European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:W002300.20010309 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 09 März 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | W 0023/00 | ||||||||
Anmeldenummer: | - | ||||||||
IPC-Klasse: | - | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | - | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Mangel an Einheitlichkeit 'a priori' | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Am 23. Juni 1999 hat die Anmelderin die internationale Anmeldung PCT/DE ..... eingereicht.
Die unhängigen Ansprüche 1, 20, 30 und 31 dieser Anmeldung lauten wie folgt:
"1. Verfahren zum Ablösen von Edelmetallschichten von entsprechend beschichtetem Material durch Lösen der Edelmetalle in einer .....lösung,.....
dadurch gekennzeichnet, daß .....
"20. Verfahren zur ..... Abscheidung von Edelmetallen und/oder metallischen Verunreinigungen aus einer .....lösung, .....
dadurch gekennzeichnet, daß.....
"30. Verfahren zur Rückgewinnung von Edelmetallen von oberflächenbeschichtetem Material durch Ablösen der Edelmetallschicht mittels eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 19 und ..... Abscheidung der gelösten Edelmetalle durch ein Verfahren nach einem der Ansprüche 20 bis 29."
"31. Verfahren zur Regeneration einer .....lösung zum Ablösen von Edelmetallen von oberflächenbeschichtetem Material,.....
dadurch gekennzeichnet, daß.....
II. Mit Bescheid vom 17. Mai 2000 informierte das EPA in seiner Eigenschaft als mit der internationalen Prüfung beauftragten Behörde (IPB) die Anmelderin dahingehend, daß die Anmeldung dem Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung nach Regel 13.1 bis 13.3 PCT nicht entspreche, da sie zwei Erfindungen enthalte. Die Anmelderin wurde nach Artikel 34 (3) a) und Regel 68.2 PCT aufgefordert, innerhalb eines (1) Monats entweder die Ansprüche einzuschränken oder eine weitere Prüfungsgebühr für eine zusätzliche Erfindung entrichten.
In einer dieser Aufforderung beigefügten Anlage (gesondertes Blatt) wurde der Anmelderin u. a. die Auffassung der IPB mitgeteilt, daß die beiden Erfindungen durch die folgenden Anspruchsgruppen bestimmt seien:
1. Ansprüche 1 bis 19, 30 (teilweise) 31, 32 (teilweise)
2. Ansprüche 20 bis 29, 30(teilweise), 32 (teilweise).
Die erste Anspruchsgruppe betreffe ein Verfahren zum Ablösen von Edelmetallschichten mittels einer .....lösung, die durch ..... gewonnen und/oder regeneriert wird. Die zweite Anspruchsgruppe sei auf ein Verfahren zur ..... Abscheidung von Edelmetallen und/oder metallischen Verunreinigungen aus .....lösungen gerichtet.
Beide Aufgaben und Lösungen seien technisch jedoch so verschieden, daß im Hinblick auf die technischen Merkmale keine gemeinsame erfinderische Idee formuliert werden könne. Auch sei die Aufgabe, nämlich die Rückgewinnung von Edelmetallen durch ..... und das ..... Abscheiden der Edelmetalle aus diesen Lösungen bereits aus dem Stand der Technik (z. B. US-A-.....) bekannt und könne somit nicht als erfinderische Idee der unabhängigen Ansprüche 1 und 20 angesehen werden. Die Erfordernisse von Regel 13.1 PCT seien somit nicht erfüllt.
III. Die Anmelderin zahlte am 16. Juni 2000 die zusätzliche Prüfungsgebühr, legte mit Schreiben vom 18. Juni 2000 Widerspruch nach Regel 68.3 c) PCT ein und beantragte die Rückzahlung der zusätzlichen Prüfungsgebühr.
