W 0003/02 (Beeinflussung von Kollagen/WIELAND) of 31.7.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:W000302.20030731
Datum der Entscheidung: 31 Juli 2003
Aktenzeichen: W 0003/02
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Substanzen und Mittel zur positiven Beeinflussung von Kollagen
Name des Anmelders: Wieland, Heinrich
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 150(2)
European Patent Convention 1973 R 13(1)
Patent Cooperation Treaty Art 11
Patent Cooperation Treaty Art 45
Patent Cooperation Treaty R 13(1)
Patent Cooperation Treaty R 13(2)
Patent Cooperation Treaty R 13(3)
Patent Cooperation Treaty R 40(1)
Patent Cooperation Treaty R 40(2)
Patent Cooperation Treaty R 92a
Schlagwörter: Aussetzung des Erteilungsverfahrens in der regionalen Phase - keine Erstreckung auf Widerspruchsverfahren vor der Bk
Einheitlichkeit (nein): sechs Gruppen von Erfindungen, a posteriori Analyse
Orientierungssatz:

Die Aussetzung gemäß Regel 13 (1) EPÜ des Erteilungsverfahrens einer in die regionale Phase vor dem Europäischen Patentamt eingetretenen internationalen Patentanmeldung nach dem PCT erstreckt sich nicht auf ein vor der Beschwerdekammer anhängiges Widerspruchsverfahren nach dem PCT.

Angeführte Entscheidungen:
J 0020/89
J 0038/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die internationale Anmeldung PCT/EP 00/07315 mit der internationalen Veröffentlichungsnummer WO 01/12206 wurde am 28. Juli 2000 mit 26 Ansprüchen eingereicht.

Die unabhängigen Ansprüche dieser Anmeldung lauten wie folgt:

"1. Verwendung einer Substanz, die die Bildung und/oder die Wirkung von Östrogenen hemmt, oder einer diese Substanz enthaltenden Zusammensetzung, zur Stabilisierung, zur Vermehrung und/oder zur Restaurierung von Kollagen."

"15. Verwendung einer Substanz, die die Bildung und/oder die Wirkung von Östrogenen hemmt, oder einer diese Substanz enthaltenden Zusammensetzung, zur Prophylaxe von Herzinfarkt und Hirninfarkt."

"16. Verwendung einer Substanz, die die Bildung und/oder die Wirkung von Östrogenen hemmt, oder einer diese Substanz enthaltenden Zusammensetzung, zur Prophylaxe oder Therapie von Osteoporose."

"17. Verwendung einer Substanz, die die Bildung und/oder die Wirkung von Östrogenen hemmt, oder einer diese Substanz enthaltenden Zusammensetzung, zur Prophylaxe oder Therapie von Atherosklerose."

"18. Verwendung einer Substanz, die die Bildung und/oder die Wirkung von Östrogenen hemmt, oder einer diese Substanz enthaltenden Zusammensetzung, zur Prophylaxe oder Therapie von Harninkontinenz."

"19. Verwendung einer Substanz, die die Bildung und/oder die Wirkung von Östrogenen hemmt, oder einer diese Substanz enthaltenden Zusammensetzung, als Prophylaxe oder Therapie bei übermäßiger Glukokortikoidbildung im Körper, oder als Begleittherapie bei der therapeutischen Anwendung von Glukokortikoiden für die Herabsetzung von Glukokortikoid-assozierten Nebenwirkungen."

"20. Verwendung einer Substanz, die die Bildung und/oder die Wirkung von Östrogenen hemmt, oder einer diese Substanz enthaltenden Zusammensetzung, zur Minderung des Haarwachstums bei der Frau."

"21. Verwendung einer Substanz, die die Bildung und/oder die Wirkung von Östrogenen hemmt, oder einer diese Substanz enthaltenden Zusammensetzung, zur kosmetischen Behandlung von Falten und/oder Streifen der Haut sowie Erschlaffen der Oberhaut."

