W 0014/00 (Einheitlichkeitsmangel "a priori") of 12.12.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:W001400.20001212
Datum der Entscheidung: 12 Dezember 2000
Aktenzeichen: W 0014/00
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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-
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 112(1)(a)
European Patent Convention 1973 Art 154(3)
European Patent Convention 1973 Art 155(3)
European Patent Convention 1973 R 70(2)
Patent Cooperation Treaty Art 34(2)
Patent Cooperation Treaty R 13
Patent Cooperation Treaty R 40(1)
Patent Cooperation Treaty R 40(2)
Schlagwörter: Mangel an Einheitlichkeit 'a priori'
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/89
G 0002/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Am 23. Juni 1999 hat die Anmelderin die internationale Anmeldung PCT/DE 99/.... eingereicht.

Die unabhängigen Ansprüche 1, 20, 30 und 31 dieser Anmeldung lauten wie folgt:

"1. Verfahren zum Ablösen von Edelmetallschichten von entsprechend beschichtetem Material ....

"20. Verfahren zur elektrolytischen Abscheidung von Edelmetallen ....

"30. Verfahren zur Rückgewinnung von Edelmetallen ....

"31. Verfahren zur Regeneration ....

II. Mit Bescheid vom 16. Dezember 1999 informierte das EPA in seiner Eigenschaft als Internationale Recherchenbehörde (IRB) die Anmelderin dahingehend, daß die Anmeldung dem Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung nach Regel 13.1 bis 13.3 PCT nicht entspreche, da sie zwei Erfindungen enthalte. Die Anmelderin wurde nach Artikel 17 (3) a) und Regel 40.1 PCT aufgefordert, innerhalb von 30 Tagen eine weitere Recherchengebühr zu entrichten.

In einer dieser Aufforderung beigefügten Anlage (gesondertes Blatt) wurde der Anmelderin u. a. die Auffassung der IRB mitgeteilt, daß die beiden Erfindungen durch die folgenden Anspruchsgruppen bestimmt seien:

1. Ansprüche 1 bis 19, 30 bis 32

2. Ansprüche 20 bis 29.

Die erste Anspruchsgruppe betreffe ein Verfahren zum Ablösen von Edelmetallschichten mittels ...., während die zweite Anspruchsgruppe auf ein Verfahren zur kathodischen Abscheidung .... gerichtet sei. Beide Aufgaben und Lösungen seien technisch jedoch so verschieden, daß im Hinblick auf die technischen Merkmale keine gemeinsame erfinderische Idee formuliert werden könne.

III. Die Anmelderin zahlte am 11. Januar 2000 die zusätzliche Recherchengebühr unter Widerspruch nach Regel 40.2 c) PCT, der am 17. Januar 2000 eingereicht wurde und worin die Anmelderin die Rückzahlung der zusätzlichen Recherchengebühr beantragte.

In der Begründung des Widerspruchs erläuterte sie im einzelnen ihre Ansicht, daß die beiden von der IRB genannten Gruppen eine einzige erfinderische Idee bildeten und daß die zweite Gruppe lediglich einen Teilaspekt der einzigen übergeordneten Aufgabe bzw. Idee darstelle. Die Anmelderin bemängelte weiterhin, daß die gemäß Regel 40.1 PCT geforderte Begründung der IRB in sich widersprüchlich und daher nicht ausreichend sei. So beanstande die IRB in der Mitteilung vom 16. Dezember 1999 nicht die Einheitlichkeit der Ansprüche 1 bis 19 und 30 bis 32, obwohl Anspruch 30 gleichzeitig auf die Ansprüche 1 bis 19 und 20 bis 29 rückbezogen sei und somit die Lehre der nach Ansicht der IRB vorhandenen beiden Erfindungen umfasse. Aufgrund dieses Widerspruchs habe die IRB die erforderliche Begründungspflicht nicht erfüllt.

IV. In ihrer Mitteilung über die Überprüfung der Aufforderung zur Zahlung der zusätzlichen Recherchengebühr vom 17. März 2000 unterrichtete die IRB die Anmelderin, daß die Aufforderung berechtigt war und forderte sie auf, für die weitere Prüfung des Widerspruchs eine Widerspruchsgebühr von 1022,00 Euro innerhalb eines Monats zu entrichten. In ihrer Begründung legte die IRB dar, daß insbesondere Anspruch 30. sich auf zwei getrennte Gruppen von Erfindungen beziehe (Ablösung der Edelmetalle - elektrolytische Abscheidung der Edelmetalle), die aufgrund ihrer Unterschiede nicht als gleiche gemeinsame besondere technische Merkmale nach Regel 13 (2) PCT angesehen werden können. Ferner werde die in der Anmeldung genannte Aufgabe nicht durch die in den Ansprüchen 20 bis 29 bezeichneten technischen Merkmale gelöst.

