entspricht. Eine weitere mögliche aber nicht zwangsläufige Konsequenz ist, dass für die Ankündigung zusätzliche Zeit gegeben wird, was dem Ausdruck "..ob und wohl wie viel zusätzliche Zeit..." entspricht. Drei Merkmale dieser Vorschrift sind deutlich klar. Erstens liegen die beiden Konsequenzen im Ermessen der Prüfungskommission; zweitens steht der Prüfungskommission in der in Rdn. 5(b) vorgesehenen Situation nur zusätzliche Zeit und keine andere Maßnahme zur Verfügung; und drittens wird die zusätzliche Zeit gemäß dem Wortlauf der Rdn. 5(b) nur "für die Ankündigung" und auf keiner anderen Basis gegeben.

4. Im vorliegenden Fall hat die verantwortliche Aufsichtsperson den Fehler für gravierend gehalten, der Fehler wurde angekündigt, und fünf Minuten zusätzliche Zeit wurden für die Ankündigung gegeben. Nach Auffassung der Kammer sollten fünf Minuten genügen, um die Prüfungskandidaten für die von einer solchen Ankündigung verursachte Störung zu kompensieren. Das Argument des Beschwerdeführers basiert jedoch auf der Behauptung, dass die zusätzliche Zeit nicht nur auf diese Störungsperiode begrenzt ist sondern für seinen totalen Zeitverlust kompensieren sollte. Obwohl diese Behauptung nicht mit dem Wortlauf der Rdn. 5(b) der Anweisungen vereinbar ist, wird die Kammer auch das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers betrachten. Somit stellt sich die Frage, ob eine zusätzliche Zeit von fünf Minuten genügend war?

5. Im Kontext einer Aufgabenstellung, die ideal gar keinen Fehler enthalten sollte, ist festzuhalten, dass die verantwortliche Aufsichtsperson der Meinung war, dass der vom Beschwerdeführer entdeckte Fehler gravierend war. Dies ist jedoch nicht im Widerspruch dazu, dass nicht nur die Existenz des Fehlers sondern auch der korrekte Text für die Bewerber offensichtlich war. Für die Kammer ist es klar, dass im fraglichen Satz die Angabe "D1" nicht korrekt war und "EP1" hätte heißen müssen. Diese Meinung ist sowohl durch die Abwesenheit von Klagen anderer Bewerber als auch durch die von der Prüfungskommission gewährte relativ kurze Zeitverlängerung von fünf Minuten unterstützt. Offenbar ist der Fehler auch dem Beschwerdeführer frühzeitig aufgefallen, da er nach eigener Aussage nach etwa zehn Minuten versucht hat, einer Aufsichtsperson entsprechenden Fragen zu stellen.

6. Der Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Verlängerung von fünfzig statt fünf Minuten ist rein subjektiv und entspricht nur dem Zeitverlust, den er selbst angegeben hat. Der Beschwerdeführer hat sich nicht darüber geäußert, ob und wie viel er während dieser fünfzig Minuten mit diesem Aspekt der Prüfungsaufgabe beschäftigt war. Sollte die Prüfungskommission ihm die ganze von ihm selbst bestimmte Zeit erlauben, würde man nicht nur das Ermessen der Kommission auf einem einzigen Kandidat übertragen, sondern es ergäbe sich auch eine grundsätzliche Diskriminierung der Mitbewerber des Beschwerdeführers.

7. In seinem letzten Schriftsatz (s. V(2) oben) hat der Beschwerdeführer rhetorisch gefragt, mit welchen Kriterien die Kammer die zusätzliche Prüfungszeit zumessen würde und wie die tatsächlich gewährten fünf Minuten begründet wurden? Diese Fragen sind aber durch die Prüfungskommission zu entscheiden und es ist am Beschwerdeführer zu zeigen, ob und wie die Entscheidung der Kommission schwerwiegend und eindeutig fehlerhaft ist. Nach der Meinung der Kammer hat die Prüfungskommission eine angemessene Entscheidung erreicht, die unter den gegebenen Umständen allen Bewerber eine Gleichbehandlung gesichert hat. Der Beschwerdeführer hat keineswegs gezeigt, dass diese Entscheidung fehlerhaft war; er hat nur behauptet, dass die Entscheidung einer Verlängerung von fünf Minuten "willkürlich" war und dass die Prüfungskommission den von ihm selbst angegebenen Zeitverlust als Verlängerung hätte gewähren sollen. Der Beschwerdeführer hat damit höchstens gezeigt, dass er mit dem Werturteil der Prüfungskommission nicht einverstanden ist, was aber grundsätzlich der gerichtlichen Überprüfung entzogen ist (s. Nr. 2 oben). Daraus folgt, dass die gesamte Argumentation des Beschwerdeführers über die Zeit-Punkteäquivalenz keine Relevanz haben kann.

8. Selbst wenn der Beschwerdeführer einen schwerwiegenden und eindeutigen Fehler in der angefochtenen Entscheidung aufgezeigt hätte, müsste er auch zeigen, dass dieser Fehler kausal sein Nichtbestehen verursacht hat. Das ist keine Frage einer zusätzlichen Beweislast. Die Kammer hat in ihrer Mitteilung lediglich auf das Prinzip hingewiesen, dass die angefochtene Entscheidung auf einem Fehler beruhen muss, das heißt dass es nötig ist, den Fehler als Kausalzusammenhang des Nichtsbestehens zu zeigen (s. D 7/05, Abl. EPA 2007, 378, Nr. 20; D 46/07 vom 21. Juli 2008, Nr. 12).