"22. Verwendung einer Substanz, die die Bildung und/oder die Wirkung von Östrogenen hemmt, oder einer diese Substanz enthaltenden Zusammensetzung, zur Abmilderung der Sonneneinwirkung auf die Haut."

"24. Kosmetikzusammensetzung zur topischen Applikation, dadurch gekennzeichnet, dass die Zusammensetzung eine oder mehrere Substanz(en) derart umfasst, dass die Bildung und/oder die Wirkung von Östrogenen und gleichzeitig die Bildung und/oder der Wirkung von Dihydrotestosteron gehemmt ist."

II. Mit Bescheid vom 23. Mai 2001 informierte das EPA in seiner Eigenschaft als Internationale Recherchenbehörde (IRB) den Anmelder, daß die Anmeldung dem Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung nach Regel 13.1, 13.2 und 13.3 PCT nicht entspreche, da sie zehn (10) verschiedene Gruppen von Erfindungen enthalte, zwischen denen kein technischer Zusammenhang bestehe, der in einem oder mehreren gleichen oder entsprechenden besonderen technischen Merkmalen zum Ausdruck komme. Der Anmelder wurde nach Artikel 17 (3) a) und Regel 40.1 PCT aufgefordert, innerhalb 30 Tagen neun (9) weitere Recherchengebühren zu entrichten.

Zur Begründung hat die IRB u.a. folgendes vorgetragen:

Die durch die gegenwärtige Anmeldung zu lösende Aufgabe sei die extragonadale Sexualhormonbildung günstig zu beinflussen, um therapeutische Effekte zu ermöglichen.

Die durch die Anmeldung vorgeschlagene Lösung betreffe die Verwendung einer Gruppe von Substanzen, die anti- östrogene Verbindungen und Aromatase-Inhibitoren umfasse, die die Fähigkeit zur Beeinflussung der kollagenhaltigen Körperteile besitze.

Die Verwendung von anti-östrogenen Verbindungen zur Beeinflussung der kollagenhaltigen Körperteile sei in der Entgegenhaltung (1) EP-A-0 776 661 offenbart, da die Entgegenhaltung (1) die Verwendung von anti-Östrogenen Verbindungen zur Behandlung von Kollagen-Erkrankungen beschreibt.

Ferner sei die Verwendung vom Aromatase-Inhibitoren zur Beeinflussung einiger der in den unabhängigen Ansprüchen aufgezählten Krankheiten auch bekannt.

Die Entgegenhaltungen (2) WO-A-96 08231 und (3) DE-A-3 338 212 wurden zitiert. Die Entgegenhaltung (2) beschreibe die Verwendung von Aromatase-Hemmern zur Minderung des Haarwachstums und die Entgegenhaltung (3) beschreibe die Verwendung von Aromatase-Hemmern zur Behandlung von Infarkt.

Da die Verwendung von Aromatase-Inhibitoren und Anti- Östrogenen zur Behandlung einiger der in den Ansprüchen vorkommenden Krankheiten im Stand der Technik offenbart sei, könnten die beanspruchten Verwendungen nicht durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee zusammenhängen.

Es wurden zehn (10) Gruppen von Erfindungen aufgelistet, die sich auf die Verwendung entweder von Aromatase- Inhibitoren (Gruppen 1-5) oder von Anti-Östrogenen (Gruppen 6-10) beziehen, wobei die verschiedenen Ziele der Behandlungen aufgetrennt sind, nämlich zur Behandlung von Herz- und Hirninfarkt und Atherosklerose (Gruppen 1 und 6), Osteoporose (Gruppen 2 und 7), Harninkontinenz (Gruppen 3 und 8), übermäßiger Glukokortikoidbildung (Gruppen 4 und 9), und zur kosmetischen Behandlung des Haares und der Haut (Gruppen 5 und 10).

III. Nach einer genehmigten Fristverlängerung von 15 Tagen zahlte der Anmelder die neun (9) zusätzlichen Recherchengebühren am 6. Juli 2001 unter Widerspruch nach Regel 40.2 c) PCT.

