T 1000/99 () of 15.10.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T100099.20021015
Datum der Entscheidung: 15 October 2002
Aktenzeichen: T 1000/99
Anmeldenummer: 93903154.8
IPC-Klasse: D04B 1/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Gestrick
Name des Anmelders: WEIHERMÜLLER & VOIGTMANN GMBH & CO KG
Name des Einsprechenden: COGNON-MORIN S.A.
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die am 24. August 1999 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 0 626 020 am 19. Oktober 1999 Beschwerde eingelegt und am gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 23. Dezember 1999 eingereicht.

Anspruch 1 des erteilten Patents lautet wie folgt:

"1. Mehrschichtiges hochelastisches Gestrick für medizinische Strümpfe, Strumpfhosen, Zwickel, Damenfeinstrümpfe oder ähnliches, wobei die hautnahe innere Schicht (18) eine geringere Feuchtigkeitsaufnahmefähigkeit als die weiter außen liegende Schicht (19, 20) aufweist und die weiter außen liegende Schicht (19, 20) aus einem Faden aus vielkapillarigem Material besteht, dadurch gekennzeichnet, daß die Ware aus elastischen oder elastomeren Garnen rundgestrickt ist, deren Anzahl der Einzelfilamente in der weiter außen liegenden Schicht (19, 20) in etwa gleich oder größer als die Zahl der Garnstärke in dtex ist, wobei eine Schicht mit flottliegenden Fäden (14) als weitere, oben erwähnte hautnahe innere Schicht fungiert."

II. Der Einspruch richtete sich gegen das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) in Verbindung mit den Artikeln 52 (1) und 56 EPÜ.

Die Einspruchsabteilung kam zu dem Ergebnis, daß die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung eines Anti-Thrombose-Strumpfes "Sirlex-Radiante" durch die Einsprechende mangels erfindungswesentlicher Merkmale nicht relevant und andererseits nicht hinreichend substantiiert gewesen sei, und daß das europäische Patent den Erfordernissen der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ genüge, insbesondere in Anbetracht des aus den Dokumenten

D1: US-A-3 250 095;

D3: I. Heidenreich, H. Ninow: "Microfasern - Modewelle oder Standard von morgen?", Melliand Textilberichte 12/1991, Seiten 971 - 977;

bekannten Standes der Technik.

III. Am 15. Oktober 2002 wurde mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 626 020.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Zur Begründung ihres Antrags hat sich die Beschwerdeführerin weiterhin auf die offenkundige Vorbenutzung eines Anti-Thrombose-Strumpfes "Sirlex- Radiante" berufen und zwar gestützt auf folgende im Einspruchsverfahren eingereichte Dokumente:

A1: Packung mit zwei Anti-Thrombose-Strümpfen "Sirlex-Radiante" und Beipackzettel;

A2: Rechnungen vom 24/01/92;

A3: Protokoll der Prüfbescheinigung Nr. 3796/86 des "Institut Textile de France";

A4: Datenblatt eines Strumpfes mit der Bezeichnung 222;

A5: "Dictionnaire des termes normalisés", afnor, 1988, Seiten 47, 48;

A6: Prospekt "Les Fils 'Maille' de Rhône-Poulenc Fibres";

A7: Prospekt "Tactel Micro";

sowie folgende weitere Dokumente:

A8: Eignungszeugnis Nr. 1127/04/92 und Prüfbescheinigung von ASQUAL für Strümpfe Radiante mit der Bezeichnung 222;

A9: Erklärungen bezüglich eines Antrags auf Eignungszeugnis;

A10: Technisches Bezugssystem von ASQUAL.