In ihrer Begründung des Widerspruchs vom 18. Juni 2000 vertrat die Anmelderin die Ansicht, daß die beiden von der IPB genannten Gruppen eine einzige erfinderische Idee bildeten und daß die zweite Gruppe lediglich einen Teilaspekt der einzigen übergeordneten Aufgabe bzw. Idee darstelle. Bei der Beurteilung der Einheitlichkeitsfrage sei die IPB jedoch von einer unzutreffenden Aufgabe als auch von einer falschen Lösung ausgegangen, was zwangsläufig zu einer unzutreffenden Schlußfolgerung der Einheitlichkeitsfrage führe. Bei der Anmeldung handele es sich jedoch um ein im Hinblick auf den Chemikalienverbrauch und Entsorgungsaufwand optimiertes Rückgewinnungs- oder Recyclingverfahren, das nach dem 1. Schritt, nämlich dem Ablösen der Edelmetalle von dem damit beschichteten Material durch eine chemische Lösung, zwangsläufig auch die nachfolgende Abscheidung der gelösten Metalle aus der Lösung und damit deren Rückgewinnung umfasse. Dies gehe aus Seite 4, Absatz 2 der Beschreibung unmißverständlich hervor. Zu diesem Verfahren gehöre ebenfalls die Regenerierung der verwendeten .....lösung. Alle drei Teilaspekte trügen gemeinsam zur Lösung des Problems, nämlich der Optimierung des beanspruchten Rückgewinnungsverfahrens, bei. Das Erfordernis der Einheitlichkeit sei mithin erfüllt.
Die Anmelderin bemängelte weiterhin, daß die gemäß Regel 68.2 PCT geforderten Gründe der IPB in sich widersprüchlich und daher nicht ausreichend seien. So beanstande die IPB in der Mitteilung vom 17. Mai 2000 die Einheitlichkeit der Ansprüche 1 bis 19 und 30 bis 32 nicht mehr, wenn die in den Ansprüchen 30 und 32 jeweils enthaltene Rückbeziehung auf die Ansprüche 20 bis 29 beseitigt und stattdessen die Merkmale des Anspruchs 20 explizit in den Anspruch 30 bzw. 32 aufgenommen würden. Der sachliche Inhalt eines unabhängigen Anspruchs hänge jedoch nicht davon ab, ob die beanspruchten technischen Merkmale durch Rückbezug auf andere Ansprüche oder durch die explizite Aufnahme dieser Merkmale definiert werden. Aufgrund dieses Widerspruchs habe die IPB die erforderliche Begründungspflicht nicht erfüllt.
In einem weiteren Schreiben vom 25. Oktober 2000 beanstandete Anmelderin die fehlenden Unterschriften der für die Überprüfung zuständigen Bediensteten. Es sei somit nicht erkennbar, welche Prüfer an der Überprüfung des Widerspruchs mitgewirkt haben. Die Erfordernisse von Regel 70 (1) EPÜ seien mithin nicht erfüllt. Weiterhin sei die Unparteilichkeit der Überprüfungsstelle aufgrund der Mitwirkung des (gleichen) Recherchenprüfers sowohl bei der Erstellung des Recherchenberichts als auch bei der Beurteilung der Einheitlichkeit in der internationalen Prüfung nach Kapitel II PCT nicht gegeben und es bestehe der Verdacht der Befangenheit. Bei der vorliegend angewandten Verfahrensweise könne der gleiche Prüfer zweimal den Einwand der mangelnden Einheitlichkeit erheben und auch zweimal bei der Überprüfung des Widerspruchs mitwirken, d. h. insgesamt viermal in der selben Angelegenheit entscheiden. Dies führe zu einem Verstoß gegen das Gebot der Unparteilichkeit. Aus den genannten Gründen sei das Ergebnis der Überprüfungsstelle somit rechtsfehlerhaft, was allein schon die Rückzahlung der zusätzlich gezahlten Gebühr rechtfertige. Da es sich in beiden Fällen um grundsätzliche rechtliche Probleme handele, werde deshalb im Rahmen von Artikel 112 (1) a) EPÜ beantragt, diese aufgetauchten Rechtsfragen der Großen Beschwerdekammer zur Entscheidung vorzulegen.
IV. In ihrer Mitteilung vom 25. September 2000 über die Überprüfung der Aufforderung zur Zahlung der zusätzlichen Gebühr teilte die IPB der Anmelderin ihre Auffassung mit, daß die Aufforderung zur Zahlung einer weiteren Prüfungsgebühr berechtigt war und forderte sie nach Regel 68.3 e) PCT auf, für die weitere Prüfung des Widerspruchs eine Widerspruchsgebühr von 1022 Euro innerhalb eines Monats zu entrichten.