In der Begründung des Widerspruchs erläuterte der Anmelder im einzelnen, daß bei dem "a posteriori"- Ansatz zu prüfen sei, welche technische Aufgabe auf welche Weise gegenüber dem Stand der Technik gelöst werde und ob eine gemeinsame Wirkung oder ein funktioneller Zusammenhang zur Realisierung des erfindungsgemäßen Konzeptes im zu entscheidenden Fall anerkannt werden könne.

Die gemeinsame Aufgabe der Erfindung sei, die extragonadale Sexualhormonbildung günstig zu beeinflussen, um über die peripher-lokale Gewebe- bzw. Organ-zellspezifische Präsenz oder Abwesenheit der Sexualhormone therapeutische Effekte zu ermöglichen.

Zur Lösung dieser Aufgabe sei die Verwendung einer Substanz vorgeschlagen, die die Bildung und/oder die Wirkung der Östrogene hemme. Diese Aufgabe werde auf der Basis einer gemeinsamen Grundwirkung auf eine Weise gelöst, die ein günstiges Resultat für das Kollagen hervorbringe, und zwar in Form einer Stabilisierung, Vermehrung des Gehalts und/oder Restaurierung des Kollagens.

Das gemeinsame erfindungsgemäße Konzept bestehe in einem funktionellen Ansatz, der die Verarmung an lokalem Östrogen zur günstigen Beeinflussung des Kollagens in der Mikroumgebung erziele. Dies sei in den Ansprüchen durch die verschiedenen therapeutischen Anwendungsfälle mittels der Verwendung bestimmter Substanzen mit besonderer Wirkung wiedergegeben. Dieses erfindungsgemäße Konzept werde im Stand der Technik weder beschrieben noch nahegelegt.

Die Entgegenhaltung (1) beschreibe ein Kombinationspräparat von Anti-Östrogen und Glukokortikoid zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen. Die in diesem Dokument als "kollagen diseases" aufgelisteten Erkrankungen seien ausschließlich Kollagenosen als Folge der Autoimmun-Vorgänge.

Der Anmelder reichte eine Kopie aus "Klinisches Wörterbuch" für den Begriff "Kollagenosen" ein.

Der Anmelder ergänzte, daß es bei der Entgegenhaltung (1) um das Verhindern des degenerativen Angriffs autoimmun-reaktiver Zellen gegenüber den Blutgefäßen gehe, erfindungsgemäß jedoch ein direkter Zusammenhang zwischen der Stabilisierung von kollagenhaltigen Plaques (Faserkapseln) festgestellt werde, die ohne ausreichende Stabilisierung reißen bzw. aufplatzen und somit einen Thrombus mit der gefährlichen Folge eines Herz- oder Hirninfarkts auslösen könnten.

Die Entgegenhaltung (2) beziehe sich auf die topische Anwendung von Aromatase-Inhibitoren zur Kontrolle des Haarwachstums, speziell zur Verhinderung des Haarausfalls und der Glatzenbildung.

Der Anmelder fügte hinzu, daß in der Entgegenhaltung (2) kein Hinweis bezüglich des funktionellen Zusammenhangs zwischen einer lokalen Verarmung von Östrogen und der daraus resultierenden günstigen Beeinflussung des Kollagens im Sinne einer Stabilisierung, Vermehrung und/oder Restaurierung und einer dadurch bezweckten Verbesserung des Zustandes der Haut und Haare zu finden sei.

Die Entgegenhaltung (3) offenbare nach Auffassung des Anmelders nur in spekulativer Weise, daß eine Senkung des Serum-Östrogenspiegels durch Verabreichung von Aromatasehemmern z.B. das Infarktrisiko herabsetzen könnte. Jedoch beschreibe dieses Dokument nichts über extragonadale Sexualhormonbildung und lokale Östrogenspiegel und Wirkung am kollagenhaltigen Gewebe.

