T 1087/99 () of 17.10.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T108799.20021017
Datum der Entscheidung: 17 October 2002
Aktenzeichen: T 1087/99
Anmeldenummer: 93810726.5
IPC-Klasse: B41F 33/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Numerieren von Wertscheinbogen und Numerierwerke zur Durchführung dieses Verfahrens
Name des Anmelders: KBA-GIORI S.A.
Name des Einsprechenden: Komori Corporation
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Neuheit, erfinderische Tätigkeit (ja)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 0 598 679 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt.

II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der in Artikel 100 a) EPÜ genannte Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehe.

III. Am 17. Oktober 2002 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

i) Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 5 des Streitpatents in erteilter Fassung.

Die Beschwerdeführerin beantragte ferner die Rückzahlung der Beschwerdegebühr (Regel 67 EPÜ).

ii) Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

IV. Der unabhängige Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung lautet wie folgt:

"1. Verfahren zum Numerieren von Wertscheinbogen, die mit je N Wertscheindrucken, sogenannten Nutzen, in Quer- und Längsreihen angeordnet, bedruckt sind und nacheinander eine Numeriermaschine mit N Numerierwerken durchlaufen, wobei die Numerierung einen geschlossenen Nummernkreis mit W Wertscheinen umfasst und die Anzahl der Bogen ein Vielfaches von 100 beträgt, dadurch gekennzeichnet, dass die Nutzenzahl N durch 10 teilbar ist und auf jedem Bogen je 10 benachbarte Nutzen eine Zehnergruppe bilden, welche Nummern derselben Tausender-Serie erhalten, dass in jeder Sequenz von 100 aufeinanderfolgenden Bogen die jeweils an der gleichen Wertscheinposition, das heisst in derselben Querreihe und in derselben Längsreihe, liegenden Nutzen mit den 100 aufeinanderfolgenden Nummern einer bestimmten Hunderter-Serie und die zehn Nutzen einer Zehnergruppe jedes Bogens mit Nummern aufeinanderfolgender Hunderter-Serien bei gleichen Einer- und Zehner-Ziffern numeriert werden, dass die Nutzen auf allen nachfolgenden Sequenzen von je 100 Bogen mit Nummern aufeinanderfolgender Tausender-Serien bei jeweils gleichen Einer-, Zehner- und Hunderter-Ziffern für die an den gleichen Wertscheinpositionen liegenden Nutzen numeriert werden, so dass die zu ein und derselben Zehnergruppe gehörenden Nutzen einer Sequenz von 100 Bogen die komplette Nummernsequenz einer bestimmten Tausender-Serie und die zur derselben Zehnergruppe gehörenden Nutzen der folgenden Sequenz von 100 Bogen die komplette Nummernsequenz der folgenden Tausender-Serie erhalten, und dass die zu verschiedenen Zehnergruppen gehörenden Nutzen derart numeriert werden, dass sich die Nummern einer Zehnergruppe von den Nummern einer anderen Zehnergruppe um einen Betrag unterscheiden, der wenigstens gleich W/Z ist, wobei Z die Anzahl der Zehnergruppen eines Bogens ist."

V. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D1: EP-B 0 167 196 (im Streitpatent, Spalte 1, Zeile 18, zitiert);

D2: DE-A 25 02 987 (im Streitpatent, Spalte 1, Zeile 18. zitiert);

E1: EP-A 0 286 317;

E4: US-A 4,677,910 (gleiche Priorität wie Dokument D1);

E5: US-A 3,939,621 (gleiche Priorität wie Dokument D2);

E6: US-A 1,586,915;

JRM1: Komori International Currency Printing Systems Seminar Tokyo, Inhaltsangabe sowie Seiten 7-1 bis 7-4;

MPR7: Schreiben der Reserve Bank of India, datiert vom 23. April 1990, betreffend eine Einladung für eine Angebotserstellung ("Invitation to Tender").

VI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

i) Der Gegenstand des unabhängigen Patentanspruchs 1 sei neu gegenüber dem vorgelegten Stand der Technik.

