T 0986/99 () of 27.11.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T098699.20031127
Datum der Entscheidung: 27 November 2003
Aktenzeichen: T 0986/99
Anmeldenummer: 93114133.7
IPC-Klasse: G10K 11/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Thermisch und akustisch isolierende Verbundbaukörper sowie Verfahren zu dessen Herstellung und Verwendung desselben
Name des Anmelders: FAIST Automotive GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: HP - Chemie Pelzer Research and Development Ltd.
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 5. Oktober 1999 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr eingelegte Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 5. August 1999 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen. Die Beschwerdebegründung wurde am 8. Dezember 1999 eingereicht.

II. Der Einspruch stützte sich auf die Gründe der Artikel 100 a), 100 b) und 100 c) EPÜ, wobei ersterer in Bezug auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Artikel 52 (1), 54. (1) und (2) und 56 EPÜ) substantiiert wurde.

III. Die Parteien wurden auf ihren Antrag zu einer mündlichen Verhandlung geladen, die am 27. November 2003 stattfand.

In der Verhandlung ersetzte die Beschwerdeführerin alle vorherigen Anträge durch einen einzigen Antrag auf der Basis der erteilten Verfahrensansprüche 7 bis 11.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentansprüchen 1 bis 5. Die Diskussion dieses Antrages beschränkte sich auf die Frage der Erfüllung des Erfordernisses des Artikels 123 (2) EPÜ.

V. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VI. Anspruch 1 des geltenden Antrags lautet wie folgt :

"1. Verfahren zur Herstellung eines Schaumstoffkörpers (8), bei dem das Pulver (9), das Aluminium oder eine Aluminiumlegierung aufweist, mit einem Pulver (10) eines Treibmittels im Verhältnis zwischen 10:1 und 1000:1 (Al-Pulver zu Treibmittelpulver) zu einer im wesentlichen homogen verteilten Mischung gemischt und durch Pressen unter einem Druck zwischen 10 und 500 MPa zu dem Werkstück (7) kompaktiert und danach durch Erwärmen zwischen 400 und 900° C zu einem Schaumstoffkörper (8) mit offenen Zellen mindestens an einer Seite aufgeschäumt wird,

dadurch gekennzeichnet,

daß das Aluminium oder die Aluminiumlegierung aufweisende Pulver (9) und das Treibmittelpulver (10) mit pulverförmigem Aluminiumoxid (11), dieses in einem Anteil von bis zu 30% an der Gesamtpulvermischung, gemischt und das Erwärmen derart gesteuert werden, daß sich eine durchschnittliche Porosität zwischen 60 und 90% des thermisch und akustisch isolierenden Schaumstoffkörpers (8) ergibt."

Die Ansprüche 2 bis 5 sind von Anspruch 1 abhängig.

VII. Die Beschwerdeführerin stützte ihren Antrag im wesentlichen auf die folgenden Argumente :

Der Gegenstand des neuen Anspruchs 1 entspreche demjenigen des erteilten Anspruchs 7. Die an diesem Anspruch vorgenommenen Änderungen beträfen im wesentlichen eine Konkretisierung im Kennzeichen, daß die dritte Pulverkomponente aus Aluminiumoxid besteht. Soweit der Anspruch das Einstellen des gewünschten Porositätsbereichs mittels einer Steuerung durch das Erwärmen betreffe, so sei der beanspruchte Bereich in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbart. In Spalte 6, Zeilen 29-34 sei darüber hinaus als konkretes Beispiel eine durchschnittliche Porosität von 80% als Ergebnis einer Erwärmung auf 750°C genannt. Im Übrigen sei festzustellen, daß sich die beanspruchte Lehre an den mit Schaumstoffen und ihrer Herstellung vertrauten Durchschnittsfachmann wende, der wisse, wie er etwa durch die Wahl eines Treibmittels in geeigneter Menge oder eben der Umstände der Erwärmung eine gewünschte Porosität einstellen könne. Sollte die Kammer wider Erwarten anderer Auffassung in dieser Frage sein, so werde hierzu das Einholen eines Sachverständigengutachtens beantragt. Die vorliegenden Ansprüche erfüllten daher das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ.

VIII. Der Vortrag der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefaßt werden :

Der Anspruch 1 enthalte Definitionen, die in mehrfacher Hinsicht Sachverhalte umfassten, welche den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen nicht zu entnehmen seien. So habe z. B. die beanspruchte Maßnahme des Steuerns der Porosität des Schaumstoffkörpers durch das Erwärmen keine Offenbarungsbasis. Der Antrag verletze daher die Vorschrift des Artikels 123 (2) EPÜ.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ und ist damit zulässig.

2. Erfordernis des Artikels 123 (2)

2.1. Der geltende Anspruch 1 enthält unter anderem die Maßnahme "... und das Erwärmen derart gesteuert werden, daß sich eine durchschnittliche Porosität zwischen 60 und 90% des thermisch und akustisch isolierenden Schaumstoffkörpers (8) ergibt."

