W 0021/08 (Multimer/MOLOGEN) of 19.9.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:W002108.20080919
Datum der Entscheidung: 19 September 2008
Aktenzeichen: W 0021/08
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: C12N 15/11
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Multimer zur Immunstimulation
Name des Anmelders: Mologen AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Patent Cooperation Treaty Art 17(3)(a)
Patent Cooperation Treaty R 13(1)
Patent Cooperation Treaty R 13(2)
Patent Cooperation Treaty R 13(3)
Patent Cooperation Treaty R 40(1)
Patent Cooperation Treaty R 40(2) (c)
Schlagwörter: Widerspruch begründet (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
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Anführungen in anderen Entscheidungen:
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Sachverhalt und Anträge

I. Die internationale Patentanmeldung PCT/DE2007/000887 wurde am 11. Mai 2007 mit 30 Patentansprüchen beim Europäischen Patentamt eingereicht.

II. Die unabhängigen Ansprüche 1, 9, 19 bis 22 und 28, sowie die abhängigen Ansprüche 2 und 3 lauteten wie folgt:

"1. Multimeres Molekül zur Modulation der Aktivität des menschlichen oder tierischen Immunsystems herstellbar durch ein Verfahren was folgende Schritte umfasst:

- Bereitstellung einer 5-phosphorylierten Oligodesoxyribonukleinsäuresequenz in Wasser,

- Lyophylisierung bis ein trockener Rückstand erhalten wird und anschließend Resuspension in einer Pufferlösung,

- Zugabe einer T4-DNAligase wodurch ein Reaktionsgemisch erhalten wird und

- Inkubation des Reaktionsgemisches bei 37ºC für mindestens 30 Minuten."

"2. Molekül nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Oligodesoxyribonukleotidsequenz die folgenden Sequenzen umfasst:

a) GTTCCTGGAG ACGTTCTTAG GAACGTTCTC CTTGACGTTG GAGAGAAC oder

b) ACCTTCCTTG TACTAACGTT GCCTCAAGGA AGGTTGATCT TCATAACGTT GCCTAGATCA, oder

c) eine Oligodesoxyribonukleinsäuresequenz der Basenfolge AACG TTCTTCGGGG CGTT umfasst,

d) und wobei die Oligodesoxyribonukleinsäuresequenz eine Länge von 40 bis 1.600 Nukleotide aufweist."

"3. Molekül nach dem vorhergehenden Anspruch, dadurch gekennzeichnet, dass die Basenfolge gemäß Merkmal c) in der Sequenz CCTAGGGGTT ACCACCTTCA TTGGAAAACG TTCTTCGGGG CGTTCTTAGG TGGTAACC CCTAGGGGTT ACCACCTTCA TTGGAAAACG TTCTTCGGGG CGTTCTTAGG TGGTAACC enthalten ist."

"9. Kombinationsmittel dadurch gekennzeichnet, dass es ein Molekül gemäß einem der Ansprüche 1 bis 6 und ein Chemotherapeutikum umfasst."

"19. Kit umfassend das Molekül nach einem der Ansprüche 1 bis 6 und/oder das Kombinationsmittel nach einem der Ansprüche 7 [sic] bis 17 und ggf. eine Information zum Kombinieren der Inhalte des Kit."

"20. Molekül nach einem der Ansprüche 1 bis 6, Kombinationsmittel nach einem der Ansprüche 6 [sic] bis 17 zur Verwendung als Arzneimittel."

"21. Pharmazeutisches Mittel umfassend ein Molekül nach einem der Ansprüche 1 bis 6 und/oder ein Kombinationsmittel nach einem der Ansprüche 7 [sic] bis 17 gegebenenfalls mit einem pharmazeutisch verträglichen Träger."

"22. Verwendung eines Moleküls gemäß der Ansprüche 1 bis 6, eines Kombinationsmittel gemäß einem der Ansprüche 7 bis 17, eines Pharmazeutische Mittel gemäß des Anspruchs 20 zur Herstellung eines Mittels zur Modulation eines menschlichen oder tierischen Immunsystems oder zur Modulation der Aktivität des Immunsystems."

"28. Verwendung eines Moleküls gemäß einem der Ansprüche 1 bis 6, eines Kombinationsmittels gemäß einem der Ansprüche 6 bis 7 [sic] und/oder eines pharmazeutischen Mittels gemäß des Anspruchs 20 [sic] zur Herstellung eines Mittels zur Behandlung einer Zellwachstumsstörung."

