T 0889/99 () of 9.12.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T088999.20031209
Datum der Entscheidung: 09 Dezember 2003
Aktenzeichen: T 0889/99
Anmeldenummer: 92907494.6
IPC-Klasse: C23C 16/40
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verbundkörper, Verwendung des Verbundkörpers und Verfahren zu seiner Herstellung
Name des Anmelders: Widia GmbH
Name des Einsprechenden: Sandvik AB
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
Schlagwörter: Verspätet eingereichte Dokumente (nicht zugelassen)
Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer (Einsprechender) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 0 577 678 in geändertem Umfang aufrecht zu erhalten, Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch des Einsprechenden war das Patent in vollem Umfang im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß es nicht nahe liegend sei, das aus der Entgegenhaltung D1 für Stahlsubstrate bekannte Plasma-CVD-Verfahren auch für Hartmetalle oder Cermets zu verwenden. Die Auswahl der Verfahrensparameter sowie der Substrate hätten einen wesentlichen Einfluß auf die Beschaffenheit der Endprodukte. Die Entgegenhaltung D7 lehre eindeutig nur amorphe Schichten, so daß insbesondere eine Kombination der Entgegenhaltungen D1 und D7 die beanspruchten Gegenstände nicht nahe lege.

II. Die folgenden Dokumente sind im Beschwerdeverfahren in Betracht gezogen worden:

D1 = WO-A-90 06 380

D2 = J. Patscheider "Plasmachemische Abscheidung und Charakterisierung von Hartstoffschichten aus Aluminium-Oxid und Titannitrid", 1989, Seiten 4-7 und Seiten 66-73

D7 = DE-A-3 234 943

III. Am 9. Dezember 2003 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

a) Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

b) Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent im Umfang der Ansprüche 1 bis 10 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 1999 gemäß der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung aufrecht zu erhalten. Hilfsweise wurde beantragt, das Patent nur im Umfang der Ansprüche 1 bis 9 der Zwischenentscheidung aufrecht zu erhalten.

IV. Die der Zwischenentscheidung zugrunde liegenden unabhängigen Ansprüche 1, 9 und 10 lauten wie folgt:

"1. Verbundkörper, bestehend aus einem Hartmetall- oder Cermet-Substratkörper und einer oder mehreren Oberflächenschichten, von denen mindestens eine, vorzugsweise die äußere, aus Alpha-Al2O3 besteht, die eine feinkristalline Struktur aufweist bzw. aufweisen, deren durch die Halbwertbreiten der mit CuKAlpha- Röntgenstrahlung gemessenen Beugungslinien eine mindestens dreimal so große Halbwertsbreite als die eines pulverförmigen Kompaktkörpers aus Alpha-Al2O3 oder einer mit einem CVD-Verfahren bei 1000 bis 1100°C aufgetragenen Alpha-Al2O3-Schicht aufweisen und die bei Substrattemperaturen von 400 bis 750°C mittels des Plasma- CVD-Verfahrens aufgetragen worden ist, wobei die Plasmaaktivierung an dem als Kathode geschalteten Substratkörper mit einer gepulsten Gleichspannung herbeigeführt worden ist."

"9. Verwendung des Verbundkörpers nach einem der Ansprüche 1 bis 8 als Schneidwerkstoff zur spanenden Bearbeitung, als Hochtemperaturwerkstoff, vorzugsweise in Brennkammern, oder als verschleißfester Werkstoff für aneinander reibende Teile, insbesondere Nockenwellen, oder als Stranggußwerkzeug oder Druckgußform."

"10. Verfahren zur Herstellung einer Oberflächenbeschichtung aus Alpha-Al2O3 auf einem Hartmetall- oder Cermet-Substratkörper und mindestens einer hierauf abgeschiedenen Hartstoffschicht, dadurch gekennzeichnet, dass die Alpha-Al2O3-Beschichtung bei Substrattemperaturen von 400 bis 750°C mittels des Plasma- CVD-Verfahrens durchgeführt wird, wobei die Plasmaaktivierung an dem als Kathode geschalteten Substratkörper mit einer gepulsten Gleichspannung herbeigeführt wird."

