European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1983:W000183.19830712 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 12 Juli 1983 | ||||||||
Aktenzeichen: | W 0001/83 | ||||||||
Anmeldenummer: | - | ||||||||
IPC-Klasse: | - | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | Sandoz AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Anmelderin hat am 13. Januar 1983 beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum (Schweiz) eine internationale Anmeldung eingereicht.
II. Mit Bescheid vom 12. April 1983 hat das Europäische Patentamt als zuständige Internationale Recherchenbehörde der Anmelderin mitgeteilt, daß die internationale Anmeldung nicht dem Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung entspreche und die Anmelderin aufgefordert, drei zusätzliche Recherchengebühren zu entrichten. Dies wird damit begründet, daß die vorliegende Anmeldung die folgenden vier voneinander unabhängigen Erfindungen enthalt:
(i) - Patentansprüche 1 + teilweise 5 + 6 + teilweise 14 + teilweise 15
(Plasmid pEFK600 aus pBR322 und pEFK295, pEFK synthetiziert aus pBR325)
(ii) - Patentansprüche 2 + 3 + teilweise 5 + 7 + 8 + teil weise 14 + teilweise 15
(Plasmid pEFK700 synthetiziert aus einem Teil van p307 zusammen mit einem Teil van pHUB2, in Wirtzelle kombiniert mit pRK248Its)
(iii) - Patentansprüche 4 + teilweise 5 + 9 + teilweise 14 + teilweise 15
(Plasmid pEBK620 erhalten durch Ligierung aus einem Teil von pEFK295 zusammen mit einem Teil von pKS1OO. Dazu soll nicht E.coli K12 SK, sondern E.coli K12F165delta (gal)trp. transformiert werden.
(iv) Patentansprüche 10 + 11 + 12 + 13 + teilweise 14 + teilweise 15
(Transformierung von besonderen K88 Antigen-produzierenden Stämmen mit der Absicht, nicht nur Toxoide- bildende, sondern auch K88 Antigen-fertigende Stämme zu erhalten)
III. Mit Zahlungsauftrag vom 4. Mai 1983 hat die Anmelderin drei zusätzliche Recherchengebühren an das Europäische Patentamt überwiesen und mit dem am 6. Mai 1983 eingegangenen Schriftsatz erklärt, daß die Zahlung der zusätzlichen Recherchengebühren unter Widerspruch erfolge.
In ihrern Widerspruch führte die Anmelderin aus, daß die anmeldungsgemäß bereitgestellten Stämme und Plasmide alle dem Zweck dienten, Enterotoxide (bzw. -toxine) und Antigene zu produzieren. Alle Stämme hätten "strukturelle" Ähnlichkeiten und würden - ausgehend von gemeinsamen Ausgangsprodukten - nach den gleichen Arbeitsprinzipien hergestellt.
Gründe
1. Der Widerspruch entspricht Regel 40.2(c) PCT; er ist daher zulässig. Die Zuständigkeit der Beschwerdekammer ergibt sich aus Art. 154 (3) EPÜ i.V. mit Art. 9 der "Vereinbarung zwischen WIPO und EPA über PCT" (Amtsblatt EPA 1978 Seite 249).
2. Gemäß Regel 13.1 PCT darf sich eine internationale Anmeldung nur auf eine Erfindung oder eine Gruppe von Erfindungen beziehen, die so zusammenhangen, daß sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen. In der vorliegenden Anmeldung werden nun plasmidtransformierte E.coli-Stämme (Anspruch 14) und deren Herstellung (Ansprüche 6 bis 13) sowie Plasmide (Anspruch 5) und deren Herstellung (Ansprüche 1 - 4) nebeneinander beansprucht. Die Vorinstanz hat nicht das eigentliche Nebeneinander dieser Gegenstände, sondern die Bakterienstämme selbst sowie die Plasmide untereinander als uneinheitlich angesehen.
3. Es muß betont werden, daß es die Besonderheit des Widerspruchsverfahrens mit sich bringt, daß die hier zu treffende Entscheidung über die Einheitlichkeit dieser Gegenstände nur den Charakter einer prima-facie-Bewertung haben kann; denn
- im Unterschied zum normalen Beschwerdeverfahren - liegt hier weder der vollständige Stand der Technik, noch eine umfassende Argumentation der Internationalen Recherchenbehörde und der widersprechenden Anmelderin zu der strittigen Einheitlichkeitsfrage vor.
