European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1992:W004491.19920110 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 10 Januar 1992 | ||||||||
Aktenzeichen: | W 0044/91 | ||||||||
Anmeldenummer: | - | ||||||||
IPC-Klasse: | B24C 9/00 B24C 11/00 B24C 3/32 G21F 9/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zur Dekontamination radioaktiv kontaminierter Oberflächen | ||||||||
Name des Anmelders: | - | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Uneinheitlichkeit a priori - nein Uneinheitlichkeit a posteriori - nicht begründet |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Anmelderin hat am 29. Mai 1991 die internationale Anmeldung PCT/DE..... eingereicht.
II. Die Zweigstelle in Den Haag des Europäischen Patentamts (EPA) hat als zuständige internationale Recherchenbehörde (IRB) der Anmelderin mit Mitteilung vom 3. September 1991 eine Aufforderung gemäß Artikel 17 (3) (a) und Regel 40.1 PCT zur Zahlung von zwei zusätzlichen Recherchengebühren zugestellt. Die IRB vertritt die Auffassung, daß die internationale Anmeldung dem Erfordernis der Einheitlichkeit nicht entspreche. Diese Auffassung wird folgendermaßen begründet.
"1. Patentansprüche: 1,2 4: Verfahren zur Dekontamination eines radioaktiv Oberflächenbereiches, bei dem die Ausbreitung radioaktiver Aerosole in der Umgebung verhindert wird.
2. Patentanspruch: 3: Verfahren zur Strahlbehandlung eines Oberflächenbereiches in zwei Verfahrensschritte.
3. Patentansprüche: 5-23: Vorrichtung zur mechanischen Strahlbehandlung eines Oberflächenbereiches.
Entsprechend Regel 13.2 (ii) PCT muß die beanspruchte Vorrichtung oder das beanspruchte Mittel dem Umfang des Verfahrens zur Herstellung der Erzeugnisse im wesentlichen entsprechen.
Dies ist hier nicht der Fall.
Somit liege keine einzige allgemeine erfinderische Idee vor, die die verschiedenen Anspruchskategorien umfaßt. Damit ergeben sich die nachstehenden Sachverhalte, von denen jeder eine unterschiedliche, begrenzte erfinderische Idee verwirklicht, die durch den jeweiligen Umfang der Erzeugnisse in den verschiedenen Anspruchskategorien definiert ist.
1. Ansprüche 1-4 Verfahren zur Dekontamination eines radioaktiv Oberflächenbereiches, bei dem die Ausbreitung radioaktiver Aerosole in der Umgebung verhindert wird.
2. Ansprüche 5-23 Vorrichtung zur mechanischen Strahlbehandlung eines Oberflächenbereiches.
Die im unabhängigen Anspruch 1 genannte, der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe weist keine erfinderische Tätigkeit auf gegenüber dem Stand der Technik, bekannt aus der deutschen Offenlegungsschrift DE-A-3 408 828.
Die ursprüngliche einzige, allgemeine erfinderische Idee, die auch den Gegenstand des abhängigen Anspruchs (der abhängigen Ansprüche) einschließt, ist deshalb nicht mehr zulässig; es muß somit erneut festgestellt werden, ob die im abhängigen Anspruch (in den abhängigen Ansprüchen) genannten kennzeichnenden Merkmale technisch zusammenhängen oder zusammenwirken.
Dabei ergibt sich die folgende neue Einordnung unter verschiedene Sachverhalte, von denen jeder eine unterschiedliche erfinderische Idee verwirklicht, da er ein eigenständiges, unabhängiges technisches Merkmal darstellt.
1. Ansprüche 1, 2, 4 Verfahren zur Dekontamination eines radioaktiv Oberflächenbereiches, bei dem die Ausbreitung radioaktiver Aerosole in der Umgebung verhindert wird.
2. Anspruch 3 Verfahren zur Strahlbehandlung eines Oberflächenbereiches in zwei Verfahrensschritte."
III. Die Anmelderin hat mit Schreiben vom 30. September 1991 Widerspruch nach Regel 40.2 (c) PCT eingelegt und rechtzeitig die zusätzlichen Recherchengebühren entrichtet.
Zur Begründung ihres Widerspruchs führt sie sinngemäß aus:
1. Es sei der Aufforderung nicht zu entnehmen, auf welche konkreten Gründe sich die Behauptung der fehlenden Einheitlichkeit stütze.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei durch die Druckschrift DE-A-3 408 828 weder vorweggenommen noch nahegelegt.