IV. In ihrer Mitteilung über die Überprüfung der Aufforderung zur Zahlung der weiteren Recherchengebühren vom 9. Oktober 2001 unterrichtete die IRB den Anmelder, daß die Aufforderung berechtigt gewesen sei, und forderte ihn auf, für die weitere Überprüfung des Widerspruchs innerhalb eines Monats die Widerspruchsgebühr zu entrichten.

Zur Begründung führte sie aus, daß Anti-Östrogene über die Beeinflussung der extragonadalen Sexualhormonbildung ihre Wirkung ausüben könnten, diese jedoch in Form einer definierten, tatsächlichen Behandlung eines pathologischen Leidens zur praktischen Anwendung kommen müßten, um als technischer Beitrag zum Stand der Technik und damit als patentfähige Erfindung zu gelten. Nach Auffassung des Ausschusses gehörten die Kollagen- Erkrankungen, deren Behandlung mit Anti-Östrogenen in der Entgegenhaltung (1) offenbart seien, zu den im Allgemeinbegriff des ersten Anspruchs der Anmeldung miteingeschlossenen Therapieansätzen.

Der Ausschuß zitierte die PCT-Verwaltungsrichtlinien, Annex B, Teil 1, Einheitlichkeit der Erfindung.

Der Wirkmechanismus sei irrelevant, solange die gleichen Krankheiten zu behandeln seien.

V. Die Widerspruchsgebühr wurde am 9. November 2001 entrichtet. In seinem begleitenden Schreiben begründete der Anmelder erneut, daß die Entgegenhaltung (1) sich mit der Behandlung von Autoimmunerkrankungen befasse und ausschließlich die immun-suppressive Wirkung von Anti- Östrogenen und Glukokortikoid beschreibe. Durch die Unterdrückung von Autoimmunreaktionen solle auch die unerwünschte überschießende (pseudoreparative) Kollagenbildung verhindert werden.

Die gemäß Anspruch 1 der vorliegenden Anmeldung erzielte Wirkung beruhe auf der Erkenntnis, daß die Hemmung der extragonadalen Östrogenbildung bzw. -wirkung den lokalen Einfluss von Östrogenen auf Kollagen unterdrücke. Es handele sich hierbei um eine andere Wirkung.

Der Anmelder reichte eine diesbezügliche gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. med. I. Schedel ein.

Die Entgegenhaltung (3) offenbare nicht die Wirkung von Östrogen-hemmenden Substanzen (z.B. ein Aromatase- Inhibitor) zur Prophylaxe von Herzinfarkt, die erfindungsgemäß auf einer protektiven Wirkung der atherosklerotischen Plaques aufgrund der günstigen Beeinflussung von Kollagen beruhten.

In der Druckschrift (3) werde die Vermutung ("wahrscheinlich", vgl. insb. Seite 6, 3. Absatz) angesprochen, daß die dort beschriebenen Aromatasehemmer zur Behandlung des drohenden oder erfolgten Herzinfarkts geeignet sein könnten. Die Herabsetzung des Infarkt- Risikos sollte gemäß Druckschrift (3) auf einem verminderten Östrogenspiegel, d.h. einer geringen Östrogen-Konzentration im Serum beruhen. Es werde aber nicht über eine lokale Hemmung der (extragonadalen) Bildung bzw. Wirkung von Östrogenen, lokal einen günstigen Einfluss auf den Kollagenaushalt auszuüben, berichtet.

Der Anmelder fügte hinzu, daß die von der IRB aufgelisteten Erfindungsgruppen gemäß der Anmeldung einem neuen und einheitlichen erfinderischen Konzept zugrunde lägen.