Insbesondere offenbare Dokument E1 unter anderem nicht die Anordnung von Zehnergruppen von Nutzen auf einem Bogen und enthalte weder Angaben zur Bildung von Hunderterpäckchen von Wertscheinen mit fortlaufender Numerierung noch zur Bildung von Tausenderserien.

Gemäß dem in Dokument E6 offenbarten Verfahren erfolge keine fortlaufende Numerierung von Bogen, sondern es würden Stapel von Bogen mit den jeweils gleichen Nummern bedruckt und die Bogen dann entsprechend gesammelt, um auf diese Weise Bogenstapel mit fortlaufender Numerierung zu erhalten.

Dokument E4 beschäftige sich mit dem Problem von Fehldrucken und lehre eine fortlaufende Numerierung von Wertscheinen, wobei nur die einwandfreien Wertscheine auf der Bahn oder dem Bogen numeriert würden.

ii) Dokument MPR7 enthalte vertrauliche Informationen, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich gewesen seien. Gerade auf dem speziellen Gebiet der Banknotenherstellung sei aus Sicherheitsgründen Vertraulichkeit geboten, und die beteiligten Firmen seien zur Vertraulichkeit verpflichtet. Der Inhalt dieser Dokumente sei damit nicht dem Stand der Technik zuzuordnen.

iii) Der Gegenstand des unabhängigen Patentanspruchs 1 beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der nächstliegende Stand der Technik stelle das aus der Praxis bekannte, im Streitpatent in Spalte 1, Zeile 13 bis Spalte 2, Zeile 11 im Zusammenhang mit den Figuren 1 und 2 beschriebene Verfahren zur Numerierung von Banknoten dar. Ein Problem dieses bekannten Verfahrens liege unter anderem darin, daß zur Herstellung eines Paketes von 1000 fortlaufend numerierten Banknoten gewartet werden müsse, bis zumindest 1000 aufeinanderfolgende Bogen numeriert seien.

Die Aufgabe bestehe, wie im Streitpatent auf Spalte 3, Zeilen 20 bis 29 dargelegt, unter anderem darin, ein Verfahren zur Numerierung von Wertscheinen zu schaffen, bei welchem die Anzahl von zu numerierenden Bogen, die zur Herstellung eines Pakets von 1000 fortlaufend numerierten Banknoten erforderlich sei, gegenüber der bisherigen Anzahl von 1000 wesentlich verringert sei.

Diese Aufgabe werde durch das in Patentanspruch 1 des Streitpatents angegebene Verfahren gelöst, wobei insbesondere die Anzahl der Bogen zur Bildung von 1000 fortlaufend numerierten Banknoten auf 100 verringert werde.

Der Stand der Technik lege das beanspruchte Verfahren nicht nahe.

Dokument E1 lehre lediglich die Erstellung von Päckchen von 100 Noten mit fortlaufender Numerierung, gebe aber keine Hinweise zur Bildung von 1000er Päckchen oder von Sequenzen von 1000er Päckchen mit jeweils fortlaufender Numerierung.

Ferner sei ein wesentliches Merkmal des in Dokument E1 beschriebenen Verfahrens, daß die Numerierung nicht im Bogen, sondern in Streifen erfolge, wobei diese Streifen jeweils nur eine Reihe von Banknoten enthielten ("single file").

Dokument E1 gebe keine Lösung für eine fortlaufende Numerierung in einer Mehrstreifenanordnung ("multiple files") an. Ferner finde sich weder ein Hinweis auf eine Anordnung von Wertscheinen in mehreren Zehnergruppen, noch ein Hinweis, daß die Anzahl der Numerierwerke mit der Anzahl der zu numerierenden Nutzen auf einem Bogen korreliere.

Auch das Dokument E6 enthalte keine Angaben zum Numerieren von Tausendersequenzen. Dort würden jeweils 100 Bogen mit stets gleichen Nummern gedruckt.

