D 0004/02 () of 17.1.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:D000402.20030117
Datum der Entscheidung: 17 Januar 2003
Aktenzeichen: D 0004/02
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
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Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

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Angeführte Entscheidungen:
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Anführungen in anderen Entscheidungen:
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Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer nahm im Jahr 1999 erstmals an der Europäischen Eignungsprüfung teil und legte dabei das erste Modul, d.h. die Prüfungsaufgaben A und B, mit den Noten 57 bzw. 68, ab. Im Jahr 2000 legte der Beschwerdeführer zum ersten Mal das zweite Modul, d.h. die Aufgaben C und D, mit den Noten 38 "Nicht bestanden" bzw. 46 "Nichtbestehen mit Ausgleichsmöglichkeit", ab. Aufgrund der letzteren Ergebnisse musste der Beschwerdeführer die Prüfungsaufgaben C und D wiederholen, was im Jahr 2001 erfolgte. Dabei hat er 54 bzw. 36,5 Punkte erzielt.

II. Mit Schreiben vom 27. September 2001 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß die Prüfungskommission am 19. September 2001 entschieden habe, daß er die europäische Eignungsprüfung nicht bestanden habe.

III. Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 25. Oktober 2001, das am selben Tag bei EPA eingegangen ist, Beschwerde erhoben und die Beschwerdegebühr entrichtet.

IV. Der Beschwerdeführer beantragt,

- die Entscheidung der Prüfungskommission aufzuheben und zu bestätigen, daß die Europäische Eignungsprüfung in ihrer Gesamtheit als bestanden gilt,

- die Beschwerdegebühr vollständig zurückzuerstatten, und

- bereits entrichtete Prüfungsgebühren für die Europäische Eignungsprüfung 2002 oder nachfolgender Jahre in voller Höhe zurückzuerstatten.

Hilfsweise beantragt der Beschwerdeführer,

- bezüglich des Ergebnisses der Prüfungsaufgabe D im Jahre 2000 den Vorgang an die Prüfungskommission zurückzuverweisen, damit sie die Benotung in Zweifel zieht und die von den Prüfungsausschüssen vorgeschlagene Bewertung in die Note "Bestanden" ändert.

V. Die schriftliche und die an der mündlichen Verhandlung vorgetragene Begründung und Argumentation des Beschwerdeführers können wie folgt zusammengefaßt werden:

Ausreichende Benotung

- Im Artikel 12 VEP wird der Prüfungsstoff festgelegt, d.h. die Kenntnisse, welche ein Bewerber in der Prüfung nachweisen muss. Dieser Maßstab muss für alle Bewerber gleich angewendet werden, auch wenn sie die Eignungsprüfung in unterschiedlichen Jahren abgelegt haben.

- Für das erstmalige Ablegen der Prüfung, auch in Modulen, gilt bei einer Benotung von 45 bis 49 Punkten die Ausgleichsmöglichkeit gemäß Artikel 17 (1) letzter Halbsatz VEP, zusammen mit Regel 4 (4) der Ausführungsbestimmungen (AusfB) zur VEP. Ein Bewerber bekommt in diesem Fall die Note "Nichtbestehen mit Ausgleichsmöglichkeit". Die entsprechenden 45 bis 49 Punkte können somit für das Bestehen der Prüfung ausreichend sein. Regel 4 (4) AusfB sagt nämlich, daß ein Bewerber zur Ausübung der Tätigkeit eines zugelassenen Vertreters bei dieser Benotung für geeignet befunden werden kann.

- Dies bedeutet, daß der Beschwerdeführer, der im Jahr 2000 die Prüfungsaufgabe D mit 46 Punkten abgelegt hat, bei der Eignungsprüfung im Jahr 2001, in der er auch die Prüfungsaufgabe C bestanden hat, insgesamt als bestanden hätte erklärt werden müssen, wenn die Prüfungskommission ihren Beurteilungsspielraum richtig ausgeübt hätte.

Das Gleichbehandlungsprinzip

- Dieses Prinzip erfordert, daß die Bewerber in entsprechenden Situationen gleich behandelt werden müssen. Ein Bewerber, der in einem Jahr die Note "Nichtbestehen mit Ausgleichsmöglichkeit" bekommen hat, wird entgegen diesem Prinzip schlechter behandelt als seine Mitbewerber, wenn letztere mit dieser Note gemäß Regel 4 AusfB als bestanden erklärt werden, er bei derselben Benotung aber nicht.

