European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2002:D000701.20021107 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 November 2002 | ||||||||
Aktenzeichen: | D 0007/01 | ||||||||
Anmeldenummer: | - | ||||||||
IPC-Klasse: | - | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | - | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | DBA | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde ist gegen die Entscheidung der Prüfungskommission für die europäische Eignungsprüfung vom 20. September 2000 gerichtet, nach der der Beschwerdeführer die Prüfungsaufgabe C nicht bestanden hat. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2000 hat der Beschwerdeführer gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr bezahlt. Ein Schriftsatz vom 15. November 2000 mit der Beschwerdebegründung ist am 16. November 2000 beim EPA eingegangen.
II. Mit Schreiben der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vom 21. März 2001 wurde dem Präsidenten des Europäischen Patentamts sowie dem Präsidenten des Rats des Instituts der zuglassenen Vertreter gemäß Artikel 27 (4) VEP in Verbindung mit Artikel 12, Satz 2 VDV Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Keiner von ihnen hat sich sachlich zur Beschwerde geäußert.
III. Im Bescheid vom 14. Februar 2002 hat die Kammer ihre vorläufige Auffassung zum Ausdruck gebracht, daß sie in der Aufgabenstellung keinen Fehler erkennen könne, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen müßte. Mit Schriftsatz vom 13. April 2002 hat der Beschwerdeführer seine Argumentation wiederholt und vertieft.
IV. Gemäß Antrag des Beschwerdeführers fand am 7. November 2002 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
V. Zur Begründung trägt der Beschwerdeführer im wesentlichen folgendes vor:
i) In der Anlage 6 der Prüfungsaufgabe C (s. "Europäische Eignungsprüfung 2000 - Compendium C", Seite 43) war der Ausdruck "the climbing shoes", der entweder ein einzelnes Paar Kletterschuhe oder mehrere Paar Kletterschuhe bedeuten konnte, unklar formuliert. Der Kandidat hat den Begriff im zweiten Sinne interpretiert, weshalb seine Antwort, seiner Meinung nach, schlechter bewertet wurde als die Antworten anderer Kandidaten, die von der erstgenannten Interpretation ausgingen.
ii) Der Beschwerdeführer hat mit seiner Beschwerdebegründung Kopien seiner eigenen Prüfungsarbeit und der eines anderen anonymen Kandidaten ("Kandidat P") vorgelegt. Kandidat P hat den Begriff "the climbing shoes" im erstgenannten Sinne interpretiert und wurde mit 55. Punkten bewertet. Der Beschwerdeführer wurde mit nur 27 Punkten bewertet. Aus einem detaillierten Vergleich der beiden Arbeiten hat der Beschwerdeführer geschlossen, die höhere Bewertung des Kandidaten P müsse in der unterschiedlichen Beantwortung der Frage zufolge der unterschiedlichen Interpretation des obengenannten Begriffs begründet sein.
iii) In rechtlicher Hinsicht beruft sich der Beschwerdeführer auf die Verletzung der Artikel 7 und 16 VEP, da die Prüfungskommission die erwähnte Unklarheit in der Prüfungsausgabe bei der Bewertung nicht berücksichtigt habe. Wenn, wie im vorliegenden Fall, durch eine unklare Aufgabenstellung alternative Lösungen einer Prüfungsausgabe möglich seien, so könne eine einheitliche Bewertung nicht zu einer gerechten Beurteilung aller Alternativen führen. Deswegen liege eine Ungleichbehandlung vor, die sich zugunsten anderer Kandidaten und gegen den Beschwerdeführer auswirkte. Ferner beruft er sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes, wonach eine irreführende Äußerung des Amtes nicht zum Nachteil des Beteiligten gereichen darf.
VI. Der Beschwerdeführer beantragte:
i) Die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
ii) Die Feststellung, daß er die europäische Eignungsprüfung bestanden hat.
iii) Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Beschwerdebegründung basiert auf der angeblichen Zweideutigkeit des in Anlage 6 der Prüfungsaufgabe C des Jahres 2000 enthaltenen Begriffs "the climbing shoes", der entweder ein einzelnes Paar Kletterschuhe oder mehrere Paar Kletterschuhe bedeuten kann. Die Beschwerdekammer anerkennt, daß in dieser Anlage selbst, die auf eine Vorbenutzung hinweist, die zwei genannten Interpretationen des Begriffs möglich sind. In seiner Beschwerdeschrift sowie in der mündlichen Verhandlung hat der Kandidat ausführlich erläutert, wie er, von dieser angeblichen Unklarheit ausgehend und nach seinem Verständnis der Richtlinien und der Rechtsprechung der Beschwerdekammern, seine Arbeit angefertigt hat.
3. Die Kammer bezweifelt nicht, daß der Kandidat seine Interpretation des genannten Begriffs für richtig angesehen hat und deswegen von seiner Beantwortung überzeugt war. Die mögliche Zweideutigkeit in der Anlage 6 führt jedoch nach objektiven Maßstäben zu keiner Unklarheit in der Aufgabe. Selbst wenn man der Auslegung des Kandidaten folgt ("mehrere Paar Schuhe"), wird die Aufgabenstellung nach Meinung der Kammer nicht unklar, insbesondere wenn man sie im Gesamtzusammenhang (Brief des Einsprechenden - s. Compendium, Seite 16) betrachtet. Dies zeigt auch die Lösung des vom Beschwerdeführer zitierten Kandidaten P. Im Gegensatz dazu erscheinen die Folgerungen des Beschwerdeführers durch den in der Aufgabenstellung vorausgesetzten Sachverhalt nicht gestützt und weit hergeholt. Im übrigen hätte dem Kandidaten die Möglichkeit offen gestanden, allfällige Zweifel über den Sachverhalt in seiner Lösung (z. B. im Brief an den Mandaten) zum Ausdruck zu bringen. Nach Meinung der Kammer ist es deshalb irrelevant, ob in Anlage 6 selbst der Ausdruck "the climbing shoes" ein oder mehrere Paar Kletterschuhe bezeichnet.