In ihrer Begründung legte die IPB dar, daß durch die Rückbeziehung der Ansprüche 30 bzw. 32 auf die Ansprüche 1 bis 19 und 20 bis 29 eine sehr große Anzahl von Ansprüche entstehe, wodurch das Erfordernis der Klarheit nicht erfüllt werde. Durch ihren Rückbezug auf Anspruch 1 bewertete die IPB die Ansprüche 30 bis 32 als "abhängige" Ansprüche, die zusammen mit Anspruch 1, der laut Recherchenbericht gegenüber dem Stand der Technik neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, einheitlich seien. Dagegen seien die in Anspruch 20 genannten Merkmale bereits aus der Druckschrift D1: US-A-.... bekannt und könnten somit keine "besonderen technischen Merkmale" im Sinne von Regel 13.2 PCT darstellen.
Die der Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe werde nach Ansicht der IPB nur durch die Merkmale der Ansprüche 30 oder 32 gelöst, nicht jedoch durch die Merkmale der Ansprüche 1 oder 20. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 20 seien somit nicht durch eine gemeinsame erfinderische Idee verbunden (siehe dazu Administrative Instructions Under the PCT, Section IV, Annex B, Part 2, Examples 2 and 10).
V. Die Widerspruchsgebühr wurde von der Anmelderin am 24. Oktober 2000 entrichtet.
Entscheidungsgründe
1. Der Widerspruch ist zulässig.
2. Die Zuständigkeit der Beschwerdekammern zur Prüfung von Widersprüchen nach Artikel 155 (3) EPÜ in Verbindung mit Regel 68.3 c) PCT ist erst dann gegeben, wenn die vorherige Überprüfung durch die mit der vorläufigen Prüfung beauftragten Behörde wie in Regel 68.3 e), erster Satz, PCT vorgeschrieben stattgefunden hat.
Im vorliegenden Fall bemängelt die Anmelderin, daß derjenige Prüfer, der die mit dem Widerspruch angefochtene Aufforderung nach Artikel 34 (3) a) PCT erlassen hat, auch bei deren Überprüfung mitgewirkt hat. Die Unparteilichkeit der Überprüfungsstelle sei mithin nicht gegeben.
Es ist jedoch zwischen i) der Prüfung des Widerspruchs und ii) der Überprüfung (der Berechtigung) der beanstandeten Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren zu unterscheiden. Im ersteren Fall ist der in Regel 68.3 d) PCT bezeichnete Ausschuß für das Europäische Patentamt als mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragten Behörde nach Artikel 155 (1) und (3) EPÜ in Verbindung mit Artikel 34 (2) a) PCT zweifellos die Beschwerdekammer.
Zum zweiten Fall enthält der PCT betreffend das zuständige Gremium keine Angaben. Es gelten jedoch hierfür die im Beschluß des Verwaltungsrates vom 5. Juni 1992, Artikel 1 bis 3, in Verbindung mit dem Beschluß des Präsidenten des EPA vom 25. August 1992, Artikel 1 (ABl. EPA 7/1992, 342, 343 und ABl. EPA 9/1992, 547) genannten Bestimmungen. Danach wird die Berechtigung einer Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren nach Regel 40.2 e) oder 68.3 e) PCT von einer aus drei Mitgliedern bestehenden Überprüfungsstelle überprüft; ihr gehören an: der Leiter der Direktion, aus der die Aufforderung erging, ein Prüfer mit besonderer Sachkenntnis auf dem Gebiet der Einheitlichkeit der Erfindung und normalerweise der Prüfer, der die Aufforderung ergehen ließ. Diese Bestimmungen gelten sowohl für die internationale Recherche als auch für die internationale vorläufige Prüfung (siehe dazu PCT Guidelines for International Preliminary Examination (PCT/GL/3), Original English, March 1, 1993, Chapter III, 7.8 in combination with Chapter VI, 5.7 to 5.9). Diese sind auch in Übereinstimmung mit den gemäß Regel 89 PCT erlassenen Internationalen Richtlinien für die Recherche im PCT unter Sektion IV, Kapitel VII-3c genannten Bestimmungen (siehe PCT Gazette Special Issue, October 1998, S-06/1998(E)). Danach darf die Überprüfung nicht allein durch den Prüfer erfolgen, der die Uneinheitlichkeit festgestellt hat, sondern sie muß entweder
i) durch den Vorgesetzten dieses Prüfers, oder
ii) durch eine Überprüfungsstelle (review body) erfolgen, der dieser Prüfer jedoch angehören darf.