- Durch die eingereichten Vergleichsbeispiele wird deutlich, daß der Beschwerdeführer, der in den Jahren 1999-2001 insgesamt 225 Punkte erzielt hat, gegenüber fiktiven bestandenen Bewerbern, die weniger Punkte erzielt hätten, nicht gleichbehandelt worden sei.

Beurteilungsspielraum

- Die Prüfungskommission hat, nachdem die Punkte für die Prüfungsaufgaben vergeben sind, einen Spielraum bei der Beurteilung, ob ein Bewerber als bestanden zu erklären ist. Diesen Spielraum hat die Kommission in seinem Fall fehlerhaft nicht genutzt und damit die VEP verletzt. Die Entscheidung D 8/96 ist rechtsirrig, wenn sie feststellt, ein Ermessen könne bei der abschließenden Beurteilung nicht angewendet werden. Regel 4 (4) AusfB besagt nämlich: "Erhält ein Bewerber ... mindestens 45, aber weniger als 50 Punkte, so kann er ... für geeignet befunden werden".

Weder D 1/93 noch D 8/96 schließen einen Beurteilungsspielraum der Prüfungskommission in Grenzfällen aus.

- Dagegen besteht keine Entscheidungsbefugnis der Prüfungskommission bei der Notenvergabe, die ein subjektives Werturteil der Prüfer, bzw. Prüfungsausschüsse darstellt.

VI. Sowohl dem Präsidenten des EPA als auch dem Präsidenten des Instituts wurde die Gelegenheit gegeben, sich über die Beschwerde zu äußern.

VII. Am 17. Januar 2003 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten statt, bei welcher sowohl der Beschwerdeführer als auch eine Vertreterin des Präsidenten des EPA anwesend waren.

Entscheidungsgründe

1. Die gesetzlichen Grundlagen

Die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten hält zuerst fest, daß die VEP und die Ausführungsbestimmungen dazu nicht so zu interpretieren sind, wie dies der Beschwerdeführer behauptet. Regel 4 (4) AusfB kann nämlich nicht isoliert gelesen werden. Dieser Absatz enthält als zusätzliche Bedingung für die Anwendung der Ausgleichsmöglichkeit auf einen Bewerber, daß "er die in Regel 5 festgelegten Bedingungen erfüllt". Dies heißt eindeutig, daß hier Regel 5 AusfB mitzulesen ist.

Regel 5 AusfB verlangt, daß

1) es um die erstmalige Teilnahme des Bewerbers an der Prüfung geht,

2) der Bewerber keine Note "Nichtbestanden" bekommen hat,

3) der Bewerber für die vier Prüfungsaufgaben zusammen mindestens 200 Punkte erhalten hat, und

4) der Bewerber für mindestens zwei Arbeiten die Note "bestanden" erhalten hat.

Sämtliche diese Bedingungen müssen erfüllt sein.

Falls die Bedingungen der Regeln 4 (4) und 5 AusfB nicht zutreffen, ist das Gesetz eindeutig: Jede Prüfungsaufgabe muss ausreichend bewertet werden, damit die ganze Prüfung bestanden ist (Artikel 17 (1) VEP). "Ausreichend" heißt hier "Bestanden" im Sinne von Regel 4 (2) AusfB, sonst wären die Bedingungen gemäß Regel 5 AusfB für erstmalige Bewerber nicht sinnvoll. Dies heißt, daß der Bewerber für jede Prüfungsaufgabe die Note "Bestanden", d.h. 50 Punkte oder mehr erzielt haben muss. Die englische Fassung von Artikel 17 (1) VEP ist noch klarer abgefaßt: "a candidate shall be declared to have passed the examination if he passes each of the examination papers", wobei, nach Regel 4 (4) AusfB, 50 Punkte oder mehr zu vergeben sind, wenn der Bewerber, aufgrund dieser Arbeit allein, als zugelassener Vertreter für geeignet befunden werden kann. Eine solche Arbeit ist dann mit der Note "pass" oder "Bestanden" zu bewerten.