4. Die Kompetenz der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten ist, soweit es um die Nachprüfbarkeit von Entscheidungen der Prüfungskommission geht, auf die Frage beschränkt, ob die VEP oder die bei ihrer Durchführung anzuwendenden Bestimmungen verletzt worden sind. Alle anderen Behauptungen der Art, daß die Prüfungsarbeiten unrichtig bewertet worden seien, fallen nicht in die Kompetenz der Kammer, da Werturteile der Prüfungskommission grundsätzlich der gerichtlichen Überprüfung entzogen sind. Weiterhin sind nur schwerwiegende und eindeutige Fehler, die so offensichtlich sind, daß sie ohne Wiedereröffnung des Bewertungsverfahren festgestellt werden können, von der Kammer zu berücksichtigen. Dieses Prinzip entspricht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten (z. B. D 1/92 (ABl. EPA 1993, 357), Nr. 3 - 5 der Gründe; D 6/92 (ABl. EPA 1993, 361), Nr. 3, 5 - 6 der Gründe; D 2/95 (unveröffentlicht), Nr. 1 der Gründe) und war im Bescheid der Kammer klar dargestellt.
5. Als einzige Begründung für einen schwerwiegenden und eindeutigen Fehler der Prüfungskommission hat der Beschwerdeführer auf eine angebliche Ungleichbehandlung hingewiesen (s. oben, Punkt V iii)). Der Kandidat ist der Meinung, daß, wie er in seiner Beschwerdebegründung argumentiert hat, die höhere Bewertung des Kandidaten P im Vergleich zu ihm in der unterschiedlichen Beantwortung der Frage hinsichtlich der Vorbenutzung begründet sein müsse. Nach Meinung der Kammer ist eine solche Schlußfolgerung keineswegs offensichtlich. Ausgehend von seiner eigenen Interpretation der Fragestellung, die in Anlage 6 eine mögliche, aber irrelevante Zweideutigkeit enthielt, hat der Beschwerdeführer seine Antwort ausgearbeitet, welche offensichtlich ganz normal bewertet wurde. Für das Argument, daß wegen der angeblichen Unklarheit in der Fragestellung seine Arbeit mit weniger Punkten bewertet wurde, gibt es keinen Hinweis und läßt sich ein solcher auch nicht aus den Tatsachen vor der Kammer ableiten. Im Gegensatz dazu ergibt sich aus diesen Tatsachen klar, daß der Kandidat fehlerhaft von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der im Gesamtzusammenhang der Aufgabe keine Grundlage hatte, weshalb er im Vergleich zu den anderen Kandidaten (zum Beispiel Kandidat P) mit weniger Punkten bewertet wurde.
6. Das Argument des Beschwerdeführers, daß mit einer einheitlichen Bewertung die Kandidaten, die eine andere als die von der Kommission für richtig befundene Lösung gewählt haben, benachteiligt werden, ist nach Meinung der Kammer grundlos. Die Kommission und die Mitglieder der Prüfungsausschüsse müssen eine einheitliche Bewertung sicherstellen (Artikel 16 VEP). Daraus folgt aber nicht zwangsläufig, daß ein Kandidat mit mehr oder weniger Punkten bewertet muß, nur weil er die "richtige" bzw. "unrichtige" Lösung gewählt hat. Einer einheitlichen Bewertung widerspräche es nicht, einen Kandidat, der sich über die "richtige Lösung" mangelhaft geäußert hat, mit weniger Punkten zu bewerten als einen anderen, der sich über die "unrichtige Lösung" klar und kompetent geäußert hat. Andererseits würde eine wie vom Beschwerdeführer vorgeschlagene Bewertung, bei der "richtige" und "unrichtige" Lösungen immer gleich bewertet werden müßten, eine Diskriminierung der besseren Kandidaten und deshalb eine Ungleichbehandlung implizieren.
7. Auch kann die Kammer dem Argument des Beschwerdeführers, daß wegen des Vertrauensschutzes eine irreführende Äußerung des Amtes nicht zum Nachteil des Beteiligten gereichen darf, unter den Umständen des vorliegenden Falls nicht folgen. Aus den genannten Gründen ist es klar, daß im vorliegenden Fall keine Äußerung des Amtes, insbesondere der Prüfungskommission, irreführend war.
8. Insgesamt kann die Kammer weder in der Prüfungsaufgabe noch in ihrer Bewertung irgendeinen Fehler erkennen, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen müßte.
9. Obwohl die Beschwerde aus diesen Gründen zurückzuweisen ist, bemerkt die Kammer, daß auch der zweite Antrag des Beschwerdeführers sein Mißverständnis über die Kompetenz der Kammer zeigt. Mit diesem Antrag verlangt er eine Feststellung, daß er die europäische Eignungsprüfung bestanden hat. Da die Kammer keine Kompetenz hat, das Bewertungsverfahren wiederzueröffnen, könnte sie, falls tatsächlich ein schwerwiegender und eindeutiger Fehler zu erkennen wäre, den Fall lediglich an die Prüfungskommission zurückverweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.