European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1995:W000395.19951123 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 23 November 1995 | ||||||||
Aktenzeichen: | W 0003/95 | ||||||||
Anmeldenummer: | - | ||||||||
IPC-Klasse: | B61D 3/18 B61F 3/12 |
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Verfahrenssprache: | EN | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | RailRunner | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | Das Europäische Patentamt als mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde hat sich zu vergewissern, ob die Widerspruchsgebühr rechtzeitig entrichtet wurde, bevor ein Widerspruch der Beschwerdekammer zur Entscheidung vorgelegt wird. | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | IPEA Zusätzliche Prüfungsgebühren unter Widerspruch gezahlt Frist zur Zahlung der Widerspruchsgebühr Vorlage des Widerspruchs an die Beschwerdekammer |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Am 4. Januar 1995 forderte das Europäische Patentamt als mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde (IPEA) den Inhaber der internationalen Patentanmeldung Nr. PCT/US 94/02212 auf, nach Artikel 34 (3) a) und Regel 68.2 PCT die Ansprüche einzuschränken oder zwei zusätzliche Gebühren zu entrichten, mit der Begründung, daß die Anmeldung den Anforderungen an die Einheitlichkeit der Erfindung nicht genügt.
II. Der Anmelder entrichtete die zusätzlichen Gebühren am 6. März 1995 unter Widerspruch. In seiner Eingabe vom 2. März 1995 machte er geltend, der Prüfer habe die mangelnde Einheitlichkeit der Erfindung zu Unrecht festgestellt.
III. In einer am 22. März 1995 abgesandten Mitteilung setzte die IPEA den Anmelder davon in Kenntnis, daß die obengenannte Aufforderung nach Überprüfung als berechtigt angesehen werde. Aus diesem Grunde wurde der Anmelder aufgefordert, die Widerspruchsgebühr nach Regel 68.3 e) PCT und Regel 104a (3) EPÜ innerhalb eines Monats nach dem Datum der Mitteilung zu zahlen.
IV. Am 22. April 1995 teilte der Anmelder der IPEA per Fax mit, daß er seinen Widerspruch gegen die Feststellung mangelnder Einheitlichkeit der Erfindung durch den Prüfer aufrechterhalte und daß ein Scheck zur Deckung der Widerspruchsgebühr in Höhe von 2 000 DEM der Kopie zur Bestätigung des Fax beigefügt sei. Kopie und Scheck gingen am 26. April 1995 bei der IPEA ein.
V. Am 1. Juni 1995 wurde der Widerspruch der Beschwerdekammer zur Entscheidung vorgelegt. Der Anmelder beantragte, die Feststellungen der IPEA aufzuheben und die Rückerstattung der zusätzlichen Prüfungsgebühren in Höhe von 6 000 DEM sowie der Widerspruchsgebühr anzuordnen.
Entscheidungsgründe
1. Nach Artikel 155 (3) EPÜ sind die Beschwerdekammern in ihrer Eigenschaft als "besondere Instanz" der IPEA gemäß Regel 68.3 PCT zuständig für die Entscheidung über Widersprüche von Anmeldern gegen eine von der IPEA gemäß Artikel 34 (3) a) PCT festgesetzte zusätzliche Gebühr. Der vorliegende Widerspruch fällt daher in die Zuständigkeit der Kammer.
2. Für das Widerspruchsverfahren vor der IPEA sind die Bestimmungen der Regel 68.3 Buchstaben c bis e PCT und, soweit das Europäische Patentamt als IPEA betroffen ist, auch Regel 104a (3) EPÜ maßgebend. Nach diesen Bestimmungen ist die IPEA in einer ersten Verfahrensphase für folgende Verfahrensschritte zuständig: Überprüfung der Berechtigung einer Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren, Mitteilung des Ergebnisses der Überprüfung an den Anmelder und gegebenenfalls Aufforderung zur Zahlung der Widerspruchsgebühr. Wird die Widerspruchsgebühr rechtzeitig entrichtet, so wird der Widerspruch der "besonderen Instanz" der IPEA vorgelegt, die in einer zweiten Verfahrensphase über den Widerspruch entscheidet.
3. Im vorliegenden Fall hatte die IPEA nach vorheriger Überprüfung den Anmelder zur Zahlung der Widerspruchsgebühr aufgefordert. Die Mitteilung des Überprüfungsergebnisses an den Anmelder wurde am 22. März 1995 abgesandt mit dem Hinweis, daß die Widerspruchsgebühr innerhalb eines Monats nach dem Datum der Absendung fällig sei. Der Scheck zur Begleichung der Widerspruchsgebühr in Höhe von 2 000 DEM ging jedoch erst am Mittwoch, dem 26. April 1995, ein. In Anbetracht der Bestimmungen des PCT über die Berechnung von Fristen (vgl. insbesondere Regel 80 PCT) bestehen erhebliche Zweifel daran, ob die Widerspruchsgebühr rechtzeitig entrichtet wurde.