2.2. Umfang der ursprünglichen Offenbarung

Der vorliegende Anspruch 1 umfaßt alle Merkmale der ursprünglich eingereichten Verfahrensansprüche 9 und 11. In keinem der ursprünglich eingereichten Verfahrensansprüche findet sich jedoch eine Angabe bzgl. eines gewünschten Porositätsbereiches. Darüber hinaus enthalten die ursprünglichen Verfahrensansprüche keinen Hinweis darauf, daß die Porosität durch eine Steuerung des Erwärmungsvorganges eingestellt würde.

Der beanspruchte Porositätsbereich zwischen 60 und 90% findet sich in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nur im Vorrichtungsanspruch 5 als ein einen Schaumstoffkörper charakterisierendes Merkmal.

Was die Beschreibung anbetrifft, so wird an keiner Stelle einen irgendwie gearteter Porositätsbereich erwähnt. Einzig in der Angabe "Bei diesem Beispiel reicht zum Erwärmen eine Temperatur von 750°C aus, um einen Schaumstoffkörper 8 mit einer durchschnittlichen Porosität von etwa 80% und einer durchschnittlichen Zellengröße von etwa 0,8 mm zu bilden." in Spalte 6, Zeilen 29-34 der veröffentlichten Anmeldung wird der Begriff "Porosität" erwähnt und in Verbindung mit einer ganz bestimmten Gesamtpulvermischung ein konkreter Wert dieser Größe genannt. Auch findet sich in der Beschreibung keinerlei Hinweis auf ein Einstellen einer gewünschten Porosität durch Steuern des Erwärmens während des Aufschäumvorgangs.

2.3. Die Beschwerdeführerin argumentiert, daß die Angabe des konkreten Beispiels einer durchschnittlichen Porosität von 80% als Ergebnis einer Erwärmung auf 750°C neben der Offenbarung des gewünschten Bereiches im ursprünglichen Anspruch 5 einen ausreichenden Hinweis auf die beanspruchte Maßnahme darstelle, da der mit der Herstellung von metallischen Schaumstoffkörpern vertraute Fachmann um den Einfluß der Umstände der Erwärmung auf den Grad der Porosität wisse.

Die Beschwerdeführerin behauptet damit, daß die beanspruchte Maßnahme als implizite Lehre aus den Anmeldungsunterlagen hervorginge. Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen. Zwar trifft es zu, daß z. B. die Temperatur, bei der das Aufschäumen erfolgt, die Porosität beeinflußt, doch handelt es sich dabei keineswegs um den einzigen die Porosität bestimmenden Parameter. So nennt Dokument D1 (EP-A-0 460 392; vgl. Spalte 5, Zeile 17 bis Spalte 6, Zeile 33), welches zu derselben Patentfamilie gehört wie das Dokument, welches in Spalte 3, Zeilen 3-5 des vorliegenden Patents als ein geeignetes Herstellungsverfahren beschreibendes Dokument angeführt ist, als wesentliche Parameter für das Einstellen der Dichte und damit der Porosität des Schaums vor allem Art und Anteil des Treibmittels an der Pulvermischung oder auch die Dauer des Aufschäumvorgangs. Bei dieser Sachlage bedürfte es für die Offenbarung einer Auswahl gerade der Umstände des Erwärmens zum Zwecke des Einstellens einer gewünschten Porosität aus der Vielzahl der diese Eigenschaft bestimmenden Parameter, wie dies die Angabe der beanspruchten Maßnahme gerade im Kennzeichen des Anspruchs suggeriert, eines expliziten Hinweises in den Anmeldungsunterlagen. Davon abgesehen impliziert die Angabe, daß "das Erwärmen derart gesteuert [wird]" im vorliegenden Anspruch 1, daß es der Vorgang des Erwärmens selbst, wie z. B. eine bestimmte Temperaturführung in dem im Oberbegriff des Anspruchs bezeichneten Bereich "durch Erwärmen zwischen 400 und 900°C" oder eine spezielle Wahl der Aufheizgeschwindigkeit, wäre, durch den die Porosität kontrolliert würde. Jedoch finden sich weder in den Anmeldungsunterlagen irgendwelche diesbezüglichen Anhaltspunkte noch steht derartiges im Einklang mit der dem verfügbaren Stand der Technik entnehmbaren Lehre. So bestimmt dem Dokument D1 zufolge die Aufheizgeschwindigkeit zwar die Porengröße nicht jedoch den Grad der Porosität. Damit sind aber die vorgenannten, unter den Anspruchswortlaut fallenden Sachverhalte weder den ursprünglich eingereichten Unterlagen explizit entnehmbar noch können sie dem Grundwissen des von der Beschwerdeführerin definierten Durchschnittsfachmannes zugerechnet werden und somit als implizit offenbart gelten.

2.4. Angesichts der geschilderten eindeutigen Sachlage bedurfte es keiner weiteren Sachaufklärung, wie etwa durch ein von der Beschwerdeführerin beantragtes Sachverständigengutachten.

2.5. Aus den dargelegten Gründen verletzt der vorliegende Anspruch 1 die Bestimmung Artikels 123 (2) EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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