VI. Mit Mitteilung vom 6. November 2002 hat die Rechtsabteilung des Europäischen Patentamts das Erteilungsverfahren der in die regionale Phase vor dem Europäischen Patentamt eingetretenen internationalen Anmeldung gemäß Regel 13 (1) EPÜ ab dem 6. November 2002 ausgesetzt. Im Bescheid vom 5. Mai 2003 hat die Kammer ihre vorläufige Auffassung dargelegt, daß sich die Aussetzung des Erteilungsverfahrens nicht auf das vor der Beschwerdekammer anhängige Widerspruchsverfahren nach Artikel 17. (3) a) und Regel 40.1 PCT erstrecke. Die Kammer hat dem Anmelder und der Antragstellerin, zu deren Gunsten das Verfahren von der Rechtsabteilung für ausgesetzt erklärt wurde, im Aussetzungsverfahren Gelegenheit gegeben, sich zur Frage der Aussetzung des Widerspruchsverfahren zu äußern.

VII. Der Anmelder hat im Brief vom 18. Juni 2003 mitgeteilt, daß er der Auffassung der Beschwerdekammer, wonach sich die Aussetzung nicht auf das Widerspruchsverfahren erstrecke, zustimme. Die Antragstellerin des Aussetzungsverfahrens hat sich nicht geäußert. Mit einem an die Rechtsabteilung gerichteten Schreiben vom 17. Juli 2003, im Europäischen Patentamt eingegangen am 21. Juli 2003, hat der Anmelder mitgeteilt, daß die Klage der Antragstellerin rechtskräftig abgewiesen worden sei.

Entscheidungsgründe

Aussetzung des Widerspruchsverfahrens

Gemäß Regel 13 (2), Satz 1 EPÜ hat das EPA im Fall der Aussetzung des Verfahrens nach Ergehen einer rechtskräftigen Entscheidung mitzuteilen, daß das Erteilungsverfahren von einem in der Mitteilung genannten Tag an fortgesetzt wird. Das eine solche Mitteilung für die in die regionale Phase vor dem EPA eingetretene internationale Anmeldung, auf die sich das vorliegende Widerspruchsverfahren bezieht, noch nicht ergangen ist, hindert den Erlaß dieser Entscheidung nicht, weil sich diese Aussetzung ohnehin nicht auf das im Zeitpunkt der Aussetzung vor der Beschwerdekammer anhängige Widerspruchsverfahren nach dem PCT erstreckt hat. Die Aussetzung des Erteilungsverfahrens gemäß Regel 13 (1) EPÜ hat die Wirkung, daß in dem ausgesetzten Verfahren weder das Europäische Patentamt noch die Parteien wirksam Rechtsakte vornehmen können, J 38/92 vom 16. März 1995, 2.5 der Entscheidungsgründe, Leitsätze in ABl. EPA 1995/8.

Zwar hat jede internationale Anmeldung, in der die Erteilung eines europäischen Patents beantragt wurde, und die die in Artikel 11 PCT genannten Mindesterfordernisse erfüllt, mit ihrer Anmeldung gemäß Artikeln 11 (3), 45 PCT die Wirkung einer europäischen Patentanmeldung.

Jedoch sind die Vorschriften des EPÜ auf das Tätigwerden des EPA als eine internationale Behörde nach dem PCT gemäß Artikel 150 (2), Sätze 2 und 3 EPÜ und nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern (im Anschluß an J 20/89, ABl. EPA 1991, 375) nur unter Umständen ergänzend anwendbar. Dagegen kann nicht mittels ihrer Anwendung ein für die internationale Phase der Anmeldung im PCT nicht vorgesehenes Rechtsinstrument in das Verfahren eingeführt werden (J 20/89: keine Beschwerde gegen Entscheidungen des EPA als IPEA).