V. Die Widerspruchsgebühr wurde von der Anmelderin am 14. April 2000 entrichtet. In einer weiteren Eingabe legte die Anmelderin erneut dar, daß es sich bei der Anmeldung um ein im Hinblick auf den Chemikalienverbrauch und Entsorgungsaufwand optimiertes Rückgewinnungs- oder Recyclingverfahren handele, das nach dem 1. Schritt, nämlich dem Ablösen der Edelmetalle von dem beschichteten Material durch eine chemische Lösung, zwangsläufig auch die nachfolgende Abscheidung der gelösten Metalle aus der Lösung und damit deren Rückgewinnung umfasse. Dies gehe aus Seite 4, Absatz 2 der Beschreibung unmißverständlich hervor. Zu diesem Verfahren gehöre ebenfalls die Regenerierung der verwendeten ....lösung. Alle drei Teilaspekte trügen gemeinsam zur Lösung des Problems, nämlich der Optimierung des beanspruchten Rückgewinnungsverfahrens, bei. Das Erfordernis der Einheitlichkeit sei mithin erfüllt.

In einer Stellungnahme, eingereicht am 23. Mai 2000, bemängelte die Anmelderin außerdem die fehlenden Unterschriften der für die Überprüfung zuständigen Bediensteten. Die Erfordernisse von Regel 70 (2) EPÜ seien mithin nicht erfüllt. Weiterhin sei die Unparteilichkeit der Überprüfungsstelle aufgrund der Mitwirkung des (gleichen) Recherchenprüfers nicht gegeben und der Verdacht der Befangenheit bestehe. Es liege somit ein Verstoß gegen das Unparteilichkeitsprinzip vor. Aus den genannten Gründen sei das Ergebnis der Überprüfungsstelle somit rechtsfehlerhaft, was allein schon die Rückzahlung der Widerspruchsgebühr rechtfertige. Da es sich in beiden Fällen um grundsätzliche rechtliche Probleme handele, werde deshalb im Rahmen von Artikel 112 (1) a) EPÜ beantragt, diese aufgetauchten Rechtsfragen der Großen Beschwerdekammer zur Entscheidung vorzulegen.

Entscheidungsgründe

1. Der Widerspruch ist zulässig.

2. Die Zuständigkeit der Beschwerdekammern zur Prüfung von Widersprüchen nach Artikel 154 (3) EPÜ in Verbindung mit Regel 40.2 c), Satz 2 PCT ist erst dann gegeben, wenn die vorherige Überprüfung durch die IRB wie in Regel 40.2 e), erster Satz PCT vorgeschrieben stattgefunden hat.

Im vorliegenden Fall bemängelt die Anmelderin, daß derjenige Prüfer, der die mit dem Widerspruch angefochtene Aufforderung nach Artikel 17 (3) PCT erlassen hat, auch bei deren Überprüfung mitgewirkt hat. Die Unparteilichkeit der Überprüfungsstelle sei mithin nicht gegeben.

Es ist jedoch zwischen i) der Prüfung des Widerspruchs und ii) der Überprüfung (der Berechtigung) der beanstandeten Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren zu unterscheiden. Im ersteren Fall ist der in Regel 40.2 c) bis e) PCT und Regel 68.3 d) PCT bezeichnete Ausschuß für das Europäische Patentamt als IPEA nach Artikel 155 (3) EPÜ in Verbindung mit Artikel 34 (2) a) PCT zweifellos die Beschwerdekammer. Zum zweiten Fall enthält der PCT betreffend das zuständige Gremium keine Angaben, jedoch gelten hierfür die in den gemäß Regel 89 PCT erlassenen Internationalen Richtlinien für die Recherche im PCT unter Sektion IV, Kapitel VII-3c genannten Bestimmungen (siehe PCT Gazette Special Issue, October 1998, S-06/1998(E)). Danach darf die Überprüfung nicht allein durch den Prüfer erfolgen, der die Uneinheitlichkeit festgestellt hat, sondern sie muß entweder

i) durch den Vorgesetzten dieses Prüfers, oder

ii) durch eine Überprüfungsstelle (review body) erfolgen, der dieser Prüfer jedoch angehören darf.