Die Ansprüche 4 bis 7 waren von den Ansprüchen 1 bis 3 abhängig und auf besondere Ausführungsformen gerichtet. Anspruch 8 war von Anspruch 7 abhängig. Die Ansprüche 10 bis 18 waren von Anspruch 9 abhängig und auf besondere Ausführungsformen gerichtet. Die Ansprüche 23 bis 27 waren von Anspruch 22 abhängig und auf besondere Ausführungsformen gerichtet. Die Ansprüche 29 bis 30 waren von Anspruch 28 abhängig und auf besondere Ausführungsformen gerichtet.

III. Mit der Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren vom 17. Januar 2008 forderte das Europäische Patentamt als zuständige Internationale Recherchenbehörde (IRB) die Anmelderin gemäß Artikel 17.3 a) und Regel 40.1 PCT zur Zahlung von drei zusätzlichen Recherchengebühren auf, da die Anmeldung dem Erfordernis der Einheitlichkeit gemäß Regel 13.1, 13.2 und 13.3 PCT nicht genügte. Die IRB stellte fest, dass die Anmeldung folgende vier Gruppen von Erfindungen enthalte, die nicht durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden seien:

"1. Ansprüche: 1, 2 und 4-30 (alle unvollständig)

Multimeres Molekül, herstellbar durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Oligodesoxyribonukleotidsequenz die Sequenz gemäß Anspruch 2(a) umfasst sowie Gegenstände, die dazu im Bezug zu stehen.

2. Ansprüche: 1, 2 und 4-30 (alle unvollständig)

Wie Erfindung 1, jedoch auf die Sequenz gemäß Anspruch 2(b) limitiert.

3. Ansprüche: 1, 2 und 4-30 (alle unvollständig)

Wie Erfindung 1, jedoch auf die Sequenz gemäß Anspruch 2(c) limitiert.

4. Ansprüche: 3 und teilweise 1 und 4-30

Wie Erfindung 1, jedoch auf die Sequenz gemäß Anspruch 3 limitiert."

Der Anmelderin wurde als Begründung folgendes mitgeteilt:

Das besondere technische Merkmal von der Gruppe 1 im Sinne von Regel 13.1 PCT sei eine Oligodesoxyribonukleotidsequenz, wie in Anspruch 2(a) definiert. Da die Gruppen von Erfindungen 2 bis 4 dieses besondere technische Merkmal nicht beinhalteten und weil kein weiteres technisches Merkmal erkannt werden könne, stelle jede der oben erwähnten Anspruchsgruppen eine unabhängige Gruppe von Erfindungen dar. Angesichts dieser Tatsachen könne als einzige allgemeine Idee, die einen Zusammenhang zwischen den oben erwähnten Gruppen von Erfindungen herstelle, "die Bereitstellung von multimeren" Oligodesoxyribonukleotidsequenzen angesehen werden. Diese sei jedoch, im Hinblick auf den Stand der Technik, nicht neu (siehe z. B. WO 02/060476 (Dokument D2) und WO 01/07055 (Dokument D1)).

IV. Die Anmelderin bezahlte am 18. Februar 2008 eine zusätzliche Recherchengebühr (1 615,00 Euro für die zweite Gruppe von Erfindungen) unter Widerspruch gemäß Regel 40.2 c) PCT sowie die Widerspruchsgebühr in Höhe von 1 065,00 Euro. Sie beantragte, die zusätzliche Recherchengebühr rückzuerstatten und die Erfindung als einheitlich zu betrachten.

Die Anmelderin vertrat in ihrer Widerspruchsbegründung die Auffassung, dass die assemblierte Struktur (multimeres Molekül), die aus mehreren bekannten Stamm-Schleifen-Monostrukturen gemäß den Dokumenten D1 und D2 bestehe, die erfindungsgemäß als Monomere bezeichnet würden, das besondere technische Merkmal im Sinne der Regel 13.1 PCT sei. Überraschenderweise führe die Abfolge der genannten Schritte des Verfahrens gemäß Anspruch 1 zu einem multimeren Molekül, welches besser als die Moleküle des Standes der Technik zur Modulation des menschlichen und tierischen Immunsystems verwendet werden könnte. Alle weiteren technischen Merkmale, wie insbesondere die Sequenzen der Ansprüche 2 und 3, wären unter dieses Merkmal zu subsumieren.

