W 0002/06 ("Mangelnde Einheitlichkeit "a posteriori"") of 3.3.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:W000206.20060303
Datum der Entscheidung: 03 März 2006
Aktenzeichen: W 0002/06
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: H01L 21/60
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Anordnung eines elektrischen Bauelements auf einem Substrat und Verfahren zur Herstellung der Anordnung
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Patent Cooperation Treaty Art 17(3)
Patent Cooperation Treaty Art 17(a)
Patent Cooperation Treaty R 40
Schlagwörter: Mangelnde Einheitlichkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Widerspruch richtet sich gegen die Einbehaltung von drei gemäß Artikel 17 (3)a) und Regel 40.2 e) PCT unter Widerspruch entrichteten zusätzlichen Recherchengebühren durch das Europäische Patentamt in seiner Funktion als zuständige Internationale Recherchenbehörde (IRB).

II. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 10 der unter der Nummer WO 2005/013358 veröffentlichten internationalen Anmeldung PCT/EP 2004/051460 lauten wie folgt:

"1. Anordnung (1) eines elektrischen Bauelements (3) auf einem Substrat (2), wobei eine einen Kunststoff aufweisende Folie (5) vorhanden ist und zumindest ein Teil (52) der Folie (5) mit dem Bauelement (3) und dem Substrat (2) derart verbunden ist, dass eine durch das Bauelement (3) und das Substrat (2) gegebene Oberflächenkontur (11) in einer Oberflächenkontur (51) des Teils (52) der Folie (5) abgebildet ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Folie (5) einen Verbundwerkstoff mit dem Kunststoff und mindestens einen vom Kunststoff verschiedenen Füllstoff aufweist."

"10. Verfahren zum Herstellen einer Anordnung nach einem der Ansprüche 1 bis 9 mit den Verfahrensschritten:

a) Bereitstellen einer Anordnung mindestens eines elektrischen Bauelements auf einem Substrat und

b) Auflaminieren der Folie mit dem Verbundwerkstoff auf das Bauelement und das Substrat, so dass die durch das Bauelement und das Substrat gebildete Oberflächenkontur in der Oberflächenkontur der Folie abgebildet wird."

III. In ihrer Aufforderung zur Zahlung von drei zusätzlichen Recherchengebühren hat die IRB festgestellt, dass weder die Anordnung gemäß Anspruch 1 noch das Verfahren gemäß Anspruch 10 im Hinblick auf die US 5 675 310 A (D1) neu seien und somit auch kein gemeinsames (sic!) erfinderisches Konzept im Sinne von Regel 13.1 PCT darstellen würden. Die Anmeldung zerfalle deshalb in mehrere Gruppen von Ansprüchen. Die Gruppen werden hier nicht aufgeführt, da sie aus den untenstehenden Gründen für diese Entscheidung irrelevant sind.

IV. Der Widerspruch wird im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei durch die Entgegenhaltung D1 nicht neuheitsschädlich vorweggenommen. Gemäß diesem Dokument sei ein elektrisches Bauteil in einer Kavität eines Substrats angeordnet. Darüber sei eine Kunststofffolie, die einen Füllstoff enthalten könne, auflaminiert. Durch das Einsetzen des elektrischen Bauelements in die Kavität resultiere kein Abbilden (Abformen) der Oberflächenkontur, die sich aus dem Bauelement und dem Substrat ergebe, im Sinne der vorliegenden Erfindung.

V. In einer Mitteilung gemäß Regel 40.2 e) PCT stellte die Überprüfungsstelle der IRB u. a. fest, dass auch eine planare Fläche eine Oberflächenkontur habe, nämlich eine planare. Der Ausdruck "Kontur" definiere nicht ein aus der Fläche herausragendes Teil sondern lediglich eine Begrenzungsoberfläche. Darüber hinaus werde gutachterlich auf das im Recherchenbericht zitierte Dokument US 6 541 378 A hingewiesen. Dieses zeige, dass auch das in D1 schematisch dargestellte und in einer Aussparung des Substrats angeordnete Bauteil durch das Integrationsverfahren eine nicht planare Oberfläche besitze.

Die Anmelderin wurde aufgefordert, die Widerspruchsgebühr zu entrichten, da die Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Recherchengebühren teilweise berechtigt gewesen sei. Da zwei der Erfindungsgruppen durch ein gemeinsames (sic!) erfinderisches Konzept verbunden seien, sei eine der zusätzlich entrichteten Recherchengebühren zurückzuerstatten.