V. Der Beschwerdeführer hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Dokument D1 stellt den nächstkommenden Stand der Technik dar, der die Plasma-CVD-Beschichtung metallischer Grundkörper mit nicht leitendem Beschichtungsmaterial offenbart. Das CVD-Beschichten von Hartmetallen ist bekannt und das Aluminiumoxid liegt meistens als Alpha- Al2O3 vor (vgl. Seite 1, letzter Absatz). Da Dokument D1 neben dem gepulsten Gleichspannungsplasma auch alle Verfahrensparameter offenbart (vgl. Schreiben vom 06.11.03, Seite 8, Parametertabelle) und sich der Temperaturbereich mit jenem gemäß Anspruch 10 weitgehend überlappt, liegt der Unterschied lediglich im Stahlsubstrat gemäß D1 bzw. den Hartmetallen und Cermets gemäß Streitpatent, das aber ursprünglich auch Stahlsubstrate umfaßte (vgl. Patent, Seite 4, Zeilen 32 bis 28), so daß zwangsläufig die Alpha-Al2O3-Schicht erhalten werden muß. Diese Zwangsläufigkeit mußte nicht durch eigene Experimente belegt werden, da den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (= WO-A-92-17623) des Streitpatents gutachtlich zu entnehmen ist, daß das beanspruchte Plasma-CVD-Verfahren zur Abscheidung von Aluminiumoxid auch auf Stahlsubstraten zu einer feinkörnigen Alpha-Al2O3-Schicht führt (vgl. WO-A-92- 17623, Seite 14, zweiter und dritter Absatz; Figuren 5 bis 6). Da Hartmetalle aber schon in D1 genannt sind, ist es für den Fachmann nahe liegend, diese Alpha-Al2O3- Schicht auch darauf abzuscheiden. Die unmittelbaren Substrate, sowohl bei Dokument D1 als auch beim Streitpatent, wären die identischen Zwischenschichten von z. B. TiN oder TiC, so daß die Substrat-Diskussion eine Scheindiskussion darstellt. Dokument D1 nennt im übrigen auch Oxide als Zwischenschichten (vgl. Seite 5).

Der Verbundkörper gemäß Anspruch 1 wird mit dem Verfahren gemäß Anspruch 10 erhalten, so daß das zusätzliche Merkmal der feinkristallinen Struktur, das über die Halbwertsbreite der Röntgenbeugung definiert ist, ebenfalls zwangsläufig erhalten werde. Eine Verbreiterung der Linienbreite ergibt sich ebenfalls zwangsläufig, wobei dieser Verbreiterung feinere Kristalle entsprechen. Die Abscheidung bei niedrigerer Temperatur im Vergleich zur klassischen CVD-Abscheidung resultiert auch in geringeren Zugspannungen bzw. Druckspannungen, die ebenfalls für breitere Beugungslinien sorgen. Das Streitpatent offenbart keine weiteren Parameter wie z. B. die Gasgeschwindigkeit oder den Volumenstrom des Gases und auch das Gasgemischsystem ist nicht auf das des Beispiels begrenzt. Das Gassystem AlCl3/CO2/H2 ist das Standardsystem (vgl. D2, Seite 4, unten). Das Dokument D7 offenbart dem Fachmann, daß die Festigkeit umgekehrt proportional der Korngröße ist, wobei bei niedriger Temperatur kleinere Korngrößen erhalten werden können (vgl. D7, Seite 5, letzter Absatz). Der Faktor 3 der Linienbreite ist zwar nicht im Stand der Technik offenbart, er ist aber auch nicht als kritisch erkennbar und stellt sich im übrigen auch zwangsläufig ein (vgl. Anmeldung WO-A-92-17623, Figur 6). Daher beruhen weder das Verfahren gemäß Anspruch 10 noch das Produkt gemäß Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VI. Der Beschwerdegegner hat in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Gemäß dem Verfahren nach Anspruch 10 wird zwangsläufig eine Alpha-Al2O3-Schicht auf dem Hartmetall und Cermet Substrat erhalten. Gemäß Dokument D1 wird bei bestimmten Substrattemperaturen und Verfahrensbedingungen aber auf einem anderen Substratkörper eine nicht spezifizierte Aluminiumoxidschicht aufgebracht, während gemäß Streitpatent eine Alpha-Al2O3-Schicht erhalten wird. Viele Modifikationen des Aluminiumoxids sind bekannt, Dokument D2 nennt z. B. Gamma-Al2O3 oder amorphes Al2O3. Es ist nicht eindeutig, daß Alpha-Al2O3 erhalten werden würde, der Fachmann hätte aufgrund von D2 eher Gamma- Al2O3 oder amorphes Al2O3 erwartet. Auf einem metallischen Substratkörper wie z. B. Stahl erhält man eine amorphe Schicht, da die Keimbildung, die dafür wesentlich ist, auf hoch-Fe-haltigen Substraten ganz anders ist. Gemäß Dokument D7 wurden amorphe Schichten erhalten, obwohl gemäß dem Beschwerdeführer Alpha-Al2O3 erhalten werden müßte. Es war daher überraschend, daß auf Hartmetallen und Cermets Alpha-Al2O3-Schichten erhalten wurden. Auf Zwischenschichten wie TiN oder TiC werden in Übereinstimmung mit Dokument D7 amorphe Schichten erhalten (vgl. D7, Ansprüche 3 und 8). Folglich ist es nicht zwangsläufig, daß Alpha-Al2O3 erhalten werde.

