European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2006:W002405.20060206 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 06 Februar 2006 | ||||||||
Aktenzeichen: | W 0024/05 | ||||||||
Anmeldenummer: | - | ||||||||
IPC-Klasse: | H04L 29/12 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung und Verfahren zur Verknüpfung der Adressierungsschemata von leitungsvermittelnden und paketvermittelnden Telekommunikationsnetzen | ||||||||
Name des Anmelders: | Siemens AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Anmelderin hat am 20. April 2005 die internationale Anmeldung PCT/EP2005/051745 eingereicht.
II. Am 2. August 2005 erließ die Zweigstelle des Europäischen Patentamts in Den Haag als zuständige Internationale Recherchenbehörde (IRB) eine Aufforderung zur Zahlung einer zusätzlichen Recherchengebühr gemäß Artikel 17 (3) a) und Regel 40.1 PCT. In einer Anlage zu dieser Aufforderung wurde der Anmelderin mitgeteilt, die IRB sei der Auffassung, die Anmeldung sei nicht einheitlich im Sinne von Regel 13 PCT und umfasse zwei verschiedene Erfindungen, die durch folgende Anspruchsgruppen bestimmt seien:
1. Ansprüche 1 bis 11: Ermitteln einer zu einer Telephonnummer gehörigen IP-Adresse.
2. Ansprüche 12 und 13: Ermitteln einer zu einer IP-Adresse gehörigen Telephonnummer.
In ihrer Begründung bezog sich die IRB auf folgende Dokumente:
D1: US2001/0055299 A1
D3: Lind S: "ENUM Call Flows for VoIP Interworking", IETF Internet Draft, Internet Engineering Task Force, Februar 2002
D4: Rosenberg et al.: "SIP: Session Initiation Protocol", Network Working Group, The Internet Society, Juni 2002, Seiten 1-269, Kapitel 19.1.3, Example SIP and SIPS URIs, Seite 153
D5: US2002/0083198 A1
D6: EP1111893 A2
D7: "Report of the Department of State ITAC-T Advisory Committee Study Group A Ad Hoc on ENUM", ITAC-T Advisory Committee Report, 6. Juni 2001
D8: Stastny R: "Scenarios for ENUM and ENUM-like Systems", IETF Internet Draft, Internet Engineering Task Force, IETF, Juni 2002
Die IRB führte aus, dass Ansprüche 9 und 12 Verfahren zur Verknüpfung der Adressierungsschemata von leitungsvermittelnden und paketvermittelnden Telekommunikationsnetzen und Anspruch 1 eine Vorrichtung zum gleichen Zweck spezifizierten. Ein solches Verfahren bzw. eine solche Vorrichtung seien jedoch aus den Dokumenten D1, D3, D5, D6, D7 und D8 bekannt. Da Ansprüche 9 und 12 weiterhin lediglich Teile des Verfahrensschrittes b gemeinsam hätten und Anspruch 1 über entsprechende Anordnungsmerkmale hinaus keine weiteren, den Merkmalen des Anspruchs 12 entsprechende Merkmale aufwiese und diese gemeinsamen Merkmale aus Dokument D1 bekannt seien, besäßen Ansprüche 1 und 9 einerseits und Anspruch 12 andererseits keine gemeinsamen besonderen technischen Merkmale und wären daher nicht einheitlich im Sinne der Regel 13.2 PCT. Es scheine auch keine einzige allgemeine erfinderische Idee im Sinne der Regel 13.1 PCT vorzuliegen, da entsprechend den Ansprüchen 1 und 9 Teilnehmer sowohl im leitungsvermittelnden Netz als im paketvermittelnden Netz aufgrund ihrer Telephonnummer identifiziert werden könnten, während das Verfahren nach Anspruch 12 keine Identifizierung von Teilnehmern im leitungsvermittelnden Netz ermögliche, da diese nur eine IP-Adresse hätten.
III. Die Anmelderin hat am 2. September 2005 die angeforderte zusätzliche Gebühr in Höhe von EUR 1550 unter Widerspruch gemäß Regel 40.2 c) PCT entrichtet.