Somit sehen die Richtlinien des PCT bereits Maßnahmen vor, welche den rechtlichen Anforderungen der Unparteilichkeit und Objektivität dem Anmelder gegenüber Rechnung tragen. Im vorliegenden Fall belegt der Akteninhalt, daß sich die Überprüfungsstelle vorschriftsgemäß aus drei Mitgliedern, nämlich dem Leiter der Direktion, einem weiteren sachkundigen Prüfer und dem Recherchenprüfer, welcher die Einheitlichkeitsbeanstandung erhoben hat, zusammensetzte.

Im Hinblick auf die in den PCT Richtlinien gegebene Regelung und dem Beschluß des Vewaltungsrates vom 5. Juni 1992, Artikel 1 bis 3 in Verbindung mit dem Beschluß des Präsidenten des EPA vom 25. August 1992, Artikel 1 (ABl. EPA 7/1992, 322, 323 und ABl. EPA 9/1992, 547) ist die Zusammensetzung der mit der vorliegenden Überprüfung befaßten Überprüfungsstelle mithin nicht zu beanstanden.

3. Die Anmelderin bemängelt ferner die Angabe nur eines Namens (nämlich des Prüfers, der die Aufforderung ergehen ließ) auf der übersandten Mitteilung über das Ergebnis der Überprüfungsstelle. Die Entscheidung der Überprüfungsstelle sei deshalb rechtsfehlerhaft und somit aufzuheben.

Eine allgemeine Regelung bezüglich Unterschrift, Name und Dienstsiegel, wie sie das Europäische Patentübereinkommen in Regel 70 (1) EPÜ für Entscheidungen, Bescheide und Mitteilungen des Europäischen Patentamtes vorsieht, findet sich im weder im PCT selbst noch in seiner Ausführungsordnung. Zwar sieht Regel 43.8 PCT vor, daß im Internationalen Recherchenbericht der Name des verantwortlichen Bediensteten anzugeben ist. Dasselbe gilt nach Regel 70.14 PCT für den internationalen vorläufigen Prüfungsbericht. Für die Mitteilung über die Überprüfung der Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Recherchengebühren besteht dagegen keine entsprechende Vorschrift. Dies läßt sich dadurch erklären, daß die Überprüfungsstelle keine übergeordnete Instanz darstellt, deren Prüfungsergebnis eine beschwerdefähige Entscheidung ist. Vielmehr handelt es sich - im Gegensatz zu dem in Regel 40.2 e) PCT erwähnten Ausschuß bzw. der besonderen Instanz oder höheren Stelle - um eine interne Überprüfung durch die jeweilige IRB. Es ist somit weder eine Vorschrift noch ein anderer Grund erkennbar, welche die Anbringung der Namen oder die Unterschrift(en) der Mitglieder der Überprüfungsstelle auf der Mitteilung über die Überprüfung erfordern. Es muß jedoch aus dem Akteninhalt erkennbar sein, daß die in den genannten PCT-Richtlinien festgelegten Bedingungen für die Überprüfungsstelle erfüllt wurden. Wie oben bereits festgestellt wurde, ist dies der Fall.

4. Die von der Anmelderin beantragte Vorlage an die Große Beschwerdekammer der angesprochenen Rechtsfragen wird aus den oben genannten Gründen nicht für erforderlich erachtet, zumal der Widerspruch aus anderen Gründen Erfolg hat.

5. Die IRB stützt ihren Einwand der mangelnden Einheitlichkeit nicht auf den in der Anmeldung selbst genannten oder den bei der Recherche ermittelten Stand der Technik. Daraus folgt, daß es sich um eine "a priori" Einheitlichkeitsbeanstandung im Sinne der oben genannten PCT Richtlinien zur Durchführung der Internationalen Recherche Sektion IV, Kapitel VII, Ziffer 9 handelt. In einem solchen Falle ist ausschließlich die von der Anmelderin genannte, subjektive Aufgabe heranzuziehen. Dies ermöglicht die Beurteilung, ob der Gegenstand der Erfindung, der als Lösung dieser Aufgabe beansprucht wird, eine einzige allgemeine erfinderische Idee darstellt.