Entscheidungsgründe
1. Der Widerspruch ist zulässig.
2. Die Prüfung der Begründung der Aufforderung nach Artikel 17 (3) (a) und 40.1 PCT ergibt folgendes:
2.1 Erkennbar hat die IRB die Auffassung vertreten, daß
- zwei Gruppen von Ansprüchen unterschiedlicher Kategorie, nämlich die Ansprüche 1 bis 4 und die Ansprüche 5 bis 23, zwei unterschiedliche Erfindungen wiedergäben, die dem Erfordernis der Einheitlichkeit nicht entsprächen - Uneinheitlichkeit "a priori" -, und
- das Verfahren nach dem Anspruch 1 gegenüber dem aus der Druckschrift DE-A-3 408 828 bekannten Stand der Technik keine erfinderische Tätigkeit aufweise und daher mangels einer einzigen allgemeinen erfinderischen Idee zwischen dem Gegenstand der Ansprüche 1, 2, 4 und dem Gegenstand des Anspruchs 3 eine Uneinheitlichkeit "a posteriori" gegeben sei.
2.2 Die Beschwerdekammern des EPA haben bereits in verschiedenen Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, daß die Angabe von Gründen in einer Aufforderung zur Zahlung gemäß Artikel 17 (3) (a) und Regel 40.1 PCT ein wesentliches Erfordernis für die Rechtswirksamkeit einer solchen Aufforderung sei (vgl. z. B. W 04/85 und W 07/86 - ABl. EPA 1987, 63 und 67; W 09/86 - ABl. EPA 1987, 459; W 07/85 - ABl. EPA 1988, 211). Nur in einfachen Fällen könne man demnach ohne eine ausreichende Begründung auskommen, wenn für die fehlende Einheitlichkeit "a priori" lediglich die Gegenstände der Anmeldung aufgezählt würden.
Zudem hat die Große Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 1/89 (ABl. EPA 1991, 155) festgestellt, daß das EPA in seiner Funktion als IRB in eindeutigen Fällen nach Artikel 17 (3) (a) PCT eine vorläufige Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit durchführen und weitere Recherchengebühren verlangen könne, wenn der internationalen Anmeldung die Einheitlichkeit "a posteriori" fehle. Angesichts der Tatsache, daß bei einem solchen Verfahren die Anmelderin keine Gelegenheit zur Stellungnahme erhalte, wird empfohlen, bei der Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit Zurückhaltung zu üben und in Grenzfällen nicht davon auszugehen, daß eine Anmeldung das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung wegen mangelnder Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit nicht erfülle.
2.3 Prüfung der Uneinheitlichkeit "a priori"
2.3.1 In der Frage der Uneinheitlichkeit "a priori" könnte es sich im vorliegenden Fall um einen der seltenen "einfachen Fälle" handeln, weil durch die Aufteilung der Ansprüche in Verfahrensansprüche (Ansprüche 1 bis 4) einerseits und Vorrichtungsansprüche (Ansprüche 5 bis 23) andererseits der Unterschied zwischen den Gegenständen der beiden Anspruchsgruppen augenfällig ist.
Es ist deshalb zu prüfen, inwieweit die Anmeldung den in der Regel 13.1 PCT niedergelegten Kriterien genügt, nach denen gemäß Regel 13.2 Abschnitt ii) PCT auch die Möglichkeit zugelassen ist, mit einem unabhängigen Anspruch für ein bestimmtes Verfahren innerhalb derselben internationalen Anmeldung einen unabhängigen Anspruch für eine Vorrichtung, die zur Ausführung dieses Verfahrens besonders entwickelt wurde, zu verbinden.
2.3.2 Wie der Anmelder in der Beschreibung seiner Anmeldung angibt, läßt sich bei den aus den Druckschriften EP-B- 0 018 152 und DE-A-3 429 700 bekannten Verfahren und Vorrichtungen zur Dekontamination radioaktiv kontaminierter Oberflächen eine Aerosolbildung nicht vollständig vermeiden. Darüber hinaus ist beim Stand der Technik die Effektivität der Strahlbehandlung verringert, da das abrasiv wirksame Strahlmittel im gesamten Strahlgut nur in niedriger Konzentration vorliegt und außerdem fällt dabei eine große Menge radioaktiv kontaminierten Schlammes an, der nur mit hohem Aufwand entsorgt werden kann.
2.3.3 Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Dekontamination eines radioaktiv kontaminierten Oberflächenbereiches anzugeben, mit dem ein Abtrag der radioaktiv kontaminierten Oberflächenschicht wirksam und schnell durchgeführt werden kann und bei dem die Ausbreitung radioaktiver Aerosole in der Umgebung verhindert wird. Darüber hinaus soll das Volumen des anfallenden radioaktiven Abfalles möglichst gering sein. Der Erfindung liegt außerdem die Aufgabe zugrunde, eine geeignete Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens anzugeben.
