W 0021/00 (Einheitlichkeitsmangel "a posteriori") of 20.2.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:W002100.20010220
Datum der Entscheidung: 20 Februar 2001
Aktenzeichen: W 0021/00
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Patent Cooperation Treaty Art 17(3)(a)
Patent Cooperation Treaty Art 34
European Patent Convention 1973 Art 154(3)
Patent Cooperation Treaty R 13(1)
Patent Cooperation Treaty R 13(2)
Patent Cooperation Treaty R 13(3)
Patent Cooperation Treaty R 40(1)
Patent Cooperation Treaty R 40(2)
Schlagwörter: Einheitlichkeit
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
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Anführungen in anderen Entscheidungen:
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Sachverhalt und Anträge

I. Am 2. August 1999 hat die Anmelderin die Internationale Anmeldung PCT/IB ..... eingereicht.

Die unhängigen Ansprüche 1, 7, 17, 18, 20 und 21 dieser Anmeldung lauten wie folgt:

"1. Verfahren zum Pyrolysieren von kohlenwasserstoffhaltigen Abfallprodukten,

"7. Anlage zur Durchführung des Verfahrens [nach] den Ansprüchen 1 bis 6, bestehend aus....

"17. Verwendung von Pyrolyse-Kohlenstoff, hergestellt nach [dem] Verfahren .....,in Verbindung mit .....

"18. Verwendung von Pyrolyse-Kohlenstoff in Verbindung mit .....

"20. Verwendung von Pyrolyse-Kohlenstoff als.....

"21. Verwendung von Pyrolyse-Kohlenstoff zur.....

[ ]: von der Kammer zum besseren Verständnis korrigiert.

II. Mit Bescheid vom 13. Januar 2000 informierte das EPA in seiner Eigenschaft als Internationale Recherchenbehörde (IRB) die Anmelderin dahingehend, daß die Anmeldung dem Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung nach Regel 13.1 bis 13.3 PCT nicht entspreche, da sie insgesamt sechs Erfindungen enthalte. Die Anmelderin wurde nach Artikel 17 (3) a) und Regel 40.1 PCT aufgefordert, innerhalb von 30 Tagen fünf weitere Recherchengebühren zu entrichten.

In einer dieser Aufforderung beigefügten Anlage (gesondertes Blatt) wurde der Anmelderin u. a. die Auffassung der IRB mitgeteilt, daß die sechs Erfindungen durch die folgenden Anspruchsgruppen bestimmt seien:

1. Ansprüche 1 bis 6 (Verfahren zum Pyrolysieren)

2. Ansprüche 7 bis 16 (Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens)

3. Anspruch 17 (erste Verwendung von Pyrolyse-Kohlenstoff)

4. Ansprüche 18, 19(zweite Verwendung von Pyrolyse-Kohlenstoff)

5. Anspruch 20 (dritte Verwendung von Pyrolyse-Kohlenstoff)

6. Anspruch 21 (vierte Verwendung von Pyrolyse-Kohlenstoff).

Das einzige, allen Ansprüchen gemeinsame Merkmal sei der Pyrolyse-Kohlenstoff, der jedoch bereits als solcher aus D1: DE-A-3 030 593 bekannt sei und mithin nicht als der Erfindung zugrundeliegende technische Idee dienen könne. Auch lägen den verschiedenen unabhängigen Ansprüchen unterschiedliche Aufgaben zugrunde: Die Ansprüche 1 und 7. zielten auf die Bereitstellung eines Verfahrens und einer Vorrichtung ab, die ..... erlaube, eine Aufgabe, welche im übrigen bereits durch die Lehre von D2: ..... gelöst sei. Dagegen sei die Aufgabe der Ansprüche 17, 18, 20 und 21 eine jeweils unterschiedliche Verwendung des Pyrolyse-Kohlenstoffs.

III. Die Anmelderin zahlte per Abbuchung vom EPA-Konto nur drei zusätzliche Recherchengebühren unter Widerspruch nach Regel 40.2 c) PCT, der am 14. Februar 2000 eingereicht wurde und worin die Anmelderin die Rückzahlung dieser zusätzlichen Gebühren beantragte. Gemäß Erklärung der Anmelderin waren diese drei zusätzlichen Recherchengebühren bestimmt für die Ansprüche 7 bis 16 (Gruppe 2), Ansprüche 18, 19 (Gruppe 4) und Anspruch 21 (Gruppe 6).

