W 0006/99 (NIR-Strahlung II) of 7.4.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:W000699.20000407
Datum der Entscheidung: 07 April 2000
Aktenzeichen: W 0006/99
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: A
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Fassungen: OJ | Published
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: Nach den das EPA bindenden Richtlinien für die internationale vorläufige Prüfung darf eine Aufforderung nach Regel 68.2 PCT erst ergehen, nachdem die Antwort des Anmelders auf den ersten Prüfungsbescheid den dort von der IPEA a posteriori erhobenen Einwand der Uneinheitlichkeit nicht ausgeräumt hat. Die Absicht, das Verfahren durch den gleichzeitigen Erlaß des ersten Prüfungsbescheids und der Aufforderung nach Regel 68.2 PCT zu beschleunigen, kann eine Abweichung von der im Interesse des Anmelders vorgeschriebenen Verfahrensweise nicht rechtfertigen und den Mangel mindestens eines ersten schriftlichen Bescheides nach Regel 66.2 PCT vor Erlaß der Aufforderung nach Artikel 34 (3) a) PCT i. V. m. Regel 68.2 PCT nicht ausräumen.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 154(3)
Patent Cooperation Treaty Art 19(1)
Patent Cooperation Treaty Art 33(2)
Patent Cooperation Treaty Art 34(2)(b)
Patent Cooperation Treaty Art 34(2)(c)
Patent Cooperation Treaty Art 34(3)(a)
Patent Cooperation Treaty R 13
Patent Cooperation Treaty R 40(2)(e)
Patent Cooperation Treaty R 66(2)(a)
Patent Cooperation Treaty R 66(2)(b)
Patent Cooperation Treaty R 66(2)(c)
Patent Cooperation Treaty R 68(1)
Patent Cooperation Treaty R 68(2)
Patent Cooperation Treaty R 68(3)(c)
Patent Cooperation Treaty R 68(3)(e)
Schlagwörter: 'a posteriori' erhobener Einwand mangelnder Einheitlichkeit im Rahmen der vorläufigen internationalen Prüfung erfordert einen ersten schriftlichen Bescheid nach Regel 66 PCT und Berücksichtigung der Anwort des Anmelders vor der Aufforderung nach Artikel 34 (3) PCT
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
W 0013/99
W 0003/03
W 0033/04
W 0037/04

Sachverhalt und Anträge

I. Die internationale Anmeldung PCT/DE 97... mit der internationalen Veröffentlichungsnummer WO 98... trägt das internationale Anmeldedatum 29. Oktober 1997.

Anspruch 1 dieser Anmeldung lautet wie folgt:

"Verbindungen der allgemeinen Formel I

worin F ein Farbstoff-Signalmolekül ist ..."

II. In dem dem vorläufigen Prüfungsverfahren vorausgehenden Rechercheverfahren hatte das Europäische Patentamt (EPA), handelnd als Internationale Recherchenbehörde (IRB), der Anmelderin am 22. Mai 1998 mitgeteilt, daß die internationale Anmeldung fünf Erfindungen umfasse und sie aufgefordert, vier zusätzliche Recherchengebühren im Einklang mit Artikel 17 (3) a) PCT und Regel 40.1 PCT zu bezahlen. Die Anmelderin hatte dem widersprochen und am 29. Mai 1998 alle zusätzlich geforderten Gebühren bezahlt und die Widerspruchsgebühr am 7. September 1998 entrichtet.

III. In der das Datum 2. September 1998 tragenden "Aufforderung zur Einschränkung der Ansprüche oder zur Zahlung zusätzlicher Gebühren" im Rahmen von Artikel 34 (3) a) PCT und Regel 68.2 PCT wurde der Anmelderin mitgeteilt, daß das Europäische Patentamt als "die mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde" (IPEA) der Auffassung ist, daß mit der internationalen Anmeldung fünf Erfindungen beansprucht werden und demzufolge entweder, wie dargelegt, die Ansprüche einzuschränken oder vier zusätzliche Prüfungsgebühren in Höhe von insgesamt DM 12 000 zu bezahlen seien.