Somit sehen die Richtlinien des PCT bereits Maßnahmen vor, welche den rechtlichen Anforderungen der Unparteilichkeit und Objektivität dem Anmelder gegenüber Rechnung tragen. Im vorliegenden Fall belegt der Akteninhalt, daß sich die Überprüfungsstelle vorschriftsgemäß aus drei Mitgliedern, nämlich dem Leiter der Direktion, einem weiteren sachkundigen Prüfer und dem Recherchenprüfer, welcher die Einheitlichkeitsbeanstandung erhoben hat, zusammensetzte.
Da die internationale Recherche (nach Kapitel I PCT) als auch die internationale vorläufige Prüfung (nach Kapitel II PCT) in manchen Fällen von dem gleichen Prüfer durchgeführt werden, kann die Beanstandung der mangelnden Einheitlichkeit zweimal von demselben Prüfer erhoben werden. Ohne die oben genannten Bestimmungen zu verletzen, kann dieser Prüfer auch zweimal bei der Überprüfung des Widerspruchs durch die Überprüfungsstelle beteiligt sein. In beiden Fällen besteht für den Anmelder die Möglichkeit, die (davon unabhängige) Prüfung des Widerspruchs durch die in Regel 40.2 c) bzw. 68.3 c) und d) genannte Instanz, nämlich die Beschwerdekammer zu beantragen. Somit entsteht dem Anmelder weder ein Instanzenverlust noch besteht die Gefahr der Befangenheit.
Im Hinblick auf die in den PCT Richtlinien gegebene Regelung und dem Beschluß des Verwaltungsrates vom 5. Juni 1992, Artikel 1 bis 3, in Verbindung mit dem Beschluß des Präsidenten des EPA vom 25. August 1992, Artikel 1 (ABl. EPA 7/1992, 342, 343 und ABl. EPA 9/1992, 547) ist die Zusammensetzung der mit der vorliegenden Überprüfung befaßten Überprüfungsstelle mithin nicht zu beanstanden.
3. Die Anmelderin bemängelt ferner die Angabe nur eines Namens (nämlich des Prüfers, der die Aufforderung ergehen ließ) auf der übersandten Mitteilung über das Ergebnis der Überprüfungsstelle. Die Entscheidung der Überprüfungsstelle sei deshalb rechtsfehlerhaft und somit aufzuheben.
Eine allgemeine Regelung bezüglich Unterschrift, Name und Dienstsiegel, wie sie das Europäische Patentübereinkommen in Regel 70 (1) für Entscheidungen, Bescheide und Mitteilungen des Europäischen Patentamtes vorsieht, findet sich weder im PCT selbst noch in seiner Ausführungsordnung. Zwar sieht Regel 43.8 PCT vor, daß im internationalen Recherchenbericht der Name des verantwortlichen Bediensteten anzugeben ist. Dasselbe gilt nach Regel 70.14 PCT für den internationalen vorläufigen Prüfungsbericht. Für die Mitteilung über die Überprüfung der Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Recherchengebühren besteht dagegen keine entsprechende Vorschrift. Dies läßt sich dadurch erklären, daß die Überprüfungsstelle keine übergeordnete Instanz darstellt, deren Überprüfungsergebnis eine beschwerdefähige Entscheidung ist. Vielmehr handelt es sich - im Gegensatz zu dem in Regel 40.2 e) bzw. Regel 68.3 c) und d) PCT erwähnten Ausschuß bzw. der besonderen Instanz oder höheren Stelle - um eine interne Überprüfung durch die jeweilige Behörde. Es ist somit weder eine Vorschrift noch ein anderer Grund erkennbar, welche die Anbringung der Namen oder die Unterschrift(en) der Mitglieder der Überprüfungsstelle auf der Mitteilung über die Überprüfung erfordern. Es muß jedoch aus dem Akteninhalt erkennbar sein, daß die in den genannten PCT-Richtlinien festgelegten Bedingungen für die Überprüfungsstelle erfüllt wurden. Wie oben bereits festgestellt wurde, ist dies der Fall.