2. Anwendung von Artikel 17 (1) VEP auf den vorliegenden Sachverhalt

1) In den Jahren 1999 und 2000, als der Beschwerdeführer zum ersten Mal die Prüfung (in zwei Modulen)ablegte, hat er

2) eine Note "Nicht bestanden" bekommen (Prüfungsaufgabe C im Jahr 2000),

3) für die vier Prüfungsaufgaben zusammen 209 Punkte erhalten, und

4) für mindestens zwei Aufgaben die Note "Bestanden" erhalten.

Das Ergebnis ist somit, daß der Beschwerdeführer eine der Bedingungen von Regel 5 AusfB nicht erfüllt hat, nämlich die unter Ziffer 2 genannte. Somit war die Prüfungskommission von Gesetzes wegen daran gehindert, ihn als bestanden zu erklären.

In dieser Hinsicht läßt die AusfB keinen Beurteilungs- oder Ermessenspielraum zu. Die Vergleichsbeispiele des Beschwerdeführers sind deshalb nicht relevant.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß selbst ein Bewerber, der sämtliche Bedingungen von Regel 4 (4) und 5. AusfB erfüllt, unter Umständen als nicht bestanden erklärt werden kann, weil Regel 4 (4) AusfB als eine "Kann-Vorschrift" abgefaßt ist. Nur in diesem Sinne liegt hier ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum für die Prüfungskommission vor.

Die im Fall des Beschwerdeführers im Jahr 2001 anzuwendende Bestimmung ist somit Artikel 17 (1), erster Halbsatz, VEP. Danach "hat ein Bewerber die Prüfung bestanden, wenn er für jede Prüfungsaufgabe eine ausreichende Bewertung erzielt hat".

Da der Beschwerdeführer im Jahr 2001 nicht jede Prüfungsaufgabe bestanden hat, sondern für die Prüfungsaufgabe D 36,5 Punkte, d.h. die Note "Nicht bestanden", erzielte, hat er die Bedingung des Artikels 17 (1), erster Halbsatz, VEP nicht erfüllt und somit die Prüfung nicht bestanden.

Die Frage des Ermessens bei der Punktevergabe muss von der Frage, ob Regel 4 (4) AusfB einen Ermessenspielraum zuläßt, getrennt werden. Hinsichtlich einer Ausgleichsmöglichkeit zwischen den Noten gelten die Bedingungen gemäß Regel 5 AusfB. Nur wenn alle diese Bedingungen erfüllt sind, kann der Bewerber als bestanden erklärt werden. Hierbei besteht kein solcher Spielraum.

In der Entscheidung D 8/96 ging es darum, ob ein Bewerber, der z. B. 49 Punkte erhalten hatte, trotzdem die Note "Bestanden" hätte bekommen können, was verneint wurde. Die Prüfungskommission könne ihr Ermessen nur hinsichtlich der Punktevergabe ausüben, d.h. mit den Prüfern erörtern, ob für eine Prüfungsaufgabe eine höhere Punktevergabe möglich sei. Dieser Fall hat aber nichts mit der Ausgleichsmöglichkeit zwischen den Noten nach den Regeln 4 (4) und 5 AusfB zu tun.

Die Entscheidung D 8/96 bleibt für den vorliegenden Fall nur insofern relevant, als sie klar aussagt, daß die VEP aus dem 1994 keine "Prüfung in Grenzfällen" mehr zuläßt. Gemäß der vorherigen Rechtsprechung, die also nur bis zum Inkrafttreten der VEP 1994 galt, konnte ein Bewerber, der die damaligen Bedingungen nicht erfüllt hatte, im Zweifelsfall bei einer Gesamtbetrachtung aller Prüfungsaufgaben trotzdem als bestanden erklärt werden. Mit der neuen VEP ist eine solche Gesamtbetrachtung völlig ausgeschlossen, auch im Fall des Beschwerdeführers.

Die Prüfungskommission hat somit die anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen nicht verletzt, sondern den Beschwerdeführer mit der angefochtenen Entscheidung richtigerweise als nicht bestanden erklärt.

3. Verletzung eines höherrangigen Prinzips

Bei dem obigen Ergebnis bleibt zu prüfen, ob die anzuwendenden Bestimmungen als solche das höherrangige Prinzip der Gleichbehandlung verletzen, wie dies vom Beschwerdeführer geltend gemacht wird.