Dessenungeachtet hat die IPEA, ohne auf diese Frage einzugehen, den vorliegenden Widerspruch der Beschwerdekammer zur Entscheidung vorgelegt.
4. Es ist daher unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, ob die IPEA angesichts Artikel 155 (3) und Regel 104a (3) EPÜ unter diesen Umständen den Widerspruch zu Recht an die Beschwerdekammer zur Entscheidung vorgelegt hat.
4.1 Während Artikel 155 (3) EPÜ die generelle Zuständigkeit der Beschwerdekammern für die Entscheidung über Widersprüche festschreibt, präzisiert Regel 104a (3) der Ausführungsordnung zum EPÜ im letzten Satz, daß Widersprüche der Beschwerdekammer zur Entscheidung vorgelegt werden, wenn "die Widerspruchsgebühr rechtzeitig entrichtet" wird.
Auf Grund dieser Bestimmung ist im Umkehrschluß davon auszugehen, daß bei verspäteter Zahlung oder Nichtzahlung der Widerspruchsgebühr die Beschwerdekammer nicht mit dem Widerspruch zu befassen ist, der Widerspruch daher nicht vor der Beschwerdekammer anhängig wird.
Dementsprechend ist es Aufgabe der IPEA, sich vor der Vorlage des Widerspruchs an die Beschwerdekammer zu vergewissern, ob die Widerspruchsgebühr rechtzeitig entrichtet wurde.
Diese Auslegung steht auch mit Regel 68.3 e) PCT in Einklang, derzufolge ein Widerspruch als zurückgenommen gilt, wenn die Widerspruchsgebühr nicht rechtzeitig entrichtet wird. Durch die angenommene Zurücknahme des Widerspruchs kommt das Verfahren bereits vor der Vorlage des Widerspruchs an die Beschwerdekammer zum Abschluß.
4.2 Bei dieser Auslegung könnte sich auf den ersten Blick möglicherweise ein Widerspruch zu der Entscheidung W 53/91 vom 19. Februar 1992 (unveröffentlicht) ergeben. In dieser Entscheidung (vgl. Punkt 6 und 7 der Gründe) wurde auf Grund der Parallelität von Beschwerde- und Widerspruchsverfahren die Auffassung vertreten, daß, wenn gegen eine Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren Widerspruch (der der Beschwerde entspricht) eingelegt worden ist, die Überprüfung des Falles nicht mehr in die Zuständigkeit der ersten Instanz, sondern in die alleinige Zuständigkeit der höheren Instanz fällt (Grundsatz des Devolutiveffekts von Rechtsmitteln).
Zu beachten ist jedoch, daß die zitierte Entscheidung vor Erlaß der neuen Regeln 68.3 e) PCT und 104a (3) EPÜ ergangen ist. Nach den früheren Bestimmungen hatte die Zahlung der zusätzlichen Gebühr unter Widerspruch nämlich die unmittelbare Wirkung, daß Widersprüche von der "besonderen Instanz" der IPEA geprüft wurden.
4.3 Im Gegensatz dazu wird nach den neuen Regeln bei rechtzeitiger Zahlung der zusätzlichen Gebühr unter Widerspruch zunächst überprüft, ob die Aufforderung zur Zahlung der zusätzlichen Gebühr durch die IPEA berechtigt war, wie in Punkt 2 oben ausgeführt. Ist das Ergebnis der Überprüfung negativ, so hat die Überprüfungsstelle ihre Feststellung technisch zu begründen (Entscheidung W 4/93, ABl. EPA 1994, 939, Punkt 2.3 der Gründe; Kapitel VI, 5.7 der am 1. März 1993 von der WIPO veröffentlichten Richtlinien zur Durchführung der internationalen vorläufigen Prüfung nach dem PCT). Die Überprüfungsstelle kann dem Widerspruch ganz oder teilweise stattgeben (vgl. Begründung des Präsidenten des EPA vom 23. April 1992, CA/7/92, Punkt 17).
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich eindeutig, daß nach den neuen Bestimmungen die Zuständigkeit der ersten Instanz mit der Zahlung zusätzlicher Gebühren unter Widerspruch nicht erlischt. Die Zuständigkeit der ersten Instanz für den Widerspruch bleibt im Gegenteil ohne Einschränkung weiter bestehen, bis diese entweder dem Widerspruch stattgibt oder ihn, soweit er nicht als zurückgenommen gilt, der Beschwerdekammer zur Entscheidung vorlegt. Zu ihrer Zuständigkeit gehört demnach auch die Prüfung der Voraussetzungen, unter denen gemäß Regel 104a (3), letzter Satz EPÜ die Vorlage erfolgen kann.