4. Die von der Anmelderin beantragte Vorlage an die Große Beschwerdekammer der angesprochenen Rechtsfragen wird aus den oben genannten Gründen nicht für erforderlich erachtet, zumal der Widerspruch aus anderen Gründen Erfolg hat.
5. Die IPB stützt ihren Einwand der mangelnden Einheitlichkeit im wesentlichen nicht auf den in der Anmeldung selbst genannten oder den bei der Recherche ermittelten Stand der Technik. Daraus folgt, daß es sich um eine "a priori" Einheitlichkeitsbeanstandung im Sinne der oben genannten PCT Richtlinien (PCT/GL/3, Chapter III, 7.5) handelt. In einem solchen Falle ist ausschließlich die von der Anmelderin genannte, subjektive Aufgabe heranzuziehen. Dies ermöglicht die Beurteilung, ob der Gegenstand der Erfindung, der als Lösung dieser Aufgabe beansprucht wird, eine einzige allgemeine erfinderische Idee darstellt.
Gemäß Seite 4, Absatz 2 und 3 der vorliegenden Anmeldung besteht die subjektive Aufgabe in der Bereitstellung eines Verfahrens, das es ermöglicht, Edelmetalle von damit beschichtetem Material mit minimalem Chemikalien- und Entsorgungsaufwand kostengünstig zurückzugewinnen. Die Bedeutung des Wortes "zurückgewinnen" ergibt sich unmißverständlich aus dem folgenden Satz, wonach darunter i) eine verbesserte Ablösung der Edelmetalle und ii) eine verbesserte Abscheidung der gelösten Metalle aus dem Lösungsmittel zu verstehen ist. Daraus folgt, daß die Rückgewinnung beide Vorgänge umfaßt. Zudem wird klargestellt, daß das beanspruchte Verfahren auch eine verbesserte Regeneration der verwendeten .....lösung anstrebt. Alle diese Teilaufgaben dienen in ihrem Zusammenwirken dem übergeordneten gemeinsamen oben genannten Ziel. Es ist unstrittig, daß diese Aufgabe zumindest durch die in Anspruch 30, der auf die Ansprüche 1 bis 19 und 20 bis 29 rückbezogen ist, genannten Merkmale gelöst wird. Dies scheint auch die IPB so zu bewerten, denn im Gegensatz zu ihrer ersten Stellungnahme sieht die Überprüfungsstelle die der Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe durch die Merkmale der Ansprüche 30 und 32 gelöst.
Die Kammer kann sich auch nicht der Ansicht der IPB anschließen, das Ablösen der Edelmetalle einerseits und deren Abscheidung aus dem Lösungsmittel andererseits seien so grundlegend voneinander verschieden, daß kein technischer Zusammenhang zwischen ihnen bestehe und sich keine gemeinsame erfinderische Idee formulieren ließe. In beiden Fällen handelt es sich um die Anwendung der gleichen chemischen Reaktionsgleichung (Oxidation - Reduktion), deren Ablaufrichtung lediglich umgekehrt wurde. Es ist mithin nicht gerechtfertigt, von technisch so verschiedenen Aufgaben und Lösungen zu sprechen, daß a priori keine einzige erfinderische Idee formuliert werden könnte.
Außerdem gibt die Überprüfungsstelle der IPB keine nachvollziehbare Begründung, warum die Merkmale von Anspruch 20 bis 29 nicht zur Lösung der gestellten Aufgabe beitragen. Die Anmeldung enthält in diesem Zusammenhang auf Seite 7, Absätze 1 bis 3 die Aussage, daß ..... , was als besonders vorteilhafter Aspekt des Rückgewinnungsverfahrens angesehen wird.
6. Der Überprüfungsstelle der IPB ist auch nicht in der Ansicht zuzustimmen, Anspruch 30 sei von Anspruch 1 abhängig, denn Anspruch 30 bildet den breitesten Anspruch der Anmeldung. Weiterhin ergibt sich entgegen der Ansicht der IPB durch den Rückbezug in Anspruch 30 auf die in den Ansprüchen 1 bis 19 und 20 bis 29 enthaltenen Merkmale kein Klarheitsmangel, und es besteht sachlich kein Unterschied zu einer Anspruchsfassung, welche alle Merkmale des Anspruchs 20 explizit aufzählt.