In ihrer Begründung stellte die Anmelderin fest, dass die Verfahrensansprüche 9 und 12 jeweils die in Anspruch 1 definierte Vorrichtung verwendeten. Die Gleichartigkeit aller Verfahrensschritte der Ansprüche 9 und 12 erhalte man, wenn man IP-Adresse und Rufnummer als Ausbildung einer Adresse in einem paketvermittelnden Netz beziehungsweise in einem leitungsvermittelnden Netz betrachte, wodurch erkennbar würde, dass die in Anspruch 1 beanspruchte Vorrichtung zur Verknüpfung von Adressenschemata von beiden Verfahren in gleicher Weise benutzt wird. Weiterhin wies die Anmelderin darauf hin, dass sie nicht nachvollziehen könne, wie sich das erfindungsgemäße Verfahren aus D1 ergäbe, bei dem ein DNS-Server zur Umsetzung eines Domänennamens in eine Internetadresse verwendet würde. Auch aus den Dokumenten D3, D5, D6, D7 und D8 sei das Verfahren nicht bekannt.
IV. Am 12. Oktober 2005 teilte die IRB der Anmelderin das Ergebnis einer Überprüfung gemäß Regel 40.2 e) PCT mit, wonach die vorangegangene Aufforderung zusätzlicher Recherchengebühren berechtigt gewesen sei, und forderte die Anmelderin auf, für die weitere Prüfung des Widerspruchs eine Widerspruchsgebühr zu entrichten.
Im Rahmen dieser Überprüfung führte die IRB aus, dass entgegen den Argumenten der Anmelderin eine IP-Adresse und eine Telephonnummer nicht gleichzusetzen seien, da entsprechend der vorliegenden Anmeldung sowohl Teilnehmer im Telephonnetz als auch Teilnehmer im IP-Netz eine Telephonnummer besäßen und durch diese identifizierbar seien, während ein Teilnehmer nur innerhalb des IP-Netzes eine IP-Adresse besäße.
V. Die Widerspruchsgebühr in Höhe von EUR 1020 war von der Anmelderin schon am 2. September 2005 entrichtet worden.
VI. Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 1 lautet:
"Vorrichtung zur Verknüpfung der Adressierungsschemata von leitungsvermittelnden und paketvermittelnden Telekommunikationsnetzen mit:
- einem leitungsvermittelnden Telekommunikationsnetz (N0) zum Anschließen von zumindest einem leitungsvermittelnden Telekommunikations-Endgerät (TE0);
- einem paketvermittelnden Telekommunikationsnetz (N1) zum Anschließen von zumindest einem paketvermittelnden Telekommunikations-Endgerät (TE1); und
- zumindest einem Gateway (GW0 bis GWx) zur Realisierung einer Verbindung zwischen dem leitungsvermittelnden Telekommunikationsnetz (N0) und dem paketvermittelnden Telekommunikationsnetz (N1),
gekennzeichnet durch
einem (sic) Telefonserver zur Bereitstellung einer Zuordnungstabelle (LUT1) mit Rufnummern (RN) des leitungsvermittelnden Telekommunikationsnetzes (N0) und zugehöriger IP-Adressen (IP-A) des paketvermittelnden Telekommunikationsnetzes (N1), wobei das zumindest eine Gateway (GW0 bis GWx) eine Verbindung zum Telefonserver (FS) in Abhängigkeit von einer Gateway-Zuordnungstabelle (GT0 bis GTx) realisiert."
Der unabhängige Verfahrensanspruch 9 lautet:
"Verfahren zur Verknüpfung der Adressierungsschemata von leitungsvermittelnden und paketvermittelnden Telekommunikationsnetzen mit den Schritten:
a) Erfassen (S1) einer Rufnummer (RN) für das leitungsvermittelnde Telekommunikationsnetz (N0);
b) Ansprechen (S2, S3, S4) eines Telefonservers (FS) mit einer Zuordnungstabelle (LUT1), die Rufnummern (RN) zugehörige IP-Adressen (IP-A) zuordnet unter Angabe der erfassten Rufnummer (RN);
c) Vergleichen der angegebenen Rufnummer mit den Rufnummern der Zuordnungstabelle (LUT1) zur Ermittlung (S5) einer verknüpften Rufnummer; und
d) Ausgeben einer zur ermittelten verknüpften Rufnummer zugehörigen IP-Adresse (IP-A)."
