European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1997:W000796.19970122 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 Januar 1997 | ||||||||
Aktenzeichen: | W 0007/96 | ||||||||
Anmeldenummer: | - | ||||||||
IPC-Klasse: | H02K 19/10 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Elektronisch kommutierter Reluktanzmotor | ||||||||
Name des Anmelders: | LUNGU, Iancu | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Begründungspflicht nach R. 68.2 PCT nicht erfüllt Vertrauensschutz Rückzahlung der zusätzlichen Gebühren für die internationale vorläufige Prüfung sowie der Widerspruchsgebühr |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Am 19. September 1995 reichte der Anmelder die internationale Patentanmeldung PCT/RO 95/00012 ein, für welche das Europäische Patentamt die für die internationale vorläufige Prüfung beauftragte Behörde ("IPEA" ) im Sinne von Artikel 32 PCT ist. Ein Antrag auf internationale vorläufige Prüfung ging am 15. April 1996 beim Europäischen Patentamt ein.
II. Im Anschluß an diesen Antrag reichte der Anmelder mit Brief vom 21. Mai 1996 einen neuen Anspruchssatz ein und beantragte, diesen der internationalen vorläufigen Prüfung zugrunde zu legen.
III. Der neue Anspruchssatz enthält drei unabhängige Sachansprüche mit folgendem Wortlaut:
"l. Elektronisch kommutierter Reluktanzmotor mit gewickelten, magnetisch voneinander getrennten Jochen, die ein pulsierendes Magnetfeld produzieren, denen gegenüber sich ein Rotor dreht, dessen Pole von den Polen der erstgenannten Joche angezogen werden, wobei diese Anziehung elektronisch gesteuert in Abhängigkeit von der Stellung der Rotorpole gegenüber der Pole der bewickelten Joche erfolgt, dadurch gekennzeichnet, daß er vier U-förmige Joche (11) hat, die Wicklungen (112) tragen, die auf einem Kreisumfang acht Magnetpole (111) bilden, zwischen denen sich ein Rotor (12) dreht, der sechs ausgeprägte Pole (121) hat, zwischen denen sich nichtmagnetische Lücken (122) befinden, wobei die Rotorpole (121) durch ein Joch (123) verbunden sind."
"9. Elektronisch kommutierter Gleichstrommotor, dadurch gekennzeichnet, daß er mindestens zwei in Drehrichtung des Motors winklig angeordnete, magnetisch getrennte Joche (11) hat, die Wicklungen (121) tragen, Joche (11) die sich gegenseitig mit Hilfe der Koppeldioden (22) die Entmagnetisierungsenergie übertragen, die bei der Abschaltung einer der Wicklungen (121) entsteht, wenn diese von der Stromquelle abgeschaltet wird."
"21. Elektronisch kornmutierter Motor, dadurch gekennzeichnet, daß sowohl der Rotor (12) und der Außenrotor, aus gewickelten Joche (sic!) (11) mit dem Träger (5) zusammengebaut, sich in entgegengesetzte Richtungen drehen und dabei jeweils einen Teil der nutzbarer (sic!) Motorleistung erzeugen."
IV. Mit Bescheid vom 24. Juni 1996 (Absendedatum) forderte das EPA in seiner Eigenschaft als IPEA den Anmelder gemäß Regel 68.2 PCT auf, entweder die Ansprüche einzuschränken oder zusätzliche Gebühren für die internationale vorläufige Prüfung in der Höhe von DM 6000,- zu entrichten, da seine internationale Anmeldung dem Erfordernis der Einheitlichkeit nicht entspreche. Für die Begründung und die möglichen Einschränkungen wurde auf den Anhang zum Bescheid verwiesen. Obwohl die Sprache der eingangs genannten internationalen Patentanmeldung Deutsch ist, wurde für den Bescheid das englischsprachige Formblatt "Form PCT/IPEA/405 (July 1992)" verwendet.
V. Der Anhang zum genannten Bescheid hat folgenden Wortlaut:
"(i) Anspruch 1 bezieht sich auf den mechanischen Aufbau des magnetischen Kreises eines elektronisch kommutierten Reluktanzmotors.
(ii) Anspruch 9 bezieht sich auf die elektrische Schaltung der Wicklungen eines Reluktanzmotors.
(iii) Anspruch 21 bezieht sich auf eine Motoranordnung, bei der Rotor und Stator sich in entgegengesetzte Richtungen drehen."