In der Begründung des Widerspruchs erläuterte sie im einzelnen ihre Ansicht, daß eine internationale Anmeldung neben einem Verfahrensanspruch auch einen Anspruch auf eine Vorrichtung, welche speziell zur Durchführung des Verfahrens entwickelt worden sei, enthalten dürfe. Die aus D2 bekannte Vorrichtung beschreibe keinen Pyrolyseofen mit ..... und unterscheide sich somit vom beanspruchten Pyrolyseofen. Auch seien die ....-Restmaterialien aus der aus Druckschrift D2 bekannten Anlage nicht zu vergleichen mit dem .... Pyrolysekohlenstoff aus dem beanspruchten Verfahren und könne somit auch nicht wie in den Ansprüchen 17 bis 21 vorgeschlagen verwendet werden. Die Anmelderin räumte zwar ein, daß die kennzeichnenden Merkmale der Ansprüche 1 und 7 aus der Druckschrift D2 (nicht D1) bekannt seien, jedoch bestehe die Möglichkeit im Rahmen von Artikel 34 PCT, die Anmeldung durch Änderung der Ansprüche so gegen die Lehre von D2 abzugrenzen, daß die Einheitlichkeit der Erfindung gegeben sei.

Mit Schreiben vom 30. Oktober 2000 wurden von der Anmelderin geänderte Ansprüche 1 bis 17 vorgelegt, welche die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 21 ersetzen.

IV. In ihrer Mitteilung vom 19. April 2000 über die Überprüfung der Aufforderung zur Zahlung der zusätzlichen Recherchengebühren unterrichtete die IRB die Anmelderin, daß die Aufforderung berechtigt war und forderte sie auf, für die weitere Prüfung des Widerspruchs eine Widerspruchsgebühr von 1022,00 Euro innerhalb eines Monats zu entrichten. In ihrer Begründung legte die IRB dar, daß die Beiträge des beanspruchten Verfahrens und der dazugehörigen Vorrichtung zum Stand der Technik bereits aus Druckschrift D2: .... bekannt seien und somit nach den Verwaltungsrichtlinien PCT/Gazette Sektion IV, Anhang B, Teil 1(e) keine Basis für eine einheitliche Erfindung bilden könnten.

V. Die Widerspruchsgebühr wurde von der Anmelderin am 17. Mai 2000 entrichtet.

Entscheidungsgründe

1. Der Widerspruch ist zulässig.

2. Die Zuständigkeit der Beschwerdekammern zur Prüfung von Widersprüchen nach Artikel 154 (3) EPÜ in Verbindung mit Regel 40.2 c), Satz 2 PCT ist dann gegeben, wenn die vorherige Überprüfung durch die IRB wie in Regel 40.2 e), erster Satz PCT vorgeschrieben stattgefunden hat. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen.

3. Bezüglich der von der Anmelderin geänderten Ansprüche 1 bis 17 hat die Kammer keine Kompetenz, die Einheitlichkeit auf der Basis dieser Ansprüche zu prüfen. Da Änderungen im Verfahren vor der IRB nicht vorgesehen sind, kann die Prüfung des Widerspruchs nur auf der Grundlage der Unterlagen, welche zum Zeitpunkt der Aufforderung der Internationalen Recherchenbehörde (IRB) zur Zahlung zusätzlicher Gebühren vorlagen, erfolgen.

4. Zur Überprüfung der Einheitlichkeit aller unabhängiger Ansprüche hat die IRB zunächst die von der Anmelderin genannte subjektive Aufgabe herangezogen. Diese besteht nach Seite 2, letzter Absatz bis Seite 3, Absatz 1 der Anmeldung darin, ein Verfahren und eine dafür vorgesehene Vorrichtung bereitzustellen, die einfach durchführbar bzw. einfach aufgebaut sind und die ..... erlauben. Die Lösung dieser Aufgabe bilden die unabhängigen Ansprüche 1 und 7 (vgl. Seite 2, Absatz 2).

Eine weitere Aufgabenstellung findet sich auf Seite 7, Absatz 3. Danach besteht diese darin, eine geeignete Weise der Weiterverwendung des durch das beanspruchte Verfahren erzeugten Pyrolyse-Kohlenstoffs zu finden. Die Lösung dieser zweiten Aufgabe bilden die Verwendungsansprüche 17 bis 21. Die in diesen Ansprüchen genannten spezifischen Verwendungszwecke stellen jedoch eigenständige Lösungen und somit eigene Erfindungen dar, die nicht über eine gemeinsame erfinderische Idee mit dem beanspruchten Verfahren und der Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens verbunden sind, denn sie lösen jeweils ganz andere Probleme. Dieser Bewertung scheint auch die Anmelderin in ihrem Schreiben vom 14. Februar 2000 insofern zuzustimmen, als sie "zumindest die Gegenstände der Patentansprüche 1 (Verfahren) und 7 (dafür entwickelte Vorrichtung) als einheitlich betrachtet, während sie auf die unterschiedlichen Verwendungen des mit Hilfe des Verfahrens erzeugten Produktes nur beiläufig und ohne Einbeziehung der Aufgabe eingeht.