Die Dokumente E1 und E6 könnten daher die Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht nahelegen. Das Gleiche gelte auch im Hinblick auf die weiteren den Stand der Technik wiedergebenden Dokumente.

iv) Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr werde beantragt, da die Einspruchsabteilung nicht vorab, sondern erst in der schriftlichen Begründung der Entscheidung dargelegt habe, worin sie den Unterschied zwischen dem Stand der Technik (Dokument E1) und dem Gegenstand des Streitpatents sehe und warum dieser Unterschied keine erfinderische Tätigkeit begründen könne. Die Beschwerdeführerin habe damit keine Gelegenheit gehabt, zu diesen Punkten Stellung zu nehmen. Zudem habe die Einspruchsabteilung in einer Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung noch die vorläufige Meinung vertreten, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

i) Durch die Streichung des letzten Absatzes auf Spalte 9 des Streitpatents, der den Fall beschreibe, daß ein Bogen nur 10 Nutzen aufweise, gehe der Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Es gebe keine Basis in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, daß dieser Fall ausgeschlossen sein sollte. Durch diese Streichung sei auch nicht klar, ob Patentanspruch 1. des Streitpatents diesen Fall erfasse oder nicht.

Das Streitpatent in der geänderten Fassung genüge daher nicht den Bestimmungen der Artikel 123 (2) und 84 EPÜ.

ii) Nach geltender Rechtsprechung seien in einem Patentanspruch Angaben im Plural so zu interpretieren, daß auch der Singular eingeschlossen sei. Ferner werde der Gegenstand eines Patentanspruchs durch die Auslegung seines Wortlauts im weitesten Sinne bestimmt.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sei ein Konzept zum Numerieren von Banknoten, wobei in einem Stapel von 100 Bogen die auf den Bogen jeweils benachbarten Nutzen fortlaufende Hunderterserien bilden und so aus hundert Bogen mit jeweils 10 Nutzen ein Paket von 1000 Noten mit fortlaufender Numerierung erstellt werden könne. Dieses Konzept sei bereits vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents aus den Dokumenten E1 und E6 sowie aus dem "Tokyo-Seminar" (Dokument JRM1) bekannt gewesen.

Ferner verweise Dokument E1 explizit auf die Möglichkeit einer Mehrstreifenanordnung hin, also der Anordnung der Nutzen in Reihen und Spalten. Die Anzahl der Numerierwerke mit der Anzahl der zu numerierenden Wertscheine auf einem Bogen zu korrelieren, sei eine sich aus dem Zusammenhang ergebende zwangsläufige Folge.

Weiterhin schließe der Wortlaut des Patentanspruchs 1 nicht aus, daß zwischen dem Bedrucken von Bogen mit fortlaufender Numerierung zusätzliche Bogen die Maschine durchlaufen. Er erfasse damit auch das in Dokument E6 beschriebene Verfahren, wenn die einem ersten Bogen folgenden 99 Bogen mit gleicher Numerierung als eingeschobene Bogen betrachtet würden.

Patentanspruch 1 des Streitpatents sei zudem so weit gefaßt, daß auch das im Streitpatent anhand der Figuren 1 und 2 dargestellte Verfahren für den Fall, daß die Gesamtzahl der zu numerierenden Banknoten 4000 betrage, erfaßt sei.

iii) Ausgehend von dem im Streitpatent beschriebenen Stand der Technik ergebe sich die Aufgabe, die Anzahl der Bogen zu reduzieren, die für die Herstellung einer Serie von 1000 Wertscheinen mit fortlaufender Numerierung erforderlich sei.

Dokument E1 zeige, daß man durch Nebeneinanderanordnung der Hunderterserien in einem Stapel aus 100 Bogen eine Sequenz von 1000 Wertscheinen mit fortlaufender Numerierung herstellen könne. Zudem weise Dokument E1 darauf hin, daß bei diesem Numerierungskonzept nach 100 Wertscheinen eine Umstellung des Numerierwerks erforderlich sei, das durch computergesteuerte Numerierwerke realisierbar sei.

Die Anwendung dieses Numerierungskonzept sei naheliegend und der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

iv) Aus dem Dokument MPR7 und auch aus einer im Laufe des Prüfungsverfahrens des Streitpatents eingegangenen Eingabe Dritter gehe hervor, daß mehrere Firmen, wie Komori Corp. und Heidelberger Druckmaschinen, vor dem Prioritätszeitpunkt von dem Numerierungskonzept gemäß dem Streitpatent Kenntnis gehabt hätten und diese Informationen auch an Numerierwerkhersteller weitergegeben hätten. Dieses Numerierungskonzept sei daher in den hier betroffenen Fachkreisen bekannt und damit der Öffentlichkeit zugänglich gewesen.