2.3.4 Diese Aufgabe wird nach der Lehre des Anspruchs 1 dadurch gelöst, daß der zu dekontaminierende Oberflächenbereich während der Strahlbehandlung durch ein trockenes mechanisches Strahlmittel von einer nach außen staubdicht abgeschlossenen Kammer umgeben ist und eine mit Druckgas betriebenen und nach außen staubdicht abgeschlossene Strahlanlage zum Einsatz kommt, was eine Ausbreitung radioaktiver Aerosole in die Umgebung verhindert. Durch die in der Strahlanlage durchgeführte Strahlmittelrückgewinnung wird außerdem die Menge des anfallenden radioaktiv kontaminierten Abfalls verringert und die Aktivität konzentriert.
Nach der Lehre des Anspruchs 5 enthält die Vorrichtung einen im Inneren eines Rohrs oder Behälters, in dem sich der zu dekontaminierende Oberflächenbereich befindet, bewegbaren Manipulator mit einem Strahlkopf, der - um das Strahlmitel mit Druckgas im Sinne des Merkmals b) des Anspruchs 1 der Strahlanlage zuführen zu können - über eine Druckleitung an die Strahlanlage mit geschlossenem Strahlmittelkreislauf angeschlossen ist, was eine Fraktionierung des Strahlmittels (vgl. Merkmale c), d) und e) des Anspruchs 1) erleichtert und dadurch die anfallende Abfallmenge reduziert. Das Rohr oder der Behälter mit der zu dekontaminierenden Oberfläche ist während des Reinigungsvorgangs in einer staubdichten, an den Strahlmittelkreislauf angeschlossenen Kammer untergebracht (vgl. Merkmal b) des Anspruchs 1).
Aus dem obigen geht hervor, daß die Vorrichtung nach Anspruch 5 zur Ausführung des Verfahrens nach Anspruch 1 besonders entwickelt worden ist.
2.3.5 Bei den Gegenständen der unabhängigen Ansprüchen 1 und 5 sowie der jeweiligen abhängigen Ansprüchen handelt es sich demnach um zwei Gruppen von Erfindungen, die so zusammenhängen, daß sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen, nämlich das Verfahren zur Dekontamination radioaktiv kontaminierter Oberflächen und die dazugehörige Vorrichtung so auszubilden, daß die durch das Verfahren anfallenden Staubpartikel oder Aerosole die Umgebung nicht verunreinigen.
2.4 Prüfung der Uneinheitlichkeit "a posteriori"
Im Gegensatz zur Frage der Uneinheitlichkeit "a priori" hat die IRB als Grund für eine Uneinheitlichkeit "a posteriori" zwischen dem Gegenstand der Ansprüche 1, 2 und 4 einerseits und dem Gegenstand des Anspruchs 3 andererseits nur angegeben, daß die im unabhängigen Anspruch 1 genannte, der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe keine erfinderische Tätigkeit gegenüber dem aus der Druckschrift DE-A-3 408 828 bekannten Stand der Technik aufweise.
Die IRB hat jedoch keine Begründung dafür gegeben, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie hat es versäumt, darzulegen:
erstens, welchen Stand der Technik sie als den ansehe, der im Sinne der Regel 6.3 b) i) PCT die technischen Merkmale enthalte, die für die Festlegung des beanspruchten Gegenstands des vorliegenden Schutzbegehrens notwendig seien, jedoch - in Verbindung miteinander - zum Stand der Technik gehören;
zweitens, welche Aufgabe ausgehend von diesem Stand der Technik nach ihrer Ansicht durch den Gegenstand des vorliegenden Schutzbegehrens gelöst werde, und
drittens, wo und warum der Fachmann die Lösung der Aufgabe in dem Stand der Technik gemäß der von ihr genannten Druckschrift finde.
Die Möglichkeit, wie die dieser Druckschrift zu entnehmende Lehre mit der Lehre des vorliegenden Schutzbegehrens zu verknüpfen sei, hat die IRB nicht aufgezeigt.
Der bloße Hinweis auf die Druckschrift DE-A-3 408 828 und die Aufteilung der Ansprüche 1 bis 4 in zwei Gruppen erlauben es der Kammer deshalb nicht, die Überlegungen der IRB nachzuvollziehen, inwiefern der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erfinderisch sei.
Die IRB hat demnach nicht dargelegt, warum die nach ihrer Ansicht zwischen dem Gegenstand der Ansprüche 1, 2 und 4 und dem Gegenstand des Anspruchs 3 bestehenden Unterschiede Veranlassung zu zwei unterschiedlichen erfinderischen Ideen gäben.
Aufgrund der fehlenden Begründung in der Aufforderung zur Zahlung vermag die Kammer den Überlegungen der IRB, die zu dem Einwand der Uneinheitlichkeit "a posteriori" führen, nicht zu folgen (vgl. auch die nicht veröffentlichte Entscheidung W 14/91 der Kammer vom 3. Juni 1991).
3. Aus den obigen Darlegungen ergibt sich, daß die Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Recherchengebühren nicht gerechtfertigt war.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Rückzahlung der zusätzlich entrichteten Recherchengebühren wird angeordnet.