VI. Am 23. Juli 1996 zahlte der Anmelder die gemäß Beschluß des Verwaltungsrats vorn 15. Dezember 1994 (ABl. EPA 1995, 14) um 75 % ermäßigten, zusätzlichen Gebühren unter Widerspruch. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, daß es in logischer Hinsicht nicht möglich sei, die elektromagnetischen, elektronischen bzw. mechanischen Bestandteile eines ganzheitlich neuen, elektronisch kommutierten Motors zum Gegenstand mehrerer Erfindungen zu machen. Insbesondere seien bei elektronisch gesteuerten Motoren die elektromagnetischen Vorgänge mit der elektronischen Schalttechnik verflochten. Dabei sei die Kommutierungsschaltung Teil des Antriebs. Die im Bescheid genannten Ansprüche bezögen sich daher auf dieselbe Erfindung, so daß die Einheitlichkeit gegeben sei. Er beantragte die Rückzahlung der zusätzlichen Gebühren.
VII. Am 5. August 1996 (Absendedatum) teilte das Europäische Patentamt in seiner Eigenschaft als IPEA dem Anmelder mit, die Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren werde nach Überprüfung aufrechterhalten. Sie forderte ihn deshalb auf, innert eines Monats eine Widerspruchsgebühr in der Hohe von DM 2000, - zu entrichten.
VIII. Der Anmelder entrichtete die Widerspruchsgebühr am 2. September 1996.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerdekammer ist gemäß der neuen Vereinbarung zwischen der EPO und WIPO nach dem PCT (ABl. EPA 1987, 515) sowie Artikel 155 (3) EPÜ zuständig für die Entscheidung des vorliegenden Widerspruchs.
2. Der Widerspruch entspricht den Vorschriften von Regel 68.3 c) und e) PCT. Er ist zulässig.
3. Fordert die IPEA den Anmelder gemäß Artikel 34 (3) a) PCT wegen mangelnder Einheitlichkeit der Erfindung zur Einschränkung der Ansprüche oder zur Zahlung zusätzlicher Gebühren auf, so hat sie nach Regel 68.2 PCT die Gründe anzugeben, aus denen nach ihrer Auffassung die internationale Anmeldung dem Erfordernis der Einheitlichkeit nicht genügt.
Die PCT-Richtlinien für die internationale vorläufige Prüfung vom 1. Marz 1993 sehen dabei vor, daß der Prüfer in der Aufforderung nach Regel 68.2 PCT eine logisch aufgebaute, technische Begründung zu geben hat, welche die hauptsächlichen Überlegungen enthalt, auf denen die Beanstandung der Uneinheitlichkeit der Erfindung beruht (vgl. Kapitel VI, Ziff. 5.5 der Richtlinien). Diese Richtlinien sind für die IPEA verbindlich (vgl. G 1/89, ABl. EPA 1991, 155 und Artikel 2 der oben genannten, neuen Vereinbarung) .
4. Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern soll diese Begründung dem Anmelder und der Rechtsmittelinstanz die Nachprüfung ermöglichen, ob die Forderung zusätzlicher Gebühren wegen Uneinheitlichkeit der Erfindung gerechtfertigt ist (W 4/85, ABl. EPA 1987, 63). Insbesondere hat sie dem Anmelder als Grundlage fur die Entscheidung zu dienen, ob er die geforderte Einschränkung der Anspruche vornehmen oder aber die zusätzlichen Gebühren mit oder ohne Widerspruch zahlen sowie gegebenenfalls die Widerspruchsgebühr entrichten soll.
4.1 Gemäß der Entscheidung W 4/94 (ABl. EPA 1996, 73) liegt kein Verstoß gegen die Begründungspflicht vor, solange für den Anmelder der maßgebliche Grund für die Entscheidung erkennbar ist. So wurde aus dem Umstand, daß ein Anmelder in der Lage war, sachlich Stellung zu nehmen, eine Begründung als ausreichend beurteilt (W 3/93, ABl. EPA 1994, 931, Punkt 3.1).
Andererseits reicht in der Regel eine Begründung nicht aus, die sich darauf beschränkt, die als uneinheitlich beanstandeten Gegenstände aufzuzählen. Eine derartige Begründung ist nur dann ausreichend, wenn bereits aus der Aufzählung selbst ohne weiteres sichtbar ist, daß die Anmeldung nicht den Erfordernissen von Regel 13 PCT entspricht (W 4/85, a. a. O.). Solche Fälle gelten jedoch als seltene Ausnahmen (W 7/86, ABl. EPA 1987, 67).