Anders als das EPÜ befaßt sich der PCT mit dem materiellen Recht auf das Patent überhaupt nicht. Das Verfahren wird mit dem in der Anmeldung als Anmelder Genannten geführt. Gemäß Regel 92bis.1a) i) PCT werden Änderungen in der Person des Anmelders auf Antrag des Anmelders oder des Anmeldeamts vermerkt, wenn der Antrag innerhalb bestimmter Fristen gestellt wird. Daraus geht hervor, daß die Frage nach der materiellen Berechtigung des Anmelders im Verfahren nach dem PCT keine Rolle spielen soll. Von daher erscheint eine Anwendung der Aussetzungsregeln des EPÜ auf ein Verfahren, in dem das EPA in seiner Funktion als internationale Behörde nach dem PCT tätig wird, nicht gerechtfertigt.

Andererseits besteht kein rechtliches Bedürfnis des Dritten, zu dessen Gunsten das Erteilungsverfahren ausgesetzt wurde, für die Anwendung der Aussetzungsregeln des EPÜ auf ein im Aussetzungszeitpunkt vor der Beschwerdekammer anhängiges Widerspruchsverfahren nach dem PCT.

Der Aussetzung des Erteilungsverfahrens gemäß Regel 13 EPÜ liegt der gesetzgeberische Zweck zugrunde, den Anmelder während eines Rechtsstreits um das Recht auf das europäische Patent daran zu hindern, Handlungen zuungunsten des wahren Berechtigten vorzunehmen (Singer-Stauder, Europäisches Patentübereinkommen, 2. Auflage, Köln 2000, Rdnr. 21 zu Art. 61).

Zur Wahrung dieses gesetzgeberischen Zwecks bedarf es einer Aussetzung des Widerspruchsverfahrens nicht. Die Rechte desjenigen, der ein Recht auf das europäische Patent geltend macht, werden durch die Weiterführung des Widerspruchsverfahrens und eine Entscheidung über den Widerspruch nicht beeinträchtigt.

Die Entscheidung über den Widerspruch trifft eine Entscheidung über die Berechtigung der Einforderung von entrichteten zusätzlichen Gebühren, hier von Recherchengebühren. Sie dienen dem Rechtsschutz desjenigen, der die Gebühr entrichtet hat. Feststellungen der Beschwerdekammer über die Nichteinheitlichkeit von Anmeldungsgegenständen im Rahmen einer Widerspruchsentscheidung sind Teil des Tätigwerdens des EPA als internationale Behörde nach dem PCT und binden im weiteren Verfahren der in die regionale Phase vor dem EPA eingetretenen Patentanmeldung weder die Prüfungsabteilung noch die Beschwerdekammer in einem etwaigen anschließenden Beschwerdeverfahren.

Der Widerspruch

1. Der Widerspruch entspricht Regel 40.2 c) und 40.3 PCT und ist somit zulässig.

2. Die Kammer, deren Zuständigkeit aus Artikel 154 (3) EPÜ in Verbindung mit Regel 40.2 c) PCT herzuleiten ist, hat somit zu untersuchen, ob der Einwand fehlender Einheitlichkeit

3. Wie bereits unter Punkt II des Sachverhaltes dargelegt, hat die IRB den "a posteriori" Einwand der mangelnden Einheitlichkeit auf die im Recherchenbericht angegebenen Druckschriften (1), (2) und (3) gestützt, da die Verwendung zur Behandlung von Kollagen-Erkrankungen, beziehungsweise von Herzinfarkt sowie zur Behandlung von Haarwachstum-Zuständen mit entweder Anti-Östrogenen oder Aromatasen-Inhibitoren im Stand der Technik bekannt gewesen sei.

4. Die vorliegende Anmeldung befaßt sich mit weiteren Verwendungen von Substanzen, bzw. von diese beinhaltenden Zusammensetzungen, wobei die Substanzen in Anspruch 1 mittels funktioneller Merkmale definiert werden, und zwar als "Substanz, die die Bildung und/oder die Wirkung von Östrogenen hemmt". Unter diese Definition fallen Aromatase-Inhibitoren und Anti-Östrogene (siehe Anspruch 2).

Die Wirkung der Substanz oder der Zusammensetzung wird im Anspruch 1 weiterhin funktionell definiert als "zur Stabilisierung, zur Vermehrung und/oder zur Restaurierung von Kollagen".