Ferner hat sie folgendes vorgetragen:

Dem Muster und der Packung eines "Sirlex-Radiante" Strumpfes (A1) sowie den Dokumenten A3 und A8 sei direkt entnehmbar, daß das offenkundig vorbenutzte Objekt ein mehrschichtiges hochelastisches Gestrick sei, bei dem die hautnahe innere Schicht eine geringere Feuchtigkeitsaufnahmefähigkeit als die weiter außen liegende Schicht aufweise, daß die weiter außen liegende Schicht aus einem Faden aus vielkapillarigem Material (Polyamid) bestehe, daß die hautnahe innere Schicht im wesentlichen durch einen Gummifaden (Elastan) gebildet sei und daß die Ware rundgestrickt sei. Die einfache Untersuchung des Musters mit bloßem Auge lasse erkennen, daß die Fäden der inneren Schicht ungebunden im Gestrick, d. h. flottliegend seien. Tatsächlich bezeichne der Begriff "flottliegend" einen ganz oder teilweise ungebundenen Faden, unabhängig davon, wie er im Gestrick gehalten werde.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von diesem Strumpf lediglich dadurch, daß die Anzahl der Einzelfilamente der elastischen oder elastomeren Garne in der weiter außen liegenden Schicht in etwa gleich oder größer als die Zahl der Garnstärke in dtex sei. Da dieses Merkmal bekanntlich bei Microfasern immer erfüllt sei, und die Verwendung von Microfasern zur Verbesserung des Transports der Feuchtigkeit von der Innenseite des Gestricks zu dessen Außenseite durch D3 nahegelegt werde, gelange der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1.

V. Die Beschwerdegegnerin trug vor, daß beim "Sirlex-Radiante" Strumpf kein flottliegender Faden, sondern ein Schußfaden vorhanden sei. Im Gegensatz zu einem flottliegenden Faden sei der Schußfaden kein maschenbildender Faden, sondern eine in Maschenreihenrichtung gerade verlaufende Fadenstrecke, welche an keiner Stelle zu einer Masche abgebunden sei und nicht dem Kern des angefochtenen Patents entspreche.

Durch die Merkmale des Anspruchs 1 werde in überraschend einfacher Weise ein Gestrick geschaffen, das bei Aufrechterhaltung der vollen Elastizität einen klar verbesserten Transport der Feuchtigkeit des Körpers von der Innenseite des Gestricks zu dessen Außenseite ermögliche, und dies ohne die nachteiligen Eigenschaften in der Optik und im Tragekomfort wie sie bisher bei den bekannten Mehrschicht-Produkten unvermeidlich erschienen.

Im Beschwerdeverfahren hat sie sich außerdem auf das Dokument

P3: D. Tollkühn: "Flachstrich-Lexikon", Seiten 105 und 279

berufen, das ihre Position untermaure.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

Der Einspruch stützte sich auf Artikel 100 a) EPÜ, wobei nur die erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) angegriffen wurde. Die Neuheit ist deshalb nicht Gegenstand des Verfahrens.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Unterstellt, die behauptete Vorbenutzung eines Strumpfes "Sirlex-Radiante" war offenkundig, weist dieser Stand der Technik folgende Merkmale auf:

- ein Gestrick, welches aus einer Schicht aus einem Faden aus vielkapillarigem Material (Polyamide) besteht und rundgestrickt ist (siehe A8, A3);

- ein in Maschenreihenrichtung verlaufender elastische Faden (hauptsächlich Elastan, siehe A1 und A3), der nicht zu Maschen geformt wird und selbst keine Bindungselemente bildet, sondern von den Maschen des Gestricks gehalten wird (siehe A1).

In Übereinstimmung mit der Auffassung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung (Seite 4, letzter Absatz) ist die Kammer, unter Berücksichtigung der allgemein üblichen Bedeutung des Ausdrucks "Flottung", wie sie in dem Fachbuch P3 dargelegt wird, zu der Überzeugung gelangt, daß ein flottliegender Faden eine ungebundene Fadenstrecke zwischen Maschen ist, die von diesem Faden gebildet wird. Diese Auslegung steht in Übereinstimmung mit der Offenbarung der Patentschrift (siehe Spalte 3, Zeilen 18 bis 21), wonach der flottliegende Faden von Nadeln erfaßt wird und somit Maschen bildet. Im übrigen stellt die Kammer fest, daß die in diesem Fall beweispflichtige Beschwerdeführerin keine Beweismittel vorgelegt hat, die ihre Behauptung belegen könnten, daß der Begriff "flottliegend" einen ganz oder teilweise ungebundenen Faden bezeichnet, unabhängig davon, wie er im Gestrick gehalten wird.