Der Verbundkörper gemäß Anspruch 1 wird zwar mittels des Verfahrens gemäß Anspruch 10 erhalten, das Merkmal der Linienbreite wird aber nicht zwangsläufig erhalten. Dokument D2 zeigt nur eine Gamma-Verbreiterung, aber keine dreifache, die sich aber erst nach einem weiteren Erhitzungsschritt in Luft erkennbar macht. Gemäß Anspruch 1 besteht die Schicht aus reinem Alpha-Al2O3 und die Zwangsläufigkeit stellt sich nicht beim Stand der Technik bei Stahl ein. Es sind weitere Parameter notwendig, wie z. B. die Gasgeschwindigkeit oder der Volumenstrom der Gase, welche die Keimbildung und damit die resultierende Al2O3-Modifikation beeinflussen. Das Streitpatent hat ursprünglich auch nanokristallines und amorphes Al2O3 umfaßt (vgl. erteilten Anspruch 5). Die zitierte Passage aus D7 führt den Fachmann dazu, amorphes Al2O3 und nicht besonders feinkristallines Alpha-Al2O3 abzuscheiden, da damit die Korngrößen im extrem so klein werden, daß sie sogar verschwinden. Das Verfahren gemäß Anspruch 10 und das Produkt gemäß Anspruch 1 beruhen daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

Zulässigkeit der verspätet eingereichten Dokumente D10 bis D11

1. Die Kammer stimmt mit dem Beschwerdegegner überein, daß die erstmals im Beschwerdeverfahren eingereichten Dokumente D10 und D11, welche lediglich die Abscheidung von TiN mittels Plasma-CVD betreffen, nicht relevanter sind, als die bereits im Verfahren befindlichen Dokumente. Die Kammer entscheidet daher unter Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 114 (2) EPÜ, die Dokumente D10 und D11 als prima facie nicht relevant im Verfahren nicht weiter zu berücksichtigen.

Änderungen (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ)

2. Die Zulässigkeit der geänderten Ansprüche 1 bis 10 gemäß der Zwischenentscheidung (Artikel 123 EPÜ) wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten (vgl. Zwischenentscheidung, Punkt II der Entscheidungsgründe).

Durch die Streichung der ursprünglich in den Ansprüchen 1. und 10 (= erteilte Ansprüche 1 und 11, welche auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 und 11 basieren) alternativ genannten Substratkörper "aus einer Nickel- oder Kobaltbasislegierung" wurde weder gegen die Offenbarung der ursprünglichen Anmeldung verstoßen, noch wurde der Schutzbereich dieser Ansprüche 1 und 10 gegenüber der erteilten Fassung erweitert. Die Erfordernisse von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ sind somit erfüllt.

Neuheit

3. Die Neuheit gegenüber Dokument D1 wurde vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung in Analogie zum Einspruchverfahren nicht mehr bestritten (vgl. Zwischenentscheidung, Punkt III der Entscheidungsgründe). Da das Dokument D1 im Zusammenhang mit der mittels des Plasma-CVD- Verfahrens erhaltenen Al2O3-Abscheidung kein Substrat aus einem Hartmetall oder einem Cermet offenbart, ist die Neuheit eindeutig gegeben.

4. Alle anderen zitierten Dokumente sind weniger relevant als das Dokument D1.

5. Die Kammer befindet daher, daß die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1, 9 und 10 neu gegenüber den eingereichten Dokumenten sind.

Erfinderische Tätigkeit

Hauptantrag

6. Nächster Stand der Technik

Die Entgegenhaltung D1 wird unbestritten als nächstkommender Stand der Technik erachtet. Sie offenbart ein Plasma-CVD-Verfahren mit einer gepulsten Gleichspannungsentladung zum Herstellen von nicht leitenden Schichten und insbesondere Al2O3-Schichten auf metallischen Substraten, insbesondere Stahl bei Temperaturen zwischen 400 und 800°C, vorzugsweise zwischen 400 und 600°C mit Spannungen im Bereich von 200 bis 900 Volt (vgl. Seite 2, dritter Absatz; Seite 3, zweiter Absatz; Seite 4, erster Absatz; Seite 5, erster Absatz; Ansprüche 1 bis 8). Gemäß der Entgegenhaltung D1 gehört die Beschichtung von Hartmetallen mit Alpha-Al2O3- Schichten bei hohen Temperaturen mittels CVD-Verfahrens zum Stand der Technik (vgl. Seite 1, letzter Absatz).