Entscheidungsgründe

1. Der Widerspruch ist zulässig.

2. In der Entscheidung G 1/89 wurde festgestellt, dass das EPA als IRB nach Artikel 17.3(a) PCT eine zusätzliche Recherchengebühr verlangen kann, wenn es der Auffassung ist, dass die internationale Anmeldung "a posteriori" keine Einheitlichkeit der Erfindung aufweist (siehe Punkt 7 der Entscheidungsgründe). Die Entscheidung der Grossen Beschwerdekammer macht auch deutlich, dass bei der Untersuchung des Erfordernisses der Einheitlichkeit immer zu berücksichtigen ist, dass der Anmelderin eine gerechte Behandlung zuteil wird und eine zusätzliche Gebühr nur in eindeutigen Fällen verlangt werden sollte. Da die Anmelderin bei dieser Untersuchung nach dem PCT keine Gelegenheit zur Stellungnahme erhält, sollte die IRB bei der Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit Zurückhaltung üben und in Grenzfällen nicht davon ausgehen, dass eine Anmeldung das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung wegen mangelnder Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit nicht erfüllt (siehe Punkt 8.2)

3. Die IRB hat in der Zahlungsaufforderung festgestellt, dass die Anordnung gemäß Anspruch 1 sowie das Verfahren gemäß Anspruch 10 im Hinblick auf das Dokument D1 nicht neu seien.

4. Dieses Dokument offenbart ein in einer Kavität des Substrats 10 versenktes elektrisches Bauelement 32, das von einer Folie 14 teilweise bedeckt ist. Die Folie erstreckt sich sowohl über das Bauelement als auch über den restlichen Bereich des Substrats (vgl. Spalte 6, Zeile 64 bis Spalte 7, Zeile 7 und Figur 8).

5. Die Anmelderin hat geltend gemacht, dass durch das Einsetzen des elektrischen Bauelements in die Kavität kein Abbilden der Oberflächenkontur, der sich aus dem Bauelement und dem Substrat ergebenden Oberflächenkontur resultiere, wie es jedoch die Ansprüche 1 und 10 fordern würden.

6. Es ist demnach zu klären, ob die Oberflächenkontur des Bauelements und des Substrats der in der D1 dargestellten Anordnung in einem Teil der Oberflächenstruktur der Folie abgebildet ist.

7. Das Bauelement 32 ist in das Substrat 10 so eingesetzt, dass die Oberfläche des Bauelements bündig mit der Oberfläche des Substrats ist (vgl. D1, Figur 8). Die Beschreibung der D1 offenbart diesbezüglich keine weiteren Details. Das Bauelement kann jedoch entweder in einer Kavität eines Alumina Substrats oder während eines Kunststoff-Formpressens ("plastic molding") oder einer Verkapselung in ein Kunststoffsubstrat ("chip encapsulation in a plastic substrate") eingesetzt werden (vgl. Spalte 7, Zeilen 3 bis 7). Es ist, insbesondere während des Formpressens oder der Verkapselung, nicht auszuschließen, dass die Oberflächen des Bauelements und des Substrats, wie in der Figur 8 dargestellt, bündig sein können. Da jedoch nur diese Möglichkeit in der Figur 8 dargestellt ist, beschränkt sich die Offenbarung der D1 auf Anordnungen, in denen beide Oberflächen bündig sind.

8. Sinngemäß kann man jedoch unter diesen Umständen, d.h. im Fall einer bündigen Oberfläche, nicht von einem Abbilden sprechen, da ein Abbilden ein Wiedergeben von Eigenschaften bedeutet. Eine Folie, die auf einer Oberfläche ohne erkennbare Eigenschaften aufgebracht ist, kann demnach nicht von einer Folie unterschieden werden, die auf die Oberfläche der Anordnung der Figur 8 aufgebracht wurde, da diese auch keine erkennbaren Eigenschaften auf der Folie abbildet.

9. Die von der Überprüfungsstelle als gutachterlich genannte US Patentschrift ist hierbei wenig hilfreich, da sie keinen eindeutigen Hinweis auf die in der D1 offenbarte Anordnung enthält.

10. Aus diesen Gründen kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Behauptung der IRB, wonach die Anordnung gemäß Anspruch 1 und das Verfahren gemäß Anspruch 10 gegenüber der technischen Lehre des Dokuments D1 nicht neu seien, zumindest in der vorliegenden Form weder substantiiert noch begründet ist. Die von der Grossen Beschwerdekammer geforderte Zurückhaltung bezüglich Grenzfälle wurde anscheinend in diesem Fall nicht ausreichend beachtet (siehe G 1/89).

11. Die Aufforderung der IRB zur Zahlung von drei zusätzlichen Recherchengebühren war somit nicht berechtigt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Dem Widerspruch wird in vollem Umfang stattgegeben.

2. Die zusätzlichen Recherchengebühren und die Widerspruchsgebühr sind zurückzuerstatten.

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