9. Die Kammer ist im Allgemeinen mit der Argumentation des Beschwerdeführers über einen für alle Teilnehmer geltenden Standard und den Bedarf an einem angemessenen Ausgleich einverstanden (s. V (3) oben). Im vorliegenden Fall war jedoch der Ausgleich der Prüfungskommission angemessen und alle Bewerber wurden dabei nach einem einzigen Standard gleich behandelt. Soll die Kommission den Beschwerdeführer für seinen selbst angegebenen fünfzig Minuten Zeitverlust kompensieren, so würde er einen bestimmten Vorteil und seine Mitbewerber einen entsprechenden Nachteil bekommen, was weder mit einem angemessenen Ausgleich noch einem für alle Teilnehmer geltenden Standard konform sein würde.

10. Auch die von dem Beschwerdeführer zitierte Rechtsprechung unterstützt seine Argumente nicht. Den zitierten Fällen lag folgender Sachverhalt zugrunde. Die Aufgabe D I der europäischen Eignungsprüfung 1996 umfasste 11 Fragen. Aufgrund eines Versehens erhielten einige Bewerber jedoch nur die Fragen 1 bis 10. Zur Korrektur dieses Versehens beschloss die Prüfungskommission, für alle Bewerber die Frage 11 mit den maximalen drei Punkten zu bewerten. Mehrere Kandidaten begründeten Beschwerde mit der Behauptung, dass sie Zeit mit der Beantwortung der Frage 11 verloren hatten und deswegen mit anderen Noten bewertet werden sollten. Die Beschwerden wurden alle mit ähnlichen Entscheidungsgründen von der Kammer zurückgewiesen.

11. In D 10/97 vom 8. Dezember 1998 (s. Nr. 4) hat sich die Kammer wie folgt geäußert:

"4.1... Ein zu beanstandender Rechtsfehler läge allerdings dann vor, wenn die Prüfungsbedingungen so gewählt würden, dass sie einen Teil der Bewerber benachteiligten, ohne dass hierfür ein sachlich vertretbarer Grund erkennbar wäre.

4.2 Im vorliegenden Fall hat die Prüfungskommission den von den unvollständigen Prüfungsunterlagen betroffenen Kandidaten einen Ausgleich gewährt, der nach Art und Ausmaß der gegebenen Situation durchaus angepasst erscheint. Auch wenn sich daraus zwangsläufig eine gewisse Ungleichbehandlung der Bewerber ergab, so war diese in ihrem Ausmaß geringfügig und in der besonderen Situation vertretbar. Insbesondere konnte damit sichergestellt werden, dass keiner der Bewerber schlechter gestellt wurde als bei einer objektiven Beurteilung seines Ergebnisses. Die von der Prüfungskommission gewählte Korrektur des Versehens war deshalb den Umständen angemessen und stellt nach der Überzeugung der Kammer keine rechtswidrige Ungleichbehandlung dar. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass alle übrigen Antworten sämtlicher Bewerber nicht einheitlich bewertet worden wären."

12. In D 15/97 vom 8. Dezember 1998 hat die Kammer sich über die spekulative Art von Zeitverlust-Argumente geäußert:

"5.2 The appellant further argues that his spending time on question 11 was a waste of time and that, therefore, he was discriminated against by the decision of the Examination Board to award everybody full marks. He should therefore be compensated by being given a number of marks corresponding to the time that he could have spent on other questions. This time, about 10 % of the total answering time, would have given him the possibility to earn the further 2.5 or 3 marks required for him to pass paper D.

5.3 The Disciplinary Board of Appeal cannot follow this line of argument. Firstly, it is impossible for the examination bodies to estimate what a candidate might do in a hypothetical situation. Secondly, even if the Board could assume that the extra time would have been usefully spent on other questions, the resulting answers would not automatically be such that it must be assumed that the candidate would have earned full marks for them....

5.4... The calculations made by the appellant to convince the Board that he should be awarded full marks are hypothetical and can therefore not be taken into account. Such an exercise would in any event amount to a reopening of the examination."

13. In D 17/97 vom 8. Dezember 1998 (s. Nr. 2) hat die Kammer eine ähnliche Meinung vertreten:

" 2.2 With regard to the appellant's argument that he should have been given full marks for his answer to another question to make up for time needlessly spent on question 11...it can hardly be justified to compensate an unintentional mistake by making a deliberate error in marking another part of the candidate's same paper.

2.3 The assumption that the appellant could have earned better marks for question 10 if he had been able to spend more time on it, is hypothetical in the sense that it is not possible to establish what a specific candidate would have done under other circumstances or, if he had indeed spent more time on precisely that question, whether his answer would have been successful or not."

Im vorliegenden Fall sind die Argumente des Beschwerdeführers bezüglich seines angeblichen Zeitverlusts und der entsprechenden Punkten ähnlich hypothetisch und spekulativ.

14. Hinsichtlich der Unterbrechung durch die Forderung auf die Kandidaten, die Seiten der Aufgabenstellung to zählen (s. V(4) oben), hat die Prüfungskommission dafür entschieden, dass keine zusätzliche Zeit gegeben wird. Wie oben erwähnt (s. Nr. 3) ist eine solche Entscheidung in der Rdn. 5(b) der Anweisungen vorgesehen. Auch bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass es im Fall dieser Unterbrechung eine Gleichbehandlung aller Kandidaten gegeben hat. Er argumentiert jedoch, dass eine zweite Zeitverlängerung von vier Minuten hätte gewährt werden sollen. Aus den gleichen Gründen wie im Fall der Ankündigung des Fehlers auf Seite 4 der Prüfungsaufgabe handelt es sich aber auch hier um eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Beschwerdeführer und der Prüfungskommission, die als Werturteil nicht in die Kompetenz der Kammer fällt.

15. Aus den oben erwähnten Gründen muss die Kammer die Beschwerde in ihrer Gänze zurückweisen und damit auch die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ablehnen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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