Zwar erlaubt der PCT (siehe PCT Gazette S-03/1998(E) Sektion IV, Anhang B, Teil 1(e)) die Kombination unterschiedlicher Anspruchskategorien in einer einzigen Anmeldung und gibt Beispiele für mögliche Kombinationen, die als einheitlich zu betrachten sind. Die in der vorliegenden Anmeldung beanspruchte Kombination eines Verfahrensanspruchs und Vorrichtungsanspruchs zur Durchführung des Verfahrens zusammen mit weiteren Ansprüchen zur Verwendung des im Verfahren erzeugten Produktes ist dabei nicht vorgesehen. Eine solche Kombination wäre jedoch denkbar für den Fall, daß durch ein besonderes Verfahren einem damit hergestellten Produkt spezifische, durch die Verfahrensführung bedingte Eigenschaften verliehen werden, die es von üblichen Produkten unterscheiden und aufgrund derer sich dieses Produkt in besonderer Weise für eine spezifische Verwendung eignet. Dies ist bei der vorliegenden Anmeldung nicht der Fall, denn aus der Beschreibung und den Ansprüchen ist nicht erkennbar, worin sich der durch das Pyrolyseverfahren erzeugte Pyrolysekohlenstoff von üblichem Pyrolysekohlenstoff unterscheidet und daß er Eigenschaften aufweist, die ihn in besonderer Weise für die in den Ansprüchen 17 bis 21 genannten Verwendungen geeignet machen.

Die Gegenstände der Ansprüche 17, 18, 20 und 21, die jeweils ganz unterschiedliche Verwendungzwecke von Pyrolysekohlenstoff betreffen, bilden somit gegenüber den Ansprüchen 1 und 7 eigene Erfindungen. Die Aufforderung der IRB zur Zahlung von vier weiteren Recherchengebühren für die in den Verwendungsansprüchen 17, 18, 20 und 21 enthaltenen Erfindungen war somit gerechtfertigt.

5. Ihre Einheitlichkeitsbeanstandung der Erfindungsgruppen I (Pyrolyseverfahren) und II (Vorrichtung dazu) stützt die IRB hauptsächlich auf einen Vergleich des Gegenstandes der unabhängigen Ansprüche 1 und 7 mit dem Stand der Technik D2:..... Der Einheitlichkeitseinwand wurde deshalb "a posteriori" erhoben. In ihrer Begründung führt die IRB aus, die den unabhängigen Ansprüchen 1 und 7 (Gruppen I und II) gemeinsamen technischen Merkmale (.....) Entladestation) seien bereits aus Druckschrift D2 bekannt und könnten somit nach Regel 13.2 PCT nicht als der Erfindung zugrundeliegende erfinderische Idee dienen. Auch werde die gemeinsame Aufgabe bereits durch die Lehre von D2 gelöst.

6. Betrachtet man die in der Anmeldung genannte Aufgabenstellung, so ist bereits zwischen dem Verfahren nach Anspruch 1 und der zur Durchführung des Verfahrens beanspruchten Vorrichtung eine gewisse Teilidentität zu erkennen, denn beide Teile der Anmeldung sind auf das gleiche Ziel ausgerichtet. Dies kann bereits als Indiz für eine einheitliche Erfindung angesehen werden.