V. Mit der Aufforderung zur Zahlung der Widerspruchsgebühr in Höhe von 1 120,00 Euro vom 22. April 2008 teilte die IRB der Anmelderin nach Überprüfung des Widerspruchs mit, dass die Aufforderung zur Zahlung der zusätzlichen Recherchengebühren berechtigt gewesen sei. Als Begründung wurde im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

i) In Anspruch 1 fehlte gänzlich das Merkmal "Stamm-Schleifen-Monomerstrukturen".

ii) Im Stand der Technik (siehe Anspruch 11 von Dokument D1) würden bereits multimere Moleküle offenbart, welche mehrere Kopien einer Oligodesoxyribonukleinsäuresequenz enthielten.

iii) Da die multimeren Moleküle der Gruppe von Erfindungen 1 nicht neu seien, sei die "einzige allgemeine Idee", die einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Produkten der Erfindungen 1 bis 4 herstellte, nicht erfinderisch und damit genüge sie auch nicht den Erfordernissen von Regel 13.1 PCT.

VI. Die Restzahlung der Widerspruchsgebühr (55,00 Euro) wurde von der Anmelderin am 22. Mai 2008 vorgenommen.

VII. In ihrem Schreiben vom 22. Mai 2008 nahm die Anmelderin noch einmal in der Sache zu der Einheitlichkeitsbeanstandung Stellung:

Aufgrund der Komplexität der neuen erfindungsgemäßen Struktur sei es nicht möglich, die neuen Verbindungen anders als über ihren Herstellungsweg zu charakterisieren.

Man könne nicht nachvollziehen, inwieweit das Verfahren gemäß Anspruch 1 in den Dokumenten D1 und D2 vorveröffentlicht sei. Insbesondere die Lyophylisierung, bis ein trockener Rückstand erhalten werde, und die anschließende Resuspension in Pufferlösung, gefolgt von der Zugabe einer T4-DNAligase und der Inkubation des Reaktionsgemisches bei 37ºC für mindestens 30 Minuten führe zu einer völlig neuen Struktur mit neuen Eigenschaften. Die in den Dokumenten D1 und D2 offenbarten Moleküle sollten als "Monomere" bezeichnet werden, wohingegen die erfindungsgemäßen Moleküle Assemblate darstellten.

Die vier Schritte des Herstellungsverfahrens gemäß Anspruch 1 führten zu einem Verfahrensprodukt mit überraschenden Eigenschaften. Dies sei auch deshalb besonders überraschend, da die Schritte gemäß Anspruch 1 durchaus ähnlich aber nicht identisch zu denen des Standes der Technik seien. Der Schutz des Kombinationsverfahrens gemäß Anspruch 1 erstrecke sich auch auf das unmittelbare Verfahrensprodukt. Die überraschenden neuen Eigenschaften gegenüber den Molekülen gemäß Dokument D1 belegten, dass ein gegenüber dem Stand der Technik neues Molekül mit neuen immunologischen Eigenschaften bereitgestellt worden sei. Es sei völlig überraschend, dass die neue Kombination der an sich einfachen Verfahrensschritte zur Ausbildung neuer effektiver Strukturen führe, welche eine gegenüber dem Stand der Technik verbesserte Immunstimulation ermögliche. Die neuen erfindungsgemäßen Strukturen eigneten sich besonders gut, um die Aktivität des Immunsystems zu stimulieren.

Entscheidungsgründe

1. Die IRB gelangte zu dem Schluss, dass sich die Anmeldung auf vier Gruppen von Erfindungen bezieht, die untereinander nicht in der Weise verbunden sind, dass sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen, und forderte die Anmelderin daher auf, drei zusätzliche Recherchengebühren zu zahlen. Die Anmelderin entrichtete unter Widerspruch nur eine zusätzliche Recherchengebühr. Dementsprechend ist der Widerspruch nur in Bezug auf die erste und die zweite Gruppe von Erfindungen zu prüfen.