Gemäß Seite 4, Absatz 2 und 3 der vorliegenden Anmeldung besteht die subjektive Aufgabe in der Bereitstellung eines Verfahrens, das es ermöglicht, Edelmetalle von damit beschichtetem Material mit minimalem Chemikalien- und Entsorgungsaufwand kostengünstig zurückzugewinnen. Die Bedeutung des Wortes "zurückgewinnen" ergibt sich unmißverständlich aus dem folgenden Satz, wonach darunter i) eine verbesserte Ablösung der Edelmetalle und ii) eine verbesserte Abscheidung der gelösten Metalle aus dem Lösungsmittel zu verstehen ist. Es ist somit unstrittig, daß die Rückgewinnung beide Vorgänge umfaßt. Zudem wird klargestellt, daß das beanspruchte Verfahren auch eine verbesserte Regeneration der verwendeten ....lösung anstrebt. Alle diese Teilaufgaben dienen in ihrem Zusammenwirken dem übergeordneten gemeinsamen oben genannten Ziel. Es kann nicht bestritten werden, daß diese Aufgabe zumindest durch die im Anspruch 30, der auf die Ansprüche 1 bis 19 und 20 bis 29 rückbezogen ist, genannten Merkmale gelöst wird. Dies scheint auch die IRB zunächst so zu bewerten. Während die IRB in der Mitteilung vom 16. Dezember 1999 einerseits Anspruch 30 zusammen mit den Ansprüchen 1 bis 19, 31, 32 als erste Gruppe und damit als einheitlich ansieht, stellt sie andererseits diese Aussage in der Mitteilung vom 17. März 2000 dadurch wieder in Frage, daß sie die in Anspruch 30 zusammengefaßten Verfahren einzeln nicht als "besondere technischen Merkmale" im Sinne von Regel 13 (2) PCT ansieht. Der Anmelderin ist insofern zuzustimmen, daß die Aussagen der IRB in diesem Punkt in sich widersprüchlich sind.

Die Kammer kann sich auch nicht der Ansicht der IRB anschließen, daß die Ablösung der Edelmetalle einerseits und deren Abscheidung aus dem Lösungsmittel andererseits so grundlegend voneinander verschieden seien, daß kein technischer Zusammenhang zwischen ihnen bestehe und sich keine gemeinsame erfinderische Idee formulieren ließe. In beiden Fällen handelt es sich um die Anwendung der gleichen chemischen Reaktionsgleichung (Oxidation - Reduktion), deren Ablaufrichtung lediglich umgekehrt wurde. Es ist mithin nicht gerechtfertigt, von technisch so verschiedenen Aufgaben und Lösungen zu sprechen, daß a priori keine einzige erfinderische Idee formuliert werden könnte.

Außerdem gibt die Überprüfungsstelle in Punkt 3 keine nachvollziehbare Begründung, warum die Merkmale von Anspruch 20 bis 29 nicht zur Lösung der gestellten Aufgabe beitragen. Die Anmeldung enthält in diesem Zusammenhang auf Seite 7, Absätze 1 bis 3 die Aussage, daß durch die gewählte elektrolytische Abscheidung die Verunreinigungen ..... herabgedrückt werden, was als besonders vorteilhafter Aspekt des Rückgewinnungsverfahrens angesehen wird.

6. In diesem Zusammenhang wird noch auf die Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 1/89 und G 2/89 hingewiesen. Danach ist die mangelnde Einheitlichkeit in eindeutigen Fällen zu beanstanden, jedoch in Grenzfällen zugunsten des Anmelders zu entscheiden. Insbesondere sollte kein am Wortlaut haftendender, akademischer Standpunkt vertreten werden.

7. Da somit die in der Aufforderung der IRB vom 16. Dezember 1999 angegebenen Gründe für die festgestellte Uneinheitlichkeit nicht überzeugen können, war die Aufforderung zur Zahlung einer zusätzliche Gebühr nicht gerechtfertigt. Demzufolge sind die zusätzliche Gebühr und die Widerspruchsgebühr gemäß Regel 40.2 c) bzw. Regel 40.2 e) PCT in vollem Umfang zurückzuzahlen.

8. Das Widerspruchsverfahren nach Regel 40.2c) PCT dient der materiell-rechtlichen Überprüfung der Berechtigung der Zahlungsaufforderung. Es ist daher lediglich zu prüfen, ob in Anbetracht der von der IRB angeführten Gründe im Lichte des Widerspruchsvorbringens die Einbehaltung weiterer Recherchengebühren gerechtfertigt war. Die Kammer kann daher nicht von Amts wegen untersuchen, ob der Einwand der mangelnden Einheitlichkeit aus anderen als den angegebenen Gründen gerechtfertigt gewesen wäre. Es könnte somit in einem möglichen späteren Verfahren nach Kapitel II PCT der Einwand mangelnder Einheitlichkeit mit anderer Begründung erneut erhoben werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die zusätzliche Recherchengebühr und die Widerspruchsgebühr sind zurückzuzahlen.

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