Wenn man im vorliegenden Fall davon ausgeht, daß in der Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren vom 13. Januar 2000 der Einwand der mangelnden Neuheit aufgrund von Druckschrift D2 (Kategorie "X" im Recherchenbericht) zumindest gegenüber dem Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 erhoben wurde, so kann dies den Einwand der mangelnden Einheitlichkeit von Verfahren und Vorrichtung allein noch nicht stützen. Obwohl sich die Betrachtung der Einheitlichkeitsfrage zuerst (in the first place) auf die unabhängigen Ansprüche zu richten hat, wie die IRB in ihrer Zahlungsaufforderung korrekt ausgeführt hat, so beschränkt sie sich jedoch nicht ausschließlich auf die Frage, ob allein die in den unabhängigen Ansprüchen enthaltenen Merkmale gegenüber dem bekannten Stand der Technik neu und prima facie erfinderisch sind. Vielmehr ist nach Regel 13.2 PCT die "Erfindung" als Ganzes zu betrachten. Dies bedeutet, daß auch Verfahren oder Vorrichtungen, die durch Merkmale in einem oder mehreren abhängigen Ansprüchen oder auch Merkmale, die in der Beschreibung enthalten sind, definiert werden und die den entscheidenden Beitrag zum Stand der Technik bestimmen können, in Betracht zu ziehen sind. Dies steht nicht im Widerspruch zu den von der IRB zitierten PCT-Richtlinien, denn nach der Gazette S03/1998(E), Sektion IV, Teil 1(c)(ii) sind im Fall der Vorwegnahme des Gegenstand eines unabhängigen Anspruchs durch den Stand der Technik auch die abhängigen Ansprüche zu bewerten, und es ist zu prüfen ist, ob zwischen ihnen noch ein erfinderischer Zusammenhang besteht (siehe dazu auch PCT Richtlinien für die Recherche, Kapitel III, 3.9; Änderungen in Kraft getreten am 1. Januar 1994, Gazette 29/1993, Seite 16335). Eine derartige Vorgehensweise ist auch im Falle der Kombination von Ansprüchen unterschiedlicher Kategorien erforderlich. Eine solche Bewertung ist im vorliegenden Fall durch die IRB jedoch nicht vorgenommen worden.

Die Feststellung der IRB zeigt auch nicht, worin sich das in der gesamten Anmeldung beschriebene Verfahren und die dazugehörige Vorrichtung von der Lehre von D2 unterscheiden und enthält keine Analyse der objektiven Aufgabe, die sich ausgehend von dem nächstliegenden Stand der Technik D2 ergibt. Es ist mithin von der IRB nicht nachgewiesen worden, daß das in der gesamten Anmeldung offenbarte Verfahren und die dazu speziell konzipierte Vorrichtung keine besonderen technischen Merkmale aufweisen, zwischen denen ein technischer Zusammenhang besteht und die einen Beitrag zum Stand der Technik bestimmen.

7. Im übrigen scheint die Anwendung von Regel 13.2 PCT nur dann sinnvoll, wenn "besondere technische Merkmale" gegenüber dem Stand der Technik erkennbar sind. In Fällen wie dem vorliegenden, wo aufgrund einer vorläufigen sachlichen Bewertung durch die IRB eine einzige Druckschrift (D2) die Patentfähigkeit der unabhängigen Ansprüche 1 und 7 in Frage stellt, erscheint es nicht gerechtfertigt, die Einheitlichkeit eines Verfahrens und einer dazu vorgesehenen Vorrichtung zu beanstanden, denn diese Frage stellt sich erst, wenn Ansprüche vorliegen, die gegenüber diesem Stand der Technik eindeutige Unterschiede aufweisen.

Daraus folgt, daß die Aufforderung zur Zahlung einer zusätzlichen Recherchengebühr durch die IRB für die Ansprüche 7 bis 16 (Gruppe zwei) nicht gerechtfertigt war. Da die Anmelderin jedoch für diese Ansprüche eine zusätzliche Recherchengebühr entrichtet hat, muß die Rückzahlung dieser Gebühr angeordnet werden.

8. Das Widerspruchsverfahren nach Regel 40.2 c) PCT dient der materiell-rechtlichen Überprüfung der Berechtigung der Zahlungsaufforderung. Es ist daher lediglich zu prüfen, ob in Anbetracht der von der IRB angeführten Gründe im Lichte des Widerspruchsvorbringens die Einbehaltung weiterer Recherchengebühren gerechtfertigt war. Die Kammer kann daher nicht von Amts wegen untersuchen, ob der Einwand der mangelnden Einheitlichkeit aus anderen als den angegebenen Gründen gerechtfertigt gewesen wäre. Es könnte somit in einem möglichen späteren Verfahren nach Kapitel II PCT der Einwand mangelnder Einheitlichkeit mit anderer Begründung erneut erhoben werden.

9. Die Widerspruchsgebühr wird nicht zurückgezahlt, da der Widerspruch nicht in vollem Umfang begründet ist (Regel 40.2 e), letzter Satz PCT).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Eine der zusätzlichen Recherchengebühren wird zurückerstattet.

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