7. Obwohl das Dokument D1 keinerlei Aussage über die Art der auf einem Stahlsubstrat mittels des beschriebenen Plasma-CVD- Verfahrens abgeschiedenen Al2O3-Schicht macht, kommt die Kammer aufgrund der vom Beschwerdegegner in der mündlichen Verhandlung gemachten Aussagen zum Schluß, daß eine Alpha- Al2O3-Schicht erhalten wird.

Auf Befragung durch die Kammer wurde von der Beschwerdegegnerin dargelegt, daß man, wenn man das Verfahren mit nur den Merkmalen von Verfahrensanspruch 10. ausführt, zwangsläufig immer eine Alpha-Al2O3-Schicht auf den spezifizierten Substraten (d. h. Hartmetall und Cermet) im gesamten Temperaturbereich erhält.

Des weiteren wurde von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, daß bei der Beschichtung von Stahlsubstraten nur amorphe Al2O3-Schichten erhalten würden. Diese Aussage steht aber im Widerspruch zu der gutachtlichen Offenbarung der PCT-Anmeldung des Streitpatents (WO-A-92-17623), das in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen eine Alternative mit Substratkörpern aus Stahl bzw. Nickel- und Kobaltbasislegierungen umfaßte. Nach dieser PCT- Anmeldung wurde direkt auf einem Stahlsubstrat eine feinkörnige Alpha-Al2O3-Schicht mittels des gepulsten Gleichspannungsplasma-CVD-Verfahrens erhalten (vgl. WO-A- 92-17623, Seite 14, zweiter Absatz, Figur 5).

Aufgrund der Tatsache, daß tatsächlich eine Alpha-Al2O3- Schicht auf Stahl erhalten wurde, können die Argumente der Beschwerdegegnerin betreffend einer anderen Keimbildung auf hoch Fe-haltigen Substraten (wie Stahl), die zu einer amorphen Schicht führen würde, von der Kammer nicht akzeptiert werden. Ebenso können die Argumente der Beschwerdegegnerin betreffend die Dokumente D2 und D7, wonach bei der Plasma-CVD- Abscheidung nur amorphe oder Gamma-Al2O3-Schichten erhalten werden, wodurch der Fachmann keine Alpha-Al2O3- Schicht auf einem Stahlsubstrat erwarten würde, von der Kammer nicht akzeptiert werden. Das gleiche gilt für die Argumente betreffend einen überraschenden Erhalt einer derartigen Alpha-Al2O3-Schicht.

Das Verfahren gemäß Anspruch 10 unterscheidet sich somit vom Verfahren gemäß Dokument D1 lediglich dadurch, daß diese Alpha-Al2O3-Schicht auf einem Hartmetall- oder Cermet-Substrat abgeschieden wird.

8. Aufgabe

Die Kammer ist daher der Ansicht, daß die Aufgabenstellung für den Fachmann, ausgehend von Dokument D1, darin besteht, andere Substrate mit einer Alpha-Al2O3-Schicht mittels des Plasma-CVD-Verfahrens gemäß D1 zu versehen, die als Schneidwerkstoff geeignet sind.

9. Lösung der Aufgabe

Diese Aufgabe wird gemäß Anspruch 10 dadurch gelöst, daß die Alpha-Al2O3-Schicht auf einem Hartmetall- oder Cermet-Substrat abgeschieden wird.

10. Diese Lösung wird durch die Offenbarung des Dokuments D1 aus folgenden Gründen nahe gelegt:

Der Beschwerdeführer argumentiert zu Recht, daß das Dokument D1 bei der Beschreibung des Standes der Technik Schneidwerkzeuge offenbare, welche auf einem Hartmetallsubstrat eine mittels herkömmlichen CVD aufgebrachte Al2O3-Schicht aufwiesen, wobei meist die Alpha-Al2O3-Struktur vorliege (vgl. Seite 1, letzter Absatz).

Die Kammer ist deshalb überzeugt, daß der Fachmann daher zumindest für Versuchszwecke ernsthaft in Erwägung ziehen wird, auch derartige Hartmetall-Substrate gemäß dem Plasma-CVD-Verfahren nach Dokument D1 mit einer Alpha-Al2O3-Schicht zu versehen, da solche Verbundkörper als Schneidwerkzeuge bekannt sind.