3.1. Die Frage der Bedeutung der Note "Nichtbestehen mit Ausgleichsmöglichkeit"

Der Beschwerdeführer behauptet, die Note "Nichtbestehen mit Ausgleichsmöglichkeit" sei als "Bestanden" oder gemäß Artikel 17 (1) VEP als "ausreichend" aufzufassen, weil die Bewerber aufgrund dieser Note gemäß Regel 4 (4) AusfB als bestanden erklärt werden könnten. Dies ist aber nur teilweise zutreffend. Ein Bewerber, der die Bedingungen des Artikel 17 VEP zusammen mit der Regeln 4 (4) und 5 AusfB nicht erfüllt, kann eben nicht als bestanden erklärt werden.

Wie oben auch dargelegt (siehe Ziffer 1 und 2), bedeutet dies, daß eine Prüfungsaufgabe mit der Punktezahl 45 - 49. grundsätzlich nicht als "bestanden" oder "ausreichend" anzusehen ist. Nur in den in den Regeln 4 und 5 AusfB ausdrücklich angegebenen Ausnahmefällen kann der Bewerber dennoch als bestanden befunden werden.

3.2. Die Gleichbehandlung

Es bleibt somit zu prüfen, ob die genannten Bestimmungen das Prinzip der Gleichbehandlung verletzen. Dies wäre dann der Fall, wenn die Bewerber, die zum ersten Mal die Prüfung ablegen, ob in Modulen oder nicht, zu Unrecht besser behandelt würden, als diejenigen, die bei einer Wiederholung dieselbe Note bekommen, aber von der genannten Ausgleichsmöglichkeit ausgeschlossen sind.

Das Gleichbehandlungsprinzip kann nur dann verletzt sein, wenn die Bewerber, die sich in einer gleichen oder entsprechenden Lage befinden, unterschiedlich behandelt werden. Im vorliegenden Zusammenhang ist jedoch allgemein bekannt, daß es in der Regel schwieriger ist, eine Prüfung zum ersten Mal abzulegen, als sie zu wiederholen. Diese ungleiche Ausgangslage hat der Gesetzesgeber in Form der Regeln 4 (4) und 5 AusfB ausgleichen wollen. Der Gesetzesgeber hat somit versucht, einen gerechten Ausgleich zwischen diesen zwei Gruppen von Bewerbern, d.h. den Erstablegern und den Wiederholern, herzustellen.

Diese Maßnahme kann nicht als eine Verletzung des Gleichbehandlungsprinzip angesehen werden. Es mag zwar sein, daß die Bewerber, die die Prüfung zum ersten Mal in Modulen ablegen, dabei gegenüber Mitbewerbern, die alle vier Prüfungsaufgaben in derselben erstmaligen Prüfung ablegen, einen gewissen Vorteil gewinnen. Es steht aber jedem Bewerber frei, diese Möglichkeit für sich zu nutzen. Die Kammer kann somit auch darin keine Verletzung des Gleichbehandlungsprinzips erkennen. Diese Problematik liegt im zu beurteilenden Fall auch nicht vor.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, daß die Note für die Prüfungsaufgabe D im Jahr 2000 mit der Note für die im Jahr 2001 wiederholte Prüfungsaufgabe C zusammenzurechnen sei, so daß er über die Jahre 1999 - 2001 ingesamt 225 Punkte erreicht und deswegen die Prüfung insgesamt bestanden habe, stellt dagegen eine klare Verletzung dieses Prinzips dar, weil in diesem Fall ungleiche Bewerber mit gleichen Maßstäben beurteilt würden.

Der Beschwerdeführer hat insgesamt drei Aufgaben bestanden, die vierte jedoch nicht. Aus der Möglichkeit, die Prüfung in Modulen abzulegen, kann nicht geschlossen werden, daß das in einem Prüfungsmodul erzielte Ergebnis mit dem Ergebnis einer anderen Aufgabe bei einer späteren Wiederholung zusammengezählt und dabei von der Ausgleichsmöglichkeit profitiert werden kann, die nur für die erstmalige Ablegung der Prüfung vorgesehen ist. Es spielt dabei keine Rolle, daß die Gesamtzahl der Punkte in den vier am besten bewerteten Prüfungsaufgaben über 200 Punkte ergeben würde.

4. Nach alledem kann der Beschwerde nicht stattgegeben werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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