4.4 Nach den vorbereitenden Dokumenten zur Änderung der Regel 104a EPÜ ist das Widerspruchsverfahren vor den Beschwerdekammern "durchaus" mit einem Beschwerdeverfahren "vergleichbar" und unterscheidet sich "nach Art und Umfang" nicht von einem einseitigen Beschwerdeverfahren (Begründung des Präsidenten des EPA vom 3. April 1992, CA/7/92, Teil I, Punkt 11 bis 21). Hierbei ist allerdings zu beachten, daß mit diesen Ausführungen der Vorschlag unterstützt werden sollte, angesichts vergleichbarer Kosten für das EPA die Widerspruchsgebühr in Höhe der Beschwerdegebühr festzusetzen. Es läßt sich also hieraus nicht auf eine beabsichtigte absolute Gleichsetzung von Widerspruchs- und Beschwerdeverfahren schließen.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß sich die geänderten Regeln über die Einreichung und Bearbeitung von Widersprüchen wesentlich von den Bestimmungen des EPÜ über die Beschwerde unterscheiden. Insbesondere findet sich in den Artikeln und Regeln des Übereinkommens, die das Beschwerdeverfahren betreffen, keine Bestimmung, die mit Regel 104a (3), letzter Satz EPÜ vergleichbar wäre, derzufolge der Widerspruch der Beschwerdekammer vorgelegt wird, wenn die "Widerspruchsgebühr rechtzeitig entrichtet" wird. Vielmehr ist eine Beschwerde, der nicht gemäß Artikel 109 EPÜ abgeholfen werden kann, den Beschwerdekammern vorzulegen. Dies gilt in allen Fällen, in denen die Beschwerdegebühr nicht rechtzeitig entrichtet wurde.
Des weiteren ergibt sich aus den obengenannten vorbereitenden Dokumenten (vgl. Punkt 19) als gewichtiger Grund für den Erlaß der neuen Regel 104a (3) EPÜ, daß "die Zahl der Fälle, mit denen die Beschwerdekammern befaßt werden, spürbar verringert werden" sollte. Die oben gegebene Auslegung der Regel 104a (3) EPÜ (vgl. Punkt 4.1) steht voll und ganz mit dieser Zielsetzung in Einklang. Würden andererseits sämtliche Widersprüche den Beschwerdekammern vorgelegt, auch wenn die Widerspruchsgebühr nicht oder nicht rechtzeitig entrichtet wurde, so bestünde die Gefahr, daß das angestrebte Ergebnis in Frage gestellt würde.
4.5 Ausgehend von der Auslegung der Regel 104a (3) EPÜ in Punkt 4.1 oben gelangt die Beschwerdekammer daher zu dem Schluß, daß es Aufgabe der IPEA ist, vor der Vorlage des Widerspruchs an die Beschwerdekammer zu prüfen, ob die Widerspruchsgebühr rechtzeitig entrichtet wurde.
5. Dessenungeachtet steht jedoch außer Zweifel, daß der Widerspruch, nachdem die Beschwerdekammer damit befaßt wurde, vor der Kammer anhängig ist, und zwar unabhängig davon, ob die Vorlage zu Recht erfolgt ist oder nicht. In diesem Fall ist die Kammer verpflichtet, den Widerspruch in Übereinstimmung mit den für Widerspruchssachen geltenden Verfahrensgrundsätzen zu behandeln.
Die oben zitierte Entscheidung W 53/91 (Punkt 5 der Gründe) stellt fest, daß Widersprüche in Analogie zu den Bestimmungen des EPÜ über Beschwerden und Beschwerdeverfahren als Beschwerden betrachtet und behandelt werden sollten unter der Voraussetzung, daß sich hieraus keine Kollision mit dem PCT ergibt. Wie oben dargelegt, mag dies nach den neuen Bestimmungen möglicherweise nicht mehr für die Überprüfungsphase bei Widersprüchen gelten, wohl aber für das Widerspruchsverfahren vor den Beschwerdekammern.
6. Aus diesem Grund beschließt die Kammer, in Analogie zu Artikel 111 (1) EPÜ den Widerspruch an die IPEA zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen. Das Europäische Patentamt wird als IPEA gemäß Regel 104a (3) EPÜ zu entscheiden haben, ob die Widerspruchsgebühr rechtzeitig entrichtet worden ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Widerspruch wird zur weiteren Entscheidung an die mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde zurückverwiesen.