Die Reserve Bank of India hätte als Einholende von Angeboten für die Realisierung dieses Numerierungskonzept auch kein Interesse an einer Geheimhaltung gehabt.

Der Inhalt des Dokuments MPR7 sei daher dem vor dem Prioritätstag des Streitpatents zugänglichen Stand der Technik zuzurechnen.

Entscheidungsgründe

1. Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in erteilter Fassung

1.1. Patentanspruch 1 des Streitpatents betrifft ein Verfahren zum Numerieren von Wertscheinbogen, das eine Reihe von Merkmalen umfaßt. Zur Erleichterung der nachfolgenden Analyse sind die Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents wie folgt zusammengefaßt, gegliedert und numeriert. Wesentliche Aspekte sind dabei durch Fettdruck hervorgehoben.

a) Verfahren zum Numerieren von Wertscheinbogen, die mit je N Wertscheindrucken, sogenannten Nutzen, in Quer- und Längsreihen angeordnet, bedruckt sind und nacheinander eine Numeriermaschine mit N Numerierwerken durchlaufen, wobei

b) die Numerierung einen geschlossenen Nummernkreis mit W Wertscheinen umfaßt und die Anzahl der Bogen ein Vielfaches von 100 beträgt,

dadurch gekennzeichnet, daß

c) die Nutzenzahl N durch 10 teilbar ist und

d) auf jedem Bogen je 10 benachbarte Nutzen eine Zehnergruppe bilden, welche Nummern derselben Tausender-Serie erhalten,

f) in jeder Sequenz von 100 aufeinanderfolgenden Bogen die jeweils an der gleichen Wertscheinposition, das heißt in derselben Querreihe und in derselben Längsreihe, liegenden Nutzen mit den 100 aufeinanderfolgenden Nummern einer bestimmten Hunderter-Serie und die zehn Nutzen einer Zehnergruppe jedes Bogens mit Nummern aufeinanderfolgender Hunderter-Serien bei gleichen Einer- und Zehner-Ziffern numeriert werden,

g) die Nutzen auf allen nachfolgenden Sequenzen von je 100 Bogen mit Nummern aufeinanderfolgender Tausender-Serien bei jeweils gleichen Einer-, Zehner- und Hunderter-Ziffern für die an den gleichen Wertscheinpositionen liegenden Nutzen numeriert werden, so daß die zu ein und derselben Zehnergruppe gehörenden Nutzen einer Sequenz von 100 Bogen die komplette Nummernsequenz einer bestimmten Tausender-Serie und die zur derselben Zehnergruppe gehörenden Nutzen der folgenden Sequenz von 100 Bogen die komplette Nummernsequenz der folgenden Tausender-Serie erhalten, und

h) die zu verschiedenen Zehnergruppen gehörenden Nutzen derart numeriert werden, daß sich die Nummern einer Zehnergruppe von den Nummern einer anderen Zehnergruppe um einen Betrag unterscheiden, der wenigstens gleich W/Z ist, wobei Z die Anzahl der Zehnergruppen eines Bogens ist.

1.2. Gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents, siehe insbesondere Merkmal a), sind die Nutzen auf den Wertscheinbogen in Quer- und Längsreihen angeordnet. Verfahren, bei denen die Wertscheindrucke nur in einer Längsreihe ohne zusätzliche Querreihen, also in einer sogenannten "single file" Anordnung vorliegen, sind somit nicht Gegenstand des Patentanspruchs 1.

Ferner bilden gemäß Merkmal d) auf jedem Bogen je 10 benachbarte Nutzen eine Zehnergruppe, wobei sich, gemäß Merkmal h), die Nummern einer Zehnergruppe von den Nummern einer anderen Zehnergruppe mindestens um den Betrag W/Z unterscheiden. Die Bogen enthalten damit mehrere Zehnergruppen.