4.2 Werden - wie im vorliegenden Fall - die Gegenstände in einer solchen Aufzählung bestimmten Patentansprüchen zugeordnet, so sind natürlich auch diese zum Verständnis der Begründung beizuziehen. Ergibt sich aus dem Inhalt der betreffenden Patentansprüche unmittelbar und eindeutig, daß zwischen den aufgezählten Gegenständen kein technischer Zusammenhang bestehen kann, so wäre eine solche Begründung als ausreichend anzusehen. Läßt sich dagegen ein technischer Zusammenhang zwischen diesen Gegenständen nicht ausschließen, erscheint eine nahere Begründung der beanstandeten Uneinheitlichkeit erforderlich.
4.3 Dabei ist nach Meinung der Kammer auch zu berücksichtigen, daß - abweichend von Artikel 133 (2) EPÜ - im Verfahren vor dem Europäischen Patentamt als IPEA keinerlei Vertretungszwang besteht. Bei der Beurteilung der genannten Voraussetzungen kann deshalb - insbesondere, wenn der Anmelder unvertreten ist - nicht von einem patentrechtlich umfassend vorgebildeten Adressaten ausgegangen werden.
5. Im vorliegenden Fall enthält die Begründung, außer dem vorgedruckten Hinweis auf die Regeln 13.1 bis 13.3 PCT, lediglich eine Aufzählung der Gegenstande der Patentanspruche 1, 9 und 21 in stark verallgemeinerter Form (vgl. Punkt V, oben). Es fehlt darin jeglicher Hinweis, aus welchen Gründen die aufgezählten Erfindungen den Erfordernissen der genannten Regeln nicht entsprechen.
Insbesondere fehlt jede Auseinandersetzung mit der Frage, weshalb die aufgezählten Erfindungen die Kriterien nach Regel 13.2 PCT für die Einheitlichkeit einer Gruppe von Erfindungen nicht erfüllen.
6. Nach dem oben Gesagten (vgl. Punkt 4) könnte die Begründung trotzdem als ausreichend angesehen werden, wenn sich die beanstandete Uneinheitlichkeit der Erfindungen unmittelbar und eindeutig aus den in der Aufzählung genannten Patentansprüchen selbst ergäbe.
6.1 Was die Patentanspruche 1 und 9 anbelangt, trifft dies nach Ansicht der Kammer jedoch nicht zu. Diese Ansprüche beziehen sich auf einen elektronisch kommutierten Reluktanz- bzw. Gleichstrommotor und besitzen eine Reihe von gemeinsamen Merkmalen, die zum Teil in ihren Kennzeichen enthalten sind: beide haben mindestens zwei elektromagnetische Joche, welche Wicklungen tragen; die elektromagnetischen Joche sind magnetisch voneinander getrennt; sie sind um einen Rotor herum bzw. in Drehrichtung des Motors winklig zueinander angeordnet. Die weiteren Merkmale beziehen sich in Anspruch 1 auf die elektromagnetische Struktur im einzelnen und in Anspruch 9 auf die schaltungsmäßige Verbindung der Wicklungen untereinander. Aufgrund der genannten Gemeinsamkeiten läßt sich zumindest nicht von vorneherein und ohne Begründung ausschließen, daß die Ansprüche 1 und 9 ein gleiches oder entsprechendes besonderes technisches Merkmal im Sinne von Regel 13.2 PCT aufweisen.
6.2 Nach Auffassung der Kammer war es deshalb für einen Anmelder ohne besondere patentrechtliche Vorkenntnisse kaum möglich, die Grunde für die Aufforderung zur Zahlung der zusätzlichen Gebühr für den Gegenstand von Anspruch 9 so zu erkennen, daß er in der Lage gewesen wäre, deren Richtigkeit zu überprüfen. Insgesamt kommt die Kammer deshalb zu dem Ergebnis, daß für die beanstandete Uneinheitlichkeit der Gegenstände gemäß den Ansprüchen 1 und 9 eine ausreichende Begründung fehlt.