Die IPEA hat hierzu ausgeführt, daß die der Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe in breitester Form darin gesehen werden könne, Verbindungen für die Nah-Infrarot-Diagnostik des Morbus Alzheimer zur Verfügung zu stellen.

Als einzige Gemeinsamkeit der verschiedenen Lösungen dieser Aufgabe gemäß den in der Anmeldung beanspruchten Verbindungen einer allgemeinen Formel I sei lediglich die Verwendung von Farbstoffen F in der Diagnostik des Morbus Alzheimer durch Bestimmung des ...-Proteins erkennbar.

Da aber der Stand der Technik nach der Entgegenhaltung (1): ...

... vorbeschreibe, sei die Idee, Farbstoffe in der Nah-Infrarot-Diagnostik des Morbus Alzheimer durch Bestimmung des ...-Proteins zu verwenden, bereits bekannt.

Somit könne besagte einzige Gemeinsamkeit der Lösungen nicht mehr als besonderes technisches Merkmal im Sinne von Regel 13 PCT angesehen werden. Da auch kein anderes technisches Merkmal als sogenanntes besonderes Merkmal einen technischen Zusammenhang zwischen den Erfindungen herstelle, sei das Erfordernis der Einheitlichkeit nach Regel 13 PCT nicht erfüllt.

Um die Zahl der Lösungen, die allen denkbaren und voneinander verschiedenen Erfindungen zugrundeliegen, sinnvoll zu begrenzen, seien die zu betrachtenden Verbindungen in Gruppen zusammenzufassen, in denen F für ... stehe.

IV. Die Anmelderin hat mit ihrem am 3. September 1998 eingegangenen Widerspruch alle geforderten zusätzlichen Gebühren entrichtet und zur Begründung u. a. geltend gemacht, "Eine Erfindung ist einheitlich, wenn das ihr zugrundeliegende Problem (Aufgabe) einheitlich ist". Dies sei hier der Fall. Durch die Auswahl der Farbstoffe F werde eine Gruppe von Erfindungen hervorgebracht, die so zusammenhingen, daß sie im Sinne von Regel 13.1 PCT eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichten. Gemäß der Beschreibung der Erfindung, insbes. auf Seite 5, Absatz 4 bis Seite 6, Absatz 1 sowie Seite 17, Absatz 2 und 3, bestehe durch die Ausgestaltung von "F" auch der in Regel 13.2 PCT geforderte Zusammenhang in entsprechenden besonderen technischen Merkmalen. Gemäß Regel 13.4 PCT seien auch die abhängigen Ansprüche zulässig, selbst wenn die Merkmale eines abhängigen Anspruchs für sich genommen als unabhängige Erfindung gesehen werden könnten.

V. Am 23. Oktober 1998 hat die IPEA der Anmelderin im Rahmen von Regel 68.3 e) PCT als Ergebnis der vorherigen Überprüfung der Aufforderung zur Zahlung der zusätzlichen Prüfungsgebühren mitgeteilt, daß der Einwand der Nichteinheitlichkeit aufrechterhalten werden müsse und die Anmelderin für die weitere Prüfung des Widerspruchs zur Zahlung einer Widerspruchsgebühr von DM 2 000,- innerhalb eines Monates aufgefordert.

In der Begründung wird sinngemäß ausgeführt, daß im Einklang mit den Ausführungen der Anmelderin die bestehende Aufgabe für alle beanspruchten Lösungsalternativen zwar als einheitlich angesehen werden könne, der allen beanspruchten Alternativen gemeinsame sogenannte Farbstoffanteil "F" für den ...-Farbstoff ... jedoch in der Diagnostik des Morbus Alzheimer aus der Entgegenhaltung (1) bereits bekannt sei und somit die IPEA zu Recht festgestellt habe, daß der Molekülteil "F" als Farbstoffsignalmolekül in allgemeiner Form kein besonderes Merkmal im Sinne der Regel 13.2 PCT darstelle. Bei dieser Sachlage könne die vom Anmelder geltend gemachte "Ausgestaltung von F" nicht als besonderes Merkmal im Sinne der Regel 13.2 PCT angesehen werden.