2. Änderungen

Auf Spalte 10, Zeilen 3 bis 9 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (veröffentlichte Version) bzw. Spalte 9, Zeilen 47 bis 52 des Streitpatents wird auf eine spezielle Ausführungsform verwiesen, gemäß der die Bogen jeweils nur 10 Nutzen aufweisen.

Wie in Punkt 1.2 oben dargelegt, ist diese Ausführungsform vom Wortlaut des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sowohl in der ursprünglich eingereichten als auch in der wortgleichen erteilten Fassung nicht erfaßt.

Durch die Streichung des letzten Absatzes auf Spalte 9, Zeilen 47 bis 59 des Streitpatents, und damit dieser Ausführungsform, wurde somit eine vom Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht erfaßte Ausführungsform gestrichen. Der Gegenstand dieses Patentanspruchs ist damit auch im Lichte der Beschreibung klar gestellt und gegen einen in Richtung dieser Ausführungsform gehenden Stand der Technik abgegrenzt.

Der Gegenstand des Streitpatents erfuhr durch diese Änderung auch keine Erweiterung im Sinne von Artikel 123 (2) EPÜ.

Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 ist wortgleich in Patentanspruch 1 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart. Die aus der Beschreibung gestrichene Ausführungsform ist als nicht wesentliches Beispiel beschrieben, das "praktisch kaum von Interesse" sei, siehe Spalte 10, Zeilen 8 und 9 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (veröffentlichte Version).

Die weiteren in der Beschreibung vorgenommenen Änderungen waren unstrittig und betreffen insbesondere die Anpassung der Beschreibung an den Gegenstand der Patentansprüche nach Wegfall des Patentanspruchs 6 des Streitpatents.

Die Änderungen in der Beschreibung sind somit in Einklang mit den Erfordernissen der Artikel 84 und 123 (2) EPÜ.

3. Dokument MPR7

Das Dokument MPR7 enthält Auszüge zu einer Angebotseinholung der Reserve Bank of India zu Einrichtungen für die Produktion von Banknoten. Da es hierbei um eine Geschäftstätigkeit in einem speziellen, sicherheitstechnisch sensiblen Gebiet handelt, folgt die Kammer der Auffassung der Beschwerdeführerin, daß hier grundsätzlich davon auszugehen ist, daß Vertraulichkeit angesagt ist und etwaige Beteiligte verpflichtet sind, Informationen auch entsprechend vertraulich zu behandeln.

Im vorliegenden Fall liegt kein Nachweis vor, dem zweifelsfrei entnehmbar wäre, daß die in Dokument MPR7 enthaltenen Informationen vor dem Prioritätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit tatsächlich zugänglich waren. Auch der Hinweis, daß mehrere Firmen von dem sogenannten indischen Numerierungssystem Kenntnis gehabt hätten, kann nicht als Nachweis dafür angesehen werden, daß diese Informationen der Öffentlichkeit zugänglich waren. Hinzu kommt, daß auch im Fall, daß weitere Firmen konsultiert werden, nach Auffassung der Kammer davon auszugehen ist, daß bei einer damit verbundenen etwaigen Weitergabe von Informationen auch diese Firmen zur Vertraulichkeit verpflichtet sind.

Die Kammer ist daher der Auffassung, daß das Dokument MPR7 nicht Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ darstellt.

4. Neuheit

Keines der Dokumente zum Stand der Technik offenbart ein Verfahren mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.

4.1. Von dem in den Dokumenten D2 und E5 beschriebenen Verfahren, das im wesentlichen dem im Streitpatent auf Spalte 1, Zeile 13 bis Spalte 2, Zeile 11 beschriebenen Stand der Technik entspricht, unterscheidet sich das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents unter anderem dadurch, daß eine Vielzahl von Stapel von jeweils 100 Bogen so numeriert werden, daß innerhalb eines Stapels von 100 Bogen 1000 Wertscheine mit fortlaufender Numerierung entstehen.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß gemäß dem oben zitierten Merkmal b) des Verfahrens nach Patentanspruch 1 des Streitpatents die Anzahl der Bogen ein Vielfaches von 100 beträgt. Verfahren, bei denen ein geschlossener Nummernkreis von Wertscheinen nur mit 100 Bogen hergestellt wird, sind somit nicht Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.