Damit erhält der Fachmann aber zwangsläufig ein Verfahren, das alle Merkmale von Anspruch 10 aufweist. Dem Gegenstand von Verfahrensanspruch 10 des Hauptantrages mangelt es daher an der notwendigen erfinderischen Tätigkeit. Der Hauptantrag des Beschwerdegegners ist daher nicht gewährbar.

Hilfsantrag

11. Der unabhängige Produktanspruch 1 unterscheidet sich von dem mittels dem Verfahren gemäß Anspruch 10 erhältlichen Produkt durch das zusätzliche Merkmal, wonach die aus Alpha-Al2O3 bestehende Beschichtung eine feinkristalline Struktur aufweist, deren durch die Halbwertbreiten der mit CuKAlpha-Röntgenstrahlung gemessenen Beugungslinien eine mindestens dreimal so große Halbwertsbreite als die eines pulverförmigen Kompaktkörpers aus Alpha-Al2O3 oder einer mit einem CVD-Verfahren bei 1000 bis 1100°C aufgetragenen Alpha-Al2O3- Schicht aufweisen.

12. Der Beschwerdeführer argumentiert, daß der Verbundkörper gemäß Anspruch 1 mit dem Verfahren gemäß Anspruch 10 erhalten werde, so daß das zusätzliche Merkmal der feinkristallinen Struktur, das über die Halbwertsbreite der Röntgenbeugung definiert sei, ebenfalls zwangsläufig erhalten werde. Eine Verbreiterung der Linienbreite ergebe sich ebenfalls zwangsläufig, wobei dieser Verbreiterung feinere Kristalle entsprächen. Die Abscheidung bei niedrigerer Temperatur im Vergleich zur klassischen CVD-Abscheidung resultiere auch in geringeren Zugspannungen bzw. Druckspannungen, die ebenfalls für breitere Beugungslinien sorgten. Der Faktor 3 der Linienbreite sei zwar nicht im Stand der Technik offenbart, er sei aber auch nicht als kritisch erkennbar und stelle sich im übrigen auch zwangsläufig ein, da die Verfahrensmerkmale des "product-by-process"-Anspruchs 1 identisch mit jenen von Verfahrensanspruch 10 seien (vgl. WO-A-92-17623, Seite 14, dritter Absatz; Figur 6).

Die Beschwerdegegnerin argumentiert, daß viele Parameter, die dem Fachmann geläufig seien, sowohl die Modifikation als auch die Feinkristallinität beeinflußten. So beinhalte der erteilte Anspruch 5 auch nanokristallines und amorphes Al2O3, und andere Parameter, wie z. B. die Gasgeschwindigkeit oder der Volumenstrom des Gases, beeinflußten auch die Keimbildung und damit die Abscheidung. Deshalb werde die beanspruchte Linienbreite nicht automatisch erreicht.

Die Kammer stimmt mit dem Beschwerdeführer überein, daß das Streitpatent keine weiteren Parameter offenbart, die notwendig wären, um die beanspruchte feinkristalline Alpha-Al2O3-Schicht gemäß Anspruch 1 zu erhalten, wie dies von der Beschwerdegegnerin behauptet wurde. Im übrigen hatte die Beschwerdegegnerin bestätigt, daß mit dem beanspruchten Verfahren gemäß Anspruch 10 immer eine Alpha-Al2O3-Schicht erhalten wird, so daß sich diese feinkristalline Struktur mit dreifacher Linienbreite aufgrund der "product-by-process" Formulierung von Anspruch 1 zwangsläufig ergeben muß.

Aus dem Streitpatent ist auch nicht ersichtlich, daß bei dem angewandten Verfahren das Gasgemischsystem einen Einfluß auf die Al2O3-Abscheidung hätte, da es nirgends auf das System des Beispiels begrenzt ist. Das verwendete Gassystem AlCl3/CO2/H2 stellt im übrigen das Standardsystem zur Al2O3-Abscheidung mittels CVD dar (vgl. D2, Seite 4, unten), was von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten wurde.

Die Kammer kommt daher zum Schluß, daß auch der Verbundkörper gemäß Anspruch 1 durch das Dokument D1 nahe gelegt wird, da der Fachmann bei Ausübung des Verfahrens nach Anspruch 10, welches durch das Dokument nahe gelegt wird (vgl. Punkt 10), das Produkt zwangsläufig erhält.

13. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Hilfsantrages beinhaltet daher ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Somit ist auch der Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin nicht gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das europäische Patent Nr. 0 577 678 wird widerrufen.

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