Der unabhängige Verfahrensanspruch 12 lautet:
"Verfahren zur Verknüpfung der Adressierungsschemata von leitungsvermittelnden und paketvermittelnden Telekommunikationsnetzen mit den Schritten:
a) Erfassen einer IP-Adresse (IP-A) für das paketvermittelnde Telekommunikationsnetz (N1);
b) Ansprechen eines Telefonservers (FS) mit einer Zuordnungstabelle (LUT1), die Rufnummern (RN) zugehörige IP-Adressen (IP-A) zuordnet, unter Angabe der erfassten IP-Adresse;
c) Vergleichen der angegebenen IP-Adresse mit den IP-Adressen der Zuordnungstabelle (LUT1) zur Ermittlung einer verknüpften IP-Adresse; und
d) Ausgeben einer zur ermittelten verknüpften IP-Adresse zugehörigen Rufnummer."
Entscheidungsgründe
1. Nach Art. 154 (3) EPÜ sind die Beschwerdekammern des EPA für Entscheidungen über den Widerspruch eines Anmelders gegen die Festsetzung einer zusätzlichen Recherchengebühr nach Artikel 17 (3) a) PCT zuständig.
2. Nach Regel 13.1 PCT darf sich die internationale Patentanmeldung nur auf eine Erfindung oder eine Gruppe von Erfindungen beziehen, die so zusammenhängen, dass sie eine einzige erfinderische Idee verwirklichen. Wie in der Entscheidung der großen Beschwerdekammer G 1/89 (ABl. EPA 1991, 155, Punkt 5) festgestellt wurde, ist die IRB befugt, einen Einwand wegen mangelnder Einheitlichkeit a posteriori, d. h. nach Würdigung des Standes der Technik zu erheben. Ein solcher Einwand sollte jedoch nur in eindeutigen Fällen erhoben werden (siehe ibidem, Punkte 8.1 und 8.2).
3. Die in Anspruch 1 beanspruchte Vorrichtung dient zur Verknüpfung der Adressierungsschemata von leitungsvermittelnden und paketvermittelnden Telekommunikationsnetzen. Dazu dient ein Telephonserver zur Bereitstellung einer Zuordnungstabelle mit Rufnummern des leitungsvermittelnden Telekommunikationsnetzes und zugehörigen IP-Adressen des paketvermittelnden Telekommunikationsnetzes.
Eine solche Vorrichtung überwindet den Nachteil von Zuordnungstabellen in den das leitungsvermittelnden und das paketvermittelnden Telekommunikationsnetz verbindenden Gateways, von denen möglicherweise eine große Anzahl existiert (Seite 3, Zeilen 4-13).
4. Die in den Ansprüchen 9 und 12 beanspruchten Verfahren verwenden die in Anspruch 1 definierte Vorrichtung, um eine zu einer Rufnummer zugehörige IP-Adresse bzw. eine zu einer IP-Adresse zugehörige Rufnummer auszugeben.
Das diesen drei Ansprüchen gemeinsame Merkmal betrifft den Telephonserver mit seiner Zuordnungstabelle bzw. deren Verwendung und kann als besonderes technisches Merkmal im Sinne der Regel 13.2 PCT betrachtet werden.
5. Im folgenden wird also zu untersuchen sein, ob dieses besondere technische Merkmal einen Beitrag der beanspruchten Erfindung als Ganzes zum Stand der Technik bestimmt, also ob es konkret in Verbindung mit dem weiteren Gegenstand des Anspruchs 1 als neu und erfinderisch zu betrachten ist.
5.1 Die IRB hat diese Frage verneint und sich dabei insbesondere auf D1 bezogen.
D1 zeigt in Figur 2 eine Vorrichtung zur Verknüpfung der Adressierungsschemata von leitungsvermittelnden und paketvermittelnden Telekommunikationsnetzen (siehe auch Abschnitt [0006]) mit einem leitungsvermittelnden Telekommunikationsnetz (260) zum Anschließen von zumindest einem leitungsvermittelnden Telekommunikations-Endgerät (214A-D), einem paketvermittelnden Telekommunikationsnetz (220, 250A-D) zum Anschließen von zumindest einem paketvermittelnden Telekommunikations-Endgerät (232A-E), zumindest einem Gateway (218A-D) zur Realisierung einer Verbindung zwischen dem leitungsvermittelnden Telekommunikationsnetz und dem paketvermittelnden Telekommunikationsnetz und einem Domain-Name-Server (254).
D1 beschreibt zur Verknüpfung der Adressierungsschemata von leitungsvermittelnden und paketvermittelnden Telekommunikationsnetzen ein sogenanntes DNS basierendes System, das iterativ unter Verwendung eines sogenannten Resolvers durch Abfrage mehrerer nachgeordneter Domain-Server einem Domainnamen, der in dem in den Abschnitten [0053]-[0055] gezeigten Bespiel im wesentlichen eine Telephonnummer umfasst, eine IP-Adresse zuordnet. Die abgefragten DNS-Server weisen selbst jedoch keine vollständige Zuordnungstabelle auf, wie sie in Anspruch 1 beansprucht ist. Eine vollständige temporäre Zuordnungstabelle existiert möglicherweise, aber nicht notwendigerweise, in der Form eines Caches in dem Resolver und entspricht somit weder der beanspruchten Zuordnungstabelle in einem Telephonserver noch ist sie eine implizite, also notwendige, Vorraussetzung für das in D1 beschriebene Verfahren.
Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 insbesondere durch den darin beanspruchten Telephonserver neu gegenüber der Lehre von D1, und die entsprechende Feststellung der IRB trifft nicht zu.
5.2 In ihrer Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren hat die IRB weiterhin in genereller Form und ohne Angaben von Fundstellen auf die Druckschriften D5 und D6 verwiesen, die den den Ansprüchen 9 und 12 gemeinsamen Gegenstand, also das Ansprechen des Telephonservers mit einer Zuordnungstabelle, zeigen sollen. Ferner hat sie, ebenfalls in genereller Form und ohne Angaben von Fundstellen, auf die Druckschriften D3, D7 und D8 verwiesen, die in Verbindung mit D4 diesen Gegenstand nahelegen sollen.
Wie bereits unter Punkt 2 erwähnt, wurde in der Entscheidung G 1/89 festgestellt, dass ein Einwand wegen mangelnder Einheitlichkeit a posteriori nur in eindeutigen Fällen erhoben werden sollte (siehe ibidem, Punkte 8.1 und 8.2).
Aus Regel 40.1 i) PCT geht hervor, dass die Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren begründet sein muss. Weiterhin wurde in W 04/85 (ABl. EPA 1987, 63) gefordert, dass die Begründung "die tragenden Erwägungen für die Feststellung der Nichteinheitlichkeit in logischer Gedankenführung" enthalten muss. In Anbetracht des Umfangs der in genereller Form zitierten Druckschriften D3-D8 muss das Vorliegen einer ausreichenden Begründung oder gar einer Rechtfertigung für das Vorliegen eines eindeutigen Falles einer mangelnden Einheitlichkeit a posteriori auf Grundlage dieser Druckschriften verneint werden.
Gleichermaßen liegt auch keine ausreichende Begründung für eine möglicherweise fehlende erfinderische Tätigkeit für den Gegenstand des Anspruchs 1 auf der Basis von D1 vor, da dieser Einwand von der IRB nicht erhoben wurde.
5.3 Da die Begründung der mangelnden Einheitlichkeit sowohl hinsichtlich des Dokuments D1 als auch hinsichtlich der Dokumente D3-D8 nicht den Erfordernissen des PCT entspricht, müssen die zusätzliche Recherchengebühr und die Widerspruchsgebühr zurückgezahlt werden (PCT Regel 40.2 e)
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Recherchengebühren wird aufgehoben.
2. Die zusätzlich entrichtete Recherchengebühr und die Widerspruchsgebühr sind zurückzuzahlen.