4.2. Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents unterscheidet sich von den in den Dokumenten E1, E6 und JRM1 offenbarten Verfahren unter anderem dadurch, daß sich in diesen Dokumenten kein Hinweis findet, für die Numerierung von N Nutzen auf einem Bogen die gleiche Anzahl von N Numerierwerken zu verwenden.

Gemäß Figur 2 von Dokument E1 werden die Wertscheine eines Streifens mit vier Numerierwerken, 32I bis 35I, numeriert, wobei jeder Wertschein auf jedem dieser Streifen von dem einen oder anderen Numerierwerk seine ihm eigene Nummer erhalten kann, siehe Spalte 8, Zeilen 42. bis 44. Damit entspricht die Anzahl der Wertscheine auf einem Streifen nicht zwangsläufig der Anzahl der Numerierwerke.

4.3. Gemäß dem aus den Dokumenten D1 und E4 bekannten Verfahren verschiebt sich die Numerierung der Nutzen bei Auftreten von Fehldrucken, so daß sie nicht mehr mit der Position der Nutzen auf der Bahn oder dem Bogen korreliert ist, siehe Dokument D1, Spalte 12, Zeilen 23 bis 27, bzw. Dokument E4, Spalte 10, Zeilen 44 bis 47 sowie jeweils Figur 5 dieser Dokumente.

Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents unterscheidet sich somit von diesem Verfahren unter anderem dadurch, daß die Numerierung der Nutzen auf einem Bogen durch deren jeweilige Position bestimmt ist.

4.4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist damit neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1. Der nächstliegende Stand der Technik ist das in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents, Spalte 1, Zeile 13 bis Spalte 2, Zeile 11 beschriebene und in den Figuren 1 und 2 veranschaulichte Verfahren zum Numerieren von Banknoten.

Gemäß diesem bekannten Verfahren, das beispielsweise in Dokument D2 bzw. dem prioritätsgleichen Dokument E5 beschrieben ist, werden die Bogen nacheinander in einer Numeriermaschine derart numeriert, daß alle Nutzen, welche die gleiche Position auf den Bogen haben, das heißt sich in derselben Querreihe und derselben Längsreihe befinden, fortlaufende Nummern erhalten, wobei sich diese Nummernsequenz durchgehend bis zur Fertigstellung eines sogenannten geschlossenen Nummernkreises erstreckt.

Um ein Paket mit tausend fortlaufend numerierten Banknoten zu erhalten, muß also mindestens so lange gewartet werden, bis zumindest eintausend aufeinanderfolgende Bogen numeriert, zerschnitten und die anfallenden Bündel banderoliert und sortiert worden sind. Ferner gestalten sich die Kontrolle auf Fehldrucke, d. h. insbesondere Fehlnumerierungen, und der Ersatz von Fehldrucken durch einwandfreie Wertscheine mit der korrekten Nummer kompliziert, da im Falle eines Fehldrucks immer eine Tausender-Serie betroffen ist, siehe Streitpatent, Spalte 2, Zeile 47 bis Spalte 3, Zeile 2.

5.2. Dem Streitpatent liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zum Numerieren zu schaffen, bei welchem die kleinstmögliche Anzahl von zu numerierenden Bogen, die zur Herstellung eines Pakets von 1000 fortlaufend numerierten Banknoten erforderlich ist, gegenüber der bisherigen Anzahl von 1000 wesentlich verringert und gleichzeitig die Kontrolle der Wertscheindrucke sowie die Entfernung von Fehldrucken und das Einfügen einwandfreier Wertscheine mit korrekter Nummer erleichtert wird, siehe Spalte 3, Zeilen 20 bis 29 des Streitpatents.

Diese Aufgabe wird durch das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents gelöst, wobei diese Lösung in ihrer Gesamtheit angesichts des vorliegenden Standes der Technik aus folgenden Gründen nicht nahegelegen hat.