Da der obengenannte elastische Faden des "Sirlex-Radiante" Strumpfes keine Maschen bildet, kann er nicht als flottliegender Faden bezeichnet werden.

Selbst unter der Annahme, daß der "Sirlex-Radiante"- Strumpf offenkundig vorbenutzt wurde, kann er folglich die Patentfähigkeit der beanspruchten Erfindung nicht in Frage stellen, da er aus einem Gestrick von grundsätzlich unterschiedlichem Aufbau besteht. Der behaupteten Vorbenutzung brauchte daher nicht weiter nachgegangen werden.

3.2. Der nächstliegende Stand der Technik ist, wie auch schon die Einspruchsabteilung festgestellt hat, in D1 offenbart. Diese Entgegenhaltung betrifft nämlich ein Gestrick, das aus mehreren gestrickten Schichten besteht, also ein mehrschichtiges Gestrick darstellt. Außerdem zielt die D1, wie auch der angegriffene Patengegenstand (siehe Patentschrift, Spalte 1, Zeilen 50 bis 56), darauf ab, die Feuchtigkeit des Körpers von der Innenseite des Gestricks zu dessen Außenseite zu transportieren (siehe D1, insbesondere Spalte 1, Zeilen 9 bis 12, 49 bis 51).

D1 offenbart somit ein Gestrick gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1, wobei dieses Gestrick zusätzlich gemäß dem ersten Merkmal im kennzeichnenden Teil aus elastischen oder elastomeren Garnen rundgestrickt ist (siehe Spalte 2, Zeilen 33 bis 36).

Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt dem Patent die Aufgabe zugrunde (siehe Patentschrift, Spalte 1, Zeilen 50 bis 56), ein Gestrick für Kompressionsstrümpfe, Stützstrümpfe oder Damenfeinstrümpfe bzw. entsprechende Hosen zu schaffen, das einen verbesserten Transport der Feuchtigkeit des Körpers von der Innenseite des Gestricks zu dessen Aussenseite ermöglicht.

Gelöst wird dieses technische Problem durch ein Gestrick mit den Merkmalen des Anspruchs 1.

3.3. D1 offenbart eine plattierte Ware, bei der hydrophobe Garne (14) auf der eine Seite und hydrophile Garne (15) auf der anderen Seite der Ware liegen (siehe Spalte 2, Zeilen 53 bis 58). Elastische Garne (16) können entweder mit den hydrophilen Garnen (15) zusammengefaßt und zu einem Bündel gefacht oder in die Ware eingelegt werden.

D3 offenbart die Rolle von Micro-Filamentgarnen als Funktionsschicht für den Feuchtetransport in Zwei-Schicht-Strickwaren.

Eine hautnahe Schicht mit flottliegenden Fäden ist aber aus dem vorliegenden Stand der Technik (einschließlich des "Sirlex-Radiante" Strumpfes) nicht bekannt.

Darüber hinaus sind im Stand der Technik keine Hinweise zu finden, daß die Anbringung von flottliegenden Fäden in die hautnahe Schicht zur Lösung der gestellten Aufgabe beitragen könnte, so daß der Fachmann daraus keinen Anstoß in Richtung der Erfindung erhalten konnte.

Weiterhin kann das Gestrick nach der Erfindung in vorteilhafter Weise als einschichtiges Gestrick hergestellt werden und verhält sich aufgrund seiner besonderen Konstruktion dennoch ähnlich wie ein zweischichtiges Gestrick, dessen Herstellung wesentlich aufwendiger ist und eine Rundstrickmaschine mit zwei Zylindern erfordert.

3.4. Die Kammer kommt somit zu dem Schluß, daß der entgegengehaltene Stand der Technik den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahelegt (Artikel 56 EPÜ). Dasselbe gilt für die davon abhängigen Ansprüche 2 bis 7.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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