Die Entgegenhaltung (1) beschreibt die Verwendung von nichtsteroidalen Anti-Östrogenen zur Behandlung von Autoimmunoerkrankungen (Seite 2, Zeile 29, Seite 3, Zeilen 39 bis 44).

Beschrieben wird die Hemmung der Bildung ("appearance") von autoreaktiven T-Zellen, wobei eine Unterdrückung der degenerativen Effekte von Autoimmunoerkrankungen, wie Ansschwellen der Milz und Lymphknoten erzielt werden soll (Seite 4, Zeilen 6 bis 8).

Auf Seite 2, Zeile 7, dieser Druckschrift werden als Autoimmunoerkrankungen "Kollagen-Erkrankungen" genannt.

Die IRB hat zurecht argumentiert, daß die in der Druckschrift (1) beschriebene Verwendung von Anti- Östrogenen zur Behandlung von Kollagen-Erkrankungen die des im Anspruch 1 angegebenen technischen Merkmalen neuheitsschädlich vorwegnimmt.

Selbst wenn man zugunsten des Anmelders davon ausgeht, daß die in der Druckschrift (1) angegebenen Kollagenerkrankungen als Kollagenosen zu betrachten sind, d. h. als systemisch-entzündliche degenerative Erkrankungen des Bindegewebes verursacht von Autoimmunovorgängen, ist die in der Druckschrift (1) beschriebene Behandlung dieser Erkrankungen mit Anti-Östrogenen von Anspruch 1 mitumfaßt.

Der breitgefasste Anspruch 1 definiert den erzielten Effekt als "zur Stabilisierung, zur Vermehrung und/oder zur Restaurierung von Kollagen". Was den Effekt der Stabilisierung betrifft, so schließt die Verhinderung oder die Milderung eines entzündlichen Prozesses durch Suppression der Autoimmunovorgänge, die die kollagenhaltigen Bindegewebe angreifen, jedenfalls automatisch den beanspruchten Effekt auf das Kollagen mit ein. Da somit der tatsächliche Effekt auf die Funktionalität, wie sie im Anspruch 1 definiert ist, keine einschränkende Wirkung haben kann, ist im Rahmen einer Analyse des Gegenstandes gemäß Anspruch 1 unerheblich, ob die Stabilisierung des Kollagens direkt stattfindet - wie der Anmelder für den Wirkmechanismus seiner Erfindung angibt -, oder über die Supression der Autoimmunovorgänge.

Somit zerfällt Anspruch 1 in eine Reihe von unabhängigen Erfindungen, die rein alternative Lösungen darstellen.

Im Lichte der Druckschrift (1) kann dann die objektive Aufgabe lediglich als die Bereitstellung von weiteren Verwendungen von Anti-Östrogenen angesehen werden.

Die unabhängigen alternativen Lösungen lassen sich durch die von der IRB aufgestellten Gruppen 6 bis 10 repräsentieren.

Bezüglich der Verwendung von Aromatase-Inhibitoren ist jedoch festzustellen, daß keine der Druckschriften diese konkret in Verbindung mit der im Anspruch 1 als Funktion definierte Wirkung in Zusammenhang zu bringen vermag.

Die Entgegenhaltung (1) bezieht sich überhaupt nicht auf Aromatase-Inhibitoren.

Die Entgegenhaltung (3) beschreibt Verbindungen, die die Östrogenbiosynthese hemmen (auch als Aromatasehemmer beschrieben). Solche Verbindungen sollen zur Behandlung aller Krankheiten geeignet sein, die durch Östrogene bedingt oder von Östrogenen abhängig sind (Seite 6, 1. Absatz).

Lediglich als wahrscheinlich wird in der Druckschrift (3) angegeben, daß eine Senkung des Östrogenspiegels durch Verabreichung von Aromatasehemmern das Infarktrisiko (Herzinfarkt) herabsetzen könnte (Seite 6, 3. Absatz).