VI. Die Widerspruchsgebühr wurde mit dem am 27. Oktober 1998 eingegangenen Schreiben bezahlt.

VII. Auch am 23. Oktober 1998 hat die IPEA im Rahmen von Regel 66 PCT der Anmelderin in einem ersten schriftlichen Bescheid mitgeteilt, daß durch den Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (1) der in der internationalen Anmeldung beanspruchte Gegenstand neuheitsschädlich getroffen werde und die Anmeldung demzufolge nicht die Erfordernisse des Artikels 33.2 PCT erfülle. In diesem Bescheid hat sich die IPEA ferner zur erfinderischen Tätigkeit geäußert.

Entscheidungsgründe

1. Im Einklang mit Artikel 154 (3) EPÜ sind die Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts als zuständige höhere Behörde im Sinne von Regel 68.3 c) PCT zuständig für Entscheidungen über einen Widerspruch des Anmelders gegen eine vom Europäischen Patentamt nach Artikel 34 (3) a) des Zusammenarbeitsvertrages für die internationale Prüfung angeforderte zusätzliche Gebühr. Die Kammer hat somit die Zuständigkeit, den Widerspruch im Rahmen der voranstehend unter den Absätzen II und III aufgeführten Sachverhalte zu prüfen.

2. Der Widerspruch ist zulässig.

3. Im Unterschied zur internationalen Recherche, die sich auf die ursprünglichen Unterlagen bezieht (Artikel 19 (1) PCT), ist dem Anmelder in der internationalen vorläufigen Prüfung die Möglichkeit gegeben, Mängel der Anmeldung durch Änderungen zu beseitigen (Artikel 34 (2) b) PCT). Demgemäß wird der internationale Recherchenbericht normalerweise ohne Korrespondenz mit dem Anmelder erstellt, wogegen dem internationalen vorläufigen Prüfungsbericht bei Einwänden der IPEA ein Dialog vorausgeht, der dem Anmelder die Möglichkeit gibt, Mängelrügen entgegenzutreten oder vorhandene Mängel zu beseitigen.

Im Fall der Uneinheitlichkeit kann die IPEA entweder nach Artikel 34 (3) a) i. V. m. Regel 68.1 PCT die Prüfung für die gesamte Anmeldung fortsetzen oder den Anmelder nach Artikel 34 (3) a) i. V. m. Regel 68.2 PCT zur Einschränkung der Anmeldung auf einen einheitlichen Gegenstand oder zur Zahlung zusätzlicher Prüfungsgebühren auffordern.

Die Uneinheitlichkeit ist ein Mangel der Anmeldung, auf den im ersten Bescheid der IPEA hinzuweisen ist (Artikel 34 (2) c) i. V. m. Regel 66.2 a) PCT; Richtlinien für die internationale vorläufige Prüfung VI-5.13, Satz 2, PCT Gazette, special issue, No. 07/1993, am 1. Juli 1992 in Kraft getretene Fassung; unverändert in der am 9. Oktober 1998 in Kraft getretenen Fassung, PCT Gazette, special issue, No. 07/1998). Sind die Gründe für den Einwand nicht offensichtlich, sind sie im Bescheid anzugeben (Richtlinien für die internationale vorläufige Prüfung VI-5.13, Satz 1, Halbsatz 2, a. a. O.).