4. Aus der unter II zitierten Aufteilung (unter iv) wird erkennbar, daß E.coli-Stämme, die nur Toxoide bilden und solche, die sowohl Toxoide als auch K88 Antigene produzieren als nicht einheitlich bewertet wurden. Hieraus wird die - auch auf anderen Gebieten zu beobachtende - Tendenz sichtbar, eine Erfindung dann als uneinheitlich zu betrachten, wenn sich für die nebeneinander beanspruchten Gegenstände eine unterschiedliche Aufgabe formulieren laßt. Die Kammer ist dieser Auffassung bereits in der Entscheidung "Benzylester" T 10/82 vom 8. Marz 1983 (noch nicht veröffentlicht) entgegengetreten und hat beim Einheitlichkeitskriterium vielmehr darauf abgestellt, ob sich diese Aufgaben aufgrund des technischen Zusammenhangs zu einer einheitlichen Gesamtaufgabe zusammenfassen lassen (vgl. in der zitierten Entscheidung bes. unter Ziffer 7 die letzten beiden Satze).
5. Zur Ermittlung einer solchen Aufgabe sind die Ausführungen in der Beschreibungseinleitung aufschlußreich, wonach anmeldungsgemäß Produzentenkeime (E.coli-Stämme) mit erhöhter Enterotoxin- bzw. Enterotoxoidausbeute bereitgestellt werden sollen (vgl. Seite 2, Absatz 2), die eine wirtschaftliche Impfstoffproduktion für den Schutz gegen choleraähnliche Durchfallerkrankungen ermöglichen (vgl. Seite 1, Absatze 1 und 4). Dieser Aufgabe dienen alle im Anpruch 14 zusammengefaßten Stämme. Ein Teil dieser Stamme produziert allerdings nebenher noch das für einen Choleraimpfstoff erforderliche Haftantigen K88 (vgl. Seite 13, Absatz 5 und Seite 57 unter 6.9). Hierdurch wird die obengenannte Aufgabe nicht geändert, sondern im Hinblick auf die anvisierte Impfstoffproduktion besonders sinnvoll ausgestaltet; denn die Enterotoxid und K88 erzeugenden Stamme dienen der Herstellung von Lebendvakzine (vgl. Seite 1, Absatz 4).
6. Alle beanspruchten Bakterien gehören dem gleichen E.coli Stämm K12 SK an und enthalten die für den vorgesehenen Zweck (Proteinkodierung für den Choleraschutz) ausschlaggebenden Plasmide, die - wie noch auszuführen ist - selbst untereinander einheitlich sind. Die offensichtlich fehlerhafte Bezeichnung des sechsten Bakterienstamms im Anspruch 14 "E.coli K12 K ..." muß als "E.coli K12 5K ..." gelesen werden (vgl. Seite 13, Zeile 18, Anspruch 8 und besonders Anspruch 12).
Diesen beiden Einheitlichkeitskriterien gegenüber fällt der Umstand, daß die Hälfte der beanspruchten Bakterienstämme zusätzlich das Plasmid pRK 248 cIts enthält, nicht ins Gewicht; denn die Anwesenheit dieses Plasmids dient der gestellten Aufgabe (vgl. unter 4) dadurch, daß es für die genetische Stabilität dieser Stamme sorgt (vgl. Seite 9, Absatz 2).
7. Die vier im Anspruch 5 zusammengefaßten Plasmide sind dazu bestimmt, durch Transformation in die obengenannten Bakterienstämme eingeführt zu werden (vgl. Ansprüche 6 - 13), weil sie nur dort replizierbar sind. Diese Plasmide, die patentrechtlich als Zwischenprodukte für diese Bakterienstamme anzusehen sind, tragen die für die anvisierte Aufgabe ausschlaggebende genetische Kodierung; sie stehen daher mit den daneben beanspruchten Bakterienstammen im engen technischen Zusammenhang und bringen ein wesentliches Strukturelement im Sinne der Entscheidung "Benzylester" in das Bakterium ein.
Die Aufgabe, Plasmide mit der Zielrichtung auf die genannten Bakterienstamme bereitzustellen, laßt sich somit mit der unter 5 angesprochenen Aufgabe zwanglos zu einer Gesamtaufgabe zusammenfügen, deren Losung eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklicht.
8. Da die Plasmide nicht als - prima facie einheitliche - Gruppe, sondern als chemische Individuen beansprucht werden, müssen diese untereinander einheitlich sein. Die Einheitlichkeit chemischer Stoffe wird regelmaßig aufgrund deren Struktur beurteilt. Diese Betrachtungsweise kann hier nicht angewendet werden, weil die Struktur der beanspruchten Plasmide offenbar nicht bekannt ist (vgl. z.B. die nicht numerierte, auf Seite 65 folgende Seite, letzte Zeile).
9. Die Bezeichnung der Plasmide mit pEFK 600, 700 und 800 bzw. mit pEBK 620 ist mehr oder weniger willkürlich und bietet keinen Anhaltspunkt für die Struktur dieser Plasmide. Gleichfalls kann der Umstand, daß diese Plasmide - wie alle anderen Plasmide auch - lediglich aus vier DNA-Grundeinheiten aufgebaut sind (Adenin-, Thymin-, Cytosin- und Guaninnucleotid), keine Grundlage für die Bewertung der Einheitlichkeit sein; denn erst nie unterschiedliche Sequenz dieser Einheiten schafft die unüberschaubare Vielfalt der Plasmide. Diese Situation ist vergleichbar mit der in der übrigen organischen Chemie, bei der die bloße Tatsache, daß verschieden strukturierte chemische Stoffe, die beispielsweise C, Hund O enthalten, für die Frage deren Einheitlichkeit ohne Bedeutung ist.