5.3. Dokument E1 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von fortlaufend numerierten Wertscheinen aus einer Vielzahl von nicht numerierten, auf eine Bahn oder Bogen aufgedruckten Wertscheinen. Ein wesentlicher Aspekt dieses Verfahrens ist jedoch darin zu sehen, daß Wertscheinstreifen verarbeitet werden, die nur eine Reihe von Wertscheinaufdrucken enthalten, und diese unnumerierten Streifen eine Numeriereinrichtung durchlaufen. In der Zusammenfassung der Erfindung, siehe Spalte 3, Zeilen 21 bis 24 und 44 bis 48, und in den unabhängigen Ansprüche 1 und 12 wird diese "single file" Anordnung der Wertscheine als Lösung der vorliegenden Probleme dargestellt. Ferner werden die Vorteile dieser Lösung, wie vereinfachte Bearbeitung und Reduzierung der Anzahl der Numerierwerke, hervorgehoben, siehe Spalte 4, Zeilen 6 bis 11 und 35 bis 39. Im Rahmen dieser Lösung können anschließend an das Numerierwerk aus einem Stapel von 100 dieser Streifen Päckchen von jeweils 100 Noten mit fortlaufender Numerierung hergestellt werden, siehe Spalte 4, Zeilen 51 bis 56.

5.4. Die in Dokument E1 angegebene Lösung zeigt damit in eine vom Gegenstand des Streitpatents abweichende Richtung. Das Streitpatent hat die Numerierung von Wertscheinbogen zum Gegenstand, wobei N Wertscheindrucke oder Nutzen in Reihen und Spalten auf dem Bogen angeordnet und diese Bogen nacheinander eine Numeriermaschine mit N Numerierwerken durchlaufen, siehe Merkmal a) oben.

Es ist zwar richtig, daß in Dokument E1 in Spalte 14, Zeilen 5 bis 11, auch auf die Möglichkeit hingewiesen wird, auf einer Bahn die Wertscheindrucke in mehreren Reihen vorzusehen. Die Offenbarung des Dokuments E1 erschöpft sich aber diesbezüglich mit dem Hinweis, daß in diesem Fall die Bahn eine Folge von Numerierungsstationen durchlaufen könnte, wobei in jeder dieser Stationen nur jeweils eine dieser Reihen numeriert werde und die Bahn nach dem Durchlaufen dieser Stationen längsgeschnitten werde, um die einzelnen Streifen zu stapeln.

Zunächst ist festzustellen, daß sich diese Alternative auf die Verarbeitung von auf Bahnen und nicht auf Bogen gedruckte Wertscheine richtet. Weiterhin finden sich in Dokument E1 keine Angaben, wie in diesem Fall eine fortlaufende Numerierung der Wertscheine erfolgt. Insbesondere finden sich keine Angaben, in welcher Weise die Wertscheine zu numerieren sind, um Tausenderserien von Wertscheinen mit fortlaufender Numerierung zu erzeugen.

Dokument E1 enthält somit keine Anregung, die Anzahl der Wertscheine auf einem Bogen mit der Anzahl der Numerierwerke zu korrelieren, die in Reihen und Spalten angeordneten Wertscheine gemäß ihrer Position zu numerieren, mehrere Zehnergruppen vorzusehen und Tausender-Serien dadurch zu erzeugen, daß die zur derselben Zehnergruppe gehörenden Nutzen der folgenden Sequenz von 100 Bogen die komplette Nummernsequenz der folgenden Tausender-Serie erhalten.

Es findet sich somit in Dokument E1 keine Anregung zu einem Verfahren mit insbesondere den Merkmalen a), d), f), g) und h) des Anspruchs 1 des Streitpatents in der in Punkt 1.1 oben angegebenen Gliederung.

5.5. Man mag zwar vorbringen, daß der Fachmann, angesichts der hier gestellten Aufgabe, die in Dokument E1 gegebene Lehre, eine fortlaufende Serie von Hunderterpäckchen von Wertscheinen aus einem Stapel von 100 Streifen zu erzeugen, aufgreift und in das in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents beschriebene bekannte Verfahren einfließen läßt.