4. Im vorliegenden Fall hat die IPEA die Aufforderung nach Regel 68.2 PCT und den Bescheid nach Regel 66.2 a) PCT gleichzeitig erlassen. Dieses Vorgehen ist nicht in Einklang mit den maßgebenden Vorschriften. Die das EPA in seiner Eigenschaft als IPEA bindenden Richtlinien für die internationale vorläufige Prüfung schreiben in Kapitel VI-5.13, Satz 3 (a. a. O.) vor, daß eine Aufforderung nach Regel 68.2 PCT ergeht, nachdem die Antwort des Anmelders auf den Einwand der Uneinheitlichkeit im ersten Prüfungsbescheid den Mangel der Einheitlichkeit nicht ausgeräumt hat. Es ist also eindeutig eine zeitliche Abfolge von beiden Aktionen der IPEA vorgeschrieben, die erst den Prüfungsbescheid und dann die Aufforderung nach Regel 68.2 PCT vorsieht. Damit soll dem Anmelder ersichtlich die Möglichkeit gegeben werden, auf den im ersten Prüfungsbescheid substantiierten Einwand mit Argumenten oder Änderungen zu reagieren, bevor er gezwungen ist, über möglicherweise weitreichende Folgerungen aus der behaupteten Uneinheitlichkeit zu entscheiden.

5. Die der Kammer vorliegende Akte läßt nicht erkennen, daß der das Datum 2. September 1998 tragenden "Aufforderung zur Einschränkung der Ansprüche oder zur Zahlung zusätzlicher Gebühren" im Rahmen von Artikel 34 (3) a) PCT und Regel 68.2 PCT eine schlüssige Prüfung des verfügbaren Standes der Technik unter Einbeziehung einer Antwort des Anmelders im Rahmen von Regel 66.2 c) vorausging, vielmehr hat die IPEA im vorliegenden Fall den ersten schriftlichen Bescheid unter Regel 66 PCT (Formblatt PCT/IPEA/408), enthaltend erstmalig einen Neuheitseinwand unter Artikel 33 (2) PCT, dem Anmelder am 23. Oktober 1998, gleichzeitig mit dem Ergebnis der vorherigen Überprüfung der Aufforderung zur Zahlung der zusätzlichen Recherchengebühren im Rahmen von Regel 68.3 e) PCT zugesandt.

6. Die Akte läßt zwar erkennen, daß der Anmelder im Rahmen von Regel 40.2 c) PCT in seinem Widerspruch vom 2. Juni 1998 zur Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren unter Artikel 17 (3) a) PCT und Regel 40.1 PCT den von der IRB aufgezeigten Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (1) nicht in Frage gestellt hat, dies kann jedoch den vorgeschriebenen Ablauf des weiteren Verfahrens vor der IPEA nicht ändern, auch wenn, wie im vorliegenden Fall aus der Akte ersichtlich, das Verfahren vor der IRB und der IPEA von ein und demselben Prüfer und offensichtlich auch von ein und derselben überprüfenden Instanz im Rahmen von Regel 68.3 e) PCT stattgefunden hat.

Es liegt auf der Hand, daß die mit der vorläufigen internationalen Prüfung beauftragte Behörde bei ihrer Verfahrensweise das Verfahren beschleunigt hat. Dies kann aber eine Abweichung von der nach den bindenden Richtlinien im Interesse des Anmelders vorgeschriebenen Verfahrensweise nicht rechtfertigen und kann im Rahmen der vorläufigen Prüfung keinesfalls den Mangel mindestens eines ersten schriftlichen Bescheides unter Regel 66 PCT vor der Aufforderung unter Artikel 34 (3) a) PCT in Verbindung mit Regel 40.2 e) und Regel 68.2 PCT ausräumen.

7. Bei dieser Sachlage ist es nicht erforderlich, auf die Begründung der IPEA zur Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren vom 2. September 1998 gemäß Anhang zum Formblatt PCT/IPEA/405 einzugehen.

8. Die voranstehenden Schlußfolgerungen zur zeitlichen Abfolge des Erlasses eines ersten Bescheides nach Regel 66 PCT und einer Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren nach Artikel 34 (3) a) PCT in Verbindung mit Regel 68.2 PCT betreffen nicht den Inhalt der Zahlungsaufforderung. Daher ist es im Rahmen des vorläufigen Prüfungsverfahrens vor der IPEA nicht ausgeschlossen, eine im Recherchenverfahren von der IRB ergangene und zutreffend begründete Zahlungsaufforderung bei unveränderter Sachlage mit gleicher Begründung zu wiederholen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Rückzahlung der zusätzlich entrichteten Prüfungsgebühren und der Widerspruchsgebühr wird angeordnet.

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