10. In solchen Fällen bestehen keine Bedenken, zur Beurteilung der Einheitlichkeit strukturell nicht aufgeklärter chemischer Stoffe auf einen gemeinsamen Ausgangsstoff hierfür abzustellen, wie dies die Vorinstanz offenbar getan hat (vgl. unter II (ii)). Allerdings muß hierbei sichergestellt sein, daß wesentliche Strukturelemente des Ausgangsstoffs (vergleichbar mit der Grundstruktur in der Formelchemie) in dessen Folgeprodukte übergehen.
11. Untersucht man nun die vier beanspruchten Plasmide auf einen gemeinsamen Ausgangsstoff so zeigt sich zunächst, daß die Plasmide pEFK 700 und 800 vom Enterotoxinplasmid P 307 (vgl. Ansprüche 2 und 3), die Plasmide pEFK 600 und pEBK 620 jedoch vom Plasmid pEFK 295 ausgehen (vgl. Ansprüche 1 und 4). Trotzdem hat dieser Umstand nicht zur Folge, daß diese beiden Plasmidenpaare als uneinheitlich zu beurteilen sind; denn das Plasmid pEFK 295 wird selbst aus dem Plasmid P 307 durch Fragmentierung, Ligierung mit dem Plasmidvektor pBR 325 und entsprechende Selektionierung des Hybridplasmids erhalten (vgl. Seite 2, Absätze 3 und 4) und enthalt, ebenso wie das eigentliche Ausgangsplasmid P 307 das entscheidende, weil für den speziellen immunogenen Charakter verantwortliche Gen Ent-LT B (vgl. Abb. 2 i.V.mit Seite 1, Absatz 2). Dieses Gen wird dann in der Tat in alle 4 beanspruchten Plasmide eingebaut (vgl. Tabelle 4 und Abbildungen 6, 7 und 8). Die Anwesenheit dieses Gens in den Plasmiden als das wesentliche gemeinsame Strukturelement (Grundelement) stellt den notwendigen strukturellen Zusammenhang dieser Plasmide untereinander her. Die Abwandlung dieses Grundelements durch den Einbau weiterer Vektorplasmide mit anderen Strukturelementen (variables Element) sprengt den Einheitlichkeitsrahmen solange nicht, als diese Vektoren der Losung der gestellten Aufgabe dienen (Verbesserung der Toxin-bzw. Toxoidausbeute).
12. Entgegen der Beurteilung durch die Vorinstanz (vgl. II unter iii) werden die Einheitlichkeitsbande zwischen den Plasmiden pEFK 600 und pEBK 620 nicht dadurch zerstört, daß man sich zu deren Herstellung neben dem gemeinsamen Ausgangsplasmid pEFK 295 (bei unterschiedlichen Vektorplasmiden) unterschiedlicher Bakterienstamme zur Transformation bedient, nämlich im ersten Fall des E.coli-Stämms K12 SK (vgl. Anspruch 1) und im zweiten Fall der E.coli K12 F165 delta (gal)trp.-Zellen (vgl. Anspruch 4) denn diese unterschiedlichen E.coli-Stämme gehen mit den Hybridplasmiden zwecks deren Replizierung (Vermehrung) lediglich eine vorübergehende Bindung ein (Transformation) und werden nach Erfüllung dieser Aufgabe (Hilfsmittel) wieder vom gewünschten Plasmid getrennt.
13. Der hier beanspruchte Erfindungskomplex, der im wesentlichen aus nur wenigen Plasmiden (4) und transformierten E.coli K12 SK Stammen (8) besteht, ist auch für ein Patentamt und die interessierte Öffentlichkeit überschaubar und entspricht dem Erfordernis der übersichtlichkeit (vgl. die obengenannte Entscheidung). Ein Verstoß gegen das Verbot ungerechtfertigter Gebührenersparnis (vgl. die obengenannte Entscheidung) ist hier ebenfalls nicht erkennbar.
14. Es folgt somit, daß die in den Ansprüchen niedergelegte Erfindung prima facie einheitlich ist. Die Aufforderung vom 12. April 1983 zur Zahlung von drei zusätzlichen Recherchengebühren ist zu unrecht ergangen und der Widerspruch gerechtfertigt.
Entscheidungsformel
Es wird wie folgt entschieden:
Die Rückzahlung der drei zusätzlich entrichteten Recherchegebühren an die Anmelderin wird angeordnet.