Die in Dokument E1 gegebene Lehre weist jedoch, wie oben gezeigt, in eine zu der im Streitpatent vorgeschlagenen Lösung andere Richtung ("single file"), die von einer Reihe von Merkmalen des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1. des Streitpatents wegführt. Darunter fallen unter anderem die Anordnung der Nutzen in Reihen und Spalten, die Numerierung mit N Numerierwerken sowie die Bildung von mehreren Zehnergruppen mit fester Korrelation von Position und Numerierung (siehe die in Punkt 1.1 oben zitierten Merkmale a), d), g) und h)).

Es lag daher nach Ansicht der Kammer nicht auf der Hand, die in Dokument E1 gegebene Lehre, eine fortlaufende Serie von Hunderterpäckchen von Wertscheinen aus einem Stapel von 100 Streifen zu erzeugen, von der dort als wesentlich offenbarten einreihigen Anordnung der Wertscheine und der sich daraus ergebenden Vorteile zu entkoppeln und in der erfindungsgemäßen Form mit der Lehre des nächstliegenden Standes der Technik zu kombinieren.

Insbesondere ist nicht zu erkennen, daß der Fachmann, sollte er diese Lehren tatsächlich zu kombinieren versuchen, ein Verfahren mit gerade der in Patentanspruch 1 des Streitpatents enthaltenen speziellen Kombination von Merkmalen in Betracht ziehen würde.

5.6. Die weiteren im Beschwerdeverfahren genannten Druckschriften können den Gegenstand des Patentanspruchs 1. des Streitpatents weder alleine noch in Kombination nahelegen.

Dokument D2 und das prioritätsgleiche Dokument E5 offenbaren im wesentlichen den im Streitpatent beschriebenen und oben bereits berücksichtigten Stand der Technik.

Dokument JRM1 geht inhaltlich nicht über die in Dokument E1 gegebene Lehre hinaus.

Die Dokumente D1 und E4 weisen einen anderen Weg, in dem die Numerierung der Nutzen auf einem Bogen nicht durch ihre jeweilige Position bestimmt wird, sondern bei Fehldrucken die fortlaufende Numerierung unterbrochen wird.

Dokument E6 lehrt die Erzeugung eines Bogenstapels mit fortlaufender Numerierung der Nutzen durch Sammeln von Bogen aus einer Vielzahl von Stapeln mit innerhalb jeden Stapels mit gleichen Nummern bedruckten Bogen.

5.7. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 betreffen Weiterbildungen der Erfindung und beruhen ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.

6. Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Aus den im Laufe des Einspruchsverfahrens eingegangenen Schriftsätzen und dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung geht hervor, daß sowohl die Neuheit als auch die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in bezug auf den Stand der Technik, insbesondere wie aus Dokument E1 bekannt, erörtert wurde.

Die Beschwerdegegnerin hat dabei ausgeführt, daß alle Merkmale des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung aus dem Dokument E1 hervorgingen und die Beschwerdeführerin hinreichend Gelegenheit gehabt habe, ihre Argumente zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 des Streitpatents vorzubringen.

Die Kammer ist ferner der Auffassung, daß das entscheidende Organ, hier die Einspruchsabteilung, zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nicht verpflichtet ist, nach Vortrag der Parteien, darauf hinzuweisen, worin sie im Detail die Unterschiede zwischen dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents und dem vorgelegten Stand der Technik sieht, d. h. inwiefern sie den Ausführungen der einen oder anderen Partei folgen kann. Ferner ist zu berücksichtigen, daß vorläufig gegebene Meinungen nicht bindend sind und es häufig vorkommt, daß das entscheidende Organ seine vorläufige Meinung infolge des Vortrags der Parteien während einer mündlichen Verhandlung ändert.

Die Kammer sieht daher im Verhalten der Einspruchsabteilung keinerlei Anzeichen eines wesentlichen Verfahrensfehlers, der nach Regel 67 EPÜ eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigen könnte.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage der folgenden Dokumente aufrechtzuerhalten:

a) Ansprüche 1 bis 5, wie erteilt;

b) Beschreibung, Seiten 2 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung;

c) Zeichnungen, Seiten 10 bis 12, wie erteilt.

3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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