7. Schließlich sieht die Überprüfungsstelle der IPB keinen Zusammenhang zwischen den Gegenständen der Ansprüche 1 und 20, da deren Merkmale verschiedene Aufgaben lösten. Sie verweist dazu auf die "Administrative Instructions under the PCT, Section IV, Annex B, Teil 2, Beispiele 2 und 10. In Beispiel 2 handelt es sich jedoch um Ansprüche verschiedener Kategorien (Verfahren, Vorrichtung), während alle Ansprüche der vorliegenden Anmeldung auf ein Verfahren gerichtet sind.
Beispiel 10 betrifft zwar
a) eine Vorrichtung mit Merkmal A,
b) eine Vorrichtung mit Merkmale B und
c) eine Vorrichtung mit den Merkmalen A und B,
wobei zwischen a) und b) keine Einheitlichkeit besteht.
Die genannten Beispiele können jedoch nur als allgemeine Anhaltpunkte bei der Beurteilung der Einheitlichkeitsfrage dienen. Im vorliegenden Fall scheint die Anmeldung jedoch aufgrund der Beschreibung und der Ansprüche eine gemeinsame Idee (a common inventive concept) zu enthalten, die neu und erfinderisch zu sein scheint, denn laut Recherchenbericht sind gegenüber den Ansprüchen 1 und 30, der auch die Merkmale von Anspruch 20 beinhaltet, lediglich Druckschriften der Kategorie "A" zitiert (Veröffentlichungen, die den allgemeinen Stand der Technik zitieren, aber nicht als besonders bedeutsam anzusehen sind). Es bestehen somit berechtigte Zweifel an der Annahme der IPB, die vorliegende Anmeldung genüge nicht dem Erfordernis der Einheitlichkeit. In diesem Zusammenhang wird auf die Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 1/89 und G 2/89 hingewiesen. Danach ist die mangelnde Einheitlichkeit nur in eindeutigen Fällen zu beanstanden, jedoch in Grenzfällen zugunsten des Anmelders zu entscheiden, und vorhandene Zweifel sollten zugunsten des Anmelders ausgelegt werden (siehe dazu auch PCT/GL/3, 1993, Chapter III, 7.6).
Es mag zwar zutreffen, daß die im vorliegenden Fall die ursprünglich eingereichte Formulierung der unabhängigen Ansprüche 1, 20, 30 und 31 im Hinblick auf die Frage der Einheitlichkeit der Erfindung nicht als optimal zu betrachten sind. Der Prüfer kann jedoch den Anmelder auf diesen Umstand hinweisen, und der Anmelder hat die Gelegenheit, die Ansprüche im Rahmen der vorläufigen Prüfung nach Artikel 34 (2) a) PCT zu ändern, um auf diese Weise möglicherweise bestehende Schwierigkeiten bezüglich der Einheitlichkeit der Anmeldung auszuräumen.
8. Da somit die in der Aufforderung der IPB vom 15. Mai 2000 angegebenen Gründe für die festgestellte Uneinheitlichkeit nicht überzeugen können, war die Aufforderung zur Zahlung einer zusätzlichen Prüfungsgebühr nicht gerechtfertigt. Demzufolge sind die zusätzliche Gebühr und die Widerspruchsgebühr gemäß Regel 68.3 c) und e) PCT in vollem Umfang zurückzuzahlen.
9. Das Widerspruchsverfahren nach Regel 68.2 und 3 PCT dient der materiell-rechtlichen Überprüfung der Berechtigung der Zahlungsaufforderung. Es ist daher lediglich zu prüfen, ob in Anbetracht der von der IPB angeführten Gründe im Lichte des Widerspruchsvorbringens die Einbehaltung weiterer Gebühren gerechtfertigt war. Die Kammer kann daher nicht von Amts wegen untersuchen, ob der Einwand der mangelnden Einheitlichkeit aus anderen als den angegebenen Gründen gerechtfertigt gewesen wäre.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die zusätzliche Prüfungsgebühr und die Widerspruchsgebühr sind zurückzuzahlen.