6.3 Daran ändert nichts, daß im Zuge der Mitteilung des Überprüfungsergebnisses vom 5. August 1996 nachträglich auf Gründe für die Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren hingewiesen wurde. Nach der Rechtsprechung, der sich die Kammer im vorliegenden Fall anschließt, dürfen solche nachgeschobenen Gründe bei der Beurteilung, ob die Aufforderung nach Regel 68.2 PCT ausreichend begründet und ob der Widerspruch berechtigt ist, nicht berücksichtigt werden (W 4/93, ABl. EPA 1994, 939).
7. Bezüglich dem dritten als uneinheitlich beanstandeten Gegenstand (gemäß Anspruch 21) kann die Frage der ausreichenden Begründung der Uneinheitlichkeit aus folgendem Grund offen bleiben.
7.1 Artikel 7 der neuen Vereinbarung zwischen der EPO und WIPO nach dem PCT (ABl. EPA 1987, 515) sieht vor, daß im Schriftverkehr mit dem Anmelder (einschließlich der Formblätter) die Sprachen Deutsch, Englisch oder Französisch verwendet werden, je nach der Sprache der internationalen Anmeldung oder ihrer Übersetzung. Da die Sprache der internationalen Anmeldung im vorliegenden Fall Deutsch ist, hatte die Aufforderung zur Einschränkung oder Zahlung demnach in deutscher Sprache erfolgen müssen. Trotzdem wurde für den Bescheid vom 24. Juni 1996 ein Formblatt in englischer Sprache verwendet (vgl. vorn Punkt IV).
Die Kammer ist der Ansicht, daß sich dies insofern nicht als wesentlicher Verfahrensfehler auswirkt, als auf dem Formblatt einschlägige Artikel und Regeln des PCT genannt sind, die ja auch in deutscher Sprache zur Verfügung stehen. Andererseits durfte sich der Anmelder in der vorliegenden Situation auf diese Hinweise verlassen, ohne daß von ihm erwartet werden konnte, das Formblatt aus dem Englischen in die Verfahrenssprache Deutsch übersetzen zu lassen. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, der auch in Verfahren vor dem EPA in seiner Eigenschaft als IPEA zur Anwendung kommt (W 2/93 vom 31. Marz 1993).
7.2 In Ziffer 2 des zugestellten Formblatts findet sich im Zusammenhang mit der Angabe des Betrags der geforderten zusätzlichen Gebühren die (englischsprachige) Bemerkung, der Widerspruch könne sich auch nur dagegen richten, daß der geforderte Betrag überhöht sei. Dabei wurde auf Regel 68.3 e) PCT verwiesen. Aus dieser Bestimmung läßt sich indessen über die erwähnte Möglichkeit nichts entnehmen, denn diese ist in Regel 68.3 c) PCT enthalten.
Der Anmelder, der sich aus den genannten Sprachgründen auf die im Formblatt zitierten Bestimmungen verlassen durfte (vgl. Punkt 7.1, oben), mußte deshalb davon ausgehen, daß der Widerspruch sich nur gegen die Beanstandung der Uneinheitlichkeit insgesamt richten konnte. Er hatte damit nicht die Möglichkeit, auf die Aufforderung zur Einschränkung oder Zahlung angemessen zu reagieren, z. B. indem er hätte erwägen können, nur eine der zwei geforderten zusätzlichen Gebühren unter Widerspruch zu zahlen. Dies kann im Hinblick auf die Zurückzahlung der Widerspruchsgebühr von ausschlaggebender Bedeutung sein. Insofern bot die Aufforderung zur Einschränkung oder Zahlung vom 24. Juni 1996 keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Anmelders, in welchem Umfang er die zusätzlichen Gebühren unter Widerspruch zahlen sollte (vgl. Ziffer 4, oben).
8. Da die Aufforderung zumindest bezüglich einer der geforderten zusätzlichen Gebühren der Begründungspflicht unter Regel 68.2 PCT nicht genügt (Punkt 6, oben) und im übrigen keine ausreichende Grundlage für die Entscheidungen des Anmelders im Hinblick auf das Widerspruchsverfahren bot (Punkt 7, oben), ist sie insgesamt als nicht rechtswirksam anzusehen. Es besteht daher keine rechtliche Grundlage für die Einbehaltung der unter Widerspruch entrichteten zusätzlichen Gebühren sowie der Widerspruchsgebühr.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Rückzahlung der (mit 75 % Ermäßigung entrichteten) zusätzlichen Gebühren sowie der Widerspruchsgebühr wird angeordnet.