2. Anspruch 1 ist auf multimere Moleküle zur Modulation der Aktivität des menschlichen oder tierischen Immunsystems gerichtet. Er ist als "Product-by-Process"-Anspruch formuliert, wobei die beanspruchten multimeren Moleküle als Herstellungsverfahren definiert werden.

3. Die Begründung der IRB beruht auf der Schlussfolgerung, dass solche multimeren Moleküle, insbesondere diejenigen Moleküle, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die gemäß dem ersten Verfahrensschritt 1 bereitzustellende 5-phosphorylierte Oligodesoxyribonukleinsäuresequenz die Sequenz des Anspruchs 2 a) oder die des Anspruchs 2 b) enthält, im Stand der Technik wie in den Dokumenten D1 und D2 dargestellt beschrieben sind.

4. Eine gründliche Prüfung der beiden Dokumente zeigt, dass sowohl die auf Seite 7, Zeilen 18 bis 21 sowie in Anspruch 12 von Dokument D1 genannte Oligodesoxyribonukleotidsequenz eine Wiederholung der Sequenz "CCTAGGGGTTACCACCTTCATTGGAAAACGTTCTTCGGGGCGTTCTTAGGTGGTAACC" ist und dass in der Tat jede der in dem Dokument genannten Oligodesoxyribonukleotidsequenzen sowie die einzige in Dokument D2 beschriebene Oligodesoxyribonukleotidsequenz eine Wiederholung der Basenfolge N**(1)N**(2)CGN**(3)N**(4) (wie in Anspruch 11 von Dokument D1 erwähnt) enthält, wie in den vorstehend und nachstehend dargestellten Sequenzen gezeigt:

"G[--]AGACGTTC[--]GAACGTTC[--]TGACGTTG[--]C" (siehe Seite 7, Zeile 10 und Anspruch 11(a) von Dokument D1)

"C[--]AAACGTTCGGGGCGTTC[--]C" (siehe Seite 10, Zeilen 9 und 10 von Dokument D1)

"A[--]TAACGTTG[--]TAACGTTG[--]A" (siehe Seite 7, Zeilen 13 und 14, und Anspruch 11(b) von Dokument D1)

"AACGTTCGGGGCGTT" (siehe Seite 7, Zeile 16 und Anspruch 11(c) von Dokument D1)

"C[--]AAACGTTCTTCGGGGCGTTC[--]C" (siehe Seite 18, Zeilen 14 und 15 von Dokument D2).

5. Die Kammer ist der Auffassung, dass keine dieser Oligodesoxyribonukleotidsequenzen als Multimer im Sinne der Streitanmeldung (siehe Seite 4, Zeilen 3 bis 17 der Anmeldung) betrachtet werden kann. Sie stellen Monomere dar, auf deren Grundlage die vorliegende Anmeldung eine Weiterentwicklung beschreibt, insoweit als sie in dem Verfahren gemäß Anspruch 1, insbesondere im Schritt der Lyophylisierung, zu molekularen Komplexen assemblieren (siehe Seite 4, Zeilen 16 und 17 der Streitanmeldung). Diese stellen die beanspruchten multimeren Moleküle dar.

6. Der Vorschlag der Anmelderin, Monomere wie die in den Dokumenten D1 und D2 beschriebenen Oligodesoxyribonukleotidsequenzen einem Verfahren zu unterziehen, das einen Lyophylisierungsschritt umfasst, um Multimere bereitzustellen, schafft einen Zusammenhang zwischen den Erfindungen der ersten und der zweiten Gruppe. In dieser Hinsicht stellt der Lyophylisierungsschritt des Verfahrens gemäß Anspruch 1 ein besonderes technisches Merkmal dar, das einen Beitrag jeder beanspruchten Erfindung als Ganzes zum Stand der Technik bestimmt (siehe Regel 13.2 PCT).

7. Multimere Moleküle, die entweder das Merkmal a) oder das Merkmal b) von Anspruch 2 aufweisen, stellen nur bevorzugte Ausführungsformen der Moleküle des Anspruchs 1 dar.

8. Die Kammer gelangt zu dem Schluss, dass die Erfindungen der ersten Gruppe und diejenigen der zweiten Gruppe so zusammenhängen, dass sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen (siehe Regel 13.1 PCT).

9. Daher ist der Widerspruch begründet.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Rückzahlung der zusätzlich entrichteten Recherchengebühr und der Widerspruchsgebühr wird angeordnet.

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