Selbst wenn der unabhängige Anspruch 15, der die Prophylaxe von Herzinfarkt mittels der Verwendung von Aromatase-Inhibitoren umfaßt, bei der Bewertung seiner Neuheit gegenüber dem Stand der Technik fallen sollte, vermag eine Überlappung einer der Verwendungen mit den im Stand der Technik beschriebenen Verwendungen alleine eine mangelnde Einheitlichkeit nicht zu begründen. Es ist folglich zu prüfen, ob die Erfindungen die die weiteren Verwendungen von Aromatase-Inhibitoren zum Gegenstand haben, auf einer einzigen allgemeinen erfinderischen Idee beruhen.

Die Verwendung zur Prophylaxe von Herzinfarkt wird gemäß der vorliegenden Anmeldung durch die im Anspruch 1 definierte Funktion erzielt, und zwar die Einwirkung auf die Stabilisierung, Vermehrung oder Restaurierung von Kollagen, insbesondere in den Gefäßwänden von Adern und Venen. Diese Funktion kann für besagte Aromatase- Inhibitoren als allgemeines erfinderisches Konzept geltend gemacht werden, da sie durch keine der Druckschriften vorweggenommen wird, und hierdurch alle beanspruchten Verwendungen mitumfaßt sind.

Die Entgegenhaltung (2) bezieht sich zwar auf eine Methode zur Regelung des Haarwachstums, wobei diese durch die Verwendung von Aromatase-Inhibitoren erzielt wird. Entgegen der beanspruchten Verwendung (siehe Anspruch 20) wird jedoch Kahlköpfigkeit dadurch bekämpft (Seite 9, Zeilen 1 bis 3, 8 bis 10, Seite 10, Zeilen 2 bis 5).

Ferner beschreibt die Druckschrift (2) die Behandlung zur Minderung des Haarwachstums bei Frauen durch die topische Verwendung von Preöstrogenen (Seite 13, Zeilen 18, 19, Seite 18, Zeilen 9 bis 18).

Preöstrogene fallen nicht unten den im Anspruch 1 oder im Anspruch 20 verwendeten Begriff "Substanz, die die Bildung und/oder Wirkung von Östrogen hemmt".

Daher kann die vom Anmelder definierte technische Aufgabe, nämlich "die extragonadale Sexualhormonbildung günstig zu beeinflussen, um über die peripher-lokale Gewebe- bzw. Organ-zellspezifische Präsenz oder Abwesenheit der Sexualhormone therapeutische Effekte zu ermöglichen" als gemeinsame Aufgabe für die Verwendungen der Aromatase-Inhibitoren herangezogen werden, und als Folge bilden die von den IRB aufgestellten Gruppen 1 bis 5 eine gemeinsame Erfindung.

Bei diesem Sachverhalt vermag die Kammer der IRB nur insofern zu folgen, daß die vorliegede Anmeldung fünf (5) Gruppen von Erfindungen umfaßt, die sich auf die weiteren Verwendungen von Anti-Östrogenen beziehen (Gruppen 6 bis 10), jedoch sieht die Kammer nur noch eine gemeinsame Erfindung, die durch die ursprünglich aufgezeigten Gruppen 1 bis 5 gebildet wird.

Aufgrund des nachgewiesenen Standes der Technik ist daher von 6 (und nicht von 10 wie von der IRB gesehenen) Gruppen von Erfindungen auszugehen.

5. Die Kammer weist vorsorglich darauf hin, daß die voranstehende Bewertung der Einheitlichkeit nicht ausschließt, daß in einem späteren Verfahren nach Kapitel II PCT der Einwand mangelnder Klarheit und Stütze in der Beschreibung gegenüber den mit funktionellen Merkmalen definierten Gegenständen erneut erhoben werden kann.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Vier zusätzlichen Recherchengebühren sind zurückzuzahlen.

2. Im übrigen wird der